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Abendlich ruhte die Flur, als pfeilschnell über des Horebs
Höhn
Der Berg
Horeb (unter 28° 50' oder 29° der Breite im peträischen Arabien) hat an seinem Fuße ringsher einen großen Umfang, aus welchem sich zwei Spitzen, eine südlich
Katharinenberg genannt, und die andere nördlich – welche der eigentliche Sinai der Bibel ist, und über 6000 Fuß über der Meeresfläche aufragt, erheben. (Siehe
Jahns Bibl. Archäologie I. Theil S. 80.) sich Wettergewölk' aufhob, und nächtliches Dunkel
Ueber das Thal sich ergoß. Aus seinem gährenden Schooß her
Raste der Sturm, und zuckte der Blitz, und krachte der Donner,
Schlag auf Schlag, daß gebeugt in dem ringsergossenen Gluthmeer
Seufzten die Wälder, und Angst die hochaufragenden Berghöh'n
Schüttelte, bis zu den Vesten hinab, unendlich und furchtbar.
Aber nicht bebte der Mann, der erst mit der blöckenden Schafheerd',
Längs der Seite des Bergs hinzog, und jetzt vor dem Aufruhr
Sich in der Felsschlucht barg, vom wölbenden Schiefer umhüllet.
Vorn' an dem Eingang saß er, und sah nach den leuchtenden Blitzen,
Sinnend, hinaus. Sein Bart, ob er auch der Jahre schon achtzig
Zählete, war nur wenig ergraut, und floß ihm in Wellen
Tief in den Busen hinab, den über dem räumigen Kleid noch,
Dichten Gewebes, der Mantel umwand, nach der Sitte des Ostlands.
Herrschend war die Gestalt des Sitzenden; doch so er aufstand
Erst, und im Kreise des Volks mit feurigen Blicken umhersah,
Faßte Schauer die Brust auch des kühngesinneten Mannes.
Jetzo sah er mit steigendem Ernst' in die Schrecken der Sturmnacht.
Finsterer Groll, wie er oft nach furchtbarn Schlägen des Schicksals:
Trug, Verrath, und Verlust des Theuersten sich in des Menschen
Antlitz gräbt, zog ihm die Brau'n an der Stirne herunter,
Und, zum Bogen gekrümmt, erzitterten leis' ihm die Lippen.
Ha, da riß ein Wetterstrahl, dem plötzlicher Donner
Nachfuhr, weit die Wolken entzwei: sie barsten, und alsbald
Stürzte die Regenfluth mit lautem Geprassel herunter –
Rauschten auch schon unzählig-aufschäumende Bäch' an der Bergwand
Nieder, und deckten die Flur, wie ein See, mit trüben Gewässern.
Endlich verhallte der Sturm; nicht schlug der prasselnde Regen
Mehr; empor in des Himmels Blau, der freundlicher wieder
Lächelte, schwamm das zerriss'ne Gewölk, und hob in des Abends
Gold'nem Strahl sein thürmendes Haupt, verklärt, in die Luft auf.
Frischer grünte der Wald und die Flur; mit sanftem Gesäusel
Schüttelte dort vom Laub das Lüftchen gewichtige Tropfen.
Hier enttroff das glänzende Naß dem Vließe der Lämmer,
Die mit frohem Geblöck' umhüpften den einsamen Hirten.
Schweigend saß er noch da. Der Allmacht herrliches Walten
Weckte zuvor sein Herz zur Anbethung, Lieb', und Ergebung
Aus den Nachtgesichten des tiefgenähreten Grams auf.
Heiße Thränen umhüllten sein Aug', und er blickte, verlangend,
Rings um sich her: ob ihm nicht ein Sterblicher jetzt, wie gerufen,
Nahete, der ihm erhellte das Grau'n beklemmender Zweifel.
Siehe, da kam sein Schwieher heran, Sohn Reguels, Jethro,
Jethro, Reguels Sohn, war ein Priester, und zwar kein abgöttischer, in dem Lande Midian, wie aus II. B. Moses 18. Cap. 12. Vers erhellt.
Der vom nächtlichen Traum, voll Wundergesichte, getrieben,
Ob des Eidams besorgt, sich erhob, und herüber den Sandweg
Wanderte: noch ein rühriger Greis, dem silbern das Haupthaar,
Wie auch der Bart, die röthlichen Wangen umgab! Von Gestalt klein,
Schaltet' er selbst, und immer mit Fug und Geschick, in dem Haushalt,
Und aneiferte stets das Gesind zu erneuertem Mühen.
Durch Erfahrungen weis', erhob er die Tage der Vorzeit,
Rühmend, und schalt die Jugend im vielgesprächigen Alter.
»Moses!« scholl es durch Wald und Gebüsch, und »Moses!« in Horebs
Schluchten umher, wie er nahete, bis ihm das Blöcken der Lämmer
Jene verrieth, wo er saß, in hohe Betrachtung versunken.
»Ha,« so rief er, »dem Ewigen Dank, der hier in Gefahren
Dich mit der Heerde beschirmt'! Ich eilte herüber – zu schrecklich
Tobte der Sturm, im Drang des angstergriffenen Herzens.«
Aber ihn sah der Hirt' mit tieferforschendem Blick' an;
Neigte das Haupt, und begann: »Ich danke dir; gütig besorgst du
Stets der Deinigen Wohl; es erblüh't unendlicher Segen
Um dich her, und du rühmst dich den glücklichsten Vater und Gatten.
Dennoch dünkt es mich fast, ganz andere Sorgen bewegten
Deine Füß' im Grau'n des entsetzlichen Donners herüber.«
»Nun,« so entgegnete Jethro schnell, »Tollkühner, zu warnen
Kam ich: denn welch ein Grund, den du zur Weide gewählt hast?
Josephus Flavius (Antiquit. Jud. Lib. II. Cap. 12) sagt: Schon vor diesen Zeiten sey unter den Einwohnern die Sage gewesen: Gott wohne auf dem Berge Horeb, und vor Moses habe sich kein Hirte erkühnt, seine Schafe daselbst zu weiden.
Hieß nicht der Horeb »Gottes Berg« in der heiligen Vorzeit
Schon, weil Gott sich auf ihm einst offenbarte dem Volk hier?
Keiner wagt' es zuvor – auch der frömmsten und mächtigsten Hirten
Keiner vor dir, Vermessener, ihm mit der Heerde zu nahen;
Doch erwäge die Schuld, und reize den Herrn nicht zur Rach' auf!«
Moses schwieg. Wohl winkt' ihm Jethro drei- und auch viermal,
Antwort heischend; er schwieg. Da sprach, sich ereifernd, der Greis so:
»Du verstummst, daß ich jetzt, ob solchem Frevel bekümmert,
Dich zur Rede gestellt? Ich werde so lange nicht weichen,
Bis du nicht öffnest die Brust, die verschlossene: denn nicht verhehl' ich's,
Was mich heran durch Sturm und Wetter getrieben. Entfloh'n sind
Vierzig der Jahr', seit du, der scheuumirrende Fremdling,
Midians
Midian, die Landschaft, in welche Moses floh, lag im peträischen Arabien, an der Küste des rothen Meeres. Von dieser ist eine andere gleiches Nahmens, zu unterscheiden, die dem Jordan gegen Morgen, nicht weit von Arnon und Aereopolis lag. Fluren betratst. Da waren der Töchter mir sieben –
Ach, versagt blieb mir der männliche Sproß', in des Abends
Kühlerem Hauch die Heerd' im Felde zu tränken, beschäftigt.
Sie zu verdrängen, erschien die Hirtenschar von den Söhnen
Amalek's, die den Brunnen erspähten zuvor, und die Weiber
Bebten vor Angst; doch dir, Gewaltigem, mußten die Hirten
Weichen: sie floh'n! Du, füllend sofort zur Tränke die Rinnen,
Labtest die Heerde mit kühliger Fluth, vor den staunenden Töchtern.
Daß ich sie schalt, die allein heimkehrten, und nicht auch den Fremdling
Riefen zum gastlichen Mahl; daß dir der dankbare Vater
D'rauf zur Gattinn sein liebliches Kind, die holde Zipora,
Ohne Geschenk,
Bei den Eheverlöbnissen wurden den leiblichen Brüdern der Braut Geschenke gemacht, und dem Vater mußte ein Kaufpreis bezahlt werden. Diese Sitte des Orients, welche nach
Niebuhrs Reise II. Theil, S. 420 noch heut zu Tage üblich ist, hatten die alten Hebräer mit den Phönikern, Griechen etc. etc. gemein. (
Herodot I. 196. –
Strabo, S. 735. –
Iliad. XI. 244.) Kaufgeld, und Habe gegeben – des Priesters
Tochter, um welche im Land die erlesensten Jünglinge freiten,
Weißt du. Ha, sie gebar dir zwar den einzigen Sohn nur:
Im II. B. Moses 2. Cap. 22. Vers, heißt es: »sie gebar Ihm einen Sohn, den er
Gerschom (Fremdling) hieß, weil er, wie er sagte, ein Fremdling im Auslande sey,« und weiter unten IV. Cap. 20. Vers: »Moses ließ seine Frau, und seine Söhne auf Eseln reiten« u. s. w. Da aber, wie II. B. 18. Cap. erzählt wird, Jethro, der Schwiegervater Moses, nach dem Durchzug durch das rothe Meer, zu ihm am Horeb in der Wüste, mit dessen Gattinn Zipora und seinen zwei Söhnen gekommen war, von welchen er den einen
Gerschom, und den andern
Elieser (Gott half) hieß, »weil der Gott seines Vaters ihm beigestanden, und von dem Schwerte des Pharao befreit habe,« so ist anzunehmen, daß ihm dieser später geboren worden, und die vielfache Zahl im IV. Cap. 20. Vers durch ein Versehen der Abschreiber in den Text gekommen sey.
Denn die Mutter wirft ja dem Leu'n die Jungen nur einmal!
Aber er wächst dir, blühend, heran, und mit Reichthum gesegnet
Ward ich, seit in dem Feld' und daheim mit emsigem Mühen
Du die Sorge getheilt, die auf mir, dem Reichen an Jahren,
Lastete. Sieh', und dennoch trübte noch stets in des Lebens
Stillumkreisendem Lauf, wie den heiteren Himmel im Herbst oft
Nebelgewölk umflort, ob deiner ein heimlicher Kummer
Meine von Angst ergriffene Brust! Du staunest? Nicht hast du
Mir noch entdeckt: woher du, ein irrender Fremdling, gekommen?
Nicht, weß' Landes und Stammes du sey'st? Was dich von Aegyptens
Fruchtbaren Auen zu uns, g'en Midian, führte? Vielleicht nur
Schreckliche Schuld? Entflohst du dort den dräuenden Strafen?
