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Abraham.


Verheißung.

Nahe dem bräunlichen Zelt, das kühlumschattet von Mamres Der Therebinthenhain Mamre lag bei der uralten Stadt Hebron im Lande Canaan. I. B. Moses 13. Cap. 18. und IV. B. 13, 23. Vers). Nach einigen Schriftauslegern sollen dort Eichen gestanden seyn, da die Siebziger statt jenem »die Eiche Moreh« setzen.
Luftigem Hain, sich erhob, ruht' Abraham aus in des Mittags
Stund', und blickte zurück auf das Land voll weidender Heerden,
Wo er sich eben erging, und Segen gewahrte die Fülle.
Thränen des Danks umschimmerten hell ihm die Augen; er hob sie
Freudig zum Himmel empor, und lispelt' ein leises Gebet hin.
Doch nun wandt' er das Haupt: er sah, mit wachsendem Staunen,
Kommen den Hügel herab drei Fremd' in männlicher Schönheit,
Eng' verschlungen am Arm, und jetzt noch einen dem andern
Aehnlich an Höhe, Gestalt, und Gesicht, als wäre nur Einer
Von des Glases gebrochenem Strahl dem Auge verdreifacht.
Schwebend däucht' ihn ihr Gang, und es wichen der Hain und die Fluren
Hinter den Hohen zurück, wie ein Nebelgewölk in des Sturmes
Brausendem Hauch. Doch so, wie im Abendschein vor dem Westwind
Eilend im Fluge dahin, das Gewölk bald purpurn erglänzet,
Bald in dunkelen Schatten verglimmt: so schwand von den Beiden,
Die an der Seite des Herrn Ohne der Meinung, welcher gegenwärtige Darstellung zum Grunde liegt, nämlich: daß unter der Erscheinung der drei Engeln die heilige Dreieinigkeit zu verstehen sey, weiter zu gedenken, wird hier bemerkt, daß nach
vorzüglichen Schriftauslegern, jene Stellen, wo Gott in der Gestalt eines
Engels (ἄγγελος Gesandter) redend, eingeführt wird, auf die zweite göttliche Person angewendet werden müssen. Die Stellen I. B. Mosis 48, 16. und II. B. 23, 21 werden nur auf diese Art verständlich.
als dienende Männer erschienen,
Plötzlich der Hoheit Strahl, und nur er, in der Mitte der Beiden,
Heischte Verehrung durch Huld und Ernst in den herrschenden Blicken.
Abraham fuhr in die Höh', da es schien, als gingen die Pilger
Eilig vorüber an seinem Gezelt'. Ehrwürdigen Anseh'ns
Schritt er einher, der Hirtenfürst, dem, rings in den Fluren
Canaans, Jung und Alt annahte mit kindlicher Ehrfurcht.
Unter dem schneeigen Bund, gewebt aus der Wolle des Baumes,
Der ihm die Stirn' und die Scheitel umgab, erglänzten die Augen
Ihm so mild, und der Bart in braun gekräuselten Wellen,
Hüllt' ihm die Brust umher, von welcher herab zu den Füßen
Sank das häusliche Unterkleid in räumigen Falten.
Doch nun beugt' er sich tief zum Staub vor den nahenden Fremden,
Stand dann flehenden Blicks, und sprach voll Trauer zu ihnen:
»Winkte nicht Wanderern stets der Eingang meines Gezeltes
Freundlich willkommen zum Gruß, und ihr denkt vorüber zu ziehen,
Ungelabt, jetzt in der Hitze des Tags? O, kommt, und erholt euch
Dort im Schatten des Baum's! Bald soll im Becken des Wassers
Silberfluth die ermüdeten Füß' euch, reinend, umspülen, Die Fußwaschung war bei den Morgenländern, wo man nur Sohlen trug, oder gar barfuß ging, der erste Akt der Gastfreundschaft. S. I. B. Mosis 19, 2., 24, 32., worauf sich Evang. Joh. Cap. 13 als einen besondern Liebesdienst bezieht.
Und erquicken euch noch, eh' ihr weiterreiset, ein Stückchen
Brot, mit freudigem Herzen gereicht: denn wahrlich, ein Segen
Ist es von oben, ihr Herrn, daß ihr an dem einsamen Zelt hier
Eueres Dieners vorüber kommt: so mußt' es sich treffen!«
D'rauf begann der Ein' in der Mitte der Beiden: »Du ladest
Uns gastfreundlich zu dir: wir folgen dem Rufe mit Freuden.
Stets beglücke dich selbst und die Deinen der Segen des Himmels!«
Also der Fremd', und eilte sogleich mit seinen Gefährten
Nach dem Gezelt. Sie ruhten im Schatten des säuselnden Eichbaum's.

Abraham trat nun schnell in das Zelt, und sagte der Gattinn:
»Theuere, nimm drei Maß des feinsten Mehles, und backe,
Wie du's trefflich gelernt, das Brot für die Fremdlinge draußen.
Die uns der Herr gesandt: denn stets willkommen erscheinet
Uns der Reisend' allhier, und ihn zu bewirthen, ist löblich.
Aber ich selbst enteile zur Heerd', Die Sitte, daß Abraham, als ein Hirtenfürst, selber zur Heerde eilt, das zu schlachtende Thier zu holen, wird noch heut zu Tage bei den Arabern, wo die angesehensten Personen ein Gleiches thun, und selbst die Speisen bereiten, bestätigt gefunden. Auch bei Homer sehen wir den göttergleichen Achilleus auf solche Art beschäftigt:

Selbst nun stellt' er (Achilleus) die mächtige Bank im Glanze des Feuers,
Legte daraus den Rücken der feisten Zieg' und des Schafes,
Legt' auch des Mastschweins Schulter darauf voll blühenden Fettes;
Aber Automedon hielt, und es schnitt der edle Achilleus.
Wohl zerstückt' er das Fleisch, und steckt es alles an Spieße.

Boß – Ilias 9ter Gesang. 206 bis 210. Vers.
und wähle mit Vorsicht
Dort das fetteste Kalb aus der Zahl der andern, daß solches
Dann der wohlerfahrene Knecht bereite zur Nahrung:
Schürend gehörig die Gluth in der Grub', und, kundig zerstücket,
Legend die saftige Brust und die Schenkel voll reichlichen Fettes,
Auf Steinplatten umher, wo verhüllt, im eigenen Dunst noch
Schneller sich brate das Fleisch zur herzerfreuenden Mahlzeit. Ueber diese Art das Fleisch zur Speise zu bereiten s. Jahn's Archäologie, II. Buch, Häusliche Alterthümer, – und über jene das Brot zu backen, unten zum III. Gesang Helias, die 5te Anmerkung.
Liebe, nicht soll es dann auch an der labenden Milch uns gebrechen!«
Also enteilt' er zur Heerd', und trieb den blöckenden Säugling
Bald in den Hofraum ein, der hinter dem Zelt sich erstreckte,
Wo der treffliche Knecht und die sorgsamwaltende Gattinn
Seines Herrn, mit den Mägden vereint, Alljedes bestellten,
Wie er es ihnen geboth. Er trug nun selber die Speisen:
Käse mit Brot, im zierlichgeflochtenen Korb', und den Braten
Vor den Fremdlingen auf, und ging, und kehrete wieder,
Bringend im hölzernen Napf die süß' und geronnene Schafmilch
Eilig zum labenden Trunke heran, und rief dann ermunternd:
»Möchte doch euch, ihr Herrn, es gefallen, von eueres Dieners
Gaben euch nun zu erquicken nach Lust, und zu ruh'n in des Baumes
Schatten allhier, bis uns die heißeren Stunden entfliehen,
Abendkühl' uns die Stirn' umweht, und ermüdeten Pilgern
Freudige Kraft einhaucht zur eilegebiethenden Wand'rung.«
Sagt' es, und ließ sich am Zelteingang vor den Schweigenden nieder.

