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Zehntes Kapitel.
Ein Rückzug – zum Siege

Es war lange nach dem Abendläuten; im Garten am Arauerhofe wandelte eine hohe weibliche Gestalt, von Sorgen beschwert, von Erwartungen erregt, von mancher Wallung der Leidenschaft verwirrt.

Das Dunkel der Nacht verriet die Wandelnde weniger als das Rauschen des Herbstlaubs unter ihren Füßen, bis gegen zehn Uhr der aufgehende Mond die Decke der Wolken durchbrach und für Augenblicke auch die schöne, hohe Gestalt aus dem Dunkel hervortreten ließ.

Luzia Arauer war es, die in später Abendstunde so hin und wieder ging und mit dem wogenden Treiben ihres Gemütes beschäftigt, weder das Dunkel der Nacht unheimlich fand, noch vom Schimmer der Mondes sich belästigt fühlte. Dass ihr für die Außenwelt wenig Muße übrig blieb, dafür war durch die Aufregung ihres Herzens gesorgt, und nur wenn ihre Heftigkeit einer mildern, weichen Sehnsucht wich, verkehrte ihr Sinn auch näher mit den Gegenständen um sie her.

In einer solchen Stimmung war es, wo Luzia endlich stehen blieb und umsah, ob sie nicht beobachtet werde; dann sagte sie leise:

 

Vor mir Tag,
Hinter mir Nacht,
Dass mich niemand sehen mag!

 

Rasch hob sie dann ein Stäbchen vom Boden, warf es in die Äste eines Apfelbaumes und horchte atemlos, ob es wieder herunter falle. Es fiel nicht wieder herunter, und Luzia zuckte freudig zusammen; der Freier, an den sie dachte, musste also in diesem Jahre noch kommen. Geschwinde nahm sie jetzt ihre Zuflucht noch zu einem anderen Aberglauben und sagte:

 

Ihr Tierle bellet ohne Weilen,
Bellet über neun volle Meilen;
Als Zeichen euer Bellen erhebt:
Wo über Land mein Allerliebste lebt!

 

Das Jauchzen eines Burschen weckte jetzt die Wächter der Höfe, und der erste, der sich meldete, bellte in der Richtung nach Mängelheim hin; dies brachte Luzien in freudige Bewegung, dorthin also sollte sie noch kommen, dorthin war ihre Heirat vom Schicksal beschlossen! …

»Es wird spät«, sagte jetzt eine leise Männerstimme im offenen Fenster einer an den Garten stoßenden kleinen Stube, »wenn er nicht bald kommt, so glaub' ich, er ist andern Sinnes geworden!«

»Das wäre schlimm, ich will hoffen, er kommt noch«, erwiderte eine weibliche Stimme ebenso leise: »Käm' der Gotthard heute nicht, es wär' um den Verstand … Seh' nur hin – Geht sie nicht wie eine Breitensteigerin hin und wieder? Sie hat ihren Taubentag heute gehabt, sie würde ihre Rabennacht haben, wenn Gotthard wegbliebe!«

Man hörte wieder ein fernes Jauchzen, und die Hunde bellten heftiger.

»Mir ist, als hätte Gotthard so gejohlt. Gott geb's, dass er kommt«, sagte die weibliche Stimme wieder.

Es war die Base Luziens, welche also sprach.

»Er ist's, er ist's«, sagte Luziens Vater, der sich bei der Base im Stübchen befand: »Schwäherin, mach jetzt, dass Du alles ins Gleiche bringst; das Mädel muss Friede machen oder muss mir aus dem Haus!« Er nahm seinen Hut und machte sich zum Fortgehen fertig.

»Wohin, Schwäher?« fragte die Schwäherin.

Ich muss fort, ich kann mich nicht in der Nähe halten; ich will sehen, wer noch im Adler ist, find' ich niemand dort, so geh' ich im Freien hin und wieder, bis Ihr mit Gotthard eins geworden!«

Er ging.

Das Licht hatte seinen Schimmer durch das Fenster nach dem Garten geworfen und Luzien aus ihrem Sinnen geweckt; sie trat jetzt an das Fenster.

»Ist es schon spät, Base?« fragte sie aufgeregt atmend und sah in der schwankenden Bekämpfung von Nacht und Licht gar wundersam aus.

»Noch ist's nicht zehn, lass uns ruhig bleiben, Kind«, sagte die Base milde; sie besorgte offenbar die Ungeduld Luziens und gar üble Folgen.

