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Der Umkreis der deutschen Gebiete ist durch zwei große Kolonisationen aus dem inneren Germanien her bestimmt worden: die eine war nach dem Westen, die andere nach dem Osten gerichtet.
Durch die erste sind die den freien Völkerbewegungen alter Zeit entrissenen und großenteils romanisierten Landschaften am Rhein und an der Donau eingenommen und in deutsches Land verwandelt worden: eine Begebenheit, die mit dem Umsturz des römischen Reiches im Abendlande Hand in Hand geht. Die deutschen Stämme, welche die Kulturelemente der Landschaften, die sie besetzten, in sich aufnahmen und zu der allgemeinen Weltreligion im Christentum übertraten, brachten selbst die höchste Gewalt an sich. Das römisch-deutsche Kaisertum ward gegründet, eine Würde, in der sich politische und religiöse Momente vereinigten, beide von universeller und propagandistischer Natur. Im zehnten Jahrhundert gelangte ein kräftig emporstrebendes Geschlecht aus dem zuletzt in die Gemeinschaft gezogenen norddeutschen Stamme in den Besitz derselben.
Eben daran knüpfte sich nun die zweite Kolonisation, welche auf die bisher von der Teilnahme an der Kulturentwicklung ausgeschlossenen von slawischen Völkern bewohnten Landschaften im Osten gerichtet wurde. Daß hierbei ein deutsch-nationaler Gegensatz gegen dieselben vorgewaltet habe, dürfte man nicht behaupten. Ein Kaiser von sächsischer Herkunft trug kein Bedenken, als die Polen das Christentum annahmen, zu dem Grabe seines Freundes Adalbert, der bei dem Versuch, die Preußen zu bekehren, umgekommen war, zu wallfahren und das Erzbistum Gnesen zu gründen, durch welches nicht allein die deutsche Hierarchie eingeschränkt, sondern auch bei den polnischen Fürsten ein Gefühl der Selbständigkeit erweckt wurde, welches ihre bereits eingeleitete Unterwerfung unter das Kaisertum zweifelhaft machte. Dagegen ist es unleugbar, daß bei der Ausbreitung des Christentums über die Landschaften zwischen Elbe und Oder der alte Stammesgegensatz zwischen Sachsen und Wenden hervortrat, und zwar in immer ansteigender Wirksamkeit, insofern als dadurch der Widerstand der Einheimischen geschärft wurde, was dann wieder die Gewaltsamkeit der Eindringenden verdoppelte. Schon Otto der Große hat gehofft, durch energisches Zusammenwirken der Waffen und der Geistlichkeit das Land einzunehmen, zu siegen und die Besiegten zu vernichten. Das ging jedoch über seine Kräfte, wie es auch der Weltlage noch nicht entsprach. Wie wäre an eine Christianisierung dieses Landes zu denken gewesen, solange noch die Jomsvikingen an der pommerschen Küste durch ihre Heerfahrten und Seezüge, an denen auch die Wenden teilnahmen, den Skaldengesang belebten und der Odinstempel in Upsala den Mittelpunkt eines skandinavischen Reiches bildete. Noch stritt das nordische Heidentum mit dem angelsächsischen und irischen Christentum über den Besitz von Britannien; auch von den Küsten der Ostsee her unterstützte es die alteinheimischen Götterdienste des Binnenlandes.
Gegen das Ende des elften Jahrhunderts änderte sich das Verhältnis der Religionen. Es war der Erfolg der großen Dänenkriege in Britannien gewesen, daß das angelsächsische, besonders an Rom anschließende Christentum die Oberhand über die irischen Abweichungen sowohl als über das Heidentum behielt; durch englische Priester wurde das Christentum im Norden ausgebreitet. Die nordischen Könige suchten alsdann im Wendenlande die Heerscharen des Götzendienstes mit siegreichen Waffen heim. Diese hingen ihren Stammesgöttern unverbrüchlich an: zuweilen mußten die Deutschen mit den Wenden Verträge schließen, in denen diesen gestattet wurde, die Heeresfolge unter Vortragung ihrer Götzenbilder zu leisten. Doch konnte es damit nicht lange mehr dauern. Im Anfange des zwölften Jahrhunderts gelangte das Christentum in Polen und Rußland zur Herrschaft: von Polen her richtete sich ein christianisierender Einfluß nach dem Odergebiete. Die zum Kampfe gegen das Christentum ausgewanderten Normannen wurden dessen eifrigste Vorfechter in aller Welt. Das Heidentum hatte keinen welthistorischen Rückhalt mehr; es behauptete sich nur noch in isolierten und lokalen Bildungen.
Da wurde nun auch von Deutschland her infolge einer soeben sich vollziehenden inneren Veränderung der Kampf gegen die Wenden und Slawen mit größerem Nachdruck unternommen. Deren Widerstand war bisher dadurch befördert worden, daß die Kaiser aus dem salischen Hause, welches dem sächsischen gefolgt war, in den niederdeutschen Großen ihre Gegner sahen. Heinrich IV. fand in den slawischen Bevölkerungen eine Unterstützung, ohne welche er seinen Widersachern wahrscheinlich erlegen wäre. Religion und Kaisertum, die allgemeine Idee und die besondere Tendenz gingen in diesem Falle nicht mehr zusammen. Die für die Überwältigung bestimmten nördlichen und östlichen Marken hielten den nationalen und religiösen Gegensatz aufrecht, wenngleich ohne entscheidenden Erfolg oder Aussicht auf denselben, bis endlich wieder ein mächtiger Sachsenherzog auftrat, der Supplinburger Lothar, der den Krieg an den Marken mit aller Energie wieder aufnahm. Neben ihm erschienen in gleichartiger Tätigkeit auf der einen Seite die Schauenburger, Westfalen von Herkunft, denen er Stormarn und Holstein verlieh, auf der anderen die Grafen von Ballenstedt, die von den Vorbergen des Harzes aus ein weites, meist durch Erbrecht ihnen zugefallenes Gebiet beherrschten. Bezeichnend für die Natur dieser Stellungen, in welchen der Kampf gegen die Slawen doch zugleich mit dem Gegensatz gegen das salische Kaisertum verbunden war, sind die Ereignisse vom Jahre 1115, von denen überhaupt eine Reihe entscheidender Begebenheiten ausgeht.