Als nun diese von Speis' und Trank, stillschweigend, genossen,
Sprach der Ein' in der Mitte der Beiden zu Abraham also:
»Trefflich hast du uns heut' in der einsamen Steppe bewirthet,
Redlicher! Doch verkünd' uns jetzt: weß Stamm's und Geschlechtes
Du dich rühmest, und ob du schon lang' hier wohnest, ein Fremdling?
Heiß ist der Tag; gern weilen wir noch im lieblichen Schatten.«
Jener begann alsbald: »Mit Freuden verkünd' ich, weß Stammes
Und Geschlechts ich mich rühm', und woher ich gekommen ein Fremdling:
Denn ich preise dadurch des Ewigen Huld und Erbarmung.
Noch ist die Erde nicht alt; wir schau'n zu den Tagen der Schöpfung
Noch hinauf; Das konnte wohl Abraham sagen, denn obschon er weiter unten nur von drei Hauptgenerationen spricht, deren es von Noah bis auf ihn, Neune gab: Sem, Arphachsad, Schelach, Eber, Peleg, Reu, Serug, Nachor und Terach, den Erzeuger Abrahams, so ist es wahrscheinlich, daß er, bei dem damals hohen Alter der Menschen, den Noah, und dieser den Methusalah, welcher noch 54 Jahre vor dem Tode Adams geboren ward, gekannt habe. doch ach, mit herzbeklemmender Trauer:
Denn nicht ertrug das erst' erschaffene Paar in des Edens
Himmlischen Auen sein Glück, und ward durch arge Verführung,
Ungehorsam und stolz, und mit allen kommenden Menschen,
Wie der Sünde, so auch der Strafe der Sünde: dem Tod selbst
Unterthan! Weh' ihm, so der Herr nicht selber den Retter
Ihm aus seinem Geschlechte verhieß! Ueber I. B. Moses 3, 15; »Der aus den, Samen des Weibes Geborene wird der Schlange das Haupt zertreten« – siehe den Brief des Apostel Paulus an die Galater 3, 8. 16., und I. B. Moses 22, 18. sagt der Herr zu Abraham: »In einem deiner Nachkommen sollen alle Völker der Erde beglückt werden.« Schon blutete Abel,
Sterbend von Bruders Hand; entsetzlich erhob sich auf Erden
Frechheit, Mord, und Verrath, und es tilgte die schreckliche Sündfluth
Bald das Menschengeschlecht ob seiner Vergehungen schnell hin.
Sieh', und ob auch der Herr den siebenfarbigen Bogen
Hebend empor an des Himmels Gewölb, zum ewigen Zeichen
Seiner Gericht' ihm wies, so verleitet' es wieder der Dünkel
Bald zu erneuerter Schuld! Es wurden die stolzen Erbauer
Eines g'en Himmel ragenden Thurms verwirrt, und auf Erden
Rings zerstreut umher: die Väter unseliger Kinder.
Aber es zeugte noch Adam den Seth; aus dem Samen des Frommen
Kam dann Noah zur Welt, der Erhalter der Menschen im Fluthschiff;
Dessen Erzeugter war Sem, und diesem entsproß mein Erzeuger
Terach. Fern in Chaldäas Flur erblickt' ich mit Nachor,
Und mit Haran, den Brüdern, das Licht der freundlichen Sonne,
Ward gesegnet an Hab', und mächtig umher in dem Land dort,
Bis der Herr mir geboth: »Zieh' aus von dem Erbe der Väter,
Aus von dem traulichen Kreis' der theuern Verwandten: ich will dir
Geben ein herrliches Land zum Besitz, dich erhöhen als Vater
Eines erlesenen Volk's, und mit dauerndem Segen beglücken:
Denn er komme durch dich auf alle Völker auf Erden!«
Schnell gehorcht' ich dem Herrn, und zog mit Sara, der Gattinn,
Allen Genossen des Hauses, und Lot, dem Sohne des Bruders
Haran, nach Canaan her, und errichtet' ihm, früher zu Sichem,
Am Terebinthen-Hain, dann Bethel, zu Ehren, den Altar.« Sichem, die Stadt ward später auf demselben Platz erbaut, auf welchem Abraham den Altar errichtet hatte. Sie lag in Samaria an der Gränze von Ephraim, wo heut zu Tage Naplouse liegt. Berh-El, so viel »Haus Gottes.«

»Doch einst drückte die Hungersnoth das Land, und wir eilten
Nach Aegypten hinab, als Fremdlinge Rettung zu suchen.
Schwester vom Vater her war mir die Gattinn: ich hieß sie
Schwester im fremden Gebieth', und als der Ruf von der Schönheit
Sara's in Pharaos Pharao war der allgemeine Nahme aller ägyptischen Könige bis zur babylonischen Gefangenschaft. IV. Buch Könige 23, 29., wie jene der römischen Kaiser, Cäsar. Ohren erscholl, ward sie nach des Herrschers
Hofe geführt, ihm dort als Gattinn die Rechte zu reichen.
Aber der Herr verhängte zuvor erschütternde Strafen
Ueber Pharaos Haupt, daß er schnell sie wieder zurückgab,
Und ich kehrte mit ihr und den Meinen nach Canaans Fluren,
Reich an Silber, an Gold, und landdurchweidenden Heerden.
Nimmer reichte für jene des Lot, und die meinen, des Grases
Menge mehr hin, und wir trennten uns: er bewohnte des Jordans
Wasserreiches Gefild bis Sodomas Marken hinunter;
Mir ward kargeres Land, bei Hebron, am Terebinthen-
Hain von Mamre, zu Theil; doch lohnte mich reichlicher Segen.«

»Drauf entspann sich im Land' ein Krieg. Die Fürsten Diese sogenannten Fürsten, waren Oberhäupter einer gewissen Familie – Hirtenfürsten, nicht aber Beherrscher ganzer Provinzen, wie man aus dem ganzen 14. Capitel des I. Buch Moses ersieht. verheerten
Sodom, die Stadt, auch Gomorra, und führten Lot mit den Seinen
Schmählich gefangen mit fort. Ich waffnete meine Genossen
Dreihundert an der Zahl, und eilte den Feinden im Nachtgraun
Rastlos nach, bis ich sie, im Lager vom Schlafe bezwungen,
Fand, mit Geschrei angriff, und besiegt'. Erfreuende Kriegsbeut
Sammelt' ich dann, und gab auch Lot und den Seinen die Freiheit.
Da kam Melchisedek, der König von Salem, und Priester
Gottes, des wahren und einigen; trug herbei in den Händen
Brot und Wein, und begann: »Gesegnet sey von dem Höchsten,
Von dem einen, allmächtigen Herrn der Erd' und des Himmels,
Abram; Er nennt den Sieger noch Abram. Ueber den ihm später beigelegten Nahmen Abraham siehe unten Anmerkung 46. – Melchisedek heißt so viel als: »König der Gerechtigkeit,« und, zu Salem (später Jerusalem) »des Friedens.« Die Schriftausleger stritten sich darüber: wer er eigentlich gewesen sey? Für jeden Fall ist er das Vorbild des Hohenpriesterthums Christi zu betrachten. (Siehe von ihm die merkwürdige Stelle im Brief des Apostel Paulus Hebräer 7, 1. und Psalm 109, 5.) doch der Unendliche sey gelobt, daß er jetzt ihm
Gegen die Feinde den Sieg verlieh, auf immer und ewig!«
Schaudernd vor Ehrfurcht sah ich dem Greis' in die Augen; mich däuchte:
Vor mir stehe, verklärt, ein Vorbild künftiger Zeiten,
Deutend auf Huld zur Rettung der schuldbelasteten Menschheit.
Aber ich gab ihm den zehnten Theil der Beute zum Eigen!«

»Jahr' entfloh'n – da schwebten mir hehre Gesichte vorüber.
Leise verscholl des Tages Geräusch', und nächtliche Stille
Sank auf die schlummernde Flur, als ich, vor dem einsamen Zeltthor
Sitzend, mit Trauer im Blick empor zu den schimmernden Sternen
Sah, und zuweilen laut aufseufzte vor inniger Wehmuth:
Denn mein Haar ergraut', und mir fehlte der Erbe noch immer.
Plötzlich erscholl mir die Stimme des Herrn, erschütternd im Nachtgraun:
»Fürchte dich nicht! Geschirmt von meiner gewaltigen Rechten
Lebst du im Frieden allhier, und sieh', noch größere Wohlthat
Soll dir werden: du wirst die Völker der Erde beglücken!«
»Herr!« entgegnet' ich d'rauf mit tiefbekümmertem Herzen,
»Was erfüllete mir jetzt mehr die Brust an des Lebens
Neige mit Trost? Scheid' ich doch kinderlos von hienieden,
Und mein Erbe wird dann Elieser, der redliche Diener.«
Wieder erscholl die Stimme des Herrn mit erhebendem Laut mir:
»Nein, nicht dieser – du irrst: dich beerbe dein eigner Erzeugter.
Hebe die Augen empor zu dem leuchtenden Himmel: unzählbar
Siehst du die Stern' erglüh'n: so zahllos werden die Scharen
Seyn des erlesenen Volk's, das deinen Lenden entsprießet,
Und dir geb' ich dieß Land auf immer zum reichen Besitz hin.«
»Herr,« rief ich, »welch' Zeichen bestätiget mir die Verheißung?«

»Sieh', ein Gewittergewölk' aufthürmte sich plötzlich im Westen,
Endlos; rasch durchfuhr zuweilen der röthliche Blitzstrahl
Seinen dunkelen Schooß, erhellte des rauschenden Bergstroms
Fluthen im weitumschlängelnden Lauf', und der furchtbare Donner
Rollte dumpf, bald nah', bald fern' im Gewölbe des Himmels.
Da geboth mir der Herr: ich solle die Ziege, den Widder,
Und die Kuh', dreijährig sie all', als Zeichen des Bundes
Mitten entzwei getheilt, an dem Pfad hinlegen, und diesen,
Unzerstückt, noch die Taub' und die Turteltaube vereinen:
Wie es zum Sinnbild dient, seit lange, den Bundesgenossen,
Die, inmitten der blutenden Thier' auf dem Pfad sich begegnend,
Sollten sie freveln am Wort, zu gleicher Strafe sich weihen. Dieser Ceremonie bei feierlichen Bündnissen gedenkt auch noch Jeremias Cap. 34, 18., 19.
Also geschah's. Ich setzte mich nun, und verjagte mit Sorgfalt
Von den Geschlachteten dort Raubvögel in wimmelnder Anzahl.
Plötzlich sank ich, verzücket, dahin: es wandelte furchtbar
Sich der Abend in Nacht; noch schrecklicher flammte der Blitzstrahl –
Krachte der Donner umher, und Angst und Beben ergriff mich,
Als die Stimme des Herrn erscholl aus den wetternden Wolken:
»Sieh', es sollen am Nil dein' Enkeln als Fremdlinge wohnen
Vierhundert Jahr' entlang, und, in Sklavenbanden mißhandelt,
Dienen dem Herrscher selbst und dem grausamgesinneten Volk dort;
Aber ich will mich an ihm verherrlichen; reich an Geschenken
Werden sie dann auszieh'n mit ihrem erlesenen Führer. Von der Geburt Isaaks bis zum Auszug der Israeliten aus Aegypten unter ihrem herrlichen Führer Moses, vergingen 400 Jahre, wie es aus dem 25., 41., 45., 47. und 50. Capitel des II. B. Moses berechnet, zu ersehen ist.
Doch dir wird in dem spätesten Alter ein Grab in dem Land hier,
Das ich dir geben will, und den Deinen, nach meiner Verheißung.«
Als er gesprochen das Wort, da fuhr, wie aus finsteren Essen,
Qualmender Rauch empor, und die Opferstücke durchbraus'te,
Flammend, die Gluth. Ich erwacht', und sah noch den Rauch und die Flamme:
Mir zum Zeichen des Bund's, und unendlicher Huld und Erbarmung.