»Um zehn Uhr wollte er kommen«, sagte Luzia und wollte sich wieder nach dem Garten wenden; in diesem Augenblick stieg ein Jauchzer ganz nahe in die Luft und Luzia zuckte froh-erschrocken zusammen.

»Er kommt!« sagte sie halblaut durch das Fenster: »Base, lasst das Fenster offen, ich bleibe da, jetzt will ich hören, wie er denkt, auf was er sinnt!«

»Still, still«, erwiderte die Base und ging mit dem Lichte aus der Stube.

Bald darauf wurde der Hofhund unruhig, eine Stimme, die ihm bekannt sein musste, beschwichtigte ihn, und eh' noch eine Minute vorüber war, trat Luziens Base mit Gotthard in die Stube.

So viel das mäßige Licht erkenne ließ, sah Gotthard frisch und munter aus.

Er hatte sich etwas warm gegangen und strich sich einige Male über die Stirne, wodurch er sich von den vorfallenden Haaren befreite und in voller Runde und Kraft erscheinen machte.

»Nochmals Gott zum Gruß, Gotthard, und es ist schön, dass Du kommst«, sagte die Base freundlich und etwas unruhig: »Setz' Dich aber jetzt und ruh'; sag', willst Du essen, willst Du trinken?«

»Nichts, nichts von allem; erlaubt mir nur, dass ich Base zu Euch sage, wie vor Zeiten«, erwiderte Gotthard.

»Wem kann's lieber sein als mit?« sagte der Angeredete, stellte das Licht auf den Tisch und rückte Gotthard einen Stuhl zurecht.

Beide setzten sich einander gegenüber, und Gotthard bemerkte lächelnd und sich in der Stube umsehend:

»Wie lange ist's doch her, dass ich das letzte Mal in dieser Stube war?«

»Gestern war's ein Jahr, Luzia hat es heute erst bemerkt«, erwiderte die Base.

»So dachte sie daran?« sagte Gotthard mit harmlos herzlichem Tone.

»Warum nicht?« rief die Base in sichtlich zutulicher Weise: »Ist jene Zeit doch allen lieb und wert geblieben!«

»Das freut mich, und so kann ich recht als Freund zu Rate sein … Was wollt Ihr nun für Rat? Was habt Ihr mich zu bitten?«

Die Rädlin, so hieß Luziens Base, hüstelte ein wenig, sah vor sich nieder, sah wieder auf und sagte dann:

»Der Sechter wird Dir das Nötigste schon gemeldet haben, Gotthard. Es soll Ernst gemacht werden, Luzia soll heiraten, der Trabert, Dein Nachbar, und der Babinger aus Zapfendorf, sind als Freier im Vorschlag. Den Trabert hast Du gegen Sechter recht gerühmt, Gotthard, vom Babinger wünsch' ich jetzt zu hören, was Du meinst, ich weiß, Du kennst ihn wohl!«

»Das ist wirklich so«, sagte Gotthard, »ich kenne den Babinger so gut wie meinen Nachbarn, ich kann auch nur Gutes von ihm sagen. Er hat sogar den Vorzug, dass er nicht Wittwer und dass er jünger ist als mein Nachbar.«

Eine leichte Ironie spielte um seine Mundwinkel, als er dem Gespräche jetzt eine unerwartete Wendung gab.

»So weit wär' nun alles gut, Base«, fuhr Gotthard fort, »aber erlaubt mir eben auch eine Frage.«

»Was meinst Du? Sag's nur, sag's nur heraus«, bemerkte die Rädlin.

»Ich habe der Luzia zwei Freier angerühmt und möchte doch wissen, ob es ratsam sei, den Freiern auch Euern Hausschatz, die Luzia, anzurühmen«, sagte Gotthard.

Die Rädlin erschrak und vor dem Fenster wurde ein leises Rauschen bemerkbar.

»Wieso, Gotthard?« fragte die Base verlegen.