Der letzte Salier, Heinrich V., hielt das Kaisertum mit ebensoviel Gewaltsamkeit fest, wie er es ergriffen hatte. Das Papsttum war durch eine Eidesleistung gefesselt, die sächsischen und lothringischen Großen wurden durch eine stattliche Heeresmacht, die bisher immer siegreich geblieben war, in Zaum gehalten; da erfolgte die Schlacht am Welfesholze, in welcher der tapfere und kriegskundige Führer des kaiserlichen Heeres, Hoyer von Mansfeld, umkam und der Kaiser eine Niederlage erlitt, die seinen Eingriffen in die territorialen Verhältnisse von Thüringen und Sachsen ein Ziel setzte und die geistliche Opposition in aller ihrer Stärke erweckte. Mit diesem Siege der sächsischen Großen war nun aber ein anderer über ihre slawischen Nachbarn verbunden. Es ist nicht überliefert, daß der Kaiser sie aufgerufen hätte, aber sie ergriffen den Augenblick, wo die Deutschen untereinander schlugen, um sich gegen sie zu erheben. Und zwar geschah dies noch, ehe jene Schlacht geschlagen war. Es war das Werk des Grafen Otto aus dem Hause Ballenstedt, welcher ausgebreitete Güter in dem alten Schwabengau, in dem Harz, an der Wipper und Saale mit dem Besitz des wendischen Gaues Serimunt an der Mulde und Fuhne vereinigte. Dort hielt er das Gaugericht an der alten Burg Askania, hier an der Malstätte nahe bei Köthen. Hier eben war es, daß Graf Otto mit einer wenig ansehnlichen Gefolgschaft einen starken Haufen aus dem slawischen Stamme der Liutizen in dem Augenblick, in welchem sie sich zur Plünderung anschickten, überraschte und auseinanderwarf. In allen benachbarten sächsischen Gebieten atmete man auf, da man wie mit einem Schlage zugleich von dem kaiserlichen und dem wendischen Angriff befreit war. Man sah darin gleichsam ein göttliches Geschick.
Auf diesen Vorgang, der dem Hause Ballenstedt großen Glanz verlieh, gestützt und dadurch gehoben, begann der Sohn und Nachfolger Ottos, Albrecht, genannt der Bär, seine Laufbahn. Indem er den Kampf gegen Heinrich V. und dessen Anhänger fortsetzte, erwarb er den Besitz der Markgrafschaft Lausitz und wurde Meister des ganzen Gebietes, das bereits die mütterlichen Ahnherren seines Hauses besessen hatten. Da geschah nun überdies, daß sein Verbündeter, der Herzog Lothar, den kaiserlichen Thron bestieg [1125].
An sich war es ein großes Ereignis in der deutschen Geschichte, daß die höchste Gewalt wieder an einen norddeutschen Fürsten gelangte, der, hierin von seinen ekbertinischen Vorgängern [ dem Hause Heinrichs I.] abweichend, zugleich das Herzogtum in seiner Hand behielt.
Dadurch wurde der Widerstreit des lokalen Impulses und der allgemeinen Idee gehoben. Herzog und Kaiser zugleich, vereinigte Lothar die provinziale und nationale Autorität gegen die seit zwei Jahrhunderten unter mannigfachen Schwankungen der Macht und des Glückes vergebens bekämpften wendischen Nachbarn. Überdies trat er in das intimste Verhältnis mit dem Papsttum. In dem damals ausgebrochenen Schisma ergriff er die Partei Innozenz II., welche als die kirchlichere erschien, und unternahm, denselben zurückzuführen. Die vollkommene Eintracht der päpstlichen Gewalt mit der kaiserlichen, in der sich wieder allgemeine und lokale Autorität vereinigten, bildete nun eine lang entbehrte Grundlage für die Durchführung des großen Unternehmens, für das die Weltverhältnisse überhaupt günstig lagen; doch gehörten dazu fähige und einverstandene Gehilfen. Bei einer streitigen Wahl im Erzbistum Magdeburg faßte Lothar den Entschluß, den eifrigsten Prediger, der das Geschäft seines Lebens sein ließ, in der Weltgeistlichkeit das Bewußtsein ihres Berufes, den sie vielfach aus dem Fluge verlor, durch mönchische Disziplin zu erneuern: den Stifter der Prämonstratenser, Norbert, auf den erzbischöflichen Stuhl zu erheben. Dieser kam mit der Absicht: die kirchlichen Institute auf das strengste zu handhaben, die Rechte des Stiftes geltend zu machen und zugleich seine Pflichten zu erfüllen.
Dies war der geistliche Gehilfe des Kaisers, der weltliche der Graf Albrecht von Ballenstedt. Obgleich ihm Lothar jene im Widerspruch mit der kaiserlichen Autorität erworbene Markgrafschaft wieder entzog, – hatte er doch an dem Zuge nach Italien Anteil genommen. Er gehörte mit zu den Fürsten, die den Gegenpapst in Rom verdammten. Den Diensten, die er leistete, entsprach die Belohnung, die er empfing: es war die Nordmark, die eben auf dem Zuge durch den plötzlichen Todesfall des jungen Besitzers (man nannte ihn die Blume Sachsens) erledigt worden war. Nach der Heimkehr von dem Kriegszuge wurde die Mark dem Grafen von Ballenstedt übertragen, wahrscheinlich auf sächsischer Erde, wo in Halberstadt die alten Kampfgenossen und verbündeten Fürsten wieder um ihren kaiserlichen Führer versammelt waren.