Oder, bist du sogar, tollkühner Hirt an des Horebs
Berghöh'n, auch ein Abgötter noch im heimlichen Herzen:
Obgleich lange geprüft, du fromm erscheinest, und schuldlos?«
Moses fuhr bei dem Wort' in die Höh', und zerriß an der Brust sich,
Stöhnend, das Kleid.
Das Zerreißen der Kleider war bei den Morgenländern ein Zeichen großer Trauer, und des
dadurch erregten Schmerzens. Sein Aug' entflammte sich, wie des Gewölks Nacht,
Die der leuchtende Blitz durchfährt, da er fürchterlich aufschrie:
»Ich, ein Abgötter, ich? Das fehlte noch! Fluch und Verwünschung
Ueber mich, so ich es bin! Entfleuch, sonst nah' ich dir schrecklich!«
Rief's, und blickte dem Greis' in die thränenumflossenen Augen,
Die mit der rosigen Gluth auch die heilige Ruhe des Abends
Spiegelten. Sieh', er erschrack vor sich selbst, und seiner Entrüstung;
Faßt' ihm die Hand, und sprach: »Verzeih'n, ehrwürdiger Vater,
Wirst du das raschere Wort dem Sohn': ein schmähliches floh dir
Von den Lippen zuvor. Wer könnte mit Ruh' es ertragen,
Der in dem glühenden Haß des Götzengräuels erwachsen,
Heilige Sehnsucht nährt, ihn rings von der Erde zu tilgen?
Aber sie zehrt, wie Schwefel und Harz in den unteren Räumen
Brennend, mir nun schon des Herzens gewaltige Kraft auf;
Schon erfüllt mich die Angst und Verzweiflung: völlig verworfen
Habe der Herr sein Volk, das er, wie ein Adler die Jungen
Auf den Fittigen, liebend, empor in die bläuliche Luft trägt,
Einst auf den Händen trug, wenn Noth und Gefahr es bedrängte.
Doch« (er ließ sich jetzt, wo er stand, gehaltener nieder)
»Eben ersehnt' ich den Mann, dem ich nun endlich des Busens
Tiefverschlossenen Gram enthüllete; wunderbar nahtest
Du mir jetzt. Vernimm denn, woher ich, ein irrender Fremdling,
Kam; weß Stamm's und Landes ich sey; was mich aus des Fluch's- nicht
Segens-Flur g'en Midian führt', und Alles und Jedes,
Das ich verschwieg seither, ergriffen von düsterem Unmuth.
Wiss' es, mich zeugt' Amram, mit der trefflichen Gattinn Jochebed.
Levi, Jakobs Sohn', entsproß mein Stamm, und die Beiden
Rühmten sich dessen zugleich.
Siehe II. B. Moses VI. Cap. 16., 18., 20. Vers. Doch segnete nimmer der Vater,
Nimmer die Mutter den Tag, an dem ein Sohn ihr geboren
Ward in Goschems Gefild, des weidegesegneten Landes,
Das, aus Pharao's
Pharao war der allgemeine Nahme der Könige von Aegypten. – Der Geschichtschreiber Appian nennt diesen insbesondere
Amasis, und Eusebius
Cenchris. Usserus aber glaubt, er habe
Amenophis geheißen, und sey der Belus der Griechen, der Vater des Danaus und Aegyptus gewesen. Mild' einst Joseph, als herrschender Pfleger,
Unserem Volke verlieh: denn ach, ein grausamer Wüthrich
Hielt nun Pharao's Thron im Besitz, der Israels Knaben,
Kaum geboren, empört von herzverengendem Mißtrau'n,
Werfen hieß in des Nils verschlingende Tiefen. So lag ich
Schon, ein Opfer der Rach', im Korb' von geflochtenem Schilfrohr,
Wimmernd am Strom', und mit Angst umspähte die Schwester – ein Kind noch,
Wie die Wellen verschlängen den Raub: da führte Jehova's
Huld die Königstochter
Nach dem Jos. Flavius hieß diese Tochter Pharao's,
Thermuthis. Clemens von Alexandrien, der sie
Myrrhina nennt, berichtet: sie sey lange verheirathet, doch kinderlos gewesen, deßwegen sie den Moses an Kindes statt angenommen habe. vorbei. Den blühenden Säugling
Sah sie, bewegt, und gab ihn der Mitleid Flehenden selber,
Daß sie die Amme ihm fänd', und einst hinbrächte den Knaben
Ihr an den Hof. Sie trug mich heim zu der jauchzenden Mutter,
Die schon zuvor mit Angst und mütterlichsorgendem Herzen
Mich im dunkeln Gewölb, durch fünfzig Tage, versteckt hielt.
Kraftigerblüht, fand ich, von der mildgesinneten Tochter
Pharao's so gerettet, mich dann am schimmernden Hof' ein.
In der Apostelgeschichte VII. Cap. 21. und 22. Vers heißt es: (»den Ausgesetzten«) nahm die Tochter Pharao's zu sich, und ließ ihn als ihren Sohn erziehen. Moses wurde in allen Wissenschaften der Aegyptier unterrichtet, und war mächtig in Reden und Thaten.«
Was Aegypten an Weisheit, Kunst, und Wissenschaft seither
Hägt' in dem Schooß, ward mir von erlesenen Meistern enthüllet:
Zauberer nannte das gläubige Volk die betrog'nen Betrieger,
Die, nur selber sich fröhnend im Land, des Wahren und Falschen
Achtlos, auf Irrwege das Volk verleiteten; aber
Mein aufstrebender Geist erkannte das goldene Fruchtkorn
Unter nichtiger Spreu, das noch aus den Tagen der Unschuld,
Bei dem gefall'nen Geschlecht sich erhielt, und, herüber gerettet
Von den acht, in der Arche Noah's erhaltenen, Seelen,
Mitten im Dornengefild des sinneschmeichelnden Irrthums
Und unendlichen Trugs festwurzelte. Glühend vor Wißgier,
Las ich es sorglich mir auf. Von den Höhen und Tiefen der, ureinst
Freierschaffenen, hehren Natur: wie im dunkelen Schooß sie
Wirket, und schafft: nun bindet und lös't, nun hemmt und beweget;
Aus Verwesung das Leben ruft; das Leben in Staub wirft;
Wie in dem Sturme sie braus't; im Lüftchen säuselt; im Donner
Rollt; anzieht, abstößt; unzählig erleuchtete Welten
Schweben heißt in dem Aethergefild'; im unendlichen Eilflug
Sendet das Licht umher aus den rastloskreisenden Sonnen,
Und in Allem der Allmacht Werk so erhaben und groß ist:
Davon sagte die Schule mir viel; gar Vieles erkannt' ich,
Ahnend im Geist, und verschloß es im heimlichen Busen mit Sorgfalt.
Also reift' ich zum Manne heran; doch, mitten im Zauber
Eines üppigen, Geist- und Sinne bethörenden Hofes,
Flammte mir stets noch heiß in dem Herzen die Ehre Jehova's,
Und die Liebe des Volks, des erkorenen, dem ich entrückt ward.
Aber der Wüthrich sah die schnellvermehreten Stämme
Israels – sah's, und zürnt' in dem feigerbebenden Herzen,
Das der Schranze noch mehr verschüchterte. Daß sie nicht heimisch
Würden im Land, verdrängten sogar die Kinder Aegyptens
Aus dem ererbten Besitz', und unterjochten als Sklaven:
Hieß er sie peitschen zur Frohne gesammt mit eherner Geißel,
Und berauben des Muths in lebenerschöpfender Arbeit.
Sohn der Wüste! Mit Staunen würdest du seh'n in dem Land dort
Blühende Städt', erbaut im blutigen Schweiße der Kinder
Israels; seh'n die Pracht der götzengeweiheten Tempel,
Wo das säulengetragene Dach, unendlich an Umfang,
Dunkle Hallen bedeckt, und nichtige Götter beherbergt;
Seh'n wie sie, nach dem Wink werkkundiger Meister, vollbrachten
Räthselgestalt:
Die räthselhafte Gestalt der Sphinxe gab zu verschiedenen Muthmaßungen Veranlassung. Sowohl die griechische Mythologie, wie es die Geschichte des Oedipus beweiset, als auch die ägyptische, hatte ihre Sphinxe. Diese ist in Abbildungen, gewöhnlich, wie eine Löwinn mit vorgestreckten Vorderfüßen gelagert, und hat das Haupt einer weiblichen Figur, welches mit einem in Falten gelegten Tuche bedeckt ist. Die in der Nähe von Cairo im Sande versunkene, und aus einem einzigen Stein gehauene Gestalt der Sphinx ist 148 Fuß lang, und mehr als 60 Fuß hoch; sie ragt aber jetzt nur noch 27 Fuß hoch aus dem Sande. Die Aegyptier stellten sie vor die Thore ihrer Tempel, um anzudeuten, daß der Dienst der Götter mystischen Sinn enthalte. (Stat. I. Theb. – Dapper. Descr. Afr.) in ihr den Leib der ruhenden Löwinn,
Launenhaft, mit des Weib's huldschönem Gesichte vereinend,
Daß sie, in dräuender Zahl, an den Thoren bewachten des Tempels
Heiligthum – sie, wie die Götter selbst, ein todtes Gebild nur;
Auch in Reihen vor ihm Spitzsäulen
Die Obelisken, oder Spitzsäulen, dienten bei den Aegyptiern zur Zierde der Plätze vor ihren Tempeln. Mehrere erheben sich über dem Fußgestelle noch zu 150 Fuß Höhe in das Gevierte, spitz zulaufend; sie sind gewöhnlich aus rothem Granit, aus einem Steine gehauen, und die meisten mit Hieroglyphen versehen. Von August angefangen, haben mehrere römische Kaiser sie nach Rom schaffen, und erhöhen lassen, die aber dann bei dem Einfall der Barbaren umgestürzt wurden. Erst von dem unternehmenden Papste Sixtus V. 1588 und 1589 wurden zwei der größten, einer auf dem Petersplatz, und der andere vor der Kirche S. Giovanni di Laterano, wieder aufgerichtet. (
Ueber die Obelisken siehe
Zoega's Werk
De origine et usu Obeliscorum, Romae 1797. erhöhten, auf welchen
Bilderschrift das Gesetz in den Schleier der Irrthümer hüllet;
Seh'n, wie sie aus dem finstern Basalt Grabmäler der Herrscher
Die Pyramiden, Denkmaale des Despotismus der alten Könige von Aegypten, die diese, vierseitig spitz zulaufenden Massen aus Stein, oder Ziegeln sich zu Begräbnißplätzen haben erbauen lassen. Um Memphis herum stehen noch beiläufig 40 solche Pyramiden, deren höchste, jene des Cheops, über 600 Fuß Höhe, und eben so viel' in der Basis mißt. Was Herodot, Strabo und Diodor von den Pyramiden berichten, wurde durch die Neuern, vorzüglich durch Savary, und durch Denon, während Napoleons Zuge nach Aegypten, größten Theils bestätiget. (Siehe
Grobers Description des Pyramides de Gizè. Paris etc.