»Nun«, fuhr Gotthard im Tone harmlosen Humors fort, »bei einer Heirat kommt's ja doch auf beide Teile an, und wenn der Freier zu rühmen ist, so ist noch immer die Frage, ob die Gefreite zu dem Freier passe. Hat Euch der Sechter treu berichtet, so müsst Ihr meine Meinung über die Heirat mit dem Trabert kennen, Base. Ich sagte: viel gewinnt der Mann, wenn er die Luzia heimführt, aber ob Luzia auch die rechte Frau für ihn sei, das scheine eine andere Sache. Das gilt auch von dem Babinger. Gut, ordentlich, hübsch zwar ist der junge Mann, aber eine Luzia ist doch nicht für ihn gewachsen!«

»So meinst Du, nicht?« fragte die Rädlin erfreut über die Wendung des Gespräches: »Für wen soll aber die Luzia passen?«

»Für einen Mann, der auch ein Mann ist. Für einen, der gut ist, aber ernst und streng und wachsam. Ist einer das nicht, so wird der Mann die Hausfrau und die Hausfrau leider Gottes den Mann aufspielen!«

Diese Worte wurden mit fester und eindringlicher Stimme gesprochen. Um ihnen das Bittere und Strenge zu benehmen und sie doch durch ein rechtes Beispiel zu erläutern, erzählte Gotthard mit liebenswürdigem Humor Folgendes:

»Es lebte einmal ein Ehepaar, das hatte sich auch nur so unbesehen geheiratet und merkte erst zu spät, dass der Mann viel zu viel Weib und das Weib hinwieder viel zu viel Mann darstelle. Die Ehe war darum nicht glücklich, und für beide Teile war's ein Glück, dass die mannhafte Hausfrau endlich so nachgiebig war, um krank zu werden und das Feld zu räumen. Sie starb, ihr Tod wurde angemeldet und der Pfarrer ersucht, eine Grabrede zu halten. Der Pfarrer aber hatte ein schlechtes Gedächtnis, und öfter war er sehr zerstreut. Wie man also die Verstorbene begraben kommt, glaubt er steif und fest, der Mann sei's, der vor ihm im Sarge ruhe, und danach hält er seine Rede. Also sagt er der Frau ins Grab nach: Er war ein wackerer Mann, der hier im Herrn entschlafen ruht, man darf behaupten, er war ein Mustermann. Mit fester Hand regierte er sein Haus. War er zu Zeiten strenge gegen seine Leute, so war er wohl auch gütig, wenn sie seinem festen Willen folgten. Widerspruch vertrug er nicht, am wenigsten von seiner Hausfrau, aber er war milde gegen sie, wenn sie in allem duldsam seinem Willen folgte. So erfüllte er ganz das Gebot der Bibel und war Herr in allem, während ihm die Frau in allem untertänig war … Zu spät bemerkt der Pfarrer, was er angefangen, es lässt sich aber nicht mehr ändern. Da starb der Mann nach Kurzem gleichfalls. Der Pfarrer will den alten Fehler jetzt verbessern und nimmt sich wohl zusammen; weil er aber fort und fort in Sorgen ist, dass sich sein Gedächtnis wieder irren könnte, so geschah es wirklich, dass es irrte, und er sagte jetzt dem Manne frischweg in das Grab nach: Sie war eine gute Gattin und musterhafte Wirtin. Weil sie der Himmel ohne Kinder ließ, setzte sie ihren ganzen Wandel auf ein sanftes, duldendes Gemüt, war dem Herrn in allem untertänig, war ihm folgsam, treu und wagte keinen Widerspruch. So geschah es, dass sich dieser Tugend viele andere gerne zugesellten und die Verewigte zur wahren Hausfrau machten! Segen und Heil ihr drum im Grabe noch und in alle Ewigkeit. Amen!«

Die Rädlin saß stumm und schmerzlich da und vermochte nichts über die Geschichte zu bemerken; Gotthard aber fuhr lächelnd fort:

»Ich fürchte, so könnten einst die Leute Eurer Luzia auch ins Grab nachrufen, wenn sie ein Mann heimführt, der ihr nicht gewachsen ist!«

Sein Ton wurde ernsthafter und zuletzt sehr würdig und warm, als er fortfuhr:

»Darum bin ich nicht dafür, dass Luzia einem Trabert oder Babinger werde, ihr muss ein Herr und Meister werden, der fest auftritt, ihr aber lässt, was ihr gebührt. Sie soll Hausfrau sein, soll alles haben, was ihr zugehört, aber den Mann soll sie nicht spielen und nicht unbändig, wie bis heute, soll sie sich gebärden. Ich habe die Luzia lieb, das glaubt mir, Base; es liegt mir sehr am Herzen, Euch mit Rat und Tat zur Hand zu sein; es täte mir leid, wenn's übel ginge mit einer unbedachten Heirat!«

Er stand auf.

