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Helias der Thesbit,

in drei Gesängen.


Erster Gesang.
Glaube.

Vorn' in dem Felseingang der umschatteten Höhle des Waldes
Saß, in düst're Gedanken vertieft, der Thesbit, Helias, Helias wird der Thesbite, oder Thisbite genannt, weil er von Thisbe einem Orte im Stamme Naphtali, in Ober-Galiläa, gebürtig war.
Gottes Prophet. Am Karith, dem lautaufrauschenden Bergstrom,
War in des Waldthals Nacht die Höhle In Palästinas Gebirgen gab es geräumige Höhlen, in welchen oft zur Kriegszeit ganze Völkerschaften wohnten. Die Hebräer nannten sie und die Griechen: τρωγλοδύτης – Siehe I. Buch Mosis 14. Cap. 6. Vers. – Das B. der Richter. 6. Cap. 2. Vers. geborgen, und ringsher
Faßte die steilaufragende Wand das öde Gefild' ein,
Wo nur selten die Spur sich wies umwandernder Menschen.
Schon entschwand ein Jahr im eilenden Laufe, daß dorthin
Jesabels Wuth ihn trieb, des fluchbeladenen Weibes:
Weil sie Gott, den ewigen, wahren, und einen verläugnend,
Baal, Unter dem Götzen Baal wird oft die Sonne, und unter Astarte der Mond verstanden, welche beide Gestirne wohl einer der frühesten Gegenstände der Abgötterei waren. Baal, von welchem hier die Rede ist, und Astarte, von welcher sie weiter unten seyn wird, waren ohne Zweifel phönikische Gottheiten, und jener wahrscheinlich Herkules, der zu Tyrus einen Tempel hatte. – Siehe Jahns Archäol. III. T. §. 129. und 131. dem Götzenbild', Altär' in den Hainen und Tempeln
Weihte zum schändlichen Dienst', erwürgte die Schüler der Seher,
Und noch immer zur Qual für Israel, Schande für Achab,
König und Gatten zugleich, der ihr nicht wehrte die Schandthat,
Wüthete, bis der Prophet, vom Geiste getrieben, vor ihn trat,
Ihm verkündend Jehova's Gericht: »Nicht Thau und nicht Regen
Solle befeuchten das Land, bis er's nicht selber versühnet.«

Jetzt entbrannte des Mittags Gluth. Kein kühlendes Lüftchen
Drang in die Schlucht. Ein Feuermeer durchwogte den Luftraum –
Hatte die starrenden Bäume schon lange des Laubes beraubet,
Lange verschlungen das Grün in der Niederung, lang' auf den Höhen.
Oben am Felsriff stand, verschmachtend, die Gemse. Die Hirschkuh,
Und das flüchtige Reh, die keine Jungen geworfen
Seither, lagen, erschöpft, im vertrockneten Bette des Bergstroms
Karith, der die schäumende Fluth aus schwindligen Höh'n sonst
Durch sein Felsenbett' herwälzte mit lautem Getümmel.
Gähnend öffnete sich der Grund, und lechzte nach Labung
Ringsum. Also verzehrte das Land der Fluch des Propheten.

Sieh', nun kam ein Jüngling, hold und lieblichgestaltet,
Von den Höhen herab! Ein Pilger schien er von Anseh'n,
Der, voll Hast, mit ängstlichem Blick, durchforschte des Waldthals
Krümmungen: ob er, verirrt, nicht erspähte den Pfad in die Heimath?
Dürres Laub umhüllte den Grund; doch rauschet' es leis' nur
Unter dem Fuß des Schwebenden auf, wie ein fernes Geflüster.
Jetzt erhob Helias die gramerfülleten Augen
Von dem Boden, und sah dem nahenden Fremdling' entgegen.
Dieser hielt, wie erstaunt, nicht ferne dem Felsen, und sprach so:
»Friede mit dir, holdseliger Greis, allhier in der Wildniß.
Kannst du mir sagen den Pfad, der sicher mich leite zur Heimath?
Fern' ist sie. Wohl hörte ich dort den Nahmen Jehova's
Preisen, und kam, und flehte zu ihm an heiliger Stätte;
Doch, heimkehrend, seh' ich mich jetzt verirrt im Gehölz hier.
Heiß ist der Tag: o gib dem dürstenden Pilger die Labung!
Aber verkünde mir erst, warum denn weilst du hier einsam?«
»Labung verlangst du von mir,« sprach jener, »nicht biethet des Bergstroms
Quelle sie mehr. Vernimm, und erzähle den Deinen den Jammer,
Heimgekehrt, der Israels Volk so schrecklich belastet.
Seit hier Jeroboam, Ungefähr 975 Jahre vor Christi Geburt geschah die Spaltung, wo das mächtige Reich Salomons, nach seinem Tode, in zwei Theile getrennt wurde. Rehabeam, sein Sohn, behielt nur die zwei Stämme Juda und Benjamin; die übrigen Zehn erwählten Jeroboam, den Sohn Nebat, zu ihrem Könige. Aus Furcht, seine Unterthanen möchten wieder zu dem Hause Davids übertreten, wenn sie zu den Festtagen nach Jerusalem wallfahrteten, stellte er zwei vergoldete Rinder, als Bilder Jehova's, zu Bethel und Dan auf; bauete ihnen Tempel und Altäre; bestellte Priester; verlegte die Festtage um einen Monath später, und führte also die Abgötterei in Israel ein, wegen welcher ihm der Untergang seines Hauses verkündiget ward. Seine Residenz war zu Sichem und zu Thirzo. – (Siehe 1. Buch der Könige, 12. und 14. Cap.) der König, Gottes Gebothen
Treulos, Götzen Tempel erbaut', und im Haine den Altar
Weihte zum schändlichen Dienst: seit jenem unseligen Zeitraum
Herrschten König', ihm gleich gesinnt; doch keiner wie Achab
Frevelnd, weil er Jesabel sich erwählte zur Gattinn:
Eine Sidonierinn, Ethbaals, des Priesters Astartens,
Tochter, der den tyrischen Thron, ein schändlicher Mörder,
Sich gewann, da er meuchlings erwürgte den König Philetus.
Erbend die Mordlust schon von solchem Erzeuger, und Götzen
Dienend, war Jehova's Ruhm dem Weibe zum Gräuel,
War es dem Manne denn auch, der feig dem Weibe gehorchet.
Schnell zu vernichten den Dienst des Herrn, und, gleich der Hyäne
Dürstend nach Blut, warf sie die Prophetenschulen in Trümmer; In den Prophetenschulen wurden junge Leute im Gesetze, in der Tonkunst und anderen Wissenschaften unterrichtet. Sie sollten die künftigen Lehrer des Volkes in der wahren Religion seyn.
Würgte die Jünglinge dort, zu entreißen die künftigen Lehrer
Unseres Volks im Dienste Jehova's, des einigen Gottes.
Doch nun trieb mich der Geist des Einigen, daß ich vor Achab
Stand, erfüllet von heiligem Muth', ihn zur Rede zu stellen:
Rügend an ihm die Schuld und Verblendung, weil er nicht abließ
Noch von unsinnigem Götzendienst, der Israels Herrscher
Schon vor ihm, mit den Ihren zugleich, in Verderben gestürzt hat,
Und verkündend Jehova's Gericht: »Nicht Thau und nicht Regen
Solle befeuchten das Land, bis ich's nicht selber versühne:«
Ob er nicht also sich wende zu Gott, die schreckliche Geißel
Fühlend, mit seinem Volk', und Reu' errette den Sünder.
D'rauf entfloh ich, Jehova geboth's, zu entgehen der Rachsucht
Jesabels; floh, geleitet durch ihn, in's einsame Thal hier,
Wo die Höhle mich barg; wo Raben, vom Vater gesendet,
Fleisch und Brot mir brachten zur Kost am Morgen und Abend,
Und den brennenden Durst ich kühlt' in den Wellen des Bergstroms.
Schrecklich erfüllte sich schon der Fluch, du hast es erfahren,
Rings im versengten Gefild', wo Thier' und Menschen verschmachten.
Aber auch mir versagte der Strom die kühlende Welle:
Denn ach, schon aufleckte der Strahl des glühenden Himmels
Jeglichen Tropfen am moosigen Stein. Was frommt mir das Leben
Fürder? Ich lege mein Haupt zur Erd', und gedenke, zu sterben.«
»Wie,« sprach jener erschütternd, »so oft erfahren, durch Wunder,
Hast du Jehova's Macht, und verzagst, für jetzt an der Rettung?«

Sieh', und als er es sprach, da ward verjünget sein Antlitz,
Und verkläret sein Leib in glänzender Himmelsgestaltung!
Wenn die Sonne die weitumkreisende Scheib' an des Ostens
Duftigem Thor' erhöht im lieblichen Schimmer der Rosen,
Da schau'n wir entzückt, mit thränenumflossenen Augen,
Noch hinüber nach ihr; doch bald aufschwingt sie voll Hoheit,
Sich in des Himmels Blau: vom strahlenden Glanze geblendet,
Sinken die Blicke zum Staub', und, bethend, bewegt sich die Lippe:
Also sah der Greis in des schnellverkläreten Jünglings
Augen, erstaunt, und senkte den Blick dann, bethend, zum Boden.
Aber der Himmlische sprach zu ihm jetzt mit lieblicher Stimme:
»Mache dich auf, o Greis, den Wink zu erfüllen Jehova's,
Der g'en Sidon hinaus dich eilen heißt, nach Sarepta, Zarpath, oder Sarepta, war eine phönikische Stadt an der Küste des mittelländischen Meeres zwischen Tyrus und Sidon.
Jener phönikischen Stadt, die noch des grausamen Ethbaal's
Zepter gehorcht! Du staunest dem Wort, weil rings in den Landen
Achab forschte nach dir, und Jesabel glühend vor Rachgier
Wüthet? Fürchte dich nicht. Ein mächtiger Hort ist Jehova,
Der die Witwe erfüllt mit Freudigkeit, daß sie den Abend
Dir ein gastliches Obdach beut, und heimlich ernähret.
Dort den Nahmen des Herrn verherrlichen wirst du, Helias!«
Sagt' es, und schwand aus den Augen des tieferschütterten Sehers.
Wie uns des Morgens Traum, voll holdumgaukelnder Bilder,
Schwindet, und wir, erwacht, nachsinnen: ob uns nur Täuschung
Also entzück', ob nicht? – so dünkte dem Greis' die Erscheinung.
Aber er säumte nicht; schnell ergriff er den Stab mit der Rechten:
Denn die Link' erhob den weitumhüllenden Mantel
Von dem Boden, und schlang ihn umher an den Schultern und Lenden,
Ueber dem langen Kleid' aus Lämmerfellen bereitet. Die Kleidung, derer sich die, durch strengere Lebensart auszeichnenden Propheten bedienten, bestand aus einem langen Leibrock aus Lämmerfellen, aus einem ledernen Gürtel und einem Mantel aus grobem Tuche, dessen sich der Morgenländer im Freien auch statt einer Bettdecke bedient. Das Kleid des Täufers im Neuen Testamente, Matth. III. Cap. wird eben so beschrieben.
Also stieg er die Felsen empor, nicht achtend des Schweißes,
Der von der glühenden Stirn' ihm träufelte, dann von den Wangen
Strömend, hinunter sank in die Silberwellen des Bartes
Ueber der Brust umher, und ging, nicht des Hungers und Durstes
Achtend, der ihm die Zung' anklebt' an den trockenen Gaumen:
Denn Jehova geboth, und Muth erhöhte die Kraft ihm,
Freude das Herz, und Wonne die Seele, dem Herrn zu gehorchen.