»Sara, die Gattinn, gebar noch nicht. Nach Kindern verlangend
Wünschte sie selbst, daß Hagar, ihr' ägyptische Sklavinn,
Fruchtbarer etwa denn sie, mir gebe den Sohn der Verheißung.
Und sie gebar mir nun den Ismael, als sie vertrieben
Erst von der zürnenden Hausfrau, fern aus den einsamen Wüsten
Heim von dem Engel geleitet ward mit freundlichem Zuruf.
Doch der Hehre verkündet' ihr dort: ein schrecklicher Krieger
Würd' er seyn mit allen von ihm abstammenden Völkern. Die Ismaeliten, und noch heut zu Tage ihre Nachkommen, die Araber, die stets bereit sind, Andre zu berauben, geben Zeugnis von der Wahrheit dieser Prophezeiung.
D'rauf erscholl mir die Stimme des Herrn von neuem, gebiethend:
Alle vom Männergeschlecht, nebst mir und Ismael selber,
Freie und Knecht', und Jung und Alt der Genossen des Hauses
Soll ich beschneiden, und dieß sey dann ein heiliges Denkmaal
Des mit mir geschlossenen Bund's, auf ewige Zeiten. Es mag seyn, was Herodot und Strabo sagen, daß die Beschneidung schon früher bei den Aethiopiern und den Aegyptern, der in den warmen Ländern so nöthigen Reinlichkeit wegen, im Gebrauch gewesen sey; Gott wählte selbe hier zum Zeichen seines Bundes mit Abrahams Nachkommen, durch welches sie von jenen, die von diesem Bunde ausgeschlossen waren, getrennt blieben. Sie war ein Vorbild des alten Testaments, welches in Absicht auf Christum seine Bedeutung hatte. (S. Kolosser 2, 11., und I. Korinth, 5, 7.)
Schnell gehorcht' ich dem Rufe des Herrn, der jetzt mir den Nahmen
Abraham gab, daß ich heiss': »ein erhabener Vater der Völker.« Die Morgenländer veränderten bei besonderen Veranlassungen gerne die Nahmen. Ruth 1, 20. Selbst Christus Math. 16, 18. den Nahmen Simon in Kepha, oder Petrus. Abraham hieß vorher Abram, d. h. »ein erhabner Vater« – nun sollte er Abraham »ein erhabener Vater vieler Völker« heißen.
Seht, so naht' ich dem hundertsten Jahr' des beseligten Lebens!«

Nun erhob sich der Herr mit den beiden Gefährten, und sagte:
»Sprich: wo ist Sara, dein Weib?« Und Jener: »Sie ruhet im Zelt dort.«
»Wohl,« so begann dann wieder der Herr, »kehr' ich nach dem Zeitraum
Eines Jahres zurück, dann soll dir Sara den Knaben –
Ihn, den Sohn der Verheißung und Huld, zur Freude gebären!«
Sara, vernehmend das Wort, dicht hinter der hüllenden Zeltwand,
Lachte für sich leis' auf, und dacht' im zweifelnden Herzen:
»Meinem bejahrten Gemahl werd' ich, die bejahrte, gebären?«
Aber, verweisend, rief der Erhabene jetzt nach dem Zelt hin:
»Sara lachte? Warum denkt sie, noch zweifelnd: wie könnte
Solches gescheh'n, da neun- und neunzig der Jahre sie zählet –
Dir schon hundert entfloh'n? Was wäre vor Gott denn unmöglich?
Ja, ich betheure es dir, erneut: eh' im rollenden Lauf noch
Euch entschwindet ein Jahr, wird sie den Erben dir geben!«
Jetzo winkt' er voll Ernst den beiden Gefährten. Sie beugten
Schweigend das Haupt, und zogen den Pfad g'en Sodomas Mauern,
Eilenden Schrittes, hinab. Doch Abraham trat in das Zelt ein,
Warf den Mantel behend' um beide Schultern und Lenden,
Faßte den Stab, und kam, nach der Sitte des heiligen Gastrechts,
Auch das Ehrengeleit dem Fremdling zu geben. Sie schritten
Langsam erst, dann rasch den Sandpfad fort an dem Berg' auf,
Der in das herrliche Land am Jordanstrome hinabschaut.

Als sie erreichten die Höh'n, da sah die leuchtende Sonne,
Scheidend, noch einmal mit sanfterglühendem Blick von des Abends
Goldenem Thore heran, und sank hinunter am Erdrand.
Röthlicher Duft umhüllte die Erd'; aufwogte des Jordans
Silberstrom in dem Widerschein des rosigen Aethers;
Aus den Zweigen umher, aus dem Wolkenreich, und dem Saatfeld
Tönete jubelnder Ruf der befiederten Lüftebewohner,
Und unendlicher Staub hob sich aus den weiten Gefilden,
Wirbelnd, empor: denn heim von der ferneren Weide getrieben,
Eilte die blöckende Heerd', im Gebell des muthigen Schafhund's
Und im Gesang' und Schalmeiengetön der fröhlichen Hirten.
Doch nun saßen sie dort, und ruheten. Plötzlich erhob sich
Von dem Boden der Herr, und sah auf Abraham nieder.
Dieser fuhr, erst staunend, und dann von Schauder ergriffen,
Rasch in die Höh', er wollt' aufschreien – vermocht's nicht, und beugte
Nun, auf die Kniee gesunken, die Stirn', erbebend, zum Boden:
Denn er erkannte den Herrn an dem Blick voll himmlischer Klarheit.
»Abraham,« also erscholl des Ewigen Stimme dem Frommen,
»Richte dich auf, und horch! Was ich zu vollbringen gesonnen
Bin – wie sollt' ich es nun vor Abraham bergen, dem Vater
Eines unzähligen Volk's, in dem der Erde Bewohner
Ehren des Retters Stammherrn einst, und auf den ich vertraue,
Daß er den Seinen mit Ernst einprägen wird: die Gesetz' all'
Ihres Gottes zu halten; zu thun, was gut und gerecht ist,
Und ich erfüllen könn' an ihm das Wort der Verheißung.«
»Abraham,« fuhr er dann fort mit erschütternder Stimme, »betrachte
Sodomas Mauern noch und Gomorras drüben im Blachfeld:
Wie sie ragen empor, erhellet vom Schimmer des Abends,
Wie die Gefild umher so schön, so blühend und fruchtbar
Lächeln, als hätte sich dort die Pracht des einstigen Eden
Wieder erneut .... und morgen soll, zur Strafe, Zerstörung
Tilgen die beiden Städt', und die Fluren verwandeln in Wüsten,
Schrecklich anzuschau'n noch kommenden Menschengeschlechtern:
Denn laut schrie von jenen die Sünd' empor zu dem Himmel,
Und ich gehe nun hin, an den Frevlern Rache zu üben!«