Hoben empor zum Gewölk, die, sich vierseitig verjüngend,
Schau'n in der Welt umher; doch, unvergänglichen Baues
Trotzend der Zeit, nicht schirmen den sterblichen Leib vor Verwesung:
Wie sie formten den fetten Lehm, und in glühenden Oefen
Backten zum Stein, da stets die thürmenden Städte sich mehrten;
Hättest du solches geseh'n: gebrochen wäre das Herz dir
Schnell in der fühlenden Brust, und verhaßt erschien' dir das Leben!
Doch mich trieb's zu entsetzlicher That: am dämmernden Abend
Sah ich auf einsamer Bahn den Vater unmündiger Kinder
Hingesunken im Staub', und blutend den schrecklichen Hieben.
Ha, nicht ruhte der Frohnvogt noch: der schallenden Geißel
Tönte Gestöhn matt nach! Ein Rächer des Mords ist Jehova
Seit dem ersten, bis hin zu dem letzten, am Ende der Zeiten;
Blut versöhne das Blut, vergossen in kalter Verachtung
Schützenden Menschenrechts und Geboths der Mild' und der Schonung;
Doch mir sagt noch heute das Herz: des Lebens und Todes
Herr ist Jehova: er gibt es, und nimmt's – er drängte mich: »Tödt' ihn!«
Ich erschlug, und begrub ihn im Sand', und trug auf der Schulter
Dann den Mißhandelten heim zu den Seinen.
So verschieden diese Meinungen der Ausleger über die gewaltsame That Moses sind, so ist (
Apostelgeschichte VII. Cap. 23. Vers u. folg.) aus der Rede des Stephanus M. zu entnehmen: daß er sie aus dem Antriebe Gottes, des Herrn über Leben und Tod, vollführt habe. Die Folgen davon wirkten entscheidend auf Moses Schicksal, und die Befreiung des Volks Israel. Es regte den Busen
Jetzt ein großer Gedanke mir auf: der Tag sey gekommen,
Wo Jehova sein Volk aus der Hand unmenschlicher Gegner
Führen würd' in Freiheit hinaus, und ihm geben zum Erbtheil
Dann das verheißene Land auf ewige Zeiten, wie solches
Er, voll Huld, verhieß an Abraham, Isaak und Jakob;
Würdig werde das Volk der Freiheit seyn, und der Knechtschaft
Fessel kühn abschütteln, auf ihn, den Ewigen bauend;
Ja, mir brannte das Herz, ihm ein Führer zu werden ... Entsetzlich:
Nacht umhüllet den Geist des Sterblichen; täuschender Schimmer
Führet ihn oft, abseit von dem Pfade des Wahren, zum Irrgang!
Werth der Freiheit hielt ich mein Volk? Ach, dauernde Knechtschaft
Hatt' ihm den Nacken gebeugt: es kroch im niedrigen Staub gern!
Also geschah's, daß einer aus ihm mir drohte: dem König
Woll' er verrathen die That, da ich ihm verwies sein Vergehen.
Bald erreicht' ich dein Zelt, ein Flüchtiger. Wohl hat Jehova
Dich gesegnet und mich in dem häuslichen Bunde des Lebens;
Doch was frommte die That, die blutige, mir und dem Volk dort?
Bald verlor sich der Strahl, dem ich voll Hoffnung gefolgt bin,
Und ich stehe allein, gequält von nächtlichen Zweifeln:
Völlig verwirkt, durch eigene Schuld unwürdigen Lebens,
Habe mein Volk vor ihm des verheißenen Segens Gewährung:
Denn er schweigt, und der Jahre vierzig, seit ich der Antwort
Harrete, sind mir entfloh'n, auf den einsamen Triften der Wüsten.«
Jethro stand, erschüttert im Herzen, vor ihm, und begann so:
»Furchtbar klang's, was du aus der Nacht entschwundener Zeiten
Mir enthülltest, und noch beklemmt Entsetzen die Brust mir;
Aber dich rief Jehova, so sprachst du? Folg', und vertrau' Ihm.
Täusche dich nicht. Gott trau': er helfe dir jetzt und für immer!«
Sagt' es, und eilte den Sandpfad fort, in der sinkenden Dämm'rung
Heimzukehren, und bald erhob sich vor ihm aus den Zelten
Bläulicher Rauch. Der Schafhund lief, laut bellend, herüber;
Sprang an ihm auf, und folgt' ihm dann an der Fers'. In dem Hofraum
Kam ihm die Schar der Kinderchen, die dort sieben der Töchter,
Trefflichen Schwiehern vermählt, gebaren, entgegen. Die Kleinen
Faßten ihm schmeichelnd die Hand, und fragten zugleich nach dem Vater,
Nach dem Bruder und Freund, der fernhin weidet die Schäflein;
Aber er schwieg, und ging, von den Lieben umringt, nach dem Zelt heim.
Sieh', auf den einsamen Höh'n des gottgeheiligten Berges
Saß noch Moses im sinnenden Ernst: da däucht' ihn, zur Linken
Lodere Flamm' empor. So war's. Ein ragender Dornbusch
Brannte vor ihm. Vielleicht, daß erst ein Blitz im Gewitter
Ihn entzündet', und jetzt die Glut anfachte der Nachtwind?
Lange sah er nach ihm, und jetzo mit wachsendem Staunen,
Daß der brennende Busch nicht, mattverglimmend, in Staub sank.
Schnell erhob er sich, ging, umforschete wieder, und nahte
Schon dem Wundergesicht: da scholl's – der
Engel Jehova's,
Der ihn sendete, rief aus dem Busch mit erschütterndem Laut' ihm:
Siehe oben: Anmerkungen zu Abraham 2te Anmerkung 17ten Vers.
»Halte dich fern'; entblöße die Füß': auf heiligem Erdreich
Stehst du allhier. Ich spreche zu dir, Gott deines Erzeugers,
Abrahams, Isaaks, Jakobs Gott, die Väter ihm waren.«
Moses sank auf die Knie', und beugte die Stirne zum Boden,
Schaudernd. Der Herr fuhr fort: »Ich schaue den Jammer der Kinder
Israels dort in dem Joch des Frohnvogts; höre den Wehruf
Meines erlesenen Volks erschallen vom Land der Aegypter;
Will es erretten, und leiten zurück in die herrlichen Fluren
Kanaans,
Canaan (Palästina, das gelobte Land) war einst der fruchtbarste Theil von Syrien. Gegen Morgen hatte es das wüste Arabien, gegen Mittag die Wüste Paran und Aegypten, gegen Abend das Mittelländische Meer, und gegen Mitternacht den Berg Libanon zur Gränze, wodurch es von Phönikien abgesondert wurde. Den Nahmen Canaan hat es von einem Sohne Hams, dem Enkel Noahs, erhalten. wie ich's verhieß: du sollst ein Führer ihm werden.
Eile, von mir gesandt, zu Pharao, heische den Abzug.«
»Ich, Herr, ich?« so stammelte jener, »vor Pharao stehen –
Führer werden des Volks, ich langvergessener Fremdling?«
Gott sprach: »Rüsten werd' ich mit Kraft und Stärke dich, daß du
Jedes vollbringst, und so, wie ich dich nun sende, so wahrhaft
Sollet ihr auch bald, hier auf dieses geheiligten Berges
Höh'n mit freudigem Muth Dankopfer mir bringen.« Und Jener:
»Herr! Jahrhunderte lebte dein Volk in dem Land der Aegypter –
Hörte von Göttern dort, nicht von dir, dem Ewigen, Einen,
Sprechen: wie künd' ich es ihm, welch' Nahme der dein' ist?«
Die Hebräer lebten seit dem Tode Jakobs 215 Jahre unter den abgöttischen Aegyptiern, und hörten von so vielen Nahmen der falschen Götter sprechen; darum fragte Moses, wie er, der wahre Gott, vor seinen sinnlichen Landsleuten genannt seyn wolle?
Moses II. Cap. 15. Vers, erklärt durch VI. Cap. 3. Vers, zeigt, daß erst von diesem Zeitpunkt an Gott der Nahme
Jehova allgemein beigelegt worden sey. Und Gott rief:
»Der dich sendet, bin Ich, der
war, und
seyn wird auf immer:
Abrahams, Isaaks, Jakobs Gott, so spricht es
Jehova:
Denn so heißt er hinfort auf ewige Zeiten. Verkünd' es
Also dem Volk, und d'rauf, mit den Aeltesten, eilend zum Thronsitz
Pharao's, sprich: er lass' euch fort in die Wüste hinauszieh'n,
Drei Tagreisen entfernt, daß ihr Dankopfer mir bringet.
Zehnfach trifft zwar ihn und das Land entsetzlicher Jammer,
Eh' er euch selber entläßt, und drängt zum eiligen Abzug;
Aber euch werden zugleich, so will ich es, reichliche Spenden
Von den Aegyptern zu Theil an dem huldbezeichneten Tag dort,
Auf daß die Eueren deß' noch fern in der Zukunft gedenken.«
»Ach, sie kennen mich nicht,« so sprach mit bangendem Herzen
Moses vor Gott, »noch glauben sie je, daß Jehova mich sende!«
Aber da hieß ihn der Herr, den Wanderstab in der Rechten
Schleudern zur Erd', und sieh' zur Schlange von gräulichem Anblick
Ward er! Er bebte zurück; doch fassen mußt' er das Unthier;
Faßt' es, und hielt, wie zuvor, den Stab in der Hand. In den Busen
Sollt' er sie bergen: er that's, und weiß von schrecklichem Aussatz
Ward sie;
Der
Aussatz war eine fürchterliche, in Aegypten einheimische Krankheit, und besonders der weiße für unheilbar gehalten. Dahero solch ein Wunder, durch Moses gewirkt, seine göttliche Sendung vor den Aegyptiern erweisen mußte.doch, auf Jehova's Geboth, hervor aus dem Busen
Zog er sie wieder gesund. Da sprach, verweisend, Jehova:
»Sahst du's? Wer kann so aus dem Todten das Lebende rufen –
Heilen Unheilbare, wer? Jehova allein! Und erkennen
Als den Gesendeten, trotz der zween erschütternden Wunder,
Sie dich noch nicht, so geuß von den Fluthen des Nils an dem Ufer
Wasser umher auf den glühenden Sand, und es wird sich urplötzlich
Wandeln in Blut, zum Zeichen: es sey der Eine, Jehova,
Er, der allmächtige Gott, der Herr des heiligen Strom's auch,
Wie ihn dieß Volk benennt, das ihm, im kläglichen Irrthum,
Der
Nil ward von den Aegyptiern für eine Gottheit, und zugleich für den Sitz mehrerer ihrer Götter gehalten.