Mild g'en Westen hinab mit rosenumhülleten Wangen
Sank die Sonn' im eilenden Lauf', und liebliche Kühlung
Wehte vom Meere heran, als er mit wankenden Schritten
Jetzt den Thoren Sarepta's naht'. Aufquoll von den Straßen
Finsteren Staubes Gewölk', wo, zahllos blöckende Heerden
Von der Weide zum Stall heimkehrten. Sie blöckten so kläglich:
Denn nicht stillte den armen die Trifft, versenget, den Hunger,
Nicht den quälenden Durst der langvertrocknete Quell mehr.
Abgehärmten Gesicht's, und mit flehendgefalteten Händen,
Standen die Stadtbewohner am Rain. Sie blickten nach Westen,
Blickten nach Süden hinaus, und forscheten: ob nicht am Himmel
Endlich sich weis ein Regengewölk', und der nahen Verzweiflung
Wehre? Nicht bellend mehr, nur winselnd schleppte der Haushund
Langsam dem Eigner sich nach auf der Spur, und legte verschmachtend
Sich vor ihn hin. Sein Aug' umhüllten von neuem die Thränen.

Nahe dem Thor' ersah der Greis die Witwe Benaja's
Häufend das Reisig im Schooß mit rothgeweineten Augen.
Bald von dieser und bald von jener Seite des Weges,
Trug Adoniram, ihr Sohn, die dürren Zweige herüber,
Welch' er fand, laut schreiend vor Freud': ein liebliches Kind noch,
Hold an Körper und Geist, der Mutter ergeben und folgsam.
Schnell enthüllt' ein Himmelsstrahl, vor den Augen Helias
Theilend den Nebelflor, der noch den sterblichen Blick deckt,
Die, von dem Herrn Bezeichnete sey's, die jetzo sich aufhob,
Und mit zweifelndem Blick' ihn maß, den seltsamen Fremdling.
Aber er sprach mit wichtigem Blick zu der Staunenden also:
»Friede mit dir, o Weib! Dir Heil, der Witwe Benaja's!
Heil auch deinem Sohn', Adoniram! Gib mir zu trinken,
Holend das Wasser im ird'nen Gefäß, das dir noch erübrigt.
Heiß ist der Tag: der Greis ermattete, kommend von fern' her.«
Jene staunte dem Wort. Nicht unbekannt war ihr, der Heidinn,
Selbst in Sarepta, Jehova's Macht, und der Ruhm des Propheten
Längst erschollen im Land; doch hatte der heilige Mann sie
Nie gesehen zuvor – und er nannte Geschlecht ihr und Nahmen?
Schweigend ergriff sie des Knaben Hand, und wandte die Schritte
Heimwärts, daß sie den Labetrunk, den dürftigen, letzten,
Holte herbei: sich mild an dem flehenden Greise bewährend.

Lächelnd blickt' er ihr nach; er dacht' im Geiste des Segens,
Den der Himmelsbothe verhieß, und freute sich innig.
Laut nachrief er zugleich der Eilenden: »Bringe vor allem
Auch ein Stückchen Brot mit dem Krug, mir den Hunger zu stillen.«
Jene wandte betroffen sich um. Ihr bebten die Lippen
Ob des unendlichen Weh's in der Brust, und mit Thränen begann sie:
»O, so wahr Jehova, dein Gott, der lebende Gott ist –
Denk' ich der Götter hier, die taub und stumm, nicht erhören
Unser Gebeth, ich habe daheim kein Brot und Gebäck mehr;
Nur des Mehles im Kasten so viel, als ich mit den Händen
Faßte zur Noth, und das Oehl? Die Morgenländer bedienen sich des Oehles, statt der Butter, bei allen Arten Gebäckes. – kaum deckt es im Kruge den Boden!
Eben las ich das Reisig mir auf, den dürftigen Vorrath
Will ich daheim für mich und das Kind nun backen, und essen –
Essen, und dann? Wir wollen zur Ruh' uns legen, und sterben.«
Schluchzend sprach sie das Wort; Helias entgegnete sanft ihr:
»Fasse Vertrauen zu Gott, dem Ewigen! Brot noch die Fülle
Bäckst du für dich und das Kind dann später: mir sollst du bereiten
Einen Kuchen zuvor, und heraus ihn bringen zur Labung.
So spricht Israels Gott, Jehova: ›Nicht sollst du im Kasten
Missen das Mehl, nicht im Kruge das Oehl, bis, gnädig, Jehova
Wieder zur Erde herab euch sendet gedeihlichen Regen.‹
Nicht begriff die Weinende noch den heiligen Seher,
Der, die Trauer ihr bald in Freude zu wandeln, herankam.
Aber sie naht' ihm schnell, und begann mit leiserer Stimme:
»Wohl erscholl uns der Ruf: daß rings, in den Reichen der Völker
Achab forsche nach dir, und selbst nach dem Leben dir strebe.
So zur Rache empört durch Jesabel. Siehe, die Nacht sinkt
Dunkel herab; ein Fremdling stehst du im fremden Gebieth hier!
Möchte es dir gefallen, o Herr, in der armen Behausung
Deiner Magd für heut', und die künftigen Tage zu weilen!
Sicher wohnst du bei mir, der Witwe. Wir wollen dich bergen
Vor dem lauernden Feind', und pflegen mit Lieb' und Ergebung.«
Sagt' es, und eilte voran. Ihr folgte der Greis in den Vorhof,
Dann die Treppe hinauf in die Kammer des Oberen Hauses,
Das von dem Vorhof sich erhob: der stillen Betrachtung,
Wie des Gebethes Stunden geweiht, und dem Fremdling zur Herberg'. Oberhaus, Oberzimmer – , ὑπερνῷον – ein Gebäude von einem, oder ein Paar Gemächern, welches vom Dache hinauf, über der Hausthüre, oder über dem Vorhofe, oft auch rückwärts von einem oder dem anderen Ende des Hauses, empr ragt; zu welchem entweder von der oberen Gallerie, oder mittelst einer heimlichen Treppe, die in den Vorhof odr auf die Straße führt, zu gelangen ist. Dasselbe dient zur Beherbergung der Fremden, zu stillen Betrachtungen, und Uebung der Andacht in ungestörter Einsamkeit. (Siehe Shaw Reis. S. 188. Niebuhr's Reis. I. Theil S. 380

Als er den Stab gelehnt an die Wand, und den wolligen Mantel
Hin auf das Lager gelegt: da brachte geschäftig die Hausfrau
Wasser im Krug', und das Becken herbei. Sie dünkte: der Krug sey
Voller denn erst, und reichte den Trunk dem Greise zur Labung.
D'rauf, als dieser, nach Lust, mit zurückgebogenem Nacken,
Schlürfte vom labenden Krug', und ihn, dankend, wieder zurückgab,
Sank sie vor ihm auf die Knie', und begann ihm die Füße zu waschen,
Rufend auch ihren Liebling herbei, mit ermahnenden Worten:
»Komm, mein Kind, und wasche mit mir die Füße des Greises,
Daß du den Fremdling einst bei dir gastfreundlich zu ehren
Lernest, und so durch Mild' und Erbarmung dir Segen bereitest!«
Alsbald eilte das Kind, den Lehren der Mutter gehorsam,
Näher; sank auf die Knie', und hielt mit den Händchen die Füß' ihm:
Heftend den Unschuldsblick auf den Lächelnden. Aber er legte,
Segnend, ihm die Händ' auf das Haupt, und sagte mit Rührung:
»Mögest du, treu dem Gesetz, vor Jehova wandeln in Unschuld:
Dann ist Fried' in deinem Gemüth', und Segen die Fülle
Blüht um dich her, und blüht um die Deinigen immer und ewig!«

Als sie jetzt, ihm trocknend die Füße, die freundliche Handlung
Endete, ging sie hinaus, auf dem Herde den Kuchen zu backen.
Dort eröffnend den Kasten – starr, und des Athems beraubet,
Stand sie den Augenblick: denn voll von der Blüthe des Mehles
War der Kasten, und voll vom köstlichen Safte der Oehlkrug.
Ach, sie vergaß im freudigen Schreck des Kuchens und Backens;
Eilte die Treppe hinauf, und schlug die Hände zusammen;
Jubelte, schrie, und weint', und lachte zugleich vor dem Seher;
Schauend den Ueberfluß nach drückender Noth und Entbehrung!
Jener lächelte nur, und pries im Geiste Jehova's
Nahmen. Sie ging; bereitete nun die köstliche Nahrung
Schnell, und sie aßen darauf. Nicht schmolz das Oehl in dem Krug mehr,
Nicht in dem Kasten das Mehl in des Jahr's umrollenden Tagen.

Sieh', auf dem Söller erging sich einst, in der Stille des Abends,
Bethend, der Greis! Ihm pochte die Brust in freudiger Rührung:
Denn schon nahte der Augenblick, wo, kräftig im Glauben
An Jehova, den Herrn, sich erhebe die Witwe Benaja's,
Da verherrlicht vor ihr sich erwies die Macht des Propheten.
Aber des Weibes Kind, voll zartaufblühender Schönheit,
Welkte dahin, wie Rosenblüth' im frostigen Nordwind
Welkt, und athmete matt, und matter, und hauchte den Geist aus.
Unten im Vorhof scholl urplötzlich ein Heulen und Weinen –
Scholl des Weib's Weh'ruf, in der Still', erschütternd den Ohren.
Alsbald hörte der Greis die Jammernde; sah mit Vertrauen
Auf zu dem Himmel, und stieg die Treppe herab in des Vorhofs
Halle. Er saß auf der Bank, und sah, verstummend, vor sich hin.
Aber mit losgewühletem Haar, mit bebenden Lippen,
Starrem Schmerz und Verzweif'lung im Blick, todbleich und vergehend,
Trug die Mutter den Sohn auf den Armen heraus in die Halle,
Nahte dem Seher mit wankendem Schritt', und legte den Knaben
Ihm zu Füßen. Sie sank mit brechenden Knieen der Last nach,
Stöhnt' im Fall', und preßt' auf die eisigen Lippen des Kindes
Ihren Mund, und bebte vor Schmerz, und weinete laut auf.
Doch nun fuhr sie empor: sie blickt' umher in dem Vorhof;
Sah dem Propheten in's Aug', und begann, mit gefalteten Händen,
Leis' erst; rief dann laut, schnell, zögernd, entschlossen, und furchtsam:
»Gottes Prophet! Was hattest du hier mit der Witwe ... wie sagt' ich,
Witwe? ja, doch jetzt auch kinderlos! – was zu verkehren
Du mit mir, o Prophet? Betratest du darum die Schwelle
Meines Hauses, daß du Jehova, dem Furchtbaren, Strengen,
Aufhüllst meine Sünden von einst – er strafe die Sünden?
Doch ist die Strafe zu groß, und zu hart dieß entsetzliche Schicksal!
O, du sahst ja dieß Engelskind, die Blicke voll Unschuld,
Sanftmuth, Leben, und Geist! So oft hörtest du selber, wie süß ihm
Tönte vom Munde das Wort, wie gut mein liebliches Kind war.
Doch, nun liegt es entseelt! Da liegt mein Reichthum, mein Alles:
Jetzo bin ich erst arm, Prophet – mein Kind ist gestorben!«