Abraham fuhr zusammen: ihm bebte das Herz vor Entsetzen
Ob der unendlichen Schuld der beiden Städte der Frevler;
Doch in des Frommen Brust wohnt gern versöhnendes Mitleid –
Solches erfüllet' auch ihn: er nahte dem furchtbaren Richter,
Bleich vor inniger Angst, und rief mit flehendem Blick so:
»Wolltest du, Herr, den Frommen zugleich mit dem Sünder vernichten?
Wären in Sodom vielleicht noch fünfzig Fromme zu finden,
Wie, du würdest sie nicht um der fünfzig willen verschonen?
Nein, du Erbarmer, nein, das wirst du nicht thun: dem Gerechten
Und dem Gottlosen ein und dasselbe Verderben bereiten
So, daß es hieß': Ein's sey's, ob gottlos, oder gerecht wir
Leben! Nicht wirst du, o Herr, der du der Richter des Weltalls
Bist, so richten im Zorn – so wirst du nicht strafen, Erbarmer!«
Sanft entgegnet' ihm d'rauf der Herr: »So ich fünfzig der Frommen
Fänd' in der Stadt, soll sie noch um dieser willen verschont seyn.«
Hastig trat jetzt Abraham ihm noch näher, und sagte:
»Hab' ich zuvor es gewagt – ich, Staub und Asche, zu reden
Vor dem Antlitz des Herrn, und er zürnte nicht, will ich noch einmal
Flehend ihm nah'n! Wenn dort der Gerechten nur vierzig und fünf noch
Lebten – verschonst du sie nicht? So klein ist der Mangelnden Anzahl.«
»Nein,« sprach wieder der Herr, »nicht treffe sie Fluch und Verderben,
Wenn sie in ihrem Schooß der Gerechten nur vierzig und fünf zählt.«
»Auch um der Zahl von vierzigen nicht?« rief jener mit Angst auf.
»Auch um der vierzig wegen noch nicht,« so erscholl ihm die Antwort.
Abraham wandte sich jetzt, vergehend vor Schmerz, von dem Herrn ab,
Stand, und zitterte. Sollt' er noch einmal es wagen, und flehen
Um Erbarmen, wo ihm schon jegliche Hoffnung dahinschwand?
Dennoch, es sprach der Erhab'ne so mild! begann er, gewendet,
Wieder vor ihm: »Ach, Herr, nicht zürne mir, daß ich zu reden
Mich erkühnte! Vielleicht sind doch noch dreißig – noch zwanzig
Fromme daselbst: willst du auch um dieser willen verschonen?«
»Ja,« sprach jetzt, nach einigem Zögern zu ihm der Erbarmer,
»Find ich die zwanzig nur, so sey dir die Bitte gewähret!«
Abraham stand verstört. Zwei Mal erhob er die Augen,
Wollte sprechen – umsonst! Die erstarrende Zunge versagt' ihm
Jegliches Wort; doch endlich rief er mit sterbendem Laut noch:
»Fändest du zehn?« »Auch dann verschon' ich,« so tönte die Antwort.
Jetzt schwand ihm auf immer der Muth: er ließ sich, ermattet,
Nieder im Gras', verhüllte mit beiden Händen die Augen,
Und ihm rann, wie ein Strom, die Thräne herab von den Wangen.
Sieh', und als er sich wieder erhob, und forschend umhersah,
Stand er allein: ihm war der Herr entschwunden im Nachtgraun!

Doch wie erfüllete sich das Gottesgericht an den Städten
Sodoma und Gomorra, schon heut', am dämmernden Morgen?
Beide Gefährten des Herrn (ihm dienende Geister des Himmels)
Nahten in Menschengestalt den Thoren der ersteren, gestern
Noch in dem Abendlicht, und fanden, im Kreise der Richter
Sitzend daselbst, auch Lot. Gerichtliche Verhandlungen pflegten die Morgenländer öffentlich unter den Thoren der Stadt zu halten, und sich auch sonst dort Abends zu erheiternden Gesprächen zu versammeln. Er ward ein Städtebewohner.
Als er die beiden jetzt gastfreundlich zur nächtlichen Herberg
Führete; d'rauf die schändlichen, gottvergessenen Städter,
Schauend das holde Gesicht und die Jugendanmuth der Fremden,
Schmähliches dort mit entflammter Begier zu verüben entschlossen,
Stürmten das Haus mit Geschrei in todandräuender Anzahl:
Da kämpft' er mit redlichem Eifer, die wüthenden Frevler
Abzuhalten von ihm, bis jene die himmlischen Bothen
Blendeten so, daß alle herum im Finsteren tappend,
Nicht mehr fanden die Thür', und heim, entmuthiget, kehrten.
Aber die beiden Gefährten des Herrn ermahneten dringend
Lot, daß er eile sogleich mit der Gattinn vereint und den Töchtern,
Nach den Bergen hinaus, und sich rette von nahem Verderben.
Und da er zögerte, nahm der ein' ihn bei'm Arm, und der an'dre
Führte die Frau mit den Töchtern entlang des offenen Stadtthors
Wölbung, voll Hast, durch Hain und Flur nach dem winkenden Bergpfad.
Sieh', und eh' sie ihm nahten, begann der eine der Engel:
»Lot, nun rette dich schnell! Wenn dir dein eigenes Leben
Werth ist, und jenes der Deinen mit ihm, so wende die Augen
Nicht mehr zurück; nicht rast' in dem Thal; erklimme die Berghöh'n.«
»Herr,« entgegnete Lot, »nach Zoar, dem sicheren Städtchen
Laß uns zieh'n, uns droht auch dort auf den Höhen Verderben!«
»Wohl, so ziehet denn hin,« sprach jener, bis ihr's nicht erreichet,
Kann ich die Rach' an den fluchbeladenen Städten nicht üben.«
Laut rief er's, und entschwand den Augen der flüchtenden Wand'rer
Dann mit dem trauten Gefährten zugleich. Doch jene gedachten
Seines dräuenden Wort's, und eileten rascher den Pfad fort.

Abraham saß auf den Höh'n, wo er gestern in flehender Stellung
Stand vor dem Herrn, und sah auf die dämmernden Fluren hinunter.
Lieblich weht' ihn der Frühwind an, und der herrlichste Morgen
Sank vom Himmel herab, zum letzten Male die Gegend
Noch um die Städte herum, zu schau'n, paradiesischer Schönheit:
Ach, denn es solle sie bald unendliche Trauer umhüllen!
Aber schon hob sich der junge Tag, rothwangig, in Osten
Heiter empor. Wie das Kind an dem Busen der zärtlichen Mutter,
Leise geküsset von ihr, erwacht, und mit glänzenden Augen
Schaut, holdlächelnd, umher: so sah er, mit Rosen bekränzet,
Drüben aus Osten heran. Schon glühete heller und heller
Ueber ihm hoch das zarte Gewölk, bis jetzt von dem Erdrand
Plötzlich ein Strahl auffuhr, und d'rauf in erschütternder Hoheit
Sich die Sonn' erhob, zu beginnen die herrliche Laufbahn.
Sie begrüßte vom Feld, von dem säuselnden Hain und des Himmels
Blauem Gezelt der jubelnde Ruf unzähliger Vögel,
Und die Wälder, die duftende Blum', und ein jeglicher Grashalm,
Schimmernd im reichsten Schmuck von des Thau's hellblitzenden Perlen,
Beugten sich ihr in des Lüftchens Hauch, willkommend, entgegen.

Aber ach, da erscholl urplötzlich von Süden herüber,
Furchtbarn Lautes, ein Sturm; da zog im brausenden Eilflug
Her ein schwarzes Gewittergewölk, verhüllte der Sonne
Strahlende Bahn, und umnachtete rings die Städt' und die Fluren!
Sieh', und alsbald fuhr, wie im Sommer der prasselnde Hagel
Dicht aus dem Luftraum stürzt, und die Aehrengefilde vernichtet,
Blitz auf Blitz', im Donnergetümmel, auf jene herunter –
Nimmer rastend, bis sie nicht allein zerstöret im Schutte
Lagen mit allem Volk, das sie bewohnete, sondern
Unterirdische Glut, genährt von Schwefel und Erdharz,
Aus der berstenden Erde herauf, gleich Fluthen getrieben,
Sich auf die Felder ergoß, und rings Verderben zu schau'n war!
Abraham stand, an den Stamm der Eiche gelehnt, vor Erstaunen
Starr, und an jeglicher Nerv' erbebend vor Angst und Entsetzen;
Hob die Hände zum Himmel empor, und wollte noch einmal
Fleh'n um Erbarmen – umsonst, ihm erstarb der Laut auf den Lippen.
Als er hinab auf den Jammer starrete, wogte der Flamme
Bläulicher Widerschein, erzeugt von des brennenden Schwefels
Odemerstickendem Qualm, auf seinen erblasseten Wangen.
Heiße Thränen umhüllten sie schon: denn Lot's und der Seinen
Schrecklicher Tod schwebt' ihm vor den Augen; nicht war ihm die Rettung
Seines Verwandten bekannt, er wähnt' ihn verloren im Gluthmeer.

Jetzt verstummte der Sturm; die Wolken entschwanden; der Donner
Schwieg. Vom bläulichen Aether herab sah wieder die Sonne
Strahlenden Blick's; doch ach, sie erhellt' auf Sodomas Fluren
Und Gomorras nur qualerregende Schau der Zerstörung!
Dort, wo sonst die goldenen Halm' im Hauche des Lüftchens
Wogten im Feld, die Gärten, mit Edens Reizen geschmücket,
Voll fruchttragender Bäum' und gewürzreichduftender Blumen
Schimmerten, und auf der Weid' unzählige Heerden, dem Eigner
Inner den Mauern der Städte zur Lust, sich letzten, bedeckte
Jetzt ein schwärzlicher See die Gefild', um welchen sich rings her,
Völlig verödet und kahl, die versengeten Ufer erhoben.
Nie durchschwimmt die muntere Schar von gleitenden Fischen
Sein Gewässer: ein todtes Meer Der Umfang des Todten-Meeres beträgt bis 6 Meilen in die Breite, und 24 in die Länge. genennet der Nachwelt
Noch, wo, bebend, der Wanderer einst die Spuren der Strafen
Gottes: am seichteren Strand aufragende Mauern und Pfeiler
Jener versunkenen Städt', umhüllt von harzigem Salzschlamm,
Schaut; im dürren Gefild von kränklichen Zweigen die Frucht bricht,
Die in der Hand alsbald in Staub und Asche zerstiebet,
Und nicht weilet daselbst in der weitumherrschenden Stille:
Denn er fühlt sich ergriffen von Angst und heimlichem Schauder,
Denkend der schrecklichen Schuld und der schweren Gerichte des Himmels.

Schon gedachte der Greis der Heimkehr, als er, verwundert,
Einen ergrauten Mann im Gefolg zwo blühender Mädchen,
Gegen sich kommen sah auf dem Seitenpfade der Felshöh'n.
»Wie,« so begann er, und rieb sich noch mit den Fingern die Augen,
Klärer zu schau'n, da jen' ihm naheten, »Lot – und die Töchter
Lot's, errettet vom Herrn? O, Preis ihm auf immer und ewig!«
Sagt' es, und ließ sich dann, vor Freude zitternd, im Sandstaub
Nieder, sie dort zu erwarten, bereit, mit Gruß und Umarmung.
Doch nun setzten auch sie, mit zögernden Schritten genahet,
Sich vor ihm hin, und Lot, ergriffen von schrecklichem Herzleid,
Streuete Staub auf sein grauendes Haupt, und weinte; die Töchter
Weinten mit ihm, ihr Aug' im erhobenen Schleier verbergend.
Aber nach dauerndem Schweigen begann jetzt Abraham also:
»Jammer und Noth ist das Los des Sterblichen hier auf des Lebens
Dornenpfad'. Wohl ihm, so er schuldlos duldet – und dennoch
Muß er obsiegen dem Schmerz mit gottergebenem Herzen:
Dann ist der Trost ihm gewiß, und sicher des Ewigen Beifall.
Zwar ereilte vor uns die sündigen Städtebewohner
Dort entsetzliche Straf'; doch laßt uns gebeugt in dem Staub hier
Ehren die hohen Gerichte des Herrn, und rein uns bewahren
Von Vergehung und Schuld, daß uns nicht ein Gleiches geschehe.
Seine Macht errettete dich mit den Töchtern; nur seh' ich
Deine Gattinn noch nicht: wird sie mit den Eidamen folgen?«
Furchtbarer schwieg nun Lot; doch endlich kündet' er, schluchzend
Erst, dann, steigenden Grimm's, dem Abraham Alles und Jedes,
Was sich mit ihm begab vor Sodoma's grauser Zerstörung
Wie er die Fremden (die Bothen des Herrn: sie erschienen als Engel
Später ihm erst) gastfreundlich auf, in sein räumiges Haus nahm;
Wie die unendliche Schmach an ihnen das Volk zu verüben
Droht', und er muthig sie schirmt' in der Nacht, bis selbes geblendet
Heimzog; wie sie ihn mahnten, dem Gottesgericht zu entfliehen,
Schnell mit der Gattinn vereint, mit den Töchtern und ihren Verlobten,
Und ihn d'rauf, als dies', ungläubig, verhöhnten die Mahnung,
Faßten am Arm, und die Gattinn zugleich mit den weinenden Töchtern,
Führten hinaus auf das Feld, und dort urplötzlich verschwanden.
»Doch, eh' solches gescheh'n,« so sprach er nach einigem Zögern,
»Warnten sie uns zwei Mal mit tieferschütterndem Laut noch,
Daß wir, fliehend, die Blicke nicht mehr zurück nach den Mauern
Wenden, an welchen der Herr, mit all den frechen Bewohnern
Sich zu rächen beschloß, schon jetzt, ob schändlichem Frevel.
Glücklich erreichten wir bald, Zoars, des sicheren Städtchens,
Marken auf eiliger Flucht: ach, da gedachte die Mutter
Meiner Kinder der Eidame noch, und des Goldes und Silbers
Das sie zu retten vergaß, und wandte die Schritte zur Stadt hin!
Plötzlich fuhr im brausenden Sturm ein Donnergewitter
Von dem Himmel herab: der Erd' entströmte des Schwefels
Feuriger Brodem, vermengt der trübaufschäumenden Salzfluth;
Ueberall barst der Boden entzwei, und, wehe, die Gattinn
Sank, vom Verderben ereilt, in eine der Gruben; die Salzfluth
Brandet' an ihr empor, und umzog mit harzigen Krusten
Rings die Entseelete so, daß sie, der Säule von Marmor
Gleichend, am Strande des Sees noch jetzo mit Schrecken zu schaun ist!«
Jetzo begann, erneut, vor Abraham Klagen und Weinen;
Aber er rief: »Der Wille des Herrn gescheh'!« und erhob sich
Von dem Boden, die drei unglücklichen, theuren Verwandten
Heim in das eigene Zelt mit gastlicher Sorgfalt zu leiten,
Doch sie folgten dem Liebenden nicht. Geschreckt von dem Jammer
Unten auf ebener Flur, gedachten sie eine der Höhlen
Auf den felsigen Höh'n zu bewohnen in einsamer Stille.
Ach, nicht ahneten sie's, daß dort der Erde gezeuget
Würden die Völker Moab und Ammon, in grauser Umarmung!
Abraham schritt dann schweigend und ernst nach seinem Gezelt heim.

Schon entfloh ihm ein Jahr, seit er der hohen Verheißung
Worte vernahm; doch heut, was reget so laut, so geschäftig
Auf die dienende Schar in des Zeltes dunkelen Räumen?
Emsig eilen die Mägd' und die Knecht', in festlichen Kleidern
Alle, heraus und hinein, und stellen so manches Geräth dort,
Reingescheuert am Quell, zurecht; besorgen zum Gastmahl
Jeden Bedarf, und geben mit vielgesprächigen Zungen
Unter sich frohen Bescheid im Winke der lächelnden Augen.
Doch der ergrauete Hirtenfürst sitzt draußen im Schatten
Auf der niederen Bank, an den Stamm des mächtigen Eichbaums
Lehnend den Rücken, im Festgewand', und heftet die Augen,
Sinnenden Ernstes, hinab auf den Boden. Zuweilen erhebt er
Sie, und ein Lächeln erhellt sein leis'erröthendes Antlitz
Dann, geweckt von des seligen Herzens Empfindung; zuweilen
Schaut er dankend empor zu dem gütigen Vater im Himmel,
Und es drängt sich die Freudenthrän' ihm schnell aus den Wimpern.
Ha, was bewegt ihn so in dem lauten Gezelt mit den Seinen?
Wahrlich das höchste Glück für die überseligen Aeltern:
Denn ein Sohn ward heut den kinderlosen geboren!
Isaak nannt' er ihn d'rauf, beschnitt ihn, der Worte gedenkend
Seines Herrn, an dem achten Tag, zum Zeichen des Bundes,
Den er geschlossen mit ihm, inmitten der blutenden Opfer,
Und bereitet' ein herrliches Mahl, als der Säugling entwöhnt ward.

Aber der Knabe gedieh, und wuchs in blühender Schönheit
Munter heran. Einst fing er im Angesichte der Mutter,
Die dem Spielenden oft mit Wonn' im Blick, vor dem Zeltthor
Zusah, jauchzend ein Täubchen auf, wie es eben verwundet
Durch den grausamen Weih', im Flug' aus den Lüften herabsank.
Aber er sah, daß es blutete. Schmerz ergriff ihn; er eilte,
Rasch nach dem ragenden Zelt', und holte die Milch aus der Kammer,
Ihm, hinknieend im Gras', die blutende Wunde zu kühlen.
Siehe, da kam mit wildem Gejauchz' sein finsterer Bruder,
Ismael, aus dem Hain gesprungen, herbei, und ersehend
Isaaks fromme Sorg' um das Thier, verhöhnt' er den Knaben
Frech; naht' ihm, und zertrat es mit stampfendem Fuß in dem Staub dort!
Isaak strebte das Täubchen vor ihm zu schützen – vergeblich:
Denn schon lag es zermalmt in dem Staub. Da fing er zu weinen
An mit so kläglichem Laut, daß Sara, die liebende Mutter
Bebend vor Schreck, hersprang, und des Stiefsohns Frevel gewahrend,
Unaussprechlichen Zorns, dem nahenden Abraham zurief:
»Wehe, daß ich mir selbst mit der Magd den Jammer bereitet
Hab', im verzeihlichen Wunsch, dir endlich den Erben zu geben:
Denn nun siehst du ihn dort, den Störer des häuslichen Friedens,
Wie er mit dunkelem Aug' umspäht, und im brauneren Antlitz
Kenntlich als Sohn der Aegypterinn, die Wuth in dem Herzen
Nährt, zu betrüben vor mir mein zartgesinnetes Kind da!
Wahrlich, so du nicht bald vertreibest die Magd mit dem Knaben,
Denkend als Gatt' und Vater der Pflicht um die Deinen, so bricht mir
Sicher das Herz, und mich tödtet mit unserm Erzeugten der Kummer!«

Glühender Schmerz durchzuckte die Brust des ehrwürdigen Greises,
Abraham, als er die Worte vernahm. Er sollte den Knaben,
Hagars Sohn, mit der Mutter zugleich auf immer entlassen,
Und er war ihm doch auch, gleich jenem der hohen Verheißung,
Isaak, ein theuerer Sohn, von der ewigen Huld ihm gewähret?
Aber er schwieg, und ging in des Abends sinkender Dämm'rung
Nach dem räumigen Zelt, in der einsamen Kammer zu ruhen.
Dort erweckt' ihn der Herr alsbald mit den tröstenden Worten:
»Abraham fasse nur Muth, und erfülle Saras Verlangen
Ohne Verzug: denn so wie ihr Sohn unzähligen Volkes
Stammherr wird, so sollen auch Ismaels Enkeln sich mehren
Sonder Zahl, und ihr Muth auf der Jagd und im Kampfe bewährt seyn.«
Solches vernahm er im Geist. D'rauf reicht' er am dämmernden Morgen
Hagar zur Nahrung Brot; umhing ihr den Schlauch mit dem Wasser,
Und entließ, gefaßt, die Weinende dann mit dem Knaben,
Daß sie wandle hinaus in das Land im Segen des Himmels.
Bald verirrten sie sich, durch die Wüste Berseba ziehend. Berscheba (der Eidesbrunnen) lag etwa 5 Meilen von der Stadt Hebron entfernt, an der südlichen Gränze Kanaans.
Leer war schon von erfrischender Fluth der Schlauch; in dem Sandstaub
Nirgend der rieselnde Bach, nicht der kühlige Brunnen zu schauen,
Und kein schattender Banm both ihnen Erholung. Verschmachtend
Lag der Knabe im Sand vor der lautaufheulenden Mutter.
Doch sie riß sich, ergrimmt, von ihm auf, und sagte für sich hin:
»Nein, nicht kann ich den schrecklichen Tod des theuern Erzeugten
Schauen dahier: so weit ein Pfeil von der Sehne geschleudert
Fleugt, will ich, hinsinkend im Staub', in Verzweiflung harren
Selber des Hungertod's, da mir denn solcher bestimmt ist!«
Aber ihr scholl von des Himmels Höh'n, die Stimme des Engels:
»Hagar, was sinnest du da? Erhebe dich! Ismaels Thränen
Wurden im Himmel gezählt: führ' ihn nach der Wüste von Pharan
Jetzo zuerst; erlies ihm dann, in den reiferen Jahren,
Selber, nach freier Gewalt, wie die fromme Sitt' es erheischet In Ermanglung des Vaters bestimmte Hagars Wille die Verheirathung ihres Sohnes, welche im Morgenlande noch jetzt von dem Einfluß der Aeltern abhängt. Selbst bei Homer sagt Achilleus ein Gleiches von seinem Vater:

Denn erhalten die Götter mich nur, und gelang' ich zur Heimath,
Dann wird Peleus selbst ein edeles Weib mir vermählen.

Ilias 9ter Ges. 393–394. Vers.
,
Sorgend für ihn mit Mutterhuld, die liebende Gattinn:
Denn er werd' als Jäger berühmt, und gepriesen als Vater
Eines mächtigen Volk's, das weithin herrscht in den Wüsten!«
Als die Stimme verscholl, da sah mit frohem Erstaunen
Hagar die rieselnde Quelle vor sich: ein Wunder der Allmacht,
Ihr zur Rettung gewährt. Sie labte sogleich den Erzeugten;
Füllete dann den Schlauch, und sie wallten fort auf des Lebens
Wechselndem Pfad, geschirmt von des Herrn allmächtiger Rechten;
Denn alljegliches wurd' erfüllt nach den Worten des Engels.

Sieh', jetzt naht', ein Tag für Abraham, wo er, im Glauben
Vor dem Herrn geprüft, der Zukunft herrliches Vorbild
Weis' in seinem Geschlecht, zur Rettung der sündigen Menschheit!
»Abraham, höre!« so rief ihm der Herr, und mit inniger Demuth
Sprach er sogleich: »Hier bin ich; gebiethe mir nur: ich gehorche!«
»Wohl, denn,« fuhr der Ewige fort, »so nimm den Erzeugten
Isaak, welchen du liebst, und opf're ihn mir auf dem Altar
Von geschichtetem Holz, auf dem Berg' in Morrias Gefilden.« Durch die Landschaft Morria zog sich auch das Gebirge gleiches Nahmens hin, auf dessen einer Höhe hernach Salomo den Tempel erbaute, und nach der Meinung vieler Schriftausleger auf einer andern desselben Christus gekreuzigt worden ist.
Abraham stand, erschüttert im Geist', und ihm bebten die Glieder
All' im plötzlichen Schreck; doch bald bezwang er des Herzens
Odemberaubendes Weh'; er warf mit hehrem Vertrauen
Sich auf die Knie', und bethete leise die Wege des Herrn an.
Jetzo, nach schlafloser Nacht, erweckt' er am dämmernden Morgen
Isaak mit Vorsicht, daß ihn die liebende Mutter nicht höre;
Ließ auch das Saumthier schnell von zwei verschwiegenen Knechten
Satteln; es dann mit gespaltenem Holz zu dem Opfer, beladen,
Und begab mit dem Sohn' und den beiden Knechten, verstummend,
Sich auf die Reis' in Morrias Gefild zu dem winkenden Ziel hin.

Dort an dem Fuße des Berg's, nach drei erschöpfenden Tagen
Angelangt, ließ er die Knechte zurück mit dem weidenden Saumthier;
Lud das gespaltene Holz auf die Schultern des Sohnes; ergriff dann
Schnell das Geräth': in der Linken die Gluth, in der Rechten das Messer
Tragend, und stieg mit dem Sohn' aufwärts zu den ragenden Höhen.
Immer schwieg er noch still; da begann, tiefathmend im Aufgang
Unter der Last, der fromm- und mildgesinnete Jüngling:
»Vater!« Und er: »Ich höre, mein Sohn!« »Wohl seh' ich das Messer,
Sehe die Gluth,« fuhr jener noch fort, »doch nirgend ein Opfer?«
Abraham hielt sich die Brust mit der Rechten, und sagte beklommen:
»Still, mein Sohn: das wird sich der Herr schon selber erlesen!«
Und sie erstiegen die Höh'n Morria, des heiligen Berges.
Dort errichtete nun, mit Thränen im Auge, der Vater
Einen Altar von dem Holz', und der Sohn – errathend der Thränen
Quell', und, lesend im Auge des Vaters des Ewigen Rathschluß,
Both nun tief, wie ein Lamm verstummend, das auf der Schlachtbank
Liegt, und ergeben dem Willen des Herrn, die Hände den Banden,
Daß er, den Opfern gleich, gebunden, lieg' auf dem Holz dort.
Schauernd ruhten die Lüft' umher; durch Wolken verhüllet
War das hehre Gezelt des bläulichen Himmels; die Fluren
Bebten verstummt, und feierlich schwiegen die Hain' und die Wälder,
Als der erhabene Augenblick des Opfers genaht war.
Abraham griff nach dem Stahl', erhob ihn ... da scholl aus den Wolken
Plötzlich der herzerschütternde Laut auf Abraham nieder:
»Halte das Messer zurück. Genug ist gethan: denn bewähret
Hat sich dein Glaub' an mich in demuthvoller Ergebung,
Weil du aus Liebe zu mir den eigenen Sohn nicht verschontest.
Dunkel liegen die Wege des Herrn vor Sterblicher Augen;
Nicht verschonet er einst des eigenen Sohnes, nur Er kann
Sühnen unendliche Schuld vor dem Richterstuhle des einen,
Wahren, unendlichen Gott's, und erretten die sündige Menschheit.
Zahllos, wie an dem Strande des Meers gehäufet der Sand liegt,
Und an dem Himmels-Gewölb die funkelnden Sterne sich weisen,
Sollen aus dir die Enkeln blüh'n, und Großes vollbringen;
Doch in dem Einen allein ihr Heil die Völker erlangen.«
Also der Herr. Da beugte sich Abraham bethend zum Boden,
Und, ersehend im Strauch den am Horn gefangenen Widder,
Opfert' er ihn dem Herrn auf dem erst errichteten Altar;
Faßte den Sohn an der Hand, und kehrte mit ihm in das Zelt heim.

Sara erreichte ihr Lebensziel in Arba Arba war der frühere Nahme von der Stadt Hebron, unweit des Therebinthenhains Mamre, bei welchem sich Abraham zuerst niedergelassen hatte., dem Städtchen
Canaans. Dort erschien jetzt Abraham, sie, auf dem Boden
Sitzend im Schmerz, zu beweinen durch sieben Tage der Trauer.
Dann begrub er die theuere Leich' an dem Felsen des Haines
Machpela, bei Hebron, den er von dem Volk der Chetiten
Kaufte zum Eigenthum, und zum Grabe für sich und die Seinen. Die Morgenländer hielten sehr viel auf ein eigenthümliches Erbbegräbniß, in welchem sie mit ihren Nachkommen ruhen sollten. Abraham mußte selbes im Lande Canaan haben, darum erhandelte er es von den Chetiten, einem canaanitischen Volksstamm. Diese Gräber bestanden meistens aus vielen, in Felsen gehauenen Höhlen: daher Math. 27, 7. Joh. 11, 38.