Huldigt als Gott, und ihn noch mit andern Göttern bevölkert,
Und ob solcher Gewalt entläßt euch Pharao schnell dann.«
»Herr!« rief Moses mit steigender Angst vor Jehova, »nicht lös't sich
Leicht das gefällige Wort von der Zunge mir; schwer und unlenksam
Träge, blieb sie mir stets: nicht würd' ich als Redner bestehen.«
»Thörichter!« also der Herr, »wer hat die Zunge dem Menschen,
Wer der Zunge die Macht lauttönender Worte gegeben?
Wer macht sehend und blind? wer, redend und stumm? – nicht Jehova?
Siehe, mein Hauch, wenn du vor Pharao stehest, entfahre
Deinem Mund mit erschütterndem Laut': ich werde dir beisteh'n!«
Moses stand hell angestrahlt von des heiligen Dornstrauchs
Röthlicher Flamm', und den Blick, verklärt, g'en Himmel erhebend.
Hehres erfüllt' ihm die Brust: er dachte Vergangenheit, Zukunft
Also, im schwindenden Augenblick', erschüttert im Herzen:
»Groß ist der Herr in seiner Erbarmungen Fülle: den Retter
Wies er dem Menschengeschlecht, dem gefallenen, schon in des Edens
Blühendem Hain', der einst der feindlichen Schlange zertreten
Solle das furchtbare Haupt!
I. B. Moses 5. Cap. 15. Vers heißt es: »Ich will zwischen dir (der Schlange) und dem Samen des Weibes Feindschaft stiften, und er soll dir das Haupt zertreten.« Daß unter dem Samen Heva's der
Messias verstanden werde, sehen wir im
Briefe Pauli Galat. III. Cap. 8–16. Er wies auf dem Holz'
ihn, auf welches,
Still gehorsam dem Ruf, den Ungehorsam zu sühnen,
Selbst den einzigen Sohn der mildgesinnete Vater
Heftete, dann das Messer erhob
Die höchst rührende Erzählung von Abrahams Bereitwilligkeit, seinen Sohn zu opfern, siebe I. B. Moses 22. Cap. ... o dunkeles Vorbild!
Schont er des
Kommenden auch? Denn Abraham hörte des Trostes
Himmlische Wort': aus seinem Geschlecht entsprieße des Segens
Zweig, der uns erlöst von der Schuld, und allen zum Heil wird.«
Diese ist die Stelle im I. B. Moses 22. Cap. 18. Vers, die Paulus In dem angeführten Briefe an die Galater (s. Anmerkung 7. zu Abraham) anführt.
Solches sann er im Geist', und rief dann flehenden Blickes:
»
Jenen send', o Herr, den du zu senden gewillt bist!«
Mehrere unter den ältern Auslegern, als Justin M., Tertullian, und Cyprian, behaupten: daß Moses unter diesen Worten II. B. 4. Cap. 13. V. den Messias gedacht habe.
Jetzt aufflammte der Busch, und, gleich gewaltigen Donnern,
Scholl die Stimme des Herrn, da er sprach: »Wer wagt es, den Vorhang,
Welcher der Zeit erhabenstes Ziel umhüllt, zu erheben? ...
Doch, schon seh' ich, daß Aaron dir mit erschütternden Worten
Beisteh'n wird vor Israels Volk' und vor Pharao selber,
Mächtig als Redner durch mich! Bald kommt der treffliche Bruder
Dir mit freudigem Blick' und froher Umarmung entgegen.
Also vereint, sollt ihr Gewaltiges wirken. Du sollst dann
Lenker ihm seyn, und er künde, was du ihm zu reden gebothen.
Auf, ergreife den Stab', und führ' ihn zum Ruhme Jehova's!«
Moses lag noch dort, und heftete, schreckenbetäubet,
Seine thauende Stirn' in den Staub. Doch langsam erhob er
Jetzt sich, und faßte den Stab: ihn umfing im dunkelen Schleier,
Schweigend, die Nacht. Nur über ihm, hoch im Gewölbe des Himmels
Flammten die Sternenheer', und zogen die endlose Bahn fort.
Wie er auch forschte, nicht brannt' in dem Feld der heilige Dornstrauch
Mehr, der jetzt, gewiegt von des Lüftchens Hauch', in dem Dunkel
Säuselte. Schnell entfloh er, von heimlichen Schauern ergriffen;
Faßte sich, stand, und rief, die Hände zum Himmel erhebend:
»Einer – Jehova ist Gott! O, diese beglückende Wahrheit
Soll mein freigewordenes Volk, von andern geschieden,
Bis zur Fülle der Zeit mit eifernder Treue bewahren!
Hell ist das Ziel, zu welchem Jehova mich ruft, und ich folg' ihm.«
Sagt' es, und eilte dahin, wo dichtgelagert die Schafheerd'
Schnob auf dem Sand, vom Schlummer umfangen. Er kehrete, rufend
Oft, und drängend zugleich, mit ihr zu den Seinen, bewegt, heim.
Dort erweckt' er zuvor die muthigen Knechte, gebiethend:
»Auf, nicht gesäumt, und sattelt mir zehn Saumthiere, mit Allem,
Was die dauernde Reis' erheischt an wolligen Tüchern,
Speise -geräth und -bedarf, an Zelt- und Gewanden, beladen!
Harret des Winkes am Thor': ich gehe, die Gattinn zu wecken.«
Rief's hinschreitend. Sie staunten dem Wort', und thaten in allem,
Wie's der Ernste geboth. Doch er durcheilte das Vorzelt,
Die
Gezelte der Beduinen im petraischen Arabien sind länglich, und ruhen auf mehreren Stangen, deren mittlere zwei, auch drei an der Zahl, höher als die übrigen sind, so daß diese Zelte, mit einem, aus schwarzen Ziegenhaaren dichtgewebten Tuche bedeckt, von weitem die Gestalt eines Kameels darbiethen. Sie haben gewöhnlich drei Abtheilungen: in der ersten ist bei Vornehmeren die Dienerschaft, und bei Gemeinen das junge Vieh, das noch bei Nachtzeit eines Obdachs bedarf, beherbergt. Die zweite Abtheilung ist für die Männer, und die dritte für das Frauenzimmer bestimmt. Anstatt der Thüre wird ein Stück der Zeltdecke aufgehoben. (
Niebuhr's Reisen S. 233. –
D'Arvieux III Th. S. 306.
Schav. –
Dombay, etc.
Das zur rauheren Nachtzeit oft den zarteren Lämmern
Obdach gab, und d'rauf, erhebend den hüllenden Vorhang,
Schritt er hin in dem mittleren Raum, den, über den Pfahl sich
Wölbend, deckte das Tuch, aus Ziegenhaaren gewoben
(Sein, und der Männer Gemach) bis er jetzt erreichte die Frau'nhuth,
Wo Zipora, zugleich mit dem Sohn' und den dienenden Mägden
Schlummerte. Dort erhob er wieder den scheidenden Vorhang
An dem Gezelt', und rief der Gattinn mit freundlicher Stimme:
»Treue, erhebe dich schnell mit dem Sohn! Die Stimme Jehova's
Heißt uns fort, aus dem einsamen Weidegefild nach Aegyptens
Fluren ziehen, wo mein der Bruder harrt mit der Schwester,
Und mein Volk des Retters bedarf aus unsäglichem Jammer.«
Sagt' es, und Weh' erscholl in dem dunkeln Gezelt'. Um die Hausfrau
Weinte die Schar der Mägd', und sie schluchzete leise, der Trennung
Von dem liebenden Vater, den liebenden Schwestern gedenkend.
Doch sie that nun jegliches schnell nach dem Willen des Gatten,
Der nach Jethro's Zelt, das, mitten im Schooße des Dörfchens,
Sich vor den andern erhob, enteilete. Siehe, nicht grüßt' er
Dort die Schwäger, und nicht die Schwestern der Gattinn zum Abschied:
Denn eintretend, voll Hast, in das Zelt des schlummernden Greises,
Rührt' er ihm leise die Schulter, und sprach, im Busen beklommen:
»Vater, ich ziehe, so will es der Herr, nach den Fluren Aegyptens
Jetzt mit dem Kind' und der Gattinn hinab, daß ich grüße die Brüder
Dort, und erforsch': ob mir die Freund' und Verwandten noch leben?
Gib des Vaters Segen uns mit: er ruht auf den Kindern,
Wie auf der schmachtenden Flur die thauende Wolke des Himmels!
Ruft mich gebieth'risch die That, da send' ich dir wieder die Tochter
Und die Kinder zurück: sie trägt jetzt unter dem Herzen,
Nährend, die Frucht – ein Söhnchen wohl?
Jehova wird helfen!
Also heiß' er dereinst; du pflegst sie mit liebender Sorgfalt.«
Sagt' es, erweicht. Der Greis erhob sich, bewegt, auf dem Lager,
Streckte die Händ' empor, und bethete Worte des Segens.
D'rauf ergriff er des Sohnes Hand; ließ schnell, wie ergrimmt sie
Wieder fahren, und als er sofort sich zur Wand des Gezeltes
Wendete, barg er sein Haupt in das Kissen, und weinte dann leis' fort.
Moses enteilte dem Zelt mit tief erschüttertem Herzen.
Ein – allmächtiger Gott! Die Sternenheer' in dem Luftraum
Zeugen von dir – von dir auf Erden unzähliger Wesen
Wundergestalt, Natur, und Eigenheit: aber vor allen
Zeuget der Mensch: begabt mit Vernunft und Willen, in Freiheit
Sich empor zu schwingen zu dir, dem einigen Gotte!
Ach! entsetzliche Schuld des ersten erschaffenen Paares,
So verlocktest du jen' im Grau'n endloser Verirrung,
Daß sie den
Einen nicht mehr erkannt', und nichtigen Götzen
Huldigte, selbst in dem Schooß einst hochgefeierter Völker?
Doch, der Ewige wählt' in seiner Erbarmungen Fülle
Israels Volk: durch ihn hinüber zu retten den Glauben
An den einigen Gott zum Tag der hohen Erlösung,
Als der Verheißene kam, und im Lichte der himmlischen Wahrheit
Ihm auf immer den Sieg errang. O, Preis dem Erretter,
Der aus des Todes Grau'n uns führt' auf strahlenden Lichtpfad:
Denn er führt' uns zu
Gott, dem Ewigen, Wahren, und Einen!
Schon umhüllt Aegyptens Gefild' in der Helle des Tages
Finstere Nacht. Wie sank sie jetzt, urplötzlich, am Mittag
Von dem Himmel herab, als über ihr herrlich der Sonne
Strahlendes Antlitz glüht, die Welt umher, und vor allen
Goschem, Israels Land, das einst voll Huld ihm zum Antheil
Pharao gab, als Jakobs Sohn ihm Segen gespendet,
Das Land, oder vielmehr die Provinz
Gosen, in welcher die Israeliten wohnten, und welches von allen jenen Plagen verschont blieb, die auf Aegypten lasteten, wurde ihnen vom Pharao zum Wohnsitz angewiesen, als Joseph seine Brüder mit Jakob, ihrem alten Vater, dahin rief.