Also jammerte hier die Mutter im schrecklichen Herzleid
Wegen des Sohns, und beugte die Stirn' jetzt wieder nach ihm hin:
Ihren Augen entfloß ein Strom von Thränen, und netzte
Ihm das bleiche Gesicht, die erstarreten Wangen und Lippen.
Nun erhob sich der Greis: sein Blick voll düsteren Ernstes,
Ruhete lang' auf dem jammernden Weib; dann sprach er, verweisend:
»Wie, vergaßest du schon der Noth, der Hülf', und Errettung,
Die Jehova dir schafft' in der Noth? Des Guten vergißt nur
Also der Mensch, und labt die Erinnerung nur an dem Uebel,
Das ihn manchmal ereilt auf wechselndem Pfade des Lebens?
Hast du Glauben an Gott, den Einigen? Hast du Vertrauen
Auf Jehova's Macht, unendliche Huld, und Erbarmung?
Hast du solches, o Weib, dann wirst du erringen die Rettung!«

Langsam erhob sie ihr Haupt, und dann den Blick von dem Knaben
Nach dem Greise hinauf, bis jetzt, in der Einung der Seelen,
Ruht' auf seinem, ihr Aug'; dann sank es wieder hinunter,
Thränenumhüllt. Doch bald gewahrt' er mit heiliger Wonne,
Wie die Gebeugte die Recht' aufhob zu dem Himmel, und dorthin,
Erdwärtsblickend, wies, mit verständlichen, stummen Geberden.
»Mutter, gib mir das Kind!« so rief er, und hob es vom Boden
Alsbald auf, und trug's (sie sank ohnmächtig zusammen)
Ueber die Treppe hinauf in die Kammer des oberen Hauses
Auf sein Lager. Er fleht', auf die Kniee gesunken, zum Himmel:
»Herr, Jehova, mein Gott, Alleiniger, Ewiger, Höchster!
Soll die Witwe in Jammer vergeh'n, die gütig mich aufnahm –
Vor Verfolgung und Noth, in ihrem Hause verbergend,
Rettete? Soll sie vergeh'n, ihr Kind in den Armen des Todes
Schauend? Von dir kommt Hülfe; du bist allmächtig und gütig.«
Als er die Worte gesagt, da beugt' er sich über den Knaben
Dreimal hin. Er hauchte mit kraftaussprühendem Odem
Ihm in das toderblaßte Gesicht, und drückte die Lippen
Dreimal ihm auf den Mund; dann knieet' er wieder, und rief so:
»Herr, du sprichst zu dem Berg: stürz' ein – und er sinket zusammen!
Rufest dem Sturm': er fährt in brausendem Flug' auf des Meeres
Fluthen einher, und wühlt sie, entsetzlich, rings aus dem Grund' auf.
Du gebiethest dem furchtbar'n Blitz, und in rauchenden Trümmern
Liegt, vernichtet, die Stadt. Dein mächtiger Odem beweget
Sonn', und Mond, und die Sternenheer' im unendlichen Weltall:
Hauch' in dieß Kind, Allmächtiger, jetzt den Athem des Lebens!«
Als er es rief: da fuhr ein Strahl in Windesgesausel
Durch die Decke herab, und hellte die Stirne des Knaben.
Alsbald regten zum Leben sich die erstarreten Glieder:
Liebliches Roth umzog die erbleichten Wangen. Nicht anders
Wie die rosige Früh' auf die schneeigen Lilienblätter
Hauchet den Purpurglanz: so erglühten die Lippen und Wangen
Ihm; doch jetzt aufschlug er die festgeschlossenen Lieder;
Sah mit verkläretem Blick den Himmel, den weinenden Greis an;
Setzte sich auf in dem Bett', und schlang mit leisem Gewimmer,
Festumklammernd, ihm die Händ' um den Nacken, und küßt' ihn.
Freudig erhob ihn der Greis auf den Arm, und trug ihn die Stufen,
Eilenden Schrittes, herab, daß sie dröneten. Doch Adoniram's
Mutter saß, schwerathmend noch, nach dauernder Ohnmacht,
Dort auf der untersten Stuf', und senkt' ihr Haupt zu dem Busen.
Aengstlich horchte sie jetzt dem Geräusch': ihr bebten die Glieder –
Schlug das ermattete Herz in empörteren, stärkeren Schlägen
Bis zum Halse hinauf, und droht' ihr schnelle Vernichtung.
Sterbend vor Angst, nicht wagte sie, hin die Blicke zu wenden;
Doch als – »Mutter!« erscholl aus dem Munde des jauchzenden Kindes,
Fuhr sie empor: denn Schreck, und Schauder, und kaltes Entsetzen,
Faßten, wechselnd, sie an, und, als ihr Wiedererweckter
Lebend, und warm, und hold, und reizender als er zuvor war,
Ihr an dem Hals hing, o, da stürzte sie schnell auf die Knie' hin,
Hielt ihn dankend empor, und sagte dem göttlichen Manne,
Der an der seligen Schau sich weidete, laut und entschlossen:
»Ha, nun glaub' ich fest, daß Jehova der Einige Gott ist,
Der durch dich, den wahren Propheten, des ewigen Lebens
Heiligen Pfad mir wies – barmherzig, und gütig, und mild ist!«
»Recht, o Weib,« so rief Helias, »du sagtest die Wahrheit!
Manches beginnen wir hier in den Tagen der irdischen Wandrung –
Schaffen, und bau'n gar viel des Nichtigen; suchen, und irren;
Dünken uns oft am Ziel', in des Fleisches enger Begränzung
Fern' umirrend von ihm – des ungehorsamen Stolzes
Frühes Geschick'! Als dort der Schöpfer hinaus in das Dunkel
Stieß das Geschöpf, da gab zur Leiterinn er ihm den Glauben.
Hoch vom Himmel herab, in die Nacht all' endlichen Strebens,
Strahlt sein Licht, und leitet allein zum Ziel' uns hienieden:
Denn es leitet zu Gott, dem Ewigen, Wahren, und Einen.
Folg' ihm getrost: dir hat, o Weib, geholfen der Glaube

Zweiter Gesang.
Hoffnung.

Einsam ging den stäubenden Weg der Thesbit, Helias,
G'en Samaria hinauf, wo Israels Könige herrschten.
Amri erbaute die Stadt und die Königsburg, der Erzeuger
Achab's – beid' ergeben der schändlichen Götzenverehrung:
D'rum verworfen vom Herrn, und ausgeschlossen vom Erbtheil
Abrahams, Isaaks, und Jakobs, der allverehreten Männer,
Das der Vater vererbt' auf den Sohn: die Gnade Jehova's.

Heut', in dämmernder Frühe, verließ in dem stillen Sarepta
Endlich der Seher das Haus der gastlichen Witwe mit Rührung;
Schied, und segnete noch den schlummernden Sohn und die Mutter,
Die auf den Knie'n mit Thränen ihn bath, daß er weile noch länger
Unter dem freundlichen Dach, wo er Glück und Segen gespendet.
Aber er sprach: »Mich ruft Jehova's Stimme; vor Achab
Muß ich erscheinen noch heut', und ihn erschüttern im Herzen:
Auf daß er wiederkehre zu Gott, dem wahren und einen.
Zwei und ein halbes Jahr hast du mich, den Fremdling, beherbergt;
Aber dafür gab Gott dir Segen die Fülle: du hast ihm
Ehre gezollt; schwurst ab Vielgötterei, Trug und Verblendung;
Breitest Jehova's Ruhm – den Glauben des Einigen Gottes,
Aus in deinem Geschlecht', und Tausende wirst du beglücken.«
Sagt' es, und ging. Sie stand, und barg ihr thränendes Antlitz,
Schluchzend, in beide Händ', und zitterte. Kurz ist das Leben,
Dunkel die Zukunft: d'rum so schmerzlich das Scheiden für Seelen,
Die sich liebend gefunden am Weg' in die ewige Heimath!

Furchtbar drückte die Hungersnoth Samaria, die Hauptstadt.
Tausende schmachteten, bleich vor Jammer und Elend, und Achab,
König, ach, mit dem Herzen von Stein, gewahrte die Noth kaum!
Aber die Mäuler und Ross', von erlesener Schönheit und Abkunft,
Welche zu hunderten noch die Ställ' ihm füllten – mit Ingrimm
Sah er sie steh'n vor der Rauf', und darben. Er zog mit Gefolg jetzt
Selbst in die Hain' und Thäler hinaus, wo, murmelnd, der Bach sonst
Ihm ergötzte das Ohr, nach grasumwucherten Räumen
Drüben zu späh'n. Umsonst war all' sein Mühen und Forschen.
Jetzo rief er Obadia, wildempört in dem Busen,
Der, ein Hüther der fürstlichen Burg, in Eile herankam.
Sanft war dieser, und fromm: Jehova dienend in Einfalt
Seines Herzens mit Freudigkeit stets, und mit redlichem Sinne.
Als die Propheten des Herrn und die Schüler der göttlichen Lehrer,
Jesabels mordender Stahl hinopferte, barg er mit Vorsicht
Hundert Jünglinge Nachts in fernentlegene Höhlen:
Fünfzig in einer, und, gleich an der Zahl, in der andern gesondert,
Fünfzig, und schaffte die Speis' in der Dämmerung, schaffte den Trunk hin:
Sie zu entreißen der Wuth des grausamgesinneten Weibes.
Achab rief ihm sogleich mit donnernden Worten entgegen:
»Fleug g'en Sidon voraus in die nördlichste Gegend, und forsche
Dort sorgfältig umher im Gehölz': ob tief in der Bergschlucht,
Auf den mittleren Höh'n, und nahe dem sumpfigen Moorgrund
Sich nicht finde die Quell' und die grasige Weide zur Rettung
Meiner Lieblinge hier, die ich weit mehr acht' in dem Herzen,
Als dieß niedrige Volk, das mir vor allem verhaßt ist.
Doch weh' dir, so ich dich des Ungeschicks, oder des Saumsals
Zeihen sollt'. Ich folge dir bald zu dem dunkeln Gebirg nach.«