Doch schon fühlt' er, gebeugt, des jahrebelasteten Alters
Schwindende Kraft stets mehr, und sann für den Sohn der Verheißung,
Isaak, die liebliche Braut, mit väterlichsorgender Weisheit
Selbst auf Jegliches achtend, zu frei'n. O seliges Bündniß,
Wenn in der Rosenzeit des blühendentfalteten Lebens,
Von dem liebenden Herzen gedrängt, der treffliche Jüngling
Sich die Hold' erkies't im Schmucke der Schönheit und Unschuld,
Und sie auf immer dann zu glücklicher Ehe sich einen!
Also gedacht' er, für ihn Rebekka, die Enkelinn Nachors,
Seines Bruders, zu frei'n, in Chaldäas blühender Landschaft,
Die er als Knabe geliebt. Im I. B. Moses 24. Cap. 5. und 6. Vers ist die Rede davon: ob Elieser den Isaak nach Charan, in Mesopotamien, zurückführen solle, oder nicht? nach welchem Worte hier angenommen wird, das er schon dort gewesen, und in seiner Jugend die Rebekka gekannt habe. Er rief in geheim Elieser,
Seines Gehöft's Verwalter, herbei, und sprach zu ihm also:
»Redlicher, horch: du zieh'st in den reichen Gefilden Chaldäas
Eilig nach Charan hinab, wo meine Verwandten noch leben –
Nachor mit seinem Geschlecht', um dort für meinen Erzeugten,
Um die ersehnete Braut, aus jenem, gebührend, zu werben;
Aber schwöre mir erst bei Gott, dem wahren und einen,
Daß du mir jen' allein, nicht eine von Canaans Töchtern,
Götzenverehrern entsprossene Brut, uns allen zum Unglück
Heimbringst!« Als der Treue den Eid, laut bethend, geschworen,
Schüttelt' er sinnend das Haupt, und begann: »So ich aber die Jungfrau
Nicht bewegte zur Reise hieher, soll ich den Erzeugten
Dir hinführen, daß er um sie werb', ein glücklicher Freier?«
»Nein,« rief Abraham laut, »nicht darf er aus Canaan zieh'n mehr:
Also will es Jehova, der Herr, der mir, und den Meinen
Selbes zum Eigen verhieß auf immer und ewige Zeiten.
Seinen Engel wird er vor dir her senden, und Segen
Dir gewähren, daß du zu uns her die Ersehnte geleitest.«
Sagt' es, und übergab dem Treuen an Gold und an Silber
Reiche Geschenke, die er auf zehn Kameele mit Allem,
Was an Bedarf die Reis' in die Fern' erheischte, geladen
Hatte zuvor, und entließ ihn dann mit den Knechten im Segen.

Als Elieser jetzt unferne den Mauern des Städtchens
Charan, den Brunnen ersah im Rosenschimmer des Abends,
Hielt er, gedenkend des wichtigen Ziels, mit seinem Gefolg' an:
Denn aus dem Thore der Stadt kam ihm ein blühendes Mädchen
Freundlich entgegen. Sie trug den irdenen Krug auf der Schulter
Eilig einher, ihn heim, mit Wasser gefüllet, zu bringen.
Schnell erhob Elieser die Recht' und die Augen zum Himmel;
Flehte zu Gott, und sprach mit lispelnder Zunge für sich hin:
»Herr, so ich jetzt den Trunk verlang', und es labt mich das Mädchen,
Das dort naht; auch meine Kameel' erquickt mit des Brunnens
Milderfrischender Fluth, so dien' es mir heute zum Zeichen:
Jene sey's, die ich such', und zu finden mein heißester Wunsch ist!«
Sagt' es, und staunte der hohen Gestalt der herrlichen Jungfrau:
Ihrem bräunlichen Haar, das sich, gar zierlichgeflochten,
Rings an der Scheitel umher aufwand, und von welchem der Locken
Zween, wie die Wellen des Sees, wenn säuselnde Lüftchen sie heben,
Wogten auf ihrer schneeigen Brust und dem Halse voll Anmuth;
Auch der edelen Stirn' und den hellerglänzenden Augen,
Welche dennoch so mild, in dunkelbläulichem Schimmer
Glüheten; dann der zartgeformten Nase, der Lippen
Rosiger Gluth, und dem lieblichen Kinn, dem Zeichen der Sanftmuth.
Eilig kam sie heran, und ihr Kleid, aus glänzender Wolle,
Welches die stattlichen Glieder umfing, erhob sie an Huld noch
Mehr vor dem prüfenden Aug', in züchtiggeordneten Falten.
Als sie hinab zur Quell' auf den steinernen Stufen gestiegen,
Und das erfüllte Gefäß, mit der Linken und Rechten die Henkeln
Fassend, zum Kranz des Brunnens herauftrug, rief Elieser:
»Reiche den Labetrunk, du Gute, dem dürstenden Wand'rer!«
»Trink', mein Herr!« so sprach sie mit holderklingender Stimme,
»Nach Genügen; auch will ich dann noch den müden Kameelen
Schöpfen die Fluth, bis alle sich satt getrunken.« Sie reichte
Freundlich den Krug ihm dar. Doch als er jetzo des Durstes
Lechzende Gier gestillt, und den Krug ihr dankend zurückgab,
Stieg sie noch oft zu der Quelle hinab, und kehrete wieder.
Stets entleerend den Krug an der Tränk' in die eichenen Rinnen,
Bis die Thiere sich dort mit vollem Behagen erlabten.
Freud' erfüllte das Herz des redlichen Dieners, und dennoch
Hielt er noch, klugvorschauend, an sich, zu erforschen in Wahrheit:
Ob es die Jungfrau sey, die Isaak ersehnte zur Gattinn?
Jetzt langt' er Kleinode hervor, Armbänder und Kettchen,
Schimmernd von Gold. »Nimm hin, die selt'nen Geschenke,« so sprach er,
»Für den gefälligen Dienst, den du mir erzeigtest, dem Fremdling.
O, wie erhebend ist's, wenn uns wohlwollende Seelen
Auf des Lebens unsicherem Pfad' begegnen, uns freundlich
Reichen die Hand, und hold sich erweisen in liebender Sorgfalt!
Sey dir Segen des Himmels dafür! Doch sprich: wie erfahr' ich,
Wessen Erzeugte du seyst; ob Raum in eurer Behausung
Für mich selbst, und die Thiere sich find' in der sinkenden Dämm'rung?«
Freudig erröthend nahm die werthen Geschenke das Mädchen,
Hob den Krug auf die Schulter, und sprach nach dem Thore sich wendend:
»Bethuels Tochter rühm' ich mich, des Erzeugten des Nachor,
Den ihm Milka gebar. Genügender Raum ist im Wohnhaus
Meines Vaters für dich, und die Thier' auch Futter die Fülle;
Folge mir nach: ich künde dich nun den Meinen zur Freud' an.«
Thränen des Danks umhüllten das Auge des redlichen Dieners,
Als er der Eilenden stumm nachsah. Dann bethet' er also:
»Ewiger, Lob sey dir, weil du an deinem Verehrer,
Abraham, huld- und erbarmungsvoll auch heut' dich erwiesen
Hast: mich geleitend hieher in seines Bruders Behausung!«
Und nun brach er mit seinem Gefolg nach dem Thore des Städtchens
Auf. Da kam Laban, der ältere Bruder Rebekkas,
Ihm entgegen, und rief: »Sey uns willkommen, o Fremdling,
Den uns der Segen des Herrn beschied! Tritt ein in die Wohnung
Nachors; dein harrt die freundliche Kammer, und deinen Gefährten
Oeffnen die Hallen sich weit, wie auch deinen Kameelen die Ställe
Mit erquickender Streu und der Menge des nährenden Futters.«
»Möge der Herr,« sprach jener, »euch all', ob euerer Großmuth
Und erfreuender Huld, hinfort, und auf immer beglücken!«
Also betrat er das Haus mit segnenden Worten, aus welchem
Er nun bald heimführen soll die erlesene Jungfrau,
Seinem Gebiether zur Wonn', und zum Glück noch spätester Nachwelt:
Denn aus Abrahams Stamm kömmt ihr der Retter gesendet.

Als denn Jedes besorgt, und erfüllet das freundliche Wort war,
Riefen sie nun den Fremdling zum Mahl; doch sagt' er: nicht woll' er
Deß sich erfreu'n, so er ihnen zuvor nicht verkündet die Bothschaft
Seines Gebiethers an sie. Man hieß ihn reden, und alsbald
Saßen all' um ihn her, da er muthig begann zu erzählen:
Wie ihn aus Canaans Fluren heran sein hoher Gebiether,
Abraham, dem der Herr unendlichen Reichthum verliehen,
Sandte, daß er für Isaak, den, erst im Alter mit Sara,
Seiner Gattinn, erzeugten Sohn, begehre zur Hausfrau –
Ihre aus seinem Geschlecht' entsprossene Tochter, Rebekka;
Wie, fürwahr, nach Abrahams Worten, der Ewige selber
Sandte den Engel vor ihm einher, daß er glücklich nach Charan
Kam; zum frohen, von Gott erbethenen Zeichen, die Jungfrau
Eben am Brunnen erschien; ihn selbst, sein Gefolg' und die Saumthier'
Labte mit kühlendem Trunk', und endlich zur freundlichen Herberg
Lud, wo ihm auch von ihnen viel Huld und Liebe geworden!
»Doch,« so sprach er nun mit bewegterem Herzen, »erklärt euch
Offen noch heut': ob ihr ihm die blühende Tochter gewähret,
Oder versagt, und ich dann heimkehr', ein Bothe des Unglücks?«
Sieh', da rief Laban, der erfahrene Bruder der Jungfrau,
Hebend die Hand' empor zum Himmel, in freudiger Hast auf:
»Ha, dieß kömmt von Gott: wir können dem Wink nicht entgegen
Handeln, im thörichten Wahn': als sey ihr ein Bess'res beschieden!
Redlicher, nimm sie denn hin; hier steht Rebekka, die Schwester:
Denn es entraffte der Tod uns jüngst den trefflichen Vater,
Lieblich erblühet vor dir; zieh' freudiger heim mit der Guten,
Daß sie, wie Gott es gefügt, dort Isaak, als Gattin, vereint sey!«
Sagt' es, und stellte sie ihm nun dar, bei der Rechten sie fassend;
Doch sie neigte sich sanft, wie die Ros' in knospender Fülle,
Hold erröthend des Bruders Red': ein Engel an Unschuld;
Schlug die Augen zur Erd', und weinete häufige Thränen.
Auch die liebende Mutter umfaßt' an dem Hals' und den Schultern,
Heftig, die Tochter jetzt, und drang mit thauenden Wimpern
In Elieser, daß er ihr dreißig der Tage gewähre
Unter den Ihren zu seyn, und dann erst beginne den Heimzug.
Aber als er der Eile gedacht', und Rebekka befragt ward,
Sprach sie beherzt: »Ich reise mit ihm nach des Ewigen Rathschluß.«
Alsbald langt' er Geschenk' an silbern- und gold'nen Gefäßen,
Und an kostbarn Kleidern hervor, und gab sie der Braut hin;
And're der Mutter dann, und den Brüdern. Nun endlich genossen
Sie des köstlichen Mahls, und eilten zu ruhen die Nacht durch.
Doch kaum färbte das Morgenroth den Saum des Gebirges
Drüben in Osten, so zäumt' Elieser, vereint mit den Knechten,
Rasch die Kameel', und hob die verschleierte Braut, mit der Amme
Dann auf die stattlichsten; sprach den tiefbewegten Verwandten
Rührende Worte des Trost's, und trabte hinaus auf dem Feldweg;
Aber sie riefen ihr dort, lautweinend, noch Segen und Glück nach.

Welch Getümmel der Freud' erschallt um Abrahams Zelt her?
Siebenzig Pfannen mit Pech und brodelndem Oehle gefüllet,
Tragen die Jüngling' auf Stäben von Holz, und es leuchtet die Flamme
Hoch empor in die Nacht. Gesang, dem Getöne der Zither
Lieblichvereint, erschallt aus der Ferne; des Zeltes Bewohner
Eilen heraus auf den Rain, die jauchzenden Gäste zu schauen:
Denn vom Gehöft Eliesers führt, hochzeitlichgekleidet,
Isaak die herrliche Braut nach Abrahams, seines Erzeugers,
Wohnung heran. Schon war sie vor zehn entflohenen Tagen
Angelangt dort mit dem Treu'n aus der fernentlegenen Heimath,
Und verweilte bei ihm, der frommen Sitte gehorchend. Im Morgenlande mußte die Braut nach der Verlobung gewöhnlich noch zehn Tage in dem Hause ihrer Aeltern bleiben. Am Abende des Trauungstages wurde sie zuerst gebadet, was noch heut zu Tage daselbst geschieht (Siehe Arvieux III. Th. S. 255. Vergleiche 2. Korinther 11. Epheser 5, 26) und mit einer Krone geziert, weßwegen sie »Gekrönte« hieß. Der Bräutigam, selber im Schmuck der schönsten Kleider (Jes. 64), und umgeben von seinen jungen Freunden, ὑιός τε νύμφωνος holte sie, im Gefolge ihrer Gespielinnen, verschleiert, aus dem Hause ihres Vaters ab, und führte sie unter Musik und Gesang, in das Haus des seinigen. (Richter 14, 10. – Mak. 9, 57. – Joh. 3, 9. – Math. 9, 19.) – Später wurden auf 70 hölzernen Stäben Pechpfannen vorausgetragen (Matth. 25, 1); was auch jetzt noch in Arabien im Gebrauch ist. (Niebuhr 1. Theil S. 402. Chardin Voy. I. S. 233.) Nach der Mahlzeit wurde der Segen über das Brautpaar gesprochen, mit dem Wunsche einer zahlreichen Nachkommenschaft. (Ruth. 2, 11.) In der Folge (wie aus Tob. 7,15 zu ersehen ist) legte der Vater die Rechte der Tochter in jene des Bräutigams, und sprach den Segen was heut zu Tage in der Synagoge durch den Rabbiner geschieht, worauf die Braut, noch immer verschleiert, in das Brautgemach geführt wird.
Doch nun schritt sie im Kreis' der Gespielinnen, bräutlichgeschmücket
Erst mit der Kron' auf dem Haupt' und dem antlitzhüllenden Schleier,
Nach dem Geliebten einher; auch ihn umgab der Gefährten
Blühende Schar, und erblickend am Thor des hellen Gezeltes
Abraham, der schon zitternd vor Freud' und inniger Sehnsucht,
Ihrer harrete, sank sie vor ihm auf die Knie', und umfaßte
Sie mit den Armen in glühender Hast und mit thränenden Augen.
Mild erhob der Greis die Weinende; drückte sie zwei Mal
Fest an die Brust, und begann vor den schnell verstummenden Scharen:
»Seht, wie erhaben und groß, barmherzig und gütig der Herr ist!
Jegliches wurd' erfüllt, was seine unendliche Weisheit
Ueber mich und die Meinen verhängt' in den Tagen der Prüfung.
Freudig gewahr' ich vor mir die künftige Mutter der Kinder
Meines Erzeugten – des Sohn's der himmlischen, hohen Verheißung.
Ach, daß Sara, die sein', ein solches Glück nicht erlebte!
Doch du, Gute,« so sprach er zu ihr, »verließest die Mutter,
Von Elieser gedrängt, in Trauer: nicht gönnt' er im Eifer
Ihr die ersehnete Zeit der Brautausstattung zu denken.
Groß ist der liebenden Mutter Müh' und Sorg' um die Tochter,
Von dem Tag der Verlobung zu jenem, wo sie sich auf immer
Mit dem Erwählten vereint. Geschäftig schafft zu dem Haushalt
Sie das Ein' und das And're herbei, und rastet, und ruht nicht,
Bis nicht im Ueberfluß ein Jedes, genügend, erscheinet;
Dennoch, kömmt nun die Stunde heran, wo draußen im Hofraum
Laut der Gesang der Hochzeitgäst' erschallt, und die Tochter,
Noch vor dem einenden Spruch ihr naht mit Thränen des Dankes
Abschied zu nehmen, und dann zu gehören dem Manne für immer:
Wendet sie sich, wie entrüstet, von ihr, und schluchzet im Stillen,
Daß sie von ihr sich trennt, und die weinende Mutter zurückläßt.
Ach, daß Sara für uns solch glücklichen Tag nicht erlebte:
Denn sie wär' auch dir die liebende Mutter geworden!
Doch, nun tretet herbei: ihr sollt für immer vereint seyn!«
Sagt' es, und legte die Rechte des Sohn's in jene Rebekkas;
Hob die Händ' empor, und rief mit umschallender Stimme:
»Komme der Segen des Herrn in nieversiegender Fülle
Ueber euch, daß ihr, wandelnd vor ihm mit redlichem Herzen,
Spät im grauenden Alter noch die glücklichen Enkeln
Eurer Erzeugten schaut, und auf sie den Segen vererbet!«
Lauter Jubel erscholl ringsher aus den wimmelnden Scharen.
Dann ergötzten sich all' an dem Hochzeitmahl' in des Zeltes
Schimmerndem Raum; nur Rebekka enthielt sich der Speis' und des Trunkes,
Schweigend, und hold verschämt, bis jetzt nach dem heiteren Festmahl
Isaak mit ihr, umjauchzt, entschwand in die bräutliche Kammer.

Jahr' entfloh'n; da saß im sinkenden Schatten des Abends
Abraham vor dem Gezelt', und sah, bald auf zu des Himmels
Funkelndem Sternenheer', und bald nach dem Sand auf dem Boden,
Thränenden Blickes, hinab. Er dachte der hohen Verheißung,
Welch' ihm ward: daß ein Volk, gleich diesem, und jenem, unzählbar,
Seinen Lenden entsprieß' in der endlosdauernden Zukunft;
Daß die Völker ihr Heil durch Einen aus seinem Geschlecht nur
Finden dereinst, und, daß gütig der Herr ihm jeglichen Segen
Spendete so, daß er überbeglückt noch am Rande des Grabes
Schaue vergnügt zurück' auf das wonnegesättigte Leben.
Jetzt erhob sich der volle Mond an des Himmelsgewölbes
Oestlichem Rand', und beschien, stets heller schimmernd im Nachtgrau'n,
Abrahams milde Stirn und seine erblassenden Wangen;
Doch er streckte dem freundlichen jetzt – sein Ende gewahrend,
Weit die zitternden Händ' entgegen, und stammelte sterbend
Noch ein Dankgebeth mit brechendem Auge für sich hin,
Als er gesenkt das Kinn an die Brust, verhauchte das Leben.
Isaak begrub mit Ismael ihn an der Seite der Mutter,
Sara, im Felsengrab nach den Tagen unsäglicher Trauer.


Vater von Israels Volk, du wandeltest selig hinüber
Nach dem ewigen Reich der göttlichen Huld und Erbarmung:
Denn wie ein Blitz auffuhr vor deinen entschleierten Augen,
Ehe du schiedst, das Bild der Rettung der sündigen Menschheit,
Und du sah'st, entzückt, den Einen, den Sohn der Verheißung,
Kommen aus deinem Geschlecht als huldvollwaltenden Mittler
Zwischen dem ernsten Richter und uns, und, schuldlos ihn sterben
Auf dem Holz, um uns all' von dem ewigen Tod zu erretten!
Aus Gehorsam verschonetest du den einzigen Sohn nicht,
Hätte der Herr ihn nicht selber verschont; doch ein rührendes Vorbild
War er von ihm auf dem Holz', erhöht zum Opferaltar dort,
Das er geduldig selbst auf den Schultern getragen. O, Heil, dir,
Edeler Greis! Den Glauben an Gott, den wahren und einen,
Mußte bewahren dein Volk bis hin zu der Fülle der Zeiten,
Wo der Verheißene kam im Siegesrufe der Rettung!


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