Freundlichen Blickes erhellt? Wer ist's, der, göttlicher Macht voll,
So den Lüften gebeut, und das Licht verwandelt in Nachtgrau'n?
Moses, der Herrliche, that's mit dem Wunderstabe Jehova's.
Siehe, dem Horeb nicht fern, lief ihm sein älterer Bruder,
Aaron, entgegen im Feld, da er jüngst von Arabiens Steppe
Her mit den Seinen vereint, nach Aegyptens prunkender Stadt kam.
Freudig umarmten sich dort die lange Getrennten, und Moses
Kündigte nun Jehova's Geboth', und wirkte die Wunder
Alle vor Israels Volk' und dem Könige: heischend den Abzug.
Aber umsonst, denn Pharao's Herz, von eitelem Schimmer,
Herrschsucht, Eigendünkel und Stolz, gleich Felsen, verhärtet,
Horchte der Stimme des Warnenden nicht, und sah von dem Thronstuhl
Kalt auf den Jammer herab, der achtmal schon auf Aegypten
Lastete. Wie, unmenschlicher Fürst, so konntest du fühllos
Schauen die Noth, als Blut durchwogte die Ström', und die Fisch' all'
Tödtete? Schau'n, daß unzählige Frösch' und gräuliche Kröten
Füllten die Stadt und das Land' mit Gestank des Pfuhles; der Mücken
Rastlos quälenden Schwarm, und die Plag' erbitterter Fliegen?
D'rauf Viehseuch' in dem Land umher; der schwärenden Beulen
Schreckliche Qual; im Donnersturm hersausenden Hagels
Wüthen, und endlich den Zug verheerender Heuschrecken? Immer
Wandtest du zwar die Noth des Land's: verheißend den Abzug
Israels Volk'. Aufdrang zu Jehova die flehende Stimme
Seines erlesenen Horts, und frei, wie Goschem geblieben,
Ward es davon; doch nie erfülltest du dann die Verheißung:
Eilend entgegen dem Sturz' in die Nacht entsetzlichen Todes.
Furchtbarer wurde der Grimm des Herrn nach jeglichem Wortbruch.
Jetzt, als wieder getäuscht in Sclavenbanden das Volk blieb,
Senkt', urplötzlichen Flugs, die Finsterniß sich auf des Landes
Reiche Gefilde herab, da Goschem noch in der Sonne
Heiterem Strahl, geschirmt von der Huld Jehova's, erglänzte.
Nicht das Dunkel der Nacht, nein, schwarzumschleiernder Schatten,
Dampf, und fühlbarer Qualm, dem's Licht verlischt in dem Bergschacht,
War's, das drei entsetzliche Täg' und Nächt', auf Aegyptens
Fluren lag. Da hielt inmitten der Furche der Pflüger
Sein Gespann, und der Sclav' an der Mühle den sausenden Stein an;
Fest an die Stelle, wo ihn auf der Flur Entsetzen ereilte,
Stand der Hirte gebannt, mit der blöckenden Heerde; der Weidmann
Hemmte den Spürer, und sank in das Gras. Auf dem lärmenden Marktplatz,
Wo das unzählige Volk, gleich Wogen, hinauf und hinunter
Fluthete; so in dem hallenden Thor, wo die Aeltesten saßen,
Recht zu sprechen dem Volk', als erwählete Richter; im Umkreis
Hoher Palläst', in der Hütte zugleich und der emsigen Werkstatt –
Ueberall senkte die Angst auf den Fittigen finsteren Nachtgrau'ns
Sich auf die Menschen herab. Das Wort erstarb in des Redners
Mund; der rasch Hineilende stand, und das Leben verstummte
Ringsum, gräßlich dem Ohr' und dem Aug', in des Todes Umschattung.
Aber schrecklicher noch die Schuld, und des Sünders Bewußtseyn:
Wie er in grausamer Lust einst Israels wimmernde Söhnlein
Werfen hieß in den Strom, das Volk zu vertilgen, entschlossen,
Und der Ein', im Schilf gerettete, jetzo mit Hoheit,
Macht und Wundergewalt von Jehova begabt, und gesendet,
Stand, ein furchtbarer Rächer, vor ihm; wie er solches in Banden
Hielt; der quälendsten Noth und des Frohnvogts eiserner Geißel
Preis gab, daß es nur bald erliege dem lastenden Jammer:
Denn nun sah er sich hier, umgarnt von der Finsterniß ringsum,
Selber in Banden, und regte sich nicht. Wie ein feuriger Blitzstrahl,
Fahrend urplötzlich im Donner herab, den einsamen Hirten
Unter dem laubigen Zweig des schirmverheißenden Baumes,
Lähmend, berührt: er schaut, und hört der nahenden Menschen
Aengstliches Müh'n nach Hülf', in qualenvoller Erstarrung:
Also lähmte, herab von Jehova gesendet, die Sünder
Hier urplötzliche Nacht, und Angst war rings in Aegypten.
Ha, nun saßen sie dort, und bebten vor jeglichem Hauch schon:
Wenn entzündeter Qualm hinfuhr in den Lüften, erhellend
Schnell, wie ein Blitz, mit zuckendem Schein die umnachtete Gegend;
Wenn der Schlangen Gezisch' um sie scholl, die, ernährt in dem Hofraum
(Ach, dem erhabensten Wesen gleich verehrten die Thoren
Solch' verworfenes Thier)
Die Kunst, Schlangen zu zähmen, war in Aegypten zu Hause, und die Gaukler bedienten sich derselben, um durch sie, als vermeintliche Götter, das Volk in Furcht, und Staunen zu setzen. hervor der Hunger getrieben;
Oder das Säuseln am laubigen Zweig', einstürzender Felsen
Dumpfes Geroll, des Waldstroms brausender Fall, und des Wildes
Lautes Brüllen heran aus dem nahen und fernen Gefild' drang:
Da wich jegliche Kraft aus ihrem erschütterten Herzen
So, daß, ohnmächtig, sie oft entschlummerten! Doch nicht erquickte
Sie der Schlaf: entsetzliche Grau'ngestalten der Hölle
Weckten, im wechselnden Flug, sie schnell zu erneuerten Qualen.
Siehe Buch der Weisheit, Cap. 18.
Jetzt erscholl in der Königsburg die jammernde Stimme
Pharao's. Angst und Entsetzen bezwang denn endlich des Wüthrichs
Wildaufgährenden Grimm: unzählige Diener und Sclaven,
Immer bereit sich vor ihm im Staube zu beugen in Demuth,
Jammerten, lautumschallenden Ruf's, ihm jegliches Wort nach:
»Moses, Moses, erbarme dich, komm', und schaff' uns Errettung!«
Moses stand alsbald vor Pharao. Schrecklich erklang ihm
Durch umnachtendes Grau'n des Ungesehenen Stimme:
»Moses steht vor dir: warum ertönte sein Nahmen,
Jammerndgerufen, umher in des Königs weiten Gemächern?«
»Ach,« so entgegnete jener ihm leis', »entsetzliches Unglück
Hast du auf mich und Aegypten gebracht! Ich habe gesündigt.
Schaff' uns des Tages Licht: es soll dir Jedes gewährt seyn.«
Moses nahte dem Fenster (ihm barg kein Dunkel des Himmels
Freundlichen Strahl) erhob, mit flehendem Blick', in das Nachtgrau'n
Seinen gewaltigen Stab, und rief, erschütternd: »Entweiche!«
Plötzlichen Flugs entschwand die Finsterniß, und an dem Mittag
Sah aus unzähligen, ringsumher verkläreten Augen
Wieder der bläuliche Himmel herab, daß lange der Mensch noch
Vor dem blendenden Licht die Lider verschloß, und, erstarrt, saß.
D'rauf erwachte Getös', und Lärm, und unendlicher Jubel
Rings in dem Land', und geschäftige Hast erfüllte die Straßen.
Pharao schritt, ergrimmenden Blicks, hinauf und hinunter
Durch den wölbenden Saal; ihm kochte der Zorn in dem Busen;
Jenen zu schau'n, der ihm und dem Volk so schreckliche Plagen
Schuf. Da sprach er zu ihm jetzt noch mit verhöhnendem Trotz so:
»Wohl, ihr ziehet denn fort, nach des Horebs wüsten Gefilden
Schreitend die Bahn – ihr alle, so Jung als Alt, mit des Hauses
Dienender Schar; nur bleibe das Vieh zurück' in dem Land hier,
Dem es gehört nach Recht: hier mehrten sich alle die Heerden.«
»Nein,« rief Moses im Zorn, »nicht die Heerde, nicht eine der Klauen
Bleibe zurück; nicht wissen wir noch, welch' Opfer Jehova:
Ob er Brand- und ob Sühn'-Opfer er heischt in den Wüsten?«
Im Mosaischen Gesetz waren verschiedene Arten von Opfern vorgeschrieben:
Brandopfer von Rindern, Schafen und Ziegen; und
(unblutige) Speisopfer von Kuchen aus Mehl, zum äußeren Zeichen der Gottesverehrung – dann
Dankopfer, Versöhnopfer, Schuldopfer u. s. w. deren Beschaffenheit durch ihre Benennung bezeichnet wird. (III. B. Mosis 1.-7. Cap.)
Jener tobte noch mehr, und rief: »So willst du mich täuschen?
Gier nach Herrschaft nur, nicht der Dienst und das Opfer Jehova's,
Heißt dich empören das Volk, und entführen nach fremden Gefilden.
Mir aus dem Antlitz fort für jetzt und für immer, und wagst du's,
Ihm zu nahen, so sollst du schnell mit dem Leben es büßen.«
Moses entgegnet' ihm d'rauf: »Es sey – nie siehst du mich wieder!
Aber vernimm! So spricht Jehova: Ich will durch Aegypten
Gehen um Mitternacht, und die Erstgebornen der Armen,
Wie der Reichen, zugleich mit des Throns aufblühendem Erben
Und dem Erzeugten der Magd, die im Schweiß umdrehet den Mühlstein –
Die
Handmühlen waren, und sind noch heut zu Tage in den Morgenländern im Gebrauche, wo es der, durch Wasser getriebenen Mühlen nur wenige gibt. Das Mahlen war eine harte Arbeit und wurde bei den Hebräern und Aegyptiern, und auch bei den alten Griechen (
Odyss. VII. Ges. 104. XX. 105.) von den Sclavinnen verrichtet.
(Niebuhr Beschreibung von Arabien S. 51 und Reisebeschreibung I. Theil 152. –
Schav, etc.)
Selbst auch jene des Vieh's erwürgen in seinen Gefilden
So, daß Weinen erschallt, und Geheul, wie nimmer gehört ward.
Seines Heils harrt ruhig mein Volk: dann läßt du es fortziehn!«
Sagt' es, und ging von dem Könige, der, verhärteten Herzens
Frevelnd an Gott, und von ihm verworfen, dem schwindligen Abgrund
Selber entgegen sich stürzt', und dort den schrecklichen Tod fand.