So wurde nun eine Kombination geschaffen, durch welche die Aktion gegen die Slawen eine verdoppelte Stärke erhielt. Das Erzbistum Magdeburg, welchem von jeher Havelberg und Brandenburg untergeordnet waren, und die Markgrafschaft, der seit Otto dem Großen alte Rechte über die slawischen Gebiete in weiten Grenzen zustanden, machten gemeinschaftliche Sache, um die geistliche und weltliche Hoheit, deren sie im Laufe der Zeit verlustig gegangen war, wiederherzustellen: der Erzbischof durch eifrige, streng disziplinierte Bekehrer, der Markgraf durch die Kriegsgenossenschaft, durch welche er die Mark aufrecht erhielt und die er zu führen verstand; beide unter der Autorität eines Kaisers von gleicher Gesinnung, von dem sich die Würde des einen und des anderen herschrieb. Indem sich diese Kombination bildete, geschah nun zugleich, daß das Obotritenreich, dessen Macht sich bis an die Havel und Spree erstreckte, durch den Tod des Königs Heinrich im Jahre 1127 aufgelöst wurde. Er war selbst bereits bekehrt, aber eine Ausdehnung der Nordmark über sein Gebiet würde er niemals zugegeben haben. Nach seinem Tode konnte sich keine feste Ordnung wieder bilden. Wir finden unabhängige Häuptlinge, Witikind in Havelberg, Pribislaus, genannt Heinrich, in Brandenburg, welche die bisherige Widerstandskraft gegen die Deutschen nicht mehr besaßen.
Eine nahe Beziehung zu diesem Verhältnis hatte die Mission des Bischofs Otto von Bamberg, der mit Recht als der Apostel der Pommern gefeiert wird. Seine Wirksamkeit trug ohne Zweifel dazu bei, dem Heidentum den Boden zu entziehen, doch hütete er sich, in den dem Sprengel von Magdeburg angehörigen Gebieten, so nahe man es ihm legte, unmittelbar einzugreifen. An und für sich bestand ein Gegensatz der Tendenz zwischen Norbert und Otto, doch gelangte er nicht zu voller Wirkung, und nimmermehr hätte Norbert das Eingreifen eines anderen geduldet; auch von seinen Anordnungen gab er nichts auf, was den Übertritt leichter gemacht haben würde. Havelberg mußte mit Gewalt bezwungen werden; es wurde wieder verloren und durch Markgraf Albrecht nochmals erobert. Eine Urkunde vom Jahre 1137 ist vorhanden, nach welcher Albrecht die Gerechtsame der Markgrafschaft damals bereits an der Peene ausübte. Wenn nun aber die Strenge der Prämonstratenser hier und da abschreckend wirkte, so liegt es in der Natur der religiösen Gefühle, daß sie anderwärts auch eine Kraft der Anziehung ausübte. Es ist gewiß, daß jener Heinrich von Brandenburg durch die Anmahnungen der Prämonstratenser bewogen wurde, sich von dem Götzen Triglaff, der auf dem Harlunger Berge in altherkömmlicher Weise verehrt wurde, abzuwenden.
Man muß wohl sagen, daß das auch durch die allgemeine Lage befördert wurde. Der alte, nationale Götzendienst fand weder vom Norden noch vom Süden her Unterstützung; dort waren die Obotriten, hier die Liutizen niedergeworfen. Sollte ein isolierter Stammeshäuptling daran mit Energie festhalten gegen einen Kaiser, der zugleich Sachsen beherrschte, dem sich auf der einen Seite eifrige Religiöse und auf der anderen ein unternehmender Markgraf mit tapferen Kriegsgefährten anschloß. Darauf, daß der eine von den beiden Häuptlingen mit Gewalt unterworfen wurde, der andere freiwillig beitrat, beruht die Gründung der Mark Brandenburg. Die Überlieferung ist: Heinrich von Brandenburg sei von dem Markgrafen aus der Taufe gehoben worden und habe dann, bei der Taufe von dessen Sohn denselben Dienst erweisend, dem letzteren das Land Zauche sofort eingeräumt und den ersten als Erben in Brandenburg anerkannt. Eine spät aufgezeichnete Erzählung, die sich mit bekannten Tatsachen, z. B. dem Alter des jungen Markgrafen, nicht leicht vereinigen läßt und das Gepräge einer unverbürgten Tradition an der Stirn trägt. Man hat sie nicht selten ganz und gar verworfen; aber von einem gleichzeitigen glaubwürdigen Chronisten wird doch bezeugt, daß Markgraf Albrecht bei dem Tode Heinrichs als dessen Erbe eintreten konnte und eingetreten ist. Vermutlich war diese Bestimmung der Preis, um welchen Heinrich trotz der auf früheren Verleihungen beruhenden Ansprüche der Markgrafen, solange er lebte, als Herr von Brandenburg geduldet wurde. Man darf ohne Bedenken annehmen, daß es nicht sowohl unmittelbare Überwältigung war, durch welche Brandenburg an Markgraf Albrecht den Bären gelangte, als die Überlegenheit des christlich-deutschen Prinzips überhaupt, welches in einem persönlichen Verhältnis zwischen beiden Dynasten ihren Ausdruck fand.
Ohne Gewalt wurde jedoch auch die Besitznahme von Brandenburg nicht zustande gebracht. Noch lebte Heinrich, und seine slawischen Verwandten waren nicht geneigt, die Erbschaft aufzugeben, auf die sie rechneten, als jene Kombination sich auflöste, auf welcher die bisherigen Erfolge großenteils beruhten. Bei dem Tode Lothars trennte sich das Kaisertum wieder vom Herzogtum. Das Kaisertum kam an den nächsten Agnaten der Salier, den ersten Hohenstaufen. Das Herzogtum Sachsen wurde für den Enkel Lothars von seiner Tochter, der dem welfischen Stamme angehört, in Anspruch genommen.