»Machen wir heute noch nichts fest, Base«, fuhr er fort, »ich habe wen im Vorschlag, aber er kann warten. Wir wollen sehen, ob Luzia wirklich einen Mann will, den sie am Bindfaden wie einen Zaunkönig hält, oder ob sie einen Herrn und Meister will, an dem sie Ehre erlebt, indem sie ihm Ehre und Ansehen gibt!«

Die Base stellte sich ihm besorgt und gesenkten Auges gegenüber, dann sagte sie:

»Du willst schon fort, Gotthard? Ich hätte gern noch mehr geredet … So glaubst auch Du an alle Fehler der Luzia? Die Leute übertreiben, sie ist besser als man sagt, und wenn sie recht behandelt wird, so kann sie gut und milde sein wie eine!«

»Gewiss, gewiss«, sagte Gotthard heiter, »aber weil sie nur ein rechter Mann auch recht behandeln kann, so muss ein rechter Mann gefunden werden!«

»Und wen hättest Du im Vorschlag?« fragte die Rädlin schnell und gespannt aufblickend.

»Ein andermal davon«, sagte Gotthard lächelnd und die Hand zum Abschied reichend.

Die Base nahm das Licht vom Tische und leuchtete zum Fortgehn. Dies hinderte aber nicht, dass an der Türe, in der Vorflur, am offenen Hoftore noch manches gesprochen wurde, was die Rädlin anregte und Gotthard wohlbedacht erwiderte.

Im Ganzen aber erfüllte sich jetzt der guten Alten nicht, was sie erwartete: Gotthard verriet in keiner Weise, dass er selbst gesonnen sei, als Freier aufzutreten; er ging wie er gekommen war, heiter und unbesorgt, dass ein anderer ihm Luzien rauben könne …

Einige Minuten, nachdem die Rädlin wieder in die Stube zurückgekehrt war, trat auch Luzia über die Schwelle und erweckte der Base keine geringe Sorge.

Denn sie sah merkwürdig und bedenklich genug aus.

Ihre großen Augen, starr in die Luft gerichtet, schienen Feuer zu werfen, auf ihren Wangen flammte Purpurröte, und ihre zuckenden Lippen rangen nach Worten, um den Zustand ihres Gemütes auszudrücken; denn Zorn und Rachedrang, beleidigte Liebe und unnennbares Weh zerrissen ihre Seele.

Verlegen und ratlos stand ihr die Base eine Weile gegenüber, endlich sagte sie, um nur die drückende Pause des Schweigens aufzuheben:

»Er ist ein eigener Mensch, der Gotthard; Du hast gehört, wie er immer hinter dem Berge hält!«

Luzia erwiderte nichts, sondern ging nur langsam und mit starren Blicken an der Base vorüber nach dem Fenster, als müsse sie, um nicht zu ersticken, frische Nachtluft suchen.

Die Base war schon zufrieden, dass Luzia schwieg und nicht wie gewöhnlich in überheftiges Toben ausbrach, daher fasste sie Mut, etwas mehr zu sagen und wagte aus den Äußerungen Gotthards manches Gute und Hoffnungsvolle abzuleiten; besonders wiederholte sie mit Nachdruck Gotthards Worte: »Ich habe die Luzia lieb, das glaubt mir, Base!«

In diesem Sinne schloss sie ihre Rede auch und sagte:

»Man sieht, das Gerede der Leute hat auch ihn kopfscheu gemacht. Er wird Dir näher rücken, wenn er öfter kommt, und ich werde sorgen, dass er öfter kommen muss … Luzia, glaub' mir, bei derm Freier, den er vorschlagen will – denkt er an niemand als – sich selber!«

In diesem Augenblicke wendete sich Luzia heftig von dem offenen Fenster nach der Stube und schien der glühenden Empörung ihres Herzens Luft machen zu wollen – als vom unteren Teile des Dorfes her ein befremdendes Schreien und Toben hörbar wurde und die alte Base veranlasste, mit dem Rufe aus der Stube zu stürzen:

»Da geschieht ein Unglück! Da ist jemand tückisch überfallen!«

Das Toben ging jetzt in ein dumpfes Summen zusammenlaufender Menschen über, welches lange nicht enden wollte.

Leider war es ein überraschender und peinlicher Vorfall, welcher dieses Lärmen und Zusammenlaufen veranlasste. Bald erreichte die Kunde davon auch den Arauerhof und war geeignet, gerade hier den tiefsten Schmerz und Schrecken zu erwecken.