Doch schon naht' um die Mitternacht die Stunde des Grauens,
Wo sich Jehova's Macht, verherrlicht an Israels Stämmen
Durch unendliche Huld – durch Straf' unendlichen Frevels
An Aegyptens Volk' und Könige, spätester Nachwelt
Noch zum Trost, zur Bewunderung, und zur Warnung erwiesen.
Sieh', es war, nach Jehova's Geboth, in den Häusern der Kinder
Israels schon geschlachtet das jährige Lamm, und besprenget
Dann mit dem Blute die Schwell' und die Pfoste der Thüre zum Zeichen:
Daß sie gehorchend dem Herrn, sein harrten mit wachender Sorgfalt!
Haltend den Stab in der Hand, und zur Reise geschuht, und gegürtet,
Standen sie all' um den Tisch, und verzehreten das, an dem Feuer
(Unzerstückt) gebratene Lamm,
Als Anspielung auf das schuldlose Opfer auf dem Kreuze, dessen Gebeine nicht zerbrochen worden sind. (II. Buch
Mosis 12. Cap. 46. Vers. –
Joh. 19. 56. Vers.) mit bitteren Kräutern
Und mit ungesäuertem Brot, in freudiger Andacht.
Wer der Kinder Schar ermangelte, rief zu dem Mahl noch
Freund und Nachbar herbei, und tilgt' in der Flamme den Abhub.
Also sollte hinfort, Jehova zum Ruhme, der Freiheit
Hehres Mahl von dem Volk gefeiert, und allen bekannt seyn:
Wie er sich sein erbarmt', aus Pharao's Banden es rettend
Dort in der grau'numhülleten Nacht, als rings der Aegypter
Klag' um die Erstgeburt scholl, und vor Angst erbebten die Frevler.
Ha, nun blitzt' es vom Himmel herab! Von Jehova gesendet,
Nahete schon (das flammende Schwert in erhobener Rechten,
Furchtbarn Ernst in dem Blick', und Zorn auf den Lippen) des Todes
Engel heran. Verhüllt, wie im Nebel des Abends der Vollmond,
War sein strahlender Leib von düsterem Flor', und die Locken,
Sonst voll himmlischer Schön', aufsträubten sich ihm von der Scheitel.
Also schritt er einher, mit den Schrecken des Todes bewaffnet,
Durch die entschlummerte Königsstadt, durch Thäler und Eb'nen,
Wo ein Aegyptier wohnt'. Empor in die Höhen der Wolken
Ragte sein Haupt, und unter den Sohlen erbebt' ihm der Boden,
Als er den Häusern genaht, das Schwert vor jeglichem aufschwang.
Sieh', und es fuhr alsbald der Erstgeborne des Königs,
Wie des Aermsten im Land', aus herzbeklemmenden Träumen
Auf von dem Lager! Er klagte sich selbst und die Seinen der Schuld an,
Und verhauchte den Geist, hinstürzend, in schrecklichen Qualen.
Da war Lärm und Getös, war lautes Geheul und Verzweiflung
Allwärts. Keiner verschont, der, andern zuvor, an der Mutter
Brust die strahlende Sonn' ersah; die blühendste Jugend
Schnell erwürgt; entsetzlich die Menge der Leichen, daß jetzo
Kaum hinreichte die Zahl der Lebenden, sie zu begraben,
Und nun alles und jedes erfüllt, wie es Moses verkündet.
Aber in freudiger Hast verzehrten Israels Stämme
Das vom Herrn gestiftete Mahl der hohen Erlösung.
Sie gelobeten all', einmüthig, mit heiligem Eidschwur:
Treu zu verharren Jehova's Gesetz' im Glück' und im Unglück,
Und lobsangen dem Herrn, als draußen, nach jeglicher Richtung
Wehklag scholl, und Aegyptens Stolz im Staube, gestürzt, lag.
Sieh', und noch in der Nacht hieß Pharao Moses und Aaron
Kommen, und sprach: »Zieht aus, ihr alle, mit Hab' und Vermögen –
Schnell aus Aegypten fort, dem ihr unsäglichen Jammer
Spendetet; doch, erflehet auch mir noch Huld und Erbarmen!«
Sprach's mit verhaltenem Grimm' und weggewendetem Antlitz:
Denn in den Tiefen der Brust nährt' er verderbende Rachgier
Noch, die jetzt nur die Angst bezwang in der Stunde des Unglücks.
Aber auch all' die Trauernden, die vor des furchtbaren Engels
Todesschwert hinsinken sah'n die Erzeugten, bestürmten
Jetzt das versammelte Volk von Israel: »Ziehet von hinnen,«
Riefen sie laut, »ach, fort, daß wir nicht alle vergehen!«
Wie die Störch' im Herbst, nach wärmeren Zonen zu wandern,
Sich versammeln am Moor' um den selbsterkorenen Führer:
Er erhebt sich im Schwung', und all' ihm folgen, mit einmal
Schwebend empor zu den Wolkenhöh'n, in unendlichen, weiten,
Keilgestalteten Reih'n, mit Geschrei und der schlagenden Flügel
Lautem Geräusche, hinab g'en Süden zu ziehen: nicht anders
Sammelten sich, um Moses zugleich und Aaron, die Kinder
Israels, noch in der Nacht in die Wüste den Zug zu beginnen.
Jetzt erschien Mirjam, die gottgesegnete Jungfrau,
Moses und Aarons Schwesterkind,
Mirjam heißt zwar die Schwester Mosis, die bei seiner Rettung aus dem Nil zugegen war, und zur Zeit des Auszugs von Aegypten über 90 Jahre alt gewesen seyn muß; allein sehr oft werden in den Schriften des A. B. die Enkelinnen: Töchter genannt und da II. B.
Mosis 6. Cap. 16. u. 18. Vers das Geschlechtsregister des Levi, von welchem Moses abstammte, angeführt wird, so heißt es im 20. Vers: »Amram aber heirathete die Jochebed, seine Muhme, die ihm den Moses und Aaron geboren hat.« etc. Von der Mirjam ist keine Rede; daher wird sie hier willkührlich, und in scheinbar möglichem Sinne, Mosis
Schwesterkind genannt. und blickte nach jenem,
Mildverklärten Gesichts mit tiefer und inniger Ehrfurcht!
Schön war sie: wie im Lenz die Ros' und Lilie, blühten
Ihre Wangen; ihr Aug' erglänzt' in des lieblichen Veilchens
Blau; wie der schlanken Zeder ihr Wuchs – des munteren Rehes
Sprung ihr Gang, und ihr Laut der Nachtigall wonniges Flöten.
Ging sie einher in dem Volk, da sah ihr mit staunenden Blicken
Jeglicher nach; ihr folgt' aus jeglichem Munde der Beifall:
Denn noch schöner ihr Herz, der Seherinn göttlicher Weisheit:
Immer mild, und bereit beglückende Gabe zu spenden.
Jetzo kam sie heran, und sprach zu Moses und Aaron:
»Wohl, ihr führet denn Israels Volk aus den Banden der Knechtschaft
Frei von hier, nach dem Wink Jehova's, des einigen Gottes!
Aber es klagt das Volk: nicht werd' ihm Ersatz für den Boden,
Den es in Goschems Flur mit Haus und Habe verliere,
Nicht des blutigen Schweißes Lohn, den früher der Frohnvogt
Für den Zwingherrn karg bedingt', und noch karger zurückhielt.
Aber ich seh' es im Geist: schon drängten uns laut die Aegypter
Fortzuzieh'n aus dem Land, daß nicht alle Verderben ereile;
Jeglichen Eigens Herr ist Jehova: er will's, und des Drängers
Herz wird mild: er spendet uns Gold und Kleider die Fülle.
Im Buch der Weisheit, in den Schriften des Epiphanius, Tertullian, Clemens von Alexandrien, und Anderer wird die Handlung der Hebräer, welche bei dem Auszug Geschenke von den Aegyptiern forderten, und erhielten, rechtfertigend dargestellt: weil sie für die erhaltenen Kostbarkeiten zur Zeit der Ernte ihre Häuser, und Güter, und auch den Lohn der Arbeit zurücklassen mußten.
Einst soll's ihm zum Dienst' in der einsamen Wüste geweiht seyn.
Aber bedenket denn auch, was Joseph, dem herrschenden Pfleger
Hier des ägyptischen Land's, da er sterbend solches noch heischte,
Euere Väter, gesammt, verhießen mit heiligem Eidschwur:
Führt des Frommen Gebein mit fort nach den Segensgefilden
Kanaans, daß er im Herrn dort ruh', zu den Vätern versammelt.
Denket wie groß und rührend zugleich an dem heiligen Manne
Sich Jehova's Huld, des ewigen Gottes, erwiesen:
Als er in blühender Jugend schon ein Opfer des Neides
Seiner Brüder, hervor aus der Todesgrube gezogen,
Schnöde verhandelt ward nach Aegypten, und dort in der Hofburg
Pharao's, frech der Sünde gezieh'n, die er, reinen Gemüthes,
Von sich wies. Doch schmachtet' er dann im schmählichen Kerker
Jahrlang, bis er die Träum', ein gotterleuchteter Seher,
Deutend, von schrecklicher Hungersnoth die Völker Aegyptens
Rettete, Ruhm sich erwarb, und das Land beherrschte mit Weisheit.
D'rauf, als jene zu ihm die hülfbedürftigen Brüder,
Von dem Vater entsendet, geführt, nicht vergalt er das Unrecht,
Das sie geübt: denn bald nach der liebendersonnenen Prüfung,
Weint' er an ihrer Brust – des grauenden Vaters gedenkend,
Selige Thränen. Er lockt' ihn so nach Aegypten herüber,
Wie auch die Seinen, und schenkt' ihm Goschems Fluren zum Wohnsitz.
Dessen gedenkt, und erfüllt des Frommen Wünsche mit Ehrfurcht.«
Also geschah's: da ging in schauererregender Hoheit
Moses vor allen einher. Von Cair-Raemses nach Succoth
Nach einigen Auslegern soll
Ramses die Stadt
Cairo gewesen seyn; nach andern die ganze Gegend, von der Residenz bis dorthin, so geheißen haben. Die Stelle des ersten Lagerplatzes
Succoth ist unbekannt.
Zog das Volk, geführt von Jehova's Gesandten. An sechsmal-
Hunderttausend allein der streitbarn Männer gerechnet
(In dem Gefolg der Ihren, der Knecht', und des frommenden Hausthiers)
Eileten jetzt, voll Hast, der langersehneten Freiheit
Heiligem Zufluchtsort, der Wüst', entgegen im Nachtgrau'n.
Doch nicht im Nachtgrau'n irret' ihr Fuß, und, nicht in des Tages
Glänzendem Licht von dem Pfad: denn sieh', der Engel Jehova's
Zog, erschütternd zu schau'n, bei Tag in des dunkeln Gewölkes
Thürmender Säul', und bei Nacht im röthlichen Schimmer des Feuers
Vor den Scharen einher, und führete sie nach dem Ziel fort!