Jener beugte sich tief im Staub', und eilte von dannen.
Sieh', auf dem Heerweg kam ein Greis ihm entgegen: schon fernher
Däucht' ihn, er kenne die hohe Gestalt. Die strahlende Sonne
War nicht günstig der Schau; er hielt die Fläche der Rechten
Ueber dem Aug', und sah mit geschärfterem Blicke hinüber:
Ob er sich täusch', ob nicht? Er war's – der Seher Helias,
Ihm bekannt, und verehrt vor allen sterblichen Menschen!
Diesem genaht, warf sich Obadia erst auf das Antlitz,
Huldigend; dann erhob er sich rasch, und sagte mit Ehrfurcht:
»Triegt das Auge mich nicht? Ich sehe denn wirklich Helias,
Meinen Herrn, nach Jahren voll Grams und schrecklicher Noth hier?«
»Ja,« sprach jener mit Ernst', »ich bin's! Doch kehre nur wieder,
Deinem Gebiether und Herrn von mir zu verkünden: Helias
Komme zu ihm. Du staunst – erblassest dem Worte vor Angst schon?«
Doch Obadia sprach in mitleidflehender Stellung:
»Herr! was hab' ich verbrochen an dir, daß du mich, im Jähzorn
Achabs Rache zu opfern gedenkst? So wahr uns Jehova
Hört: er sandte die Späher jüngst in die Länder, und forschte,
Ringsum, gierig nach dir bei den Königen; heischte den Eidschwur,
Heischte Siegel und Schrift, wo es hieß: du wärst nicht zugegen,
Und du forderst von mir: ich soll nun gehen, und sagen
Meinem Gebiether: »Helias ist da.« Kaum hätt' ich den Rücken
Dir gewendet, entführte vielleicht ein brausender Sturmwind
Dich von hinnen; er fände dich nicht, und würde mich tödten.
Ich, dein Diener, o Herr, verehre Jehova von Jugend
Auf mit redlichem Sinn. Was that ich, du hast es erfahren,
Als die Propheten des Herrn dort Jesabel mordete? Hundert
Hab ich vor ihr – je fünfzig in einer Höhle, verborgen,
Und ernähret mit Speise und Trank in redlicher Sorgfalt;
Wie, und du willst, ich soll nun gehen, und sagen: Helias
Komme heran? Mein Herr, es würde das Leben mich kosten!«
Ihm antwortete d'rauf Helias mit flammenden Blicken:
»Ha, ich schwör's bei Jehova, dem Gott des unendlichen Weltalls,
Dessen Diener ich bin, daß ich heut' erscheine vor Achab,
Deinem Gebiether und Herrn! Nun magst du ihm künden die Bothschaft.«

Zweifelnden Muthes ging Obadia, jenem zu künden,
Was er gehört. Doch sieh', auf dem vielbewanderten Heerweg
Fleugt nun weitumher, unendlichen Staubes Gewölk' auf!
Wie in der schrecklichen Zeit des allzermalmenden Krieges,
Jetzo dahier, jetzt dort aufflammt ein friedliches Dörfchen,
Wo der zürnende Sieger im Zug hinschleudert den Mordbrand;
Aber vor allen die Stadt – der Rauch verfinstert den Luftraum:
So von dem Heerweg hier, so dort von den einsamen Pfaden
Wirbelte Staub empor: denn Achab kam mit den Scharen
Seiner Krieger und Rosse heran, und es drängte das Volk sich
Rings an den schwellenden Zug, und jammerte, hülfebegehrend,
Vor dem König im Staub. Zu Tausenden wuchs sein Gefolg' an.

Tausende folgten dem Furchtbar'n nach: doch einer, Helias,
Trat, mit heiligem Muth' in der edeln Brust, ihm entgegen.
Als das Volk aufschrie: »Da kommt Helias, der Seher.«
Hielt der König, betroffen, vor ihm den eilenden Zug an;
Stand, und harrete dort des Kommenden. Jetzo vergaß er,
Was er gedrohet zuvor. Er konnt' ihm Hülfe gewähren
Gegen den Jammer im Land, so er Regen erflehte vom Himmel?
Also dacht' im Geist der Götzenverehrer, und rief ihm:
»Ha, bist du's, der Israel stürzt in Jammer und Elend?
Doch nicht wirst du uns jetzt, wie jüngst, entkommen: du sollst uns
Regen erfleh'n von dem Himmel herab, vom Gotte Jehova,
Den du verehrst! Du hast zum Zorn ihn gereizet – versöhn' ihn.«
»Nein,« gab jener zurück, »nur du, dein Vater mit allen
Eures Geschlechts empörtet den Zorn Jehova's, und brachtet
Jammer auf Israels Volk: dem Baal, dem nichtigen Götzen,
Dienend; ich kündet' ihn nur, ein Seher Jehova's, dem Volk' an,
Daß euch Reue versöhne mit Gott – er Hülfe gewähre.«
Wie das stürmende Meer aufrauscht, Orkanengetümmel
Heulende Wälder durchtobt: so war des empöreten Volkes
Lautes Geschrei, und wechselnd erscholl's: »Versöhne, Helias,
Uns mit Jehova, dem Gott, dem Einigen, daß er uns Regen
Sende vom Himmel herab! »Astarten die Ehre!« »Dem Gotte
Baal sey Ruhm und Preis!« »Versöhne die Götter, Helias!«
Also lärmte die Straß' entlang, und rings im Gefild her,
Tausendzüngig, das Volk; nur spät, als häufig der König
Stille geboth, verhallte der Lärm und das wilde Getümmel:
Wie die brausende See nach dem langverschollenen Sturmwind
Noch hinwüthet zum Strand', und Schaum aufspritzet g'en Himmel.

Groß und erhaben stand der heilige Greis in der Mitte
Des, ihn umlärmenden Volk's. Da war ein Lächeln und Zürnen,
Wechselnd, in seinem Antlitz zu schau'n: der nahen Verachtung
Wehrte die Milde den Weg, und herzversöhnendes Mitleid.
Dräuend erhob er die Recht', und sprach zu den Horchenden also:
»Schnell hast du vergessen, o Volk, wie gütig Jehova,
Dein sich von Anbeginn her erbarmend, mit deinen Erzeugern
Selber sich eint' in dem Segensbund', und ihnen zum Eigen
Gab das Gelobte-Land; wie er dich aus den schrecklichen Banden
Pharao's führt' aus Aegypten so, wie die liebende Mutter
Führt ihr strauchelndes Kind an der Hand, mit wachsamer Sorgfalt!
Hat sein mächtiger Arm nicht mitten im röthlichen Schilfmeer
Dir gebahnet den Pfad – ersäuft dort Pharao's Völker?
Nicht durch die Wüste geleitet zum Ziel', und durch Wunder genähret?
Du verließest den Gott, den ewigen, wahren, und hast dir
Götzengebilde gemacht. Ihr Sinnlichen, kommt, und erfahret,
Was Jehova's Rechte vermag: in sinnlichen Zeichen
Sollt ihr's schau'n, und zu ihm euch wenden mit reuigem Herzen!
König, sende die Bothen voraus: versammle die Priester
Baals: vierhundert und fünfzig sind's, und die Priester Astartens,
Gleich an der Zahl, die im Hain durch Unzucht – Fluch der Verblendung,
Ehren die Göttinn im schändlichen Dienst', und vom eigenen Tisch noch
Jesabel nährt! Weh' dir, da ihr Lieblinge sind die Verruchten!
Schnell versammle sie jetzt auf dem Karmel, daß sich's erweise:
Ob Jehova, ob Baal der wahr' und ewige Gott sey?«

Eilig flogen die Bothen davon. Die unzähligen Scharen
Folgten dem Könige nach und dem Seher, der ihm voranging.
Ueber den Rücken des himmelemporgethürmeten Karmels
Führte der Felsenpfad die Keuchenden. Frisch wie ein Jüngling
Eilte der Greis: ihm stärkte die Brust und die wankenden Glieder,
Heiliger Eifer für Gottes Ruhm und die Rettung des Volkes,
Das er vom schändlichen Trug der götzendienenden Frevler
Wieder zum reinen Altar Jehova's zu führen gedachte.
Jetzt war eine der Höh'n an des Berg's südwestlichem Abhang
Mühsam errungen im Gluthenhauch des nahenden Mittags.
Dort in die Rund' umher, sonst üppig mit Grase bewachsen,
War verbreitet ein Wiesenplan, und, gränzend, umgab ihn
Dunkeles Zederngehölz. Helias hielt in der Mitte
Jetzt mit thränendem Blick' am frechzerstöreten Altar
Still, der, einst Jehova geweiht, nun, Jammer zu schauen,
Lag zerstreut in dem Schutt durch Jesabels frevelnde Rachsucht!

Sinnend stand der Prophet. Er sah, nach Westen gewendet,
Ueber die Zedern hinaus auf des Meer's endlose Gewässer;
Doch nun ruhte sein Aug' im Süden am bläulichen Oehlberg,
Nahe der heiligen Stadt Jerusalem; dann auf dem Hügel
Golgotha's, wo er, im Geist, die Tage der herrlichen Zukunft
Sah, und Vollendung und Licht, wo jetzt nur dunkele Bilder
Wiesen an sie der Gegenwart verirrte Geschlechter.
Lauter pocht' ihm die Brust, und heller flammte sein Aug' auf,
Als er die Händ' erhob, und, entzückt, Dank blickte zum Himmel.
Aber zum furchtbarn Ernst verwandelte sich des Propheten
Milder Blick, da er rings, die versammelten Scharen betrachtend,
Leichtsinn, Trug, Verblendung, und Schuld ersah in den Augen
Tausender. Jetzt bewegt' er das Haupt, und rief zu den Scharen:
»Israels Söhne! Warum dient ihr mit wechselndem Sinne,
Nun Jehova, dann Baal, zum Hohne des ersten Gesetzes,
Das in den Doppelstein eingrub der göttliche Führer,
Moses: ›Du wirst nebst mir nicht andere Götter erkennen?
Wer euch Gott ist: Baal? Jehova? – dem solltet ihr dienen.«

Tief verstummte das Volk. Wohl traf die Herzen des Vorwurfs
Flammengewalt; doch Achab stand unferne dem Seher,
Wuthausstrahlenden Blick's, und Tausende sah'n auf den Furchtbar'n,
Der als König geboth, und die Götzen selber verehrte.
Sieh', da nahten die Priester Baals: vierhundert und fünfzig
Eileten rasch, mit Gesang und Lärm, von dem Zederngehölz her;
Jene des Götzenhains, hielt Jesabel fest in der Hofburg:
Denn ihr dünkte der Ruf des verhaßten Helias gefahrvoll.
Jetzt umzog ihm den heiligen Mund ein bitteres Lächeln;
Wahrlich, er lachte sogar leis' auf, und rief vor den Scharen:
»Seh't, ich stehe allein! Da nah'n vierhundert und fünfzig
Mächtige Priester des Baal; Betrogene selbst und Betrieger,
Jauchzend heran. Sucht schnell die walddurchweidende Heerd' auf;
Holt zwei Rinder herbei. Sie sollen dann eines sich wählen:
Auch ich wähle mir eins; nach Opferbrauch das Zerstückte
Legen auf Holz, und rufen zu dem, der ihnen ein Gott ist.
Auch ich thue wie sie; doch hört: das Feuer erflehen
Wir von unserem Gott. Der Feuer uns sendet vom Himmel
So, wie er dort auf Abels, nicht Kains, erhabenen Altar
Sendete, der ist Gott, dem Fragenden gibt er die Antwort.«
Laut aufjauchzte das Volk: »Das soll zum Zeichen uns dienen:
Weise hast du gesprochen, o Greis; wir wollen gehorchen!«
Achab winkte, verstört, dem Volk' unwilligen Beifall.
Alsbald trieben sie vom Gehölz zwei blöckende Rinder
Durch das umdrängende Volk in die Nähe des ernsten Propheten,
Haltend fest bei'm Horn die Sträubenden. Aber er sah jetzt,
Schaudernd vor innigem Schmerz, Baals festlichgeschmückete Priester
Vor dem König', und rief, ergrimmt, den Versammelten also:
»Jetzt nur muthig herbei! Ihr habt es vernommen, wie leicht hier
Baal erringe den Sieg. Erbau't den Altar, und zerstücket
Eines der Rinder nach Opfergebrauch, dem Gotte zu Ehren,
Den ihr verehrt. Beginnet vor mir: euch werde der Vorzug;
Rufet zu ihm mit Macht, daß er spende zum Opfer die Flamme,
Und ich vor euch ein Thor, als Jehova's Diener erscheine.«

Jene standen verwirrt, und sah'n mit zweifelnden Blicken
Aengstlich sich an. Da trat Asnad, der oberste Priester,
Aus den Reihen hervor, und knirschte laut mit den Zähnen.
Trotz umwölkt' ihm die finstere Stirn', und das struppige Haupthaar
Hielt die Binde von Gold, mit dunkeln Zeichen beschrieben.
Auch umfing ihm das schneeige Kleid ein goldener Gürtel,
Das, von Wolle gewebt, ihm gefaltet zur Ferse hinabfloß.
Jetzt erhob er den Stab, und geboth den zagenden Priestern,
Selber nur heuchelnd den Muth, als Angst ihm füllte den Busen;
»Opfert das Rind! Ruft auf zu Baal, dem mächtigen Gotte,
Eifernden Laut's, daß der thörichte Greis hier stehe, beschämt, dann!«
Rief's; doch lächelnd still für sich hin, ließ jetzo Helias
Vor Jehova's zerstörtem Altar', im Grase sich nieder;
Stützte das Kinn auf die Hand, und sah, wie die hurtigen Priester
Trugen die Steine herbei, und erhoben in Eile des Altars
Viereck, oben den Bau noch mit Erd' und Rasen bedeckend;
Wie das blöckende Rind sie schlachteten, dann das Zerstückte
Ordneten auf gespaltenes Holz, und das Opfer bestellten.