Gotthard war, nachdem er den Arauerhof verlassen, nicht weit von demselben von einer lauernden Bande Burschen überfallen und mit Schlagringen und anderen Instrumenten sehr arg zugerichtet worden, so dass man ihn blutend und halb ohnmächtig in der Nähe des Gemeindebrunnens fand.

Da der Arauer zur Zeit des Überfalles noch in der Schänke war, in deren Nähe das Bubenstück ausgeführt wurde, so war er auch einer der ersten, der dem Überfallenen zu Hilfe eilte. Mit dem schmerzlichsten Entsetzen erkannte er in demselben Gotthard, welcher von den Übeltätern bereits verlassen, auf die Knie gesunken war und sich an einem Lindenstamme festhielt. Über seine Stirne floss Blut, und an der rechten Seite der Brust hatte sein Rock einen breiten und langen Riss erhalten.

Selbstverständlich war niemand teilnehmender und besorgter um den Misshandelten als der alte Arauer; er verlangte durchaus, dass Gotthard, bis er sich erholt habe, nirgends als in seinem Hause untergebracht werde und nur mit dem größten Widerstreben gab er der Notwenigkeit nach, dass dem Verwundeten erst die Schramme ober der Stirne ausgewaschen werde, bevor man ihn vom Gemeindebrunnen fortführte.

Also wurde Gotthard erst nach einiger Zeit, gestützt vom Arauer und dem Adlerwirt, sachte dahin zurückgeführt, wo er kurz zuvor unter eigentümlichen Umständen Abschied genommen; frisch und wohlgemut hatte er den Arauerhof verlassen, den er jetzt verwundet und gebeugt von Neuem betreten sollte.

Indessen kam es dennoch nicht so weit. Denn knapp vor dem Eingang in den Arauerhof blieb Gotthard plötzlich stehen, richtete sich mit unerwarteter Kraft gerade empor, sagte, dass er sich wieder besser, fast ganz wohl befinde, und ersuchte den Adlerwirt und die übrige Begleitung, ihn zu verlassen und ruhig heim zu gehen; man wünschte ihm also gute Nacht und baldige volle Genesung und entfernte sich.

Kaum aber hatten die überflüssigen Zeugen sich entfernt, als Gotthard auch dem Arauer die Rechte bot und sagte:

»Gute Nacht und Dank für Euer Angebot, Arauer; ich will jetzt lieber doch nach Hause gehen.«

Der Arauer widerriet diese Absicht heftig und wollte den Verwundeten in seinen Hof bewegen.

Aber Gotthards Wille stand vollkommen fest; er trat nicht in den Hof. Jetzt wollte der Arauer wenigstens anspannen und Gotthard nach Hause fahren lassen; allein auch hierauf ging dieser nicht ein und nur, um dem Arauer ein Zugeständnis zu machen, erlaubte er, dass dessen Oberknecht, welcher eben heimkam, ihn eine Strecke Weges begleite.

Beim Abschied nahm Gotthard noch einmal Arauers Hand und sagte, so dass auch die weibliche Gestalt, die eben am Hoftor erschien, es hören konnte:

»Unter uns … Der mich überfallen und verwundet hat, ist niemand anders gewesen als der Barther aus Glanthal; der Robbler kann mir nicht vergeben, das ich ihn vor Wochen im Wettkampf aus dem Felde geschlagen!«

Seine Stimme klang ernst und ruhig, als er diese Worte sprach; dann ging er, gute Nachtruhe wünschend, mit dem Knecht von dannen …

Es mochte eine Stunde später sein, der Arauer saß mit der Base noch wach und verstört beisammen, als sich eine Schar Dorfburschen vor dem Arauerhause aufstellte – und einige hübsche, angenehme Lieder sang.

Dieser Gesang machte einen umso tieferen Eindruck, als in Folge des vorhergegangenen Auftritts die Stimmung im Arauerhofe eine sehr dumpfe und düstere war; einige Strophen hörte der bewegte Arauer sinnend an, hierauf trat er vor das Haus und fragte die Burschen, warum sie heute gerade vor seinem Hofe sängen und nicht weichen wollten.

Der eine trat jetzt mit dem Arauer bei Seite und sagte ihm leise, es geschehe auf den Wunsch des jungen Dasselherrn; Gotthards Unfall habe den Arauer und wohl auch seine Luzia recht erschreckt, ein paar Lieder würden jetzt gar wohltätig und beruhigend wirken …


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