Erst an die Flur Etham's, dann wieder zurück an des Schilfmeers
Bergumschlossenen Strand, unfern Pahachiroth und Migdol,
Wo die Quell' aufwallt, gelangten die wandernden Stämme
Israels – so verfügt' es der Herr: an Pharao's Falle
Sein erlesenes Volk zu verherrlichen, noch bei der Nachwelt.
Schon zernagt' ihm zuvor unendliche Reue den Busen,
Daß er das Volk zieh'n ließ, von dem Zauberer, Moses, bethöret,
Sich zum Spott' und dem Lande zum Harm: da er solchem der Sclaven
Fröhnende Hand entriß, die ihm all den Reichthum erwarben.
Jetzt verkündeten ihm Eilbothen: verirrt, und verlassen
Von Jehova sogar, der ihm als Retter gerühmt war,
Irre das flüchtige Volk von Israel noch an des Schilfmeers
Felsigem Strand, voll Angst umher, und erliege dem Hunger.
Die Hebräer sollten nach dem allweisen Plane Gottes nicht den nächsten Weg nach Canaan ziehen, sondern, nach einer entwürdigenden Knechtschaft unter den Abgöttern in Aegypten, durch einen 40jährigen Aufenthalt in der Wüste zu einem eigenen Volk gebildet, und dadurch zur Fortpflanzung der wahren Religion fähig gemacht werden. Darum leitete sie die Wolkensäule von dem nächsten Wege gegen des Schilfmeer zurück.
Alsbald rief er nach seinem Heer'. In brausender Schnelle
Waren die Rosse gezäumt – Streitwagen und Waffen geordnet
Dann mit dem Volk', und er jagte den Flüchtigen nach zu dem Schilfmeer.
Jetzt versank die Sonn' am westlichen Himmel; die Kühlung
Schwebt' aus dem Meere herauf, und des Abends dunkeler Schleier
Senkte sich tiefer stets auf die schweigenden Fluren der Umwelt,
Als unendlicher Staub empor zu dem wölbenden Himmel
Drüben im Westen sich hob, und mit Sorg' erfüllte die Scharen
Israels. Bald entstürzten zugleich die entsendeten Bothen
Alle den ragenden Höh'n, und verkündeten, lallend vor Schrecken:
»Pharao's Macht stürmt an so zahllos, wie nach dem Meersturm
Sich aufhäufet der Sand am Gestad', und im dunkelen Luftraum
Flammen die Sterne bei Nacht. Der Boden erzittert den Hufen
Seiner Ross' und der Last zum Streit gerüsteter Wägen.
Wehe, nichts rettet uns mehr, wir sind verloren für immer!«
Jetzt erscholl alsbald unendliches Weinen und Klagen,
All' die Scharen entlang: denn so, wie auf ruhiger Meerfluth,
Brausend daher ein Sturm urplötzlich die Wogen auf Wogen
Wirft, und im weitverbreiteten Forst die Wipfel an Wipfel
Schleudert mit lautem Geheul: so pflanzte die furchtbare Nachricht
Sich in den Haufen des lagernden Volks, im Toben der Angst fort.
Bald umgab, voll Wuth in dem Blick', ein frecherer Haufen,
Der in Gefahr nur lärmt, nicht handelt, Moses und Aaron,
Beide Gesandten des Herrn, und immer lauter erscholl's nun:
»Weh' euch Führern, Weh'! Ihr seht dem gewissen Verderben
Preisgegeben das Volk durch euren unbeugsamen Starrsinn:
Denn ihr wandtet den Rücken uns nur, wenn wir in Aegypten,
Ahnend die dräuende Noth, euch sagten: viel besser, in Knechtschaft
Dort zu leben, als draußen im Grau'n unendlicher Wüsten
Sterben den Hungertod, den schrecklichen, oder des Feindes
Würgendem Schwert', ohnmächtig und hülf'entblößt, zu erliegen.
So habt ihr uns bethört: wir fallen durch euere Schuld nur.«
Also die Kühnen, und rings erscholl noch empörteres Klagen.
Moses sah mit erhabenem Ernst nach den lärmenden Rednern
Hin; dann rief er laut zu den angstergriffenen Scharen:
»Fasset nur Muth: Jehova's Arm ist erhoben, zu schirmen
Sein erlesenes Volk! Bald sind die unzähligen Gegner,
Die euch bedroh'n, nicht mehr – aus eueren Augen verschwunden.
Habt Vertrau'n zu Jehova, dem Herrn; verzaget nicht; ruht nur!«
Sagt' es, und stieg den Hügel empor, der schroff an des Schilfmeers
Nacktem Gestad' sich erhebt, Baalzephon nicht ferne, der Herberg'
Einst der Höhlenbewohner im Land'. Unzählige Höhlen
Birgt sein Schooß.
Baal-Zephon bedeutet einen, mit vielen Höhlen versehenen Ort; ein solcher findet sich bei Suez. Die Wolkensäule Jehova's, des Volkes
Führerinn, ruht', als sollt' es die Nacht an die Stelle gebannt steh'n!
Doch er beugte die Stirne zum Staub', erhob sich, und rief nun:
»Herr, errette dein Volk!« mit weitumschallenden Tönen
Auf in die Nacht. Da kam aus der Wolkensäule die Stimme:
»Dein Geschrei drang laut zu mir auf: Kleinmüthiger, zagst du?
Zieht nur weiter, sogleich!« »Doch wie? Die Gegner im Rücken,
Vorne das Meer?« »Streck' aus den Wanderstab in der Rechten
Ueber die Fluthen des Meers – zertheile sie; führe die Scharen
Mitten durch, zu dem Strand jenseits, und, trockenen Fußes
Wandelt ihr. Bald folgt euch die Macht der Aegypter, empört, nach;
Aber an ihr, an Pharao's Heer', an Wagen und Reitern
Werd' ich vor euch mich dann verherrlichen, daß sie bekennen:
Nur Jehova ist Gott, der Schöpfer der Erd' und des Himmels.«
Siehe, die Wolkensäul', und in ihr der Engel Jehova's
Wich in Eile zurück', und schied, errettend, im Rücken
Sein erlesenes Volk von Pharao's drohender Heersmacht:
Dieser ein finsteres Nebelgewölk, das selbe die Nacht durch
Fest in das Lager gebannt steh'n hieß – ein strahlendes Feuer
Jenem: den hellen Pfad in des Schilfmeers Bette zu wandeln!
Moses stieg den Hügel herab, dem Strande des Meeres,
Eilenden Schrittes, zu nah'n. Jetzt sah das staunende Volk ihn
Dort, wie er, mutherfüllt, den Wanderstab in der Rechten
Ueber die Fluthen erhob. Alsbald herbraus'te des Ostwinds
Stürmender Hauch. Er warf sie, querdurchwühlend den Abgrund,
Links und rechts, und siehe, der Engel Jehova's, des Volkes
Leitender Hort, fuhr jetzt aus der Wolkensäul' in des Erdballs
Tiefen hinab!
Das
Buch der Weisheit gibt die hier angenommene, von den meisten Uebersetzern verfehlte, und dennoch einzig mögliche Erklärung des 8. Verses in Mosis Siegesliede an. (S.
Buch der Weisheit 19. Cap. 7. Vers. – II. B.
Mosis 15. Cap. 12. Vers und
Psalm 76., 19.–113. 7). Dicht unter der erst empöreten Meersfluth
Kocht' Erdharz und Naphta, vermengt mit bläulichem Schwefel,
Mitten im finsteren Raum der ringsumschlossenen Felsen.
Kaum berührte das feste Gestein, mit des schwebenden Fußes
Leisem Druck, der Himmlische, da hob, plötzlich, des Felsens
Berstendes Haupt sich empor – nachbrauste der feurige Brodem
Mit unendlicher Wuth und schreckenvollem Geprassel
Durch den gewaltigen Spalt, und drängt' urschnell in des Meeres
Tiefgehöhletem Bette den Grund im donnernden Flug' auf
So, daß erfüllet die Kluft, und Israels zagenden Scharen
Durch das Schilfmeer hin, allmächtig, geebnet die Bahn war:
Breit und getrocknet sogleich vom dörrenden Hauche des Ostwinds.
Moses wandte sein Aug', umhüllt von Thränen des Dankes,
Erst g'en Himmel, und dann zu dem Volk, das, staunengefesselt,
Stand, und jetzt aufjauchzt', ergriffen von Freud' und Entzücken.
Alsbald hatten sich alle zugleich auf dem Pfade der Rettung
Vorgedrängt; doch Moses hieß je fünfzig, in Haufen
Wandeln. Angestrahlt von der feurigen Wolke die Nacht durch,
Zogen sie nun, lobsingend dem Herrn, wie auf grünenden Matten
Hüpfende Lämmer, dahin, und jubelten, ähnlich der Rosse
Munterer Schar, die, frei von der Halfter, zur Weid' an dem Waldbach,
Wiehernd vor Lust, enteilt, bis jetzt am dämmernden Morgen
All' erreichten den Strand, der, sanftgehügelt, emporstieg.
Buch der Weisheit Cap. 19.
Leis entschwand die Nacht. An dem Saum des östlichen Himmels
Wallt' ein Purpurglanz empor, und glühete heller,
Feuriger stets, der bald aufschwebenden Sonne zur Feier.
Doch nicht sollte sie noch auf die weiten Gefilde des Schilfmeers
Strahlend, schau'n: denn siehe, die Wolkensäule Jehova's,
Die dem erwähleten Volk zur Rettung leuchtete – grau'nvoll
Erst die Verworfenen hemmt' im Lauf', erhob in die Luft sich,
Gährend, und lag, ein Wettergewölk, das Blitze des Todes
Trug in dem finsteren Schooß, weit über dem Meere verbreitet!
Pharao schrie, als jetzt die hemmende Wolke sich aufschwang,
Und des Morgens Strahl erglühete, laut zu den Scharen:
»Auf, verfolget, erhascht, erwürgt die Verräther! Ihr sollt dann
Theilen die Beut', und mit mir der Rach' unendliche Sehnsucht
Kühlen in ihrem Blut. Nicht raste das Schwert vom Gewürg' mehr.«
Also entflammt' er das Volk. Zugleich ertönte der Schlachtruf –
Scholl das Wiehern der Ross', und der rollenden Räder Getümmel
Rings dem Klirren der Waffen vereint, in dem weiten Gefild hin.
Wirbelnd erhob sich der Staub. Verblendete! Noch sind die Thränen
Kaum versiegt; noch bebt euch die Hand, die gestern die Leichen
Euerer Söhne begrub, und schon verfolget ihr wieder,
Treulos, Israels Volk, das ihr mit flehenden Worten
Fortgetrieben zuvor aus dem Land' entsetzlicher Knechtschaft?