In dem Kampfe, der hierüber ausbrach, ist der Markgraf Albrecht selbst eine Zeitlang als Herzog von Sachsen begrüßt worden. Für die Mark wäre es kein Glück gewesen, wenn es dabei sein Verbleiben gehabt hätte; sie würde dann ein Bestandteil des Herzogtums ohne Selbständigkeit geworden sein. In dem Kampfe zwischen Welfen und Hohenstaufen, dem Herzogtum Sachsen und dem Kaisertum sollte die Markgrafschaft sich entwickeln. Hätte der Hader immer gedauert, so würde er der Befestigung der gemachten Erwerbungen großen Eintrag getan haben: wie denn einer der slawischen Verwandten des verstorbenen Heinrich Gelegenheit fand, sich in den Besitz von Brandenburg zu sehen. Von Zeit zu Zeit aber traten Momente des Verständnisses ein, die eine allgemeine Anstrengung der Streitkräfte nach Osten hin möglich machten. Der Kreuzzug Konrads III. veranlaßte selbst einen gemeinschaftlichen Angriff der norddeutschen Fürsten auf die noch heidnisch-slawischen Gebiete. Dem Markgrafen Albrecht kam dann ein großer Heerzug Friedrichs I. gegen Polen sehr zustatten. Im Widerspruch mit den gegen Kaiser Lothar übernommenen Verpflichtungen entzogen sich die Polen aller Abhängigkeit von Kaiser und Reich. Der Vertreter des bisherigen Verhältnisses, Wladislaw II., war von seinem Bruder Boleslaw III., der die volle nationale Autonomie verfocht, verjagt worden, Kaiser Friedrich hielt es für geboten, den ersten zurückzuführen: kurz zuvor siegreich aus Italien heimgekehrt, unternahm er, die Sache mit dem Schwerte zu entscheiden. Zu den Polen hielt sich nun aber Jaczo von Brandenburg. Indem Friedrich mit einem großen Heere nach der Oder vordrang, warf sich Albrecht gegen Brandenburg und nahm es ein [1157]. Seinerseits überschritt der Kaiser die Oder im Angesicht des polnischen Heeres, bei dem sich Preußen und Pommern befanden, und nötigte Boleslaw zu einem Frieden, in welchem die Hoheit des Reiches nochmals anerkannt wurde. Die von dem Könige verjagten Piasten erhielten unter kaiserlicher Autorität eine Entschädigung und Ausstattung in Schlesien; man dürfte wohl behaupten, daß hierin der historische Grund und Beginn der allmählichen Sonderung Schlesiens von Polen zu suchen ist. Ein unmittelbarer Erfolg des Heerzuges aber war, daß Brandenburg unter Kombination dieser Umstände den Slawen auf immer entrissen wurde. Es geschah unter dem Zusammenwirken des Erzbischofs und des Markgrafen nicht ohne heftigen Kampf, der nun aber zum Ziele führte. Das Bistum, das bisher auf Leitzkau angewiesen war, konnte nun in Brandenburg selbst wiederhergestellt werden. Erst seitdem ward Albrecht, der bisher als Markgraf von Salzwedel erschien, allgemein als Markgraf von Brandenburg bezeichnet. Er war bisher vor allem der Vorfechter des Bischofs von Havelberg und Brandenburg gewesen: jetzt trat er als Landesherr auf. Die Markgrafschaft gelangte zum wirklichen Leben; und die Deutschen konnten definitiv daselbst Fuß fassen. Von Bedeutung war es immer, daß ein Erbrecht erworben worden war; die strenge Burgwarteinrichtung, wie sie in der Altmark bestand und wie sie anfangs auch in Brandenburg eingeführt wurde, konnte bald nachher aufgelöst werden. Die Burgmannen nahmen unter der Autorität des Markgrafen ihre Wohnung in dem offenen Lande; der einheimische wendische Adel trat mit ihnen in eine so enge Genossenschaft, daß die Herkunft der Familien von der einen oder der anderen Nationalität oft nicht auszumachen ist. Markgraf Albrecht dehnte seine Herrschaft in das Grenzgebiet der Länder Teltow und Barnim aus, ohne sich jedoch derselben zu bemächtigen. Eine Anzahl Burgen an den Grenzen sind sein Werk. Am Ende seines Lebens war ihm noch vergönnt, auch Havelberg einzurichten.
Die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen beschäftigte sich weniger mit dieser Erwerbung, über die sich nur dürftige Überlieferungen finden, als mit Albrechts Wallfahrt nach dem Orient und seiner Teilnahme an den Reichsangelegenheiten; da hatte er den Beinamen des Bären erworben.
Man hat den Beinamen wohl mit den skandinavischen Pjoren, der manchen Helden eignete, zusammengestellt. Der Bär ist der König der nordischen Waldungen, nach der Sage ebenbürtig mit dem Löwen.
In allen seinen Handlungen zeigt Albrecht Umsicht und Energie, Klugheit und Nachdruck. Als ein eigentlicher Eroberer kann er nicht gelten, wohl aber als ein tapferer und glücklicher Erwerber; seiner Erwerbung verlieh er erst ihren wahren Wert, indem er ihr alle Elemente zuführte, welche eigentümliches Leben erwecken können. Ihm gelang das Werk: die stark miteinander von jeher ringenden Stämme, den slawischen und den deutschen, unter dem Übergewicht des letzteren zu verschmelzen. Mit den kirchlichen Institutionen, durch die es erst möglich wurde, war er von jeher verbündet; er vereinigte die beiden größten Impulse der Epoche, religiöse Antriebe und territoriale Besitzergreifung. Dadurch ward das Land an die allgemeine und deutsche Kultur geknüpft. Albrecht ist eine große würdige Gestalt von starken Zügen an der Spitze dieser Geschichte.