Jetzo begann, dem Ohr' entsetzlich zu hören, der Priester
Baals vereintes Geschrei. Sie wütheten, tobten vor Unsinn,
Hüpfend um den Altar, und schreiend: »Baal, du, erhör' uns!«
So bis zur Stunde des Mittags schrie'n, und lärmten die Priester
Rastlos fort; doch Niemand war, der höret', und Antwort
Gab vom Himmel herab in Flammen und Donnergetümmel.
Dort erhob sich der Greis, und rief den eifernden Priestern,
Die schwer athmend, und triefend von Schweiß, ihm horchten, noch laut zu:
»Nun wie kommt es, daß Baal nicht höret, nicht sieht, und verstummet?
Ist er vielleicht vertieft in Betrachtungen? Ist er auf Reisen?
Durch Geschäfte zerstreu't? Ruft laut zu dem Mächtigen. Oder,
Schläft er vielleicht? Ach, ruft zu dem Gott, daß er endlich erwache!«
Höhnte sie so, und lehnte mit vorgebogenem Leib sich
Dann auf den knotigen Stab, die empörteren Priester betrachtend:
Denn sie geberdeten sich gleich Rasenden; riefen, und lärmten
Fort mit erneueter Wuth. Doch ach, nun ritzten die Thoren
Sich mit Messern und Pfriemen den Leib, daß er grauenerregend,
Blutete: Eine Art unsinniger Gottesverehrung der heidnischen Priester war die: sich mit Messern, Spießen und Geißeln zu verwunden. Plutarch bezeugt solches von den Priestern der Bellona in seinem Buche von dem Aberglauben und Lactanz in jenem von der falschen Religion I. B. 21. Cap. – Tibull. I. B. 1. Eleg., von den Priesterinnen der Cybele und Lucian in jenem von der syrischen Göttinn. so, nach dem Brauch der Götzendiener im Land dort.
Aber schon rückte die Stunde heran, wo Jehova's Verehrer,
Nach dem Gesetz', im Tempel das Abendopfer zu weihen
Pflegten, und sieh', noch kam von Baal nicht Stimme, nicht Antwort.

Jetzt entbrannte der Greis: er warf den knotigen Stab hin;
Winkte dem Volk', und es trat voll banger Erwartung ihm näher.
Schweigend, mit Thränen im Blick, las er zwölf Steine zusammen
Von dem zerstörten Altar des Herrn (so viele der Stämme
Hatte Jehova erwählt, aus Jakobs Söhnen, und hieß sie
Israels Volk) und ordnete sie zum Opfer mit Sorgfalt.
Rüstige Männer bewegte sein Wink: sie zogen den Graben
Rings so breit, daß der Raum des kornerfülleten Scheffels
Viertheil faßte zur Saat. Er ordnete kundig das Holz dann
Auf dem Altar; zerstückte das Rind, und legt' es darauf hin.
Jetzt nach vollendetem Werk' erhob er die Stimme gebiethend:
»Holt vier Kübel Wassers herbei – dann zweimal so viel noch,
Und begießt den Altar, das Holz, und das Opfer Jehova's.«
Also geschah's. Da floß von dem Opfer, dem Holz', und dem Altar,
Strömend, das Wasser hinab in den dunkelen Graben, und füllte
Voll ihn zum Rand': ein Staunen ergriff die umdrängenden Menschen.
Als die heilige Zeit des Abendopfers genaht war, Das Abendopfer wurde um Uhr Nachmittags in dem Tempel zu Jerusalem dargebracht.
Trat Helias, mit Würd' und ernstumwölketen Augen
Hin zum Altar'; erhob die Hände zum Himmel, und flehte:
»Künde, Jehova, du, Gott Abrahams, Isaaks, und Jakobs –
Ihnen der ein'- und ewige Gott, und Allen und Jeden,
Die mit redlichem Sinn dich suchen, erkennen, und lieben:
Künd', allmächtiger Gott, dem Volke dich heut' in des Feuers
Urkraft an, daß es dir, von den Flammen der Liebe durchdrungen,
Diene hinfort, und jetzt nicht zweifle, was ich begonnen,
Sey dein heiliger Wink! Erhöre, Jehova, erhör' mich
Flehenden, daß es zu dir sich bekehre mit redlichem Herzen!«

Sieh', in dem Augenblick' ein Blitz, ein Feuer, unendlich,
Furchtbar, allbetäubend umher im Donnergetümmel
Leuchtete, krachte herab: des Karmels Scheitel erbebte;
Schauernd wogte der Grund; laut heulten die schwankenden Wälder –
Rauschte das Meer! O, Wunder: verzehrt vom rollenden Feuer
War Brandopfer, und Holz, und Stein, und Erde; das Wasser
Leckte sein Flammenhauch aus dem tiefgehöhleten Grund' auf!
Bleich, und bebend vor Schreck, stand lange das Volk, und besann sich,
Was da gescheh'n? Doch jetzt warf sich die Menge zum Boden;
Achab beugte die Knie'; Baals Priester sah'n sich voll Angst an;
Lautes Weinen erscholl, und Israels Kinder bekannten:
»Herr, Jehova, du bist alleiniger Gott, und Erbarmer!«

Also versöhnete Volk und Land vor Jehova Helias.
Seinem furchtbarn Blick zu entkommen, schlichen die Priester
Baals sich in Eile davon; doch schrecklich entflammte sein Aug' sich,
Als er die Recht' erhob, und rief mit zermalmenden Worten:
»Haltet die Schändlichen fest! Hier steh' ich im Nahmen Jehova's
Richtend, vor euch, der über den Tod und das Leben gebiethet.
Gottes erlesenes Volk seyd ihr, und Achab, der König,
Nur der Gesalbte vor ihm. Warum verleiten die Frevler,
Höhnend Jehova's Gesetz, zur Meute, zur Wuth, und Empörung
Also das Volk – verleitend zu Baals unheiligem Dienst hier?
Aber nicht sollen sie künftig mehr euch Lehren des Unsinns
Pflanzen in's Herz. Ergreift, und führt sie hinab an den Kison;
Würgt sie gesammt, daß ihr Blut mit den rauschenden Fluthen verrinne!«
Achab winkt' ihm Beifall zu. Da brauste des Volkes
Menge den Priestern nach, und that, wie Helias gebothen.
Aber, zu Achab gekehrt, begann er ermunternden Blickes:
»Hast du bereuet die Schuld? Wohl dir! Jetzt eile hinüber
Nach dem Gehölz; dort halte das Mahl mit erheitertem Herzen:
Denn mich däucht, schon rauscht fernher gewaltiger Regen,
Und der schreckliche Fluch wird nun von dem Lande genommen.«

Als sich der König entfernt', da stieg Helias des Karmels
Höhen empor. Er ließ auf dem moosigen Felsen sich nieder;
Senkte das Haupt auf die Knie', und rief dem Knechte Hakima:
»Schaue vom Felsenrande hinaus auf des Meeres Gewässer,
Wahrend ich bethe, mein Knecht, und künde mir, was du gesehen.«
Sechsmal sendet' er schon den Knecht, zu erforschen die Meerfluth;
Stets kam dieser, und sprach: »Ich gewahrete nichts, mein Gebiether!«
Aber zum siebenten Mal, vernehmend die Stimme Helias,
Sprang er heran, und rief: »Ich sah aus den Fluthen des Meeres
Steigen ein winzig Gewölk, wie die Faust des Mannes an Umfang.«
»Nun,« gab jener zurück, »nun eile hinunter zu Achab:
Möge er spannen die Ross' an den Wagen, und denken der Heimkehr,
Sonst ereilet ihn noch auf dem Weg' unendlicher Regen.«

Kaum lief dieser dahin, so stieg empor an dem Himmel
Schwarzumnachtendes Wettergewölk. Des Windes Vermögen
Braus'te heran. Nicht lange, so stürzen des Himmels Gewässer
Nieder im prasselnden Flug', und tränken die dürstenden Fluren.
Achab schirrte die Ross', und eilte gen Jesreels Mauern, Jesreel, eine Stadt, wo Achab im Sommer wohnte, lag fünf Stunden Weges von Samaria gegen Norden.
Flüchtend, hinab. Helias sann, aufschürzend den Leibrock,
Ihn mit begeisterndem Sang vor allem Volke zu ehren,
Weil er sich abwandte von Baal, dem nichtigen Götzen.
Freudig sah er zuvor, des sanftherrauschenden Regens
Fluthen betrachtend, hinaus nach Bethlehems Hügel, und rief so:
»Groß sind deine Erbarmungen, Gott, Jehova, mein Retter,
Dein' Erbarmungen groß! Du tränkst den lechzenden Boden
Wieder, und lässest ihm das Gras und die Saaten zur Wohlfahrt
Deiner Geschöpf' entkeimen, und blüh'n, und Früchte gewinnen.
Auch des Sünders gedenkst du mit Huld! Ich schaue die Hügel
Bethlehems dort, und möcht' ausrufen in jauchzender Wonne:
»Thauet, ihr Himmel, sanft! Strömt, Wolken, herab den Gerechten! Jesaias 56. Cap. 8. Vers. –
Oeffne dich, Erde, dem Keim': ihm entsprieße der Retter Ihr Stämme
Israels, streckt die Zweige nur aus, und blühet, und traget
Köstliche Frucht: der Tag des Herrn ist nahe!« So ruft einst
Laut ein Seher im Volk von Israel. Glühend verlang' ich
Seine Tage zu schau'n – verklärt ihn am Tabor zu schau'n, ich,
Seliger! Doch Jahrhunderte flieh'n noch dunkel vorüber,
Eh' er zerstöret das Reich der Sünd' und des ewigen Todes;
Gründet des Lichtes Reich, und, der Wahrheit Segen verbreitend,
Völlig vernichtet den Götzendienst. Wie lechzen die Frommen
Glühend nach ihm! Was stillt den Hunger und Durst nach Erfüllung
Seiner Verheißungen? Sie – der qualbeladenen Menschheit
Milde Trösterinn, sie, des Himmels Segen: die Hoffnung!