Also stürzet ihr euch den frechverschuldeten Strafen
Selber entgegen; ihr stürzt in die Nacht endlosen Verderbens!
Lärmender brauseten jetzt die Aegyptier fort auf dem Sandpfad,
Den, allmächtig, erst der Herr aus dem Meere gehoben,
Und ersah'n, jenseits an dem Strand, die entlassenen Sclaven
Schon, voll lechzenden Grimm's, sie niederzuschmettern, verlangend;
Aber inmitten der Bahn ereilten ihr schreckliches Ziel sie.
Tiefer sank das Wettergewölk':
Im Texte heißt es: »Jehova sah aus der Wolkensäule auf die Aegyptier herab,« – eine Redensart, welche auch nach Psalm 76 von Donner und Blitz verstanden wird. ein flammender Blitzstrahl
Zuckt' aus seinem Schooß vor dem Heere herunter; der Donner
Kracht' unendlich ihm nach; des Erdballs Vesten erbebten;
Ringsum drönte die Welt, und Pharao rief voll Entsetzen:
»Laßt uns flieh'n vor Jehova: er kämpft für Israel selber.«
Alsbald wandt' er das Roß, und die angstergriffenen Scharen
Folgten ihm. Da war Lärm und Getös' – war grause Verwirrung
Und Verderben zugleich. Wild drängten sich alle mit einmal,
Durch die Reih'n, und es schlang der Mann, das Roß, und der Wagen
Sich zum verworrenen Knäul. Wie ein heißgetriebener Damhirsch
Sich in dem Netze verstrickt, das drüben am buschigen Waldsaum
Trüglich umher der Weidmann zog: erst haften die Klau'n ihm,
Dann sein ästig Geweih' in dem Netz; doch, wie er sich abmüht
Sich zu befrein, schlingt er stets fester die hemmenden Fessel
Noch um sich her, und sinket dann athemberaubet zu Boden:
So verstrickte sich hier das Heer. Die flüchtenden Krieger
Schrien; auftobten die Ross'; an den schnellgewendeten Achsen
Brachen die Räder entzwei, und hemmten die Flucht und die Rettung.
Jetzt fuhr Blitz auf Blitz im brüllenden Donner herunter.
Sieh', und wieder hinab zu den Felsenvesten des Meeres
Schwang sich im eiligen Flug der Himmlische; sah zu Jehova,
Anbethend, dort empor, und stieß mit des schwebenden Fußes
Leisem Druck' an den Fels: da stürzte des flammenden Abgrunds
Wunderbar erst erhob'nes Gewölb' urplötzlich zusammen;
Hoch aufwogte des Meer's getrennete Fluth, und ergoß sich,
Rauschend daher links, rechts, in ihr versinkendes Bette.
Ha, welch Jammergeschrei? Wohin verschwinden die Völker
Pharao's – Wagen und Rosse, wohin? Verschlingt sie der Abgrund
Alle? Ja, er verschlinget sie all'! Unzählige Leichen
Schwimmen über der Tief'; eintönig rauschen die Wogen;
Kein Blitz flammt; kein Donner rollt; die wetternden Wolken
Heben sich strahlend empor, und die Sonn' erleuchtet den Erdkreis.
Drüben am breitaufragenden Strand des ruhigen Meeres
Hemmte Moses zuvor die Flucht der wimmelnden Scharen
Israels. Angstbetäubt, erzitterten sie dem Verfolger,
Da stets näher und näher sein Wuthgeschrei mit dem Wiehern
Seiner Ross', und dem Rollen der streitgerüsteten Wagen,
Scholl; doch Schauer der Furcht, Verwunderung, Hoffnung, und Wonne,
Faßten, wechselnd, ihr Herz, da er scheu vor dem flammenden Blitz, nun
Wieder entfloh. Und als das Bette des Meer's in den Abgrund
Kollerte; d'rauf im Tumult der lautaufrauschenden Wogen
Sich die getrennte Meeresfluth schnell wieder vereinte,
Und das unzählige Heer, die Wagen, die Ross', und die Reiter
Pharao's, dort verschlang: da hob aus den seligen Herzen
Sich kein jubelnder Laut herauf; es beugten, mit einmal,
All' die Geretten hier die Stirne zum Staub', und benetzten
Ihn mit den Thränen des Danks: Jehova, den Retter, den starken,
Gütigen Gott verehrend im Staub', in erschütternder Stille!
Aber es reiheten jetzt die Jünglinge, Frauen, und Jungfrau'n,
Vor den Männern, auf Moses Wink, in gesonderten Haufen,
Sich an dem Strande des Meer's. Er stand auf dem ragenden Felsriff
Höher denn sie. Kein Laut erscholl. Da faßten die Künstler,
Jair und Bentubal, die goldenbesaiteten Harfen;
Sieh', und bald erklang, wie im Blüthengezweige des Fruchthains
Säuselt des Windes Hauch, und bald, wie er brauset im Herbststurm,
Der den nächtlichen Forst durchfährt, der heiligen Harfen
Herzentflammender Laut, am Fuße des ragenden Felsens!
Moses sah zu dem Himmel empor. Er faltete, kreutzweis
Ueber der pochenden Brust die Händ', und begann in der Saiten
Frohem Getön sein Jubellied. Laut sang ihm das Volk nach:
Mosis Siegeslied.
II. Buch, 15. Cap.
»Laßt uns singen dem Herrn: denn herrlich erwies er sich – stürzte
Schnell das Roß und den Reiter in's Meer.«
Diese Stelle wird im Siegesliede (II. B.
Mosis 15. Cap. 20. Vers) am Ende angeführt, obschon es, wie es aus den Worten selber erhellt, der Refrain war, der in verschiedenen Stellen des Liedes einfiel. Die Seherinn Gottes
Mirjam, Aarons Schwesterkind, erhob in der Rechten,
Jubelnd, die Pauk', und sang im Reigen der Frau'n und der Jungfrau'n:
»Laßt uns singen dem Herrn: denn herrlich erwies er sich – stürzte
Schnell das Roß und den Reiter in's Meer.« Mein Ruhm ist Jehova,
Meine Stärke, mein Heil! Er ist mein Gott – ich erheb' ihn;
Aber auch meiner Väter Gott, und ich preis' ihn auf immer:
Denn, ein tapferer Held ist er, und sein Nahmen ist Allmacht!
»Pharao's Wagen und Heer stürzt' er in die Fluthen des Meeres,
Und die erlesenen Führer versenkt' er all' in dem Schilfmeer.«
Sie bedeckte die brausende Fluth: wie Steine versanken
Sie in die Tief'. O Herr, mit Kraft verherrlicht, erwies sich
Deine Rechte. Sie schlug den Feind. Du stürztest die Gegner,
Strahlend in Fülle des Ruhms. Dein Grimm flog hin, und verzehrte
Sie, wie Feuer die Stoppeln im Feld'. Aufthürmte die Fluth sich
Deinem gewaltigen Hauch – die strömende stand, und der Abgrund
Hob aus der Mitte des Meer's sich empor.
Siehe über diese Stelle das
Buch der Weisheit, Cap. 19. Vers 7 und oben die Anmerkung Nr. 1 Da sagte der Gegner:
Will sie verfolgen, erhaschen, und theilen den Raub; in des Herzens
Freud' entblöß' ich den Stahl, und meine Rechte vertilgt sie.
»Doch dein Hauch stürmt an: alsbald bedeckt sie die Meerfluth,
Und wie Blei versinken all' in den brausenden Wässern.«
Wer gleicht dir, Jehova, an Macht und der Heiligkeit Fülle?
Wer ist so herrlich an Ruhm, und wer so wundergewaltig?
»Ha, du erhobst die Hand, und schnell verschlang sie der Abgrund!«
Du warst deinem erretteten Volk', erbarmend, ein Führer,
Und, voll Kraft, trägst du's zu deinem heiligen Sitz hin!
Dann auffahren die Völker im Zorn', und Philisthims Bewohner
Toben vor Wuth; doch Angst verwirret die Fürsten von Edom;
Moabs Gewaltige faßt die Furcht, und Kanaans Völker
Zittern. Schleudr' Entsetzen und Grau'n aus der mächtigen Rechten,
Daß sie erstarren zum Stein, so lang' auf jene herunter,
Als hinwandelt dein Volk, das du zum Eigen erwählt hast.
Herr, du führst es dahin; verpflanzest es rings um die Berghöh'n
Deines erkorenen Erbtheils – dort an dem dauernden Wohnsitz,
Den du erhöhst, und am Heiligthum, das du selber bereitest:
Herrschen wird Jehova, der Herr, auf immer und ewig!
»Singen wir dem Herrn: denn herrlich erwies er sich – stürzte
Schnell das Roß und den Reiter in's Meer!« so scholl es von drüben
Jauchzend heran, und in Wonn' erbebte das horchende Weltall.
Heil dir, o Moses, Heil: erlös't von den Banden der Knechtschaft
Hast du dein Volk, und mit Wundermacht in den Tiefen des Meeres
Ihm eröffnet die Bahn der Rettung vom Tod' und Verderben!
Also solltest du hier dem Welterlöser vorangeh'n,
Der vom ewigen Tod' und von gränzenlosem Verderben
Einst errettet das Menschengeschlecht. Verloren auf immer
Waren wir alle. Zerstreut, wie auf einsamer Steppe die Heerden,
Irreten wir. Er kommt, und nimmt freiwillig die Sühnung
Für die ererbte Schuld – die Schuld des Menschengeschlechtes
Nimmt er auf sich, und leidet, und stirbt. O Tiefe der Weisheit
Gottes, wer ergründet dich! Kann den Frevel am Heil'gen
Sühnen der Gottmensch nur? Nur er, der ewige Mittler,
Tilgen die Schuld? Ihr Völker der Erd', o preis't den Erbarmer,
Dem, von schauernder Ehrfurcht voll, sich beuget das Weltall:
Denn nur er vollbracht' es – im Werk der hohen
Erlösung!
Hell in des Mittags Glanz ragt Sinais felsige Scheitel
Auf in die Luft; unzähliges Volk zieht hin an des Abhangs
Krümmungen, dem (erschütternd zu schau'n!) empor zu dem Himmel
Schwebend, die Wolkensäul' als mächtige Führerinn voreilt'.
Israels Scharen sind's. Von Elim und Mara herüber
Kamen sie jetzt, dem Lagerplatz voll bitterer Quellen,
Eine Tagreise weit von Suez nach der Wüste, finden sich noch Quellen, welche von den Arabern die
Brunnen Mosis genannt worden.
Mara bedeutet im Hebräischen
Bitteres, daher die Benennung jener Quellen. (Thevenot Voy.)
Die der Sohn Amrams, mit Wundermacht von Jehova
Ausgerüstet, den Dürstenden schnell in süße verwandelt'.
Aber er schlug auch vor Rephidim den Boden, und Wasser
Sprang aus dem Fels, als ihnen auf Sin