Von größtem Einfluß war die fortdauernde Tätigkeit der Prämonstratenser, die in dem Marienkloster zu Magdeburg gleichsam eine besondere Kongregation im Sinne Norberts bildeten, von der andere Stiftungen ausgingen. Bischof Anselm von Havelberg, einer der namhaftesten Kirchenpolitiker der Zeit, wahrscheinlich ein Lothringer, war der erste, welcher Kolonisten in die verwüsteten Landschaften seines Sprengels einführte. Durch ihn hauptsächlich wurde Erzbischof Wichmann, nicht ganz im Einverständnis mit dem päpstlichen Stuhl, von Naumburg nach Magdeburg gezogen, der es dann für Pflicht erachtete, die prämonstratensische Disziplin aufrecht zu halten. Von einer der früheren Ansiedlungen dieses Ordens, dem Kloster Kapenberg, stammen Walo, der Nachfolger Anselms, und der Propst Isfried, unter dessen Verwaltung das Kloster Jerichow zur Blüte kam; da fand zugleich die religiöse Verehrung in einem Bauwerke von großartiger Würde eine imponierende Repräsentation. Von großem Gewicht für die Bekehrung wurde das Kloster Leitzkau. Es war in einer Stätte errichtet, an welcher der heidnische Dienst samt seinen Götzen mit Gewalt vertilgt worden; hier hatten die Bischöfe von Brandenburg, noch im Exil befindlich, meistenteils ihren Sitz. Einer von ihnen, der ebenfalls von Kapenberg stammt, Wigger, erhob in dieser Eigenschaft Leitzkau zu einem Domkapitel, bis endlich das Bistum in Brandenburg hergestellt wurde, welches nun erst die Bedeutung einer Metropole gewann, die ihm von Otto I. zugedacht war. Die Norbertsche Disziplin entfaltete ihre volle Wirksamkeit; ihr Wesen bestand darin, daß sich die Priesterschaft mit Strenge der Erfüllung ihrer Pflicht widmete, unterstützt durch eine tätige Laienbrüderschaft. Die Prämonstratenserklöster waren zugleich ackerbauende Kolonien, gehoben von religiöser Zucht und Sitte, was von um so größerer Wichtigkeit war, da nun der den Germanen eingeborene Trieb der Wanderung sich überhaupt nach dem Osten richtete. In Brandenburg fanden sie ein großes Feld für den Landbau. Das erworbene weite Gebiet bestand aus Landschaften, die durch undurchdringliche Waldungen, Brüche und Sümpfe oder Seen voneinander gesondert wurden; auch die binnenländischen Ströme in ihrem breiten Gerinne erweitern sich zu Seen. Hier und da erkennt man noch, wie sich in jener Zeit das Land aus den weiten Wasserbecken gleichsam als Insel erhob; hauptsächlich an den Ufern der Flüsse, welche den Anwohnern größtenteils ihre Namen gegeben haben, war ein gewisser Anbau des Landes versucht worden, wie ihn das unmittelbarste Bedürfnis forderte, doch war derselbe noch sehr geringfügig. Die neuen Herren geistlichen und weltlichen Standes wirkten zu neuer besserer Ansiedlung zusammen. Von beiden zugleich ging die Berufung der Niederländer zunächst zu den Deichbauten an den Flüssen aus, welche zwar nicht den ganzen Umfang gehabt haben mögen, den ein gleichzeitiger Autor ihnen zuschreibt, aber doch für den Anbau des Landes eine neue Bahn eröffneten. Den Holländern wird die Erneuerung der einst schon von den Sachsen errichteten Dämme an den Ufern der Flüsse und der benachbarten Regionen und der Anbau zugeschrieben; sie wußten das schwere Land zu bearbeiten, welches die Wenden unbenutzt hatten liegen lassen. Der eiserne Pflug half das Land erobern. Mitten im Fortgang dieser Bestrebungen erschienen die Zisterzienser, eine Reform des Mönchsstandes, bei der es nicht so sehr auf priesterliche Funktionen abgesehen war, als auf gemeinschaftliche Arbeit in dem Dienste der Religion und der fortschreitenden Kultur. Sie vereinigten Ökonomie und geistliche, d. h. monastische Tätigkeit. Bernhard von Clairvaux, der ihnen ursprünglich angehörte, hat sie ausdrücklich auf den Landbau angewiesen. In sich selbst hielten sie, wie man weiß, den engsten Zusammenhang fest. Wie die Stiftungen voneinander ausgingen, so blieb fortan auch ihr Verhältnis und ihr Zusammenhang, der die ganze abendländische Welt umfaßte. Ihre Einfachheit, Armut und Tätigkeit, besonders auch eine traditionelle Wissenschaft der Urbarmachung sumpfiger Landschaften verschaffte ihnen Eingang in den früheren Wendenlanden. Erzbischof Wichmann siedelte sie in einer Gegend, die dazu besonders Gelegenheit bot, an der Nuthe an. Hier auf einer über der Sumpflandschaft emporsteigenden Höhe errichteten sie das Kloster Zinna 1171, das einige Jahre darauf einem Wendenanfalle erlag, später aber, wiederhergestellt, glücklich emporkam. Noch einflußreicher wurde es, daß Markgraf Otto I. in einer von einer Reihe von Seen umgebenen Waldlandschaft das Kloster Lehnin aus Zisterziensern errichtete [1180], welches, nachdem es ebenfalls einige Stürme zu erdulden gehabt hatte, zu einer kirchlichen Metropole neben Brandenburg erwuchs. Man hat dem Markgrafen geraten, an dem Orte eine Burg zu errichten; er traf wohl eben das Rechte, wenn er eine Klosterstiftung vorzog, von der sich eine friedliche, um so nachhaltigere Einwirkung erwarten ließ. Die Zisterzienser waren die vornehmsten Träger der Verehrung der Jungfrau und des Kultus der Hostie, welche auf einfache Gemüter einen unauslöschlichen Eindruck hervorzubringen geeignet waren. Der Anbau des Landes selbst gewann einen religiösen Anstrich. Man kann sich die Klosterbrüder lebhaft vergegenwärtigen; der Abt, der inmitten des Urwaldes das Kreuz als Zeichen der Besitznahme für die religiöse Idee aufpflanzt; die Mönche, von denen die einen die Bäume fällen, die anderen die Wurzeln ausroden, die dritten sie anzünden und einen lichten Raum schaffen, von dem dann der weitere Anbau ausgeht. Die Mönche verstanden, das Ackerland von dem Waldboden zu sondern; vorzüglich geschickt waren sie, das Wasser in Teiche zu sammeln oder durch Kanäle abzuführen, so daß der Sumpf sich in Wiesen- oder auch in Gartenland verwandelte. Von dem Hauptkloster zogen sie nicht aus, ohne Sämereien für Gemüse in die neue Stiftung mitzunehmen. Gerade die allgemeine Verbindung der Klöster beförderte den Obstbau. Von den Klosterhöfen verbreiteten sich dann Muster und Antrieb über das Land. Bei diesem Anblick wird man inne, wie sehr der Fortschritt der Dinge von allgemeinen Ideen ausgeht. Selbst das ursprünglichste aller Geschäfte, der Landbau, hängt damit auf das Innigste zusammen. Die Eingeborenen würden das Land selbst nie haben in Besitz nehmen können; dazu wirkten die geistlichen und weltlichen Tendenzen, welche den Anlaß zur Einwanderung gegeben hatten, bei jedem Schritte zusammen. Wenn hier den geistlichen monastischen Antrieben die belebendste Einwirkung auf die Landeskultur zuzuschreiben ist, so würden sie doch nichts ausgerichtet haben, wären nicht kriegstüchtige Ritter und Mannen, die auch ihrerseits auf die Kultur des Landes hauptsächlich angewiesen waren, jeden Augenblick bereit gewesen, die eingenommenen Grenzen mit den Waffen zu verteidigen. So wurde im Laufe des zwölften Jahrhunderts die große deutsche Kolonie im Osten der Elbe begründet. Die Markgrafen erwarben unter der Autorität des Reiches, auf das engste mit der Kirche verbündet, durch kriegerische Anstrengungen und eine glückliche von den Umständen der Zeit begünstigte Politik weite Landstriche, die sie nun fürsorgend und umsichtig in ihr Eigentum verwandeln konnten. Zugleich aber mußte die Ritterschaft allezeit gerüstet sein, um die feindlichen Anfälle abzuwehren ...