Dritter Gesang.
Liebe.

Aus zerrißnem Gewölk', am schimmernden Thore des Abends
Sah die scheidende Sonne heran, und hellte die Zinnen
Jesreels, als das Gespann des Königs durch räumige Hallen,
Donnernd, fuhr, und die stille Burg aufregte zum Leben.
Achab kam verstört vor Jesabel. Herrscherinn war sie
Ueber den Herrscher des Volks – er, feig' ergeben den Launen
Des so grausamen Weibes, und leicht zum Bösen zu lenken.
Zwar erschütterte heut' auf den Höh'n die Stimme Jehova's,
Sprechend im Donnerruf, sein Herz, und der fromme Helias
Hoffte für Israels Volk heilbringende Tage der Zukunft.
Doch nur am Irdischen klebt das Herz des Irdischgesinnten,
Sündig, fest. Wie die leuchtende Sonn' auf den Höhen des Nordpols
Von dem erstarrten Gefild nicht die Rinde des Eises hinweg schmelzt:
So nicht wärmt, nicht belebt sein Herz der himmlischen Wahrheit
Strahlendes Licht, bis ganz für das Ewig' es stirbt, und erstarret.
Jesabel wüthete, als sie vernahm, daß Helias die Priester
Baals erwürgen ließ an dem Felsengestade des Kison.
»Ha, mich strafen die Götter,« so rief sie vor ihrem Gefolg' auf,
»Wenn ich an ihm nicht dort ein Gleiches mit Gleichem vergelte
Morgen im Abendlicht, zur Stunde des schändlichen Frevels,«

Furcht ergriff Helias, den Greis. Er wandte sich, flüchtend,
Nun g'en Berseba, Beerseba war eine Gränzstadt des Reiches Juda, Im Süden von Israel. wo er den treuen Hakima zurückließ;
Dann nach der Wüste hinaus, wo Arabia's Steppenbewohner,
Frei in dem freien Gefild, des Städters Sitte verachtet.
Dort im lastenden Alter, erschöpft von der Hitze des Tages –
Jeglicher Nahrung beraubt, ausruht' er im lieblichen Schatten
Eines Genistbaums; Der Genistbaum, Genist (spartium genista), hat dichte Aeste, und gibt einen lieblichen Schatten. sah, nach dem Tode sich sehnend, zum Himmel;
Rang die Hände zu Gott, ein Flehender, auf, und begann so:
»Nimm mich, Jehova, zu dir! Genug ertrug ich des Schlimmen –
Habe schon lange gelebt, und erreichet die Jahre der Vater:
Bin ich besser denn sie? Laß hier mich sterben, Jehova,
Du, mein Gott – hinüberschlummern in's bessere Leben,
Wo ich, auf immer entrückt den Wüth'richen, wonnegesättigt,
Ruh' in Abrahams Vaterschooß', in ewigem Frieden!«
Sprach's; dann legt' er sich dort im Schatten des dunklen Genistbaums
Nieder, und, schlummerte sanft. Nun fächelten himmlische Lüftchen
Kühlung ihm zu, und ein höheres Licht erhellt' ihm die Wangen
Und die erhabene Stirn': denn sieh', auf des rosigen Morgens
Fittigen war ihm jetzt der Unsterbliche wieder genahet,
Der schon einst von der waldumschatteten Höhle des Bergstroms
Karith, zieh'n ihn hieß g'en Sidon, zur Witwe Benaja's!
Sanft berührt' er sein Haupt, und lispelt' ihm leis in die Ohren:
»Hebe dich auf, Helias, und iß!« Er blickte verwundert
Um sich her, und ersah den Aschenkuchen, des Landes
Sitte gemäß, im Schooß der glühenden Asche gebacken, Unter den verschiedenen Arten, das Brot im Morgenlande, besonders draußen im freien Felde, oder in Wüsten zu backen, ist die: daß man den bloßen Sand, oder kleine runde Gruben durch Feuer erhitzt, dieses dann wegräumt, den Teig in dünnen Fladen, in Gestalt eines Tellers, hineinlegt, ihn einige Mal umwendet, und dann mit erhitztem Sande, Asche und Kohlen zudeckt, bis er völlig gebacken ist. Das sind die Aschenkuchen – (Siehe Chardin Voy. T. 2 Thevenoth Voy. au Levant. Niebuhr etc.)
Und den Krug, voll blinkenden Wassers zum Haupt ihm gestellet.
Alsbald aß er, und trank, und legte sich nieder, zu schlummern.
Aber ihn rührte sanft der Unsterbliche wieder am Haupt' an.
Rufend: »Hebe dich auf, Helias, und labe dich nochmals:
Denn nicht kurz ist der Weg in vierzig Tagen und Nächten,
Fern' in der Wüst' umher, zu besuchen die heiligen Stellen
Alle, wo Israels Volk der Herr durch Wunder erhöhte.
So wird Jesabels mordender Stahl dich nimmer erreichen.«
Jener gehorchte dem Wort'. Er aß, und trank, und ermuthigt
Wurde sein Herz, und die Wunderspeis' erfüllt' ihm die Glieder
Schnell mit dauernder Kraft, zu ertragen die Mühe der Wand'rung.
D'rauf erhob er sich rasch; ging weiter, und wanderte rastlos,
Bis er den Horeb Der Berg Horeb macht die südwestliche Spitze des Berges Sinai aus. erreichte, den Berg, der »Gottes« genannt wird:
Ob der Erscheinung des Herrn auf ihm in den Tagen der Vorzeit.
Doch an dem Fuße des Berg's, wo hochaufragend, die Felswand
Ueber den Pfad sich bog, ersah er die Höhle, vor welcher
Einst in dem brennenden Dornstrauch Gott dem erhabenen Führer
Israels, Moses, erschien. Schon zitterte goldener Schimmer,
Als die Sonn' in den Schooß des Abendhimmels hinabsank,
Durch die Gebüsch', und schaurig wehte der Wind aus den Thälern.
Freundliche Herberg schien die Felsenhöhl' ihm zu biethen.
Rings verstummte die Welt. Er trat voll heiliger Ehrfurcht
Ein, und ließ auf dem Felsenblock sich nieder, zu ruhen.
Als er im Abendlicht hinstarrte zum Boden, und Bilder
Längstentschwundener Zeit ihn umflatterten: siehe, da scholl ihm
Plötzlich die Stimm' an das Ohr, erschütternd und lieblich zu hören:
»Wie, Helias, du kommst, verlassend Israels Fluren,
Wo der Thaten so viel' dein harreten, Gottesgesandter,
Hier in der Wüste zu ruh'n – für Jehova zu streiten, ermüdet?«
Aber er sprach: »Ich habe für Gott, Jehova, des Weltalls
Herrn, gestritten im Kampf', und die Götzenverehrer gezüchtigt,
Als ich in Israel rings gebrochen sein heiliges Bündniß,
Sein' Altäre zerstört, und seine Propheten ermordet
Sah mit empörtem Gemüth'. Ich Einziger lebe von diesen,
Glücklich entronnen dem Meuchelschwert; doch fürder gebricht mir,
Altersmüdem, die Kraft, dem Strom des Verderbens zu wehren.«
Sein unsterblicher Freund umschwebte den frommen Propheten,
Unsichtbar, und begann: »Tritt nun aus der Höhle, Helias:
Denn Jehova, dein Gott, barmherzig und gnädig, erscheint dir
Draußen am Berge, wie einst des Volk's erhabenem Führer!«
Doch Helias erbebte vor Angst – er sollte vor Gott steh'n!

Welches Getümmel erschallt ringsher, urplötzlich auf Erden?
Brausend nahet ein Sturm – hilf Gott: er zertrümmert die Felsen,
Spaltet die Berg' entzwei! Wohl brauste der Sturm vor Jehova
Mächtig einher, doch war Jehova im brausenden Sturm nicht.
Jetzo wankte der Berg, und bebte der Fels, und die Waldung
Schauderte: Staub flog auf – einstürzten die berstenden Hügel.
Wohl erschütterte rings des Kommenden Nähe den Erdkreis;
Dock nicht im qualmenden Staub, nicht im Erdbeben war noch Jehova.
Finst'res Gewölk umhüllet die Welt; der rollende Donner
Nah't im Flug' – ein Blitz, dann tausende, fahren, vereint ihm
Nieder, und d'rauf, urschnell, auch tausendfältiger Donner
Kracht, und wüthet, und tobt, als sollte zerstieben das Weltall.
Wohl ging Donner und Blitz einher vor Jehova, und noch war
Nicht in dem Wettergewölk, nicht im Blitz und Donner, Jehova.
Stille herrschte darauf. Und jetzt, ein wehendes Lüftchen,
Wie nach Gewitterregen im Lenz, es die thauenden Wälder
Sanft bewegt, erklang mit lieblichem, holdem Gesäusel.
Als Helias das Säuseln vernahm, verhüllt' er sein Antlitz
Schnell mit dem Mantel, und trat aus der Höhle mit pochendem Herzen,
Stand an dem Felseingang, und harrete. Sieh', ihm erschollen
Wieder die Worte: »Warum weilst du hier einsam, Helias?«
Aber er sprach: »Ich habe für dich, Jehova, des Weltalls
Herrn, gestritten im Kampf mit den Frevlern; doch jetzo gebricht mir,
Lebensmüdem, die Kraft, dem Strom des Verderbens zu wehren.«
»Kehre,« so rief ihm der Herr, »nun heim durch die Wüste Damaskus;
Schütte das Salböhl aus auf Hasaels Scheitel, und Jehu's:
Jenem Syriens Thron, und Israels diesem verheißend.
Weih' Elisa darauf, Sohn Saphats von Abel-Mehola, Abel-Mehola lag an dem Berge Gilboa, zwischen Sichem und Bethesan.
Ein in des Sehers Amt: sie werden die Sünder vertilgen.
Tausende dienen mir noch in Israel – beugten die Knie' nicht,
Flehend, vor Baal, und verehrten ihn nie mit frevelnden Küssen; Man verehrte den phönikischen Herkules, welcher hier Baal heißt, insbesondere durch Küsse auf den Mund. Dieß bezeugt unter anderen auch Cicero Lib. IV. in Verrem, Cap. 43.
D'rum verschon' ich es noch, dieß Volk; barmherzig und gütig,
Gnädig und mild, langmüthig und treu ist Jehova, sein Gott ihm.«

Tief zum Staube gebückt, anbethete jetzo Helias;
Dann ergriff er den Stab, und wanderte fort durch die Wüsten,
Bis er grünende Fluren ersah, g'en Abel-Mehola.
Dort an dem herbstlichen Tag ging eben der rüstige Pflüger,
Für die ernährende Frucht sein Ackerfeld zu bestellen,
Lenkend die Stiere, gepaart, mit weitumschallender Stimme,
Hinter dem Pflug' einher. Das regsame Leben erweckte
Freud' in der Brust des wandernden Greises nach langer Entbehrung.
Doch welch' mächtiger Landmann ist's, der, nahe dem Heerweg,
Pflüget sein Feld? Ihm zieh'n eilf Manner gesonderte Furchen
Emsig voraus; er zieht die zwölfte, mit schaltendem Ernst nach.
Ist er den eilfen Gebiether und Herr? Er ist es: Elisa!
Schwelgend, blickte Helias nach ihm – er, schweigend, nach diesem
Hin, der jetzo genaht, ihm seinen gewaltigen Mantel
Rasch um die Schultern hing. Elisa erkannte das Zeichen
Hohen Prophetenamt's; hieß kehren die Pflüger, und eilte
Hinter dem Greis' einher. Doch jetzt begann er mit Ehrfurcht:
»Gönne es mir', mein Herr, daß ich erst von Vater und Mutter
Scheide mit freundlichem Gruß; dann will ich dir folgen für immer!«
»Wohl,« sprach jener, »es sey; doch mögen dir häusliche Sorgen
Nicht entrücken das Ziel, das ewige! Denke, was ich dir
Eben verlieh'n, der erhabenen Würde des Amt's der Propheten!«
Sagt' es, und ging. Elisa kehrte mit eilendem Schritt heim;
Rief die Freunde herbei, daß sie schlachteten eines der Rinder,
Welche durchpflügten das Feld, und briet das Fleisch an dem Pflug dann,
Den er gelenkt, zerbrach, und zum Feuer aufhäuft' in dem Hofraum:
Also entsagend dem Pflug und den Sorgen des häuslichen Lebens.
D'rauf genoß er das Mahl mit den Seinigen; drückte die Hand noch
Allen umher zum Abschiedsgruß', und eilte Helias
Nach, dem er sich geweiht, ein treunachfolgender Schüler.

Trauer erfüllte das Volk: denn Schreckliches war in dem Land dort
Eben gescheh'n durch Jesabel selbst, und des Königes Mitschuld.
Dicht an der Sommerburg von Jesreel grünte der Weinberg
Naboths, des frommen Bewohners der Stadt. Ihm hatte der König
Reichen Ersatz an Geld und Gütern für selben gebothen:
Aber der Israelit verschmäht', ein heiliges Erbgut
Seiner Vater für Geld und entfremdetes Eigen, zu tauschen. Nach dem Mos. Gesetz war es nicht erlaubt, das, von den Vorältern ererbte Grundstück auf immer an Andere zu veräußern. III. Buch Moses 25. Cap.
Achab härmte sich drob; doch Jesabel sandte des Königs
Siegel Das Siegel des Morgenländers enthält seinen Nahmen. Man tunkt es in eine Farbe, und drückt es unter die Briefe statt der Unterschrift. – Siehe Pococke I. Theil. und Schrift, und ließ (vor Gericht sich dingend der Männer
Lügenbezeugende Schar: als hab' er Jehova gelästert,
Und den König geschmäht) ihn steinigen draußen am Heerweg,
Auf dem grünenden Rain des kühnverweigerten Weinberg's.
»Geh' nun hin,« sprach sie zu dem Könige, »dein ist der Weinberg:
Naboth lebet nicht mehr.« Er hieß anspannen die Rosse,
Eilte hinaus, und labte sein Aug' an dem schnöden Besitz nun.
Doch schon kam, von Jehova gesendet, der furchtbare Richter
Solchen Frevels heran. Ihm nahte Helias am Weinberg;
Stand entrüstet vor ihm, und sprach mir zermalmenden Blicken:
»Deine Hand ist geröthet von Blut. Wie hast du gefrevelt
Jetzt an dem heiligsten Recht', und, meuchlings, errungen das Eigen
Naboths! Horch, von Jehova verkünd' ich es: hier an dem Weinberg,
Wo den Gerechten im Volk du ermordetest, sollen die Hund' einst
Lecken dein Blut; zerreißen voll Wuth, in Jesreels Zwinger
Dein unmenschliches Weib, als, dort aus dem Fenster gestürzet,
Unter des Rosses zermalmendem Huf', an die Mauer ihr Blut spritzt!«
Achab zittert', und sprach: »Hab' ich ermordet den Bürger
Jesreels? Ich vergossen sein Blut? Wann bin ich denn strafbar
Vor Jehova gewandelt? Mein Feind, deß' kannst du mich zeihen?«
Ja, deß' kann ich dich zeih'n, du Abgötter,« sagte Helias
Izt voll Zorn, »du hast, ein niedriger Sclave, dem Weib dich
Feig' ergeben, und Böses verübt vor des Ewigen Antlitz!
Zitt're vor ihm: bald wird er dich und die Deinen zerschmettern.«
Als der König die Worte vernahm, da fiel er auf's Antlitz,
Preßte die Stirne zum Staub', und weinete laut vor Helias.
Dieser begann von Neuem, und sprach: »Ich sehe die Thränen
Achabs; sehe den Reuigen bald, zerreißend den Leibrock, (Siehe oben Anmerkung Mos. I. Ges. Anmerkung 7.)
Wandeln im här'nen Gewand', und in Buß' aufseufzen, und fasten.
D'rum, so spricht Jehova der Herr, verschon' ich für heut noch,
Wie auch sein Leben lang sein Haus; doch mit dem Erzeugten
Achabs, treffe Verderben es: ja, so soll es geschehen!«
Doch wie erfüllte Jehova das Wort, von Helias verkündet?
Achab zog in den Krieg mit Josaphat, König von Juda:
Auf daß er Benhadad, dem syrischen König, die Freistadt
Ramoth, Ramoth war eine Freistadt Im Reiche Israel, auf der Ostselte des Jordans, im Stamme Gad, und gehörte den Leviten. in Gileads Flur, entrisse vor allen, als Sieger.
Juda's Herrscher dienete Gott mit redlichem Herzen.
Denkend des Schlachtengeschicks, des wandelbaren, begann er:
»Achab, erforschen wir nicht, ob Huld uns wird von Jehova?«
Jener lieh nur Götzendienern sein Ohr, die ihm Siegsruhm
Kündeten; doch der König von Juda verlangte: Jehova's
Diener rathe zum Kampf, zum Frieden, wie Gott es bestimmet.
Mürrisch geboth dann Achab, daß Micha Dieser Prophet Micha muß mit jenem der zwölf kleinen Propheten nicht verwechselt werden., der göttlich Seher,
Schnell erscheine vor ihm und Josaphat. »Künde doch Gutes«
Sagte der Führer zu ihm, »schon haben vierhundert Propheten
Sieg verheißen im Kampf den Königen.« Micha versetzt' ihm:
»Wie Jehova gebeut, so werd' ich enthüllen die Zukunft.«
Und er trat mit ruhigem Blick vor die mächtigen Herrscher.

Achab begann: »Soll ich um Ramoth in Gilead kämpfen?«
»Sieg,« so Micha, »verhießen dir schon die weisen Propheten;
Aber Jehova sagt: Ganz Israel seh' ich wie Lämmer
Auf den Bergen umher zerstreut, die Hirten beraubt, und
Herrnlos mögen sie nun heimzieh'n, und der Ruhe gedenken.«
Achab rief voll Zorn, zu Josaphat: »Wie ich dir sagte,
Stets weissagt sein Mund nur Böses: ihn treffe Verderben.«
»Wohl denn,« sprach der Prophet, »so vernimm die Gerichte Jehova's:
Ein Gesicht, erschütternd und hehr, enthüllte die Nacht mir.
Hoch in den Himmel verzückt, sah ich auf erhabenem Thronstuhl
Sitzen Jehova, den Herrn, und ihm zur Rechten und Linken
Stehen das ganze versammelte Heer der himmlischen Geister.
Von den Stufen des Throns kam rastlos Donner und Blitz her;
Ueber ihm wölbete, gleich dem siebenfärbigen Bogen,
Eine schimmernde Decke sich auf, und es glänzte, verbreitet
Weit, vor den Stufen die Flur, als ruht' er auf bläulicher Meer'sfluth.
Jetzo erscholl von dort, wie Brausen der stürzenden Wässer,
Wie Posaunenklang und Rollen des Donners, die Stimme:
»Wer bringt Achab dahin, daß er thöricht nach Gilead ziehe,
Ramoth dort zu erringen im Kampf', und erliege den Feinden?«
Links und rechts begann, wie das Rauschen der Blätter im Sturmhauch,
Unter der Meng' umher, ein unverständliches Flistern.
Dann aufschwang sich ein Geist auf die glänzende Flur an dem Thronsitz.
So wie ein Stern, vom Nebel umflort, nur düster herabblinkt,
War sein Schimmer erbleicht. Er sah zum Boden, und sagte:
»Ich bring' Achab dahin: denn ihm weissagen Propheten,
Die ich bethört', nur Falsches. Er kämpft, und erlieget den Feinden.«
Achab bebte vor Wuth, und sagte: »Du sollest den Hohn mir
Büßen in schrecklicher Haft, mit lastenden Eisen beschweret!«
Und sie führten den Lächelnden fort. Im edelen Herzen
Fühlt' er sich frei, obgleich den Leib ihm drückten die Fesseln –
Frei von Tyrannenmacht und den Banden des irdischen Lebens:
Denn, erkoren vom Herrn, der tiefverborgenen Zukunft
Ferne Gefilde zu schau'n, entschwang sein himmlischer Geist sich
Freudig der Erdennacht, und schwelgt' in lichteren Räumen.

Achab's Ruf empörte die Schlacht. Der niedrige Treubruch,
Weil er mit Benhadad erst jüngst den Frieden beschworen,
Der vor allen auf ihn vordrängte die muthigsten Führer,
Macht' ihn feig'. Er tauschte die eiserne Wehre des Söldners
Gegen die seine von Gold, jetzt um, und hoffte, vermummet,
So zu entgehen des Todes Geschick'. Doch siehe, von fern her
Schwirrte der Pfeil, und traf ihn fest in die Weiche des Bauches!
»Führt mich heim aus der Schlacht,« so rief er, und sank in dem Wagen
Auf sein Antlitz hin, und blutete. Aber die Heer'smacht
Floh, zerstreut. Wie, hirtenberaubt, die furchtsamen Lämmer
Irren auf Bergen umher: so floh'n die entmuthigten Krieger.
Achabs rollender Wagen hielt unferne dem Weinberg
Naboths, triefend von Blut: denn dort verhaucht' er das Leben,
Und die Hunde leckten sein Blut, nach den Worten Helias.