Es gehörte in den Ideenkreis der sächsischen Kaiser, wenn man, nachdem die Polen den christlichen Glauben angenommen hatten, daran ging, ihn auch bei den Preußen zu verkündigen.
Nachdem Adalbert von Prag dabei umgekommen war, wurde es noch einmal von Bruno von Querfurt versucht. Eine unvergleichliche ideale Gestalt ist dieser Bruno. Er hatte sich an Otto III., der das Christentum in Polen unabhängig machte, angeschlossen, seine Zurückgezogenheit und seine Askese, seine Wallfahrten und seinen Aufenthalt in Rom geteilt. Er lebte und webte in einer religiösen Weltanschauung, vor der die Grenzen und Unterschiede der Nationen verschwinden. Sehr unzufrieden war er mit dem Nachfolger Ottos III., Heinrich II., der mit dem christlichen Polenkönig Krieg führe, selbst in Verbindung mit Heiden, da es seine Pflicht wäre, jenen zu unterstützen, diese zu überwältigen. Er dagegen unternahm durch Lehre und Predigt, im Einverständnis mit dem Polenkönig, die heidnischen Preußen zu bekehren. Schon in den Grenzgebieten erlag er aber, wie bei der Hartnäckigkeit der Preußen und der Schwäche der polnischen Unterstützung vorauszusehen war, einem gräflichen Märtyrertode, oder, wie die Chronik sich ausdrückt: »er stieg mit seinen fünfzehn Gefährten zum Himmel auf« [1009]. Zwei Jahrhunderte vergingen, ehe die Bekehrung der Preußen wieder ernstlich versucht wurde. Dann aber konnte es nicht auf die Weise wie in den Gebieten der Elbe und Oder geschehen, denn Deutschland war zu fern, um einen regelmäßigen Einfluß auszuüben, und das benachbarte Polen selbst nicht hinreichend von Kultur durchdrungen, um es zu unternehmen. Es geschah durch ein geistliches Institut, welches aus den allgemeinen Impulsen der abendländischen Christenheit gegen die Ungläubigen entsprungen, doch wieder einen deutschen nationalen Charakter trug, den es noch im Orient annahm ...
So ist der Deutsche Orden entstanden: von jenem großen Kreuzzuge, welchen Friedrich I. als Kaiser und mit dem Anspruch eines solchen unternahm, ist er eigentlich die einzige Frucht.
Nur langsam gelangte der Orden zu einer gewissen Konsistenz in sich selbst. Das Glück wollte ihm so wohl, daß im Jahre 1211 ein Mann von Geist an seine Spitze trat, Hermann von Salza, der es verstand, in den Konflikten des Kaisertums und des Papsttums, indem er sich unzweifelhaft auf die Seite des ersten neigte, eine solche Haltung anzunehmen, daß er sich auch die Kirche nicht entfremdete. In seiner thüringischen Heimat fand er unter einem einverstandenen Landgrafen die lebendigste Förderung.
Und wie schon lange der Kampf gegen die Ungläubigen im Abendlande den Zügen nach der heiligen Stätte gleich geachtet wurde, so wandte der Orden seine Waffen nach dem Occident. Wir finden die Ritter in dem Burgenlande: die Sache der Ungarn, das heißt, inwiefern diese einen integrierenden Teil der abendländischen Christenheit bilden, gegen die Cumanen führen. Allein sie konnten da nicht viel ausrichten, da es ihnen an einem national-gleichförmigen Rückhalt fehlte. Ganz ein anderes Feld eröffnete sich ihnen, als sie von dem Herzog von Massowien nach der Weichsel zum Kampfe gegen die Preußen berufen wurden ...
Der Orden genoß damals eines hohen Ansehens und erschien weit und breit im Reiche als die würdigste Genossenschaft für die jungen Edelleute, die nicht an ihre Scholle gefesselt sein wollten. Vornehmlich die Krankenpflege, der er sich mit Einsicht und Erfolg widmete, verschaffte ihm Freunde und Gönner. Den deutschen Häusern, die zu diesem Zwecke errichtet wurden, zugleich an der Saale zu Halle und an der Donau zu Regensburg flossen reiche Begabungen zu. Durch die Klasse der Halbbrüder, welche sich dem Orden anschlossen, ohne an die Gelübde gebunden zu sein, und doch seine Vorrechte in bezug auf die Exemptionen teilten, gewann er ausgebreitete Verbindungen und ergebene Anhänger. Man überließ ihnen Kirchenpatronate mit dem Ertrag der Zehnten und anderen Einkünften. Begüterte Edelleute, die etwa in dem Orient gewesen waren, oder solche, welche eine schwere Verschuldung abbüßen wollten; auch andere, die nur ein gutes Werk zu stiften meinten, namentlich in Thüringen und Hessen, machten ihnen ihre Besitztümer oder einen Teil derselben zum Geschenk. Die Ballei von Thüringen gilt als die älteste, als die zweite die hessische. Landgraf Ludwig der Heilige in Thüringen, dem auch Hessen gehörte, gewährte ihnen Freiheit von Zöllen und andere Exemptionen. Von den geistlichen Herren wurden sie als die besten Kämpen Christi begrüßt und unterstützt. Der Erzbischof von Trier überließ ihnen ein großes, damals verfallenes Spital in Koblenz; der Erzbischof von Salzburg Liegenschaften in Kärnten. Der römische König Heinrich hat ihnen ein Augustinerkloster in Bern, das er aufzuheben Anlaß fand, mit den geistlichen Gerechtsamen, die es besaß, übereignet. Ihr größter, unermüdlichster Förderer aber war Kaiser Friedrich II.; er hat dem Orden in Altenburg im Osterlande ein Hospital zugewiesen, mit der Bestimmung, daß die Überschüsse der Verwaltung für die Ordensbrüder im Heiligen Lande verwendet werden sollten, denn dieses Ziel verlor der Kaiser niemals aus den Augen. Es mußte ihm erwünscht sein, eine Verbindung des deutschen Adels zu idealen Zwecken, die denn auch einmal die seinen werden konnten, in Gang zu setzen: vielleicht den größten Dienst hat er ihm dadurch geleistet, daß er der Genossenschaft in Nürnberg, hierin gegen seine Gewohnheit den Fußtapfen Kaiser Ottos IV. nachfolgend, die Kapelle in der Burg mit allen ihren geistlichen und weltlichen Gerechtsamen und bald darauf ein reich ausgestattetes Hospital mit allen dazu gehörigen Höfen und Zinsleistungen übertrug; es wurde das vornehmste Hospital des Ordens in Deutschland.
In den altsächsischen Gebieten fand der Orden weniger Teilnahme, weil man daselbst schon in anderen Verbindungen zu verwandten Zwecken begriffen war; aber in dem oberen und mittleren Deutschland schlug derselbe überall Wurzel; er war im besten Fortgange begriffen, als ihm jene Einladung des Herzogs von Massowien zukam. Das damit verbundene Anerbieten eines Besitzes an der Weichsel konnte nicht anders als willkommen sein. Doch war es dies allein nicht, was den Ordensmeister Hermann von Salza bestimmte, denselben in Erwägung zu ziehen: auf ihn machte es den vornehmsten Eindruck, daß dadurch dem Orden ein großartiger Schauplatz der Tätigkeit und Kraftentwicklung eröffnet wurde.
Die starke, volkstümliche und in ursprünglicher Energie bestehende Organisation des Heidentums in Preußen war es doch, was dem fortschreitenden bewaffneten Christentum, aus dessen Ideen der Meister seine Antriebe schöpfte, Einhalt tat. Diese Heiden zu überwältigen, ihr Land zu christianisieren, war für ihn und seinen Orden die würdigste Aufgabe. Er forderte seinen Freund, den Kaiser, auf, nicht allein die angebotene Landesschenkung gutzuheißen, sondern zugleich die große Unternehmung gegen Preußen zu genehmigen und durch sein Wort zu autorisieren. Der Kaiser zweifelte nicht, daß ihm das Recht dazu zustehe: denn auch Preußen gehöre unter die Monarchie des Imperiums, welches nach den Begriffen jener Zeiten die Welt umfaßte. Und auf Hermann von Salza setzte er, weil er ein durch Reden und Taten gewaltiger Mann sei und dafür glühe, seinem Orden eine große Besitzung zu erwerben, unbegrenztes Vertrauen; er werde mit aller Kraft an das Unternehmen gehen, und wenn er es einmal angefangen habe, nicht wieder davon abstehen, wie so viele andere. Er bestätigte dem Orden nicht allein die Schenkungen des Herzogs, sondern sicherte ihm die Eroberungen, die er machen werde, mit fürstlichen Prärogativen zu; er verlieh ihm die Regalien, die Jurisdiktion und alle die Gerechtsame, welche ein Reichsfürst ausübe.
Im Jahre 1229 erschienen nun die ersten Deutschritter in Cujavien, wo sie am linken Weichselufer zunächst eine hölzerne Burg errichteten. Im folgenden Jahre stellte sich eine größere Schar ein, geführt von dem Landmeister Hermann Balk, der, durch militärische Begabung hervorragend, die geistige Oberleitung, welche der Hochmeister aus der Ferne ausübte, am Orte selbst praktisch ergänzt hat. 1231 überschritt man den Strom zu ernster Offensive; das Kulmerland wurde betreten und die Feste Thorn gegründet, wie im nächsten Jahre Kulm: beide sogleich als Städte, mit Magdeburger Recht bewidmet; denn der Eroberung sollte die Kolonisation auf dem Fuße nachfolgen. In der Kulmer Handfeste, die den späteren Festsetzungen zum Vorbilde diente, bedang sich der Orden für die den Ansiedlern bewilligten Freiheiten militärische Gegenleistungen. Überhaupt nahm er die Landesherrschaft um so fester in die Hand, als ihm auch die geistliche Gewalt zufiel; die entgegenstehenden Vorrechte des Bischofs Christian, der zudem in preußische Gefangenschaft gefallen war, wußte man zu beseitigen. Die Eroberung wurde dann am Weichselufer abwärts fortgesetzt, Pomesanien bis zum Frischen Haff, und von da aus in südöstlicher Wendung Pogesanien und Ermland bewältigt. Entscheidend wirkte dazu die stattliche Hilfe mit, die von deutschen Fürsten, und zwar so namhaften, wie der Markgraf von Meißen und der Herzog von Braunschweig, in freiwilligen Zügen geleistet ward; auch die benachbarten Piasten von Großpolen und Schlesien und die Herzöge von Ostpommern haben sich bisweilen angeschlossen. Von nicht minderer Bedeutung war das Eingreifen der Lübecker von der Seeseite her, unter deren Teilnahme 1237 Elbing gegründet und somit eine maritime Verbindung mit den älteren deutschen Küsten gewonnen ward. Im nämlichen Jahre erfolgte überdies die Einverleibung des Schwertordens, der vor kurzem eine schwere Niederlage gegen die Letten, wobei der Meister Volkwin gefallen war, erlitten hatte. Der preußische Landmeister war seitdem zugleich Heermeister von Livland, wo zwar die Hoheit des Bischofs von Riga nicht völlig beseitigt, jedoch, worauf vor der Hand noch mehr ankam, jedem ferneren Anspruch von seiten Dänemarks ein Riegel vorgeschoben ward. – – –
Der Charakter einer Kolonie war der vorherrschende in dem neuen Lande. In dem Prinzip zwar lag es, die Einwohner zu schonen, wenn sie das Christentum annahmen, und ihnen gerecht zu werden; aber die unaufhörlichen Rebellionen wurden für den Orden und die Kirche ein Motiv der Entsetzung für die Widerstrebenden aus ihrem Erbteil; die Getreuen aus dem Adel, die Withinge, behaupteten für ihre Güter alle Allodialrechte und eine bevorzugte Stellung. Allein sie waren nicht sehr zahlreich, und da das Land durch die Kriege verwüstet worden, so bot sich ein weiter Raum für die neuen Pflanzungen dar. Der Orden betrachtete sich als Eigentümer des Landes. Die ritterliche Hilfe, die ihm geleistet wurde, belohnte er durch reiche Vergabungen: ganze Dörfer der Eingeborenen wurden den Genossen der Eroberungen überliefert. Den heranziehenden Ansiedlern in Stadt und Land sind die Hufen, die man ihnen anwies, verkauft worden; woher sie kamen, nimmt man aus den Namen der Ortschaften ab. Eigentümlich war die Ansiedlung freier Eigentümer in besonderen Gehöften. Das Recht des Kaufs und Verkaufs war gewährleistet, doch trug man Sorge, daß nicht etwa ein Einheimischer seinen Besitz an die Einzöglinge verkaufte, um sich dann mit dem Ertrag davonzumachen. Allenthalben um dieselbe Zeit zwischen Oder und Elbe und in Schlesien wurden Städte gegründet; einige mit den Vorrechten, die das Lübische Recht verleiht; sie standen mit der Hanse, die hierher gewaltig zurückwirkte, in genauester Verbindung; andere wurden in strenger Unterordnung gehalten. Doch gab ihnen der Orden das Versprechen, in ihren Ringmauern keine Befestigungen anzulegen. Er sorgte für die Sicherheit der Straßen und des Verkehrs: Räuber wurden bis in die entferntesten Gegenden verfolgt. In seinem Innern hielt der Orden noch eine strenge Zucht aufrecht, wie sie dem Sinn einer religiösen Genossenschaft entsprach. Man hütete sich vor Mitgliedern von zweifelhaftem Ruf. Keiner von allen sollte das Wappen seines Geschlechts führen, nur einen großen Zweck, den der christianisierenden Eroberungen, sollte man vor Augen haben. Der Orden gelangte allmählich durch die Einkünfte der Balleien, den Verkauf der Ländereien, die Beiträge der fernen Gläubigen in einen guten finanziellen Zustand. Er war reicher und kräftiger als andere benachbarte Gewalten; stark hauptsächlich dadurch, daß auch die Einzöglinge, die Ritter nach dem verschiedenen Maß ihrer Erwerbungen und zugleich die ihnen unterwürfigen Bauerschaften zur Heeresfolge verpflichtet waren. Die Städte haben in einem oder dem anderen Zusammentreffen den Sieg entschieden.
Nicht eigentlich eine Adelsrepublik wurde hier gegründet. Der Orden, der die Landesherrschaft ausübte, war in dem Sinne der abendländischen Christenheit gegliedert; er bildete eine aristokratisch-monarchische Korporation nach strengen Satzungen, die er sich nicht gegeben hatte, noch willkürlich verändern konnte. Seine Herrschaft war drückender als die eines dynastischen Fürstentums, weil sie exklusiver war. Der im Lande angesiedelte, eingesessene Adel wurde von dem Eintritt in den Orden ferngehalten. Eine staatsähnliche Einheit erhielt alles dadurch, daß der Hochmeister des Ordens seinen Sitz in Preußen nahm.
Hundert Jahre nach der Eroberung war Accon gefallen [1291], mit der Stadt auch das Hospital, das bis dahin noch immer das Haupthaus des Ordens gebildet hatte. Die Hochmeister suchten sich hierauf eine Freistätte in Venedig, wo jedoch ihres Bleibens auf die Länge nicht sein konnte, weil die Irrungen zwischen der Republik und dem Papste die ruhige Sicherheit störten, deren man bedurfte, und fremdartige und undienliche Rücksichten auflegte. Bei der Wahl eines neuen Sitzes war dann die Macht der Gebietiger in Preußen bestimmend. Bei einem Besuche daselbst hatte der Hochmeister Hohenlohe so wenig Gehorsam gefunden, daß er daran dachte, sein Amt niederzulegen: denn bei einem solchen Zustande könne er es nicht mit gutem Gewissen verwalten. Siegfried von Feuchtwangen, der seine Wahl dem Übergewicht der dortigen Gebietiger verdankte, urteilte, daß er nur in ihrer Mitte eine dem nunmehrigen Zustand angemessene Stellung erlangen werde. Er nahm Wohnung in Marienburg [1309]. Wer kennt dieses bewunderungswürdige Bauwerk nicht, das den Beschauer, sowie er es betritt, gleichsam mit einem Mitgefühl jener Zeiten und Zustände erfüllt: es ist zugleich ein Denkmal der Unabhängigkeit des Ordens, seiner Größe und seiner Verfassung.