Jetzo ging der heilige Greis mit Elisa von Gilgal Gilgal lag an der Westseite des Jordans, in der Ebene Sarone, zwischen dem Berge Gaas und dem mittelländischen Meere.
Nach den Höhen von Gaas, in Sarone's lieblichen Fluren.
Als sie erklommen den Berg, und ruheten, blickte Helias,
Staunend, um sich: er sah den unsterblichen Freund (er allein nur)
Der, von Jehova gesandt, ihm rief: »Der Tag ist gekommen,
Wo Jehova im Sturm und brausendem Feuer dem Erdkreis
Dich entrückt – aufnimmt in die Wohnungen seliger Geister,
Die, nach vollendeter Pilgerschaft, die Krone dir reichen
Ewigen Glück's, verherrlicht, zum Trost noch später Geschlechter;
Seinem Nahmen zum Ruhm, zur Ermunterung seinem Bekenner:
Auszuharren treu dem Gesetz', in der Stunde der Prüfung.
Bald vernimmst du den Ruf. Doch siehe, da kommen des Königs
Bothen – Ahasja's, der, gleich Achab, seinem Erzeuger,
Götzen verehrt! Er fiel, und liegt, verwundet, im Bette.
Hemmend den Lauf der Eilenden, sprich, was Jehova dir eingibt.«
Rief's, und verschwand. Helias trat den Männern entgegen.
Zorn entflammte sein Aug'; er sprach zermalmenden Lautes:
»Ist dem König Jehova nicht Gott? Ihr sollet befragen
Baal-Sebub, den Gott Ekrons, Zu Ekron, einer der fünf Hauptstädte der Philister, hatte ihr Abgott Baal-Sebub, der Mückengott, einen Tempel, wo er als Schutzgott gegen die im Morgenlande so lästige Mücken, und Fliegen verehrt ward. Bei den Alten hatte sowohl Zeus, als auch Herakles, den Zunahmen: ἀπομύιος, μυιόδης, μυιάγρος, Mückengott, Mückenjäger. – (Siehe Clemens Alex. in Protrept. Plinius L. X. – Aelian. Hist. Anim. L. V. im Thale Sephela,
Ob er gesunde, ob nicht? Er wird, so richtet Jehova,
Bald aushauchen den Geist, ein niedriger Götzenverehrer.«
Als er's rief, aufthürmte sich schnell am bläulichen Himmel
Schwarzes Gewittergewölk', und umnachtete völlig den Erdkreis.
Röthliche Blitze durchzuckten die Luft, und der rollende Donner
Murrete dumpf umher in den tiefverstummenden Thälern.

Jene flohen zurück. Bald sandte der König der Krieger
Scharen herbei mit dem Hauptmann, ihm den Helias zu fahen;
Dennoch wagten sie nicht dem hochbegnadigten Seher
Nah' in die Augen zu schau'n. Sie riefen hinauf aus dem Thalgrund:
»Gottes Prophete, der König gebeut, schnell komme herunter!«
»Bin ich Gottes Prophet,« sprach jener, »so fahre der Blitzstrahl
Aus den Wolken herab, und vernicht' euch, schändliche Söldner!«
Plötzlich zerriß das Gewölk; die weitverbreitete Flamme
Zischte herab; kein Donner rollt', und siehe, die Krieger
Lagen, entseelt, in dem Staub! So höhnte die folgende Kriegsschar
Gottes Propheten. Auch sie verzehrte die schreckliche Flamme.
Aber der Führer der dritten kam; er sank vor Helias
Nieder, und sprach mit Thränen im Blick: »Verschone mein Leben,
Und das Leben des Volk's, Prophet des Ewigen, folg' uns!«
»Folg' ihm beherzt,« so rief, unsichtbar, leis' in das Ohr ihm
Sein unsterblicher Freund. Erfolgte den Scharen zum König:
Stand mit strafendem Blick' an dem Lager des Kranken, und sagte:
»Also spricht Jehova zu dir: Nicht hast du mit Ehrfurcht
Dich gewendet zu ihm, dem Ewigen, sondern vom Götzen
Baal-Sebub, dem Fliegengott' im Gefilde von Ekron,
Hülfe gehofft; d'rum wirst du nicht mehr verlassen das Lager:
Denn dich ereilet der Tod. Den Abgöttern dien' es zur Warnung!«
Und Ahasja starb alsbald, wie ihm drohte der Seher.

Aber in Westen sank die wolkenumhüllete Sonne
Tiefer hinab, und sah nur zuweilen mit röthlichem Antlitz
Durch den finsteren Qualm, der, donnerschwer in den Lüften
Gohr. Verstummend ging nach des Jordans schimmernden Fluthen
Mit Elisa Helias hinab. Schon nahte der Zeitraum,
Wo er, der Erd' entrückt, im Sturm und Donnergewitter
Scheiden sollte von ihm. Dem treuergebenen Schüler
Wollte der mildgesinnete Greis ersparen der Trennung
Bittere Qual. Er stand, hinsinnend, und sagte dann eilig:
»Kehre nach Bethel zurück, zu besuchen die Schulen der Jugend,
Die zu Lehrern des Volk's erlesene Männer erziehen:
Denn, Jehova gebeut – g'en Jericho muß ich mich wenden.«
Jener begann: »So wahr Jehova der einige Gott ist,
Will ich von dir nicht weichen, o Greis!« Da liefen aus Bethel
Ihnen die Jünglinge nach, und seitwärts führend Elisa,
Fragten sie ihn: »Weißt du, daß Jehova noch heute Helias,
Deinen Herrn und Meister, von uns und der Erde hinwegnimmt?«
»Ja,« sprach er, »ich weiß es; doch schweigt!« und eilte von neuem
Hinter Helias einher. Vor Jericho sagte der Greis ihm:
»Bleibe du hier – mich ruft Jehova's Geboth an des Jordans
Rauschende Fluthen hinab.« Sogleich entgegnete jener:
»Bei dem lebendigen Gott, mein Herr, ich weiche von dir nicht!«
Jünglinge standen am Weg', und fragten, und hörten die Antwort,
Jenen gleich, die heut' an Elisa sich drängten vor Bethel.
Doch an der Zahl wohl fünfzig, folgten den Beiden zum Jordan,
Schweigend, nach, und erklommen voll Hast dort einen der Hügel,
Der sein grünendes Haupt hoch über die Fluthen emporhebt:
Zeugen zu seyn, wie Gott den erhabnen Propheten hinwegnahm.

Jetzo stand am Gestad des lautaufrauschenden Stromes
Er mit dem Schüler still, und sah mit flehenden Blicken
Himmelempor. Dann rollt' er den Mantel zusammen, und legt' ihn
Nieder; schlug in den Strom – o Wunder: da theilten die Fluthen
Links und rechts sich entzwei; gleich festgefügeten Mauern
Starrten die grünlichen Wände des Stroms, und, trockenen Fußes,
Wanderten Beide hinab in's tiefgehöhlete Flußbett,
Und dann jenseits wieder hinauf zum ragenden Ufer.
Hinter dem eilenden Fuß der Wanderer stürzten die Fluthen
Wieder zusammen. So, wie segelnde Nebel des Morgens,
Weitgetrennet von Windeshauch, die Tiefe des Himmels
Zeigen im dunkleren Blau; dann schnell vom brausenden Sturmwind
Wieder vereint, fortzieh'n an dem weitumkreisenden Erdball:
Also stürzten auch hier die Fluthen zusammen, und eilten
Rastlos fort in des ewigen Meer's verschlingende Tiefen.

Glühend, leuchtete durch das Gewölk die sinkende Sonne;
Hohl her brüllte der Sturm, und, empörend ringsum die Fluren,
Peitscht' er die Fluth, die blutigroth aufschäumt', und die Wogen,
Wirbelnd, von einem zum andern Gestad fortschleuderte grimmvoll.
Feurige Blitze zischten umher, und der furchtbare Donner
Rollete nah' und fern'. Im Aufruhr gohr noch die Schöpfung,
Als der erhabene Greis am östlichen Ufer des Jordans
Bethend, stand. Doch über ihm, hoch in den Lüften, erglänzte,
Nun das dunkle Gewölk', und der dumpfummurrende Donner
Scholl dort hell, mit ehernem Laut, wie in nächtlichen Stunden
Schallt der Stämme Gekrach, die ein Sturm hinstreckt in dem Waldthal.
Jetzt ergriff er die Hand des theuern Gefährten, und rief ihm,
Schneller athmend vor Hast und Erschütterung, also zum Abschied:
»Segen mit dir, Elisa, mein Sohn! Du wandeltest redlich
Vor den Augen des Herrn. Ermüde nicht, muthig zu kämpfen,
Und zu streiten für ihn – zu verbreiten des einigen Gottes
Heiligen Dienst. Lebt dir ein Wunsch noch im Herzen, so künd' ihn
Schnell und offen mir an. Gott ruft. Wir sehen uns wieder!«
Jener begann: »In dir, du herrlicher, wohnte Jehova's
Mächtiger Geist: o würd' er in doppeltem Maße doch jetzo
Mir Verlass'nem, zu Theil, daß ich kämpfte für ihn, wie Helias!«
»Wahrlich, du forderst viel,« entgegnete jener, »so höre:
Wirst du mich seh'n, da ich scheide von hier, dann soll es geschehen!«

Jetzt erbraus'te der Sturm, und wirbelte hoch in den Luftraum
Staub vom Gefild' umher. Des schwarzumnachteten Himmels
Thor flog auf, ein Blitz – wohl tausend Blitze mit einmal,
Tausend Donnern vereint, herstürzten im prasselnden Eilflug:
Faßten, und hoben Elias vor ihm, wie im feurigen Wagen
Durch gluthschnaubende Ross', empor. Da sah ihn Elisa,
Jauchzenden Rufes, und lief, und schrie: »Helias, mein Vater,
Israels Heer'smacht, du uns entrückt? Der Blitz und der Sturmwind
Sind dir Wagen und Ross'. O Preis dem Lenker Jehova!«
Sagt' es, und eilte zurück. Da sah er den Mantel Helias
Liegen im Staub'. Er nahm, und küßt' ihn mit heiliger Ehrfurcht;
Schlug in den wogenden Strom, und, sieh', dem erkor'nen Propheten
Wich gehorsam die Fluth, daß er trockenen Fußes hinüber
Wanderte! Dort umringten ihn jetzt die Jünglinge, jauchzend.
Weinend vor Freud' und Schmerz: weil Jehova den Frommen, verherrlicht,
Auf in die ewigen Wohnungen nahm. Elisa begann so:
»Preiset Jehova, den Herrn, in lauten Jubelgesängen;
Ihn mit des Wortes geflügeltem Laut – mit des pochenden Herzens
Heißem, innigem Dank! Barmherzig, und gnädig, und gütig
Ist Jehova. Sein mächtiger Arm erhöhet den Schwachen;
Wirft den Stolzen in Staub. Wie die liebende Mutter des Säuglings
Sich erbarmt, und ihn pflegt mit Liebe: so hat sich Jehova
Seines Volkes erbarmt: verzieh'n Verblendung und Undank.
Habt ihr geseh'n, wie furchtbar groß und erhaben der Herr ist?
Rief dem flammenden Blitz' und dem brausenden Sturm, und, gehorsam
Seinem Ruf', entrückten sie schnell den hohen Propheten
Hier mit erschütternder Macht dem armen Leben hienieden.
Mögen die Flammen, die ihr geseh'n, euch mahnen auf immer
An die Liebe des Herrn. Die irdische wird in des Menschen
Brust ein Feuer, verzehrenden Grimms, und, ähnlich des Samums Samum, ein heißer, schnell tödtender Wind in Afrika. (Siehe Tunisias Seite 326. Anmerkung.)
Glühendem Hauch versengt sie den Keim all' ewigen Glückes.
Aber der göttlichen Lieb' uns milderwärmender Lichtstrahl,
Läutert von Schlacken das Herz; verscheucht die finsteren Schatten
Völlig aus ihm, und erhellt es mit nievergehender Klarheit.
Einst, o seliger Tag, wird Gott die läuternden Flammen
Senden vom Himmel herab, gleich feurigen Zungen gestaltet,
Auf sein neues Geschlecht, das er, von Anbeginn liebend,
Sich erkor! Das Alte vergeht, und alles erneut sich
Hier in dem heiligen Reich' der allerbarmenden Lieb' einst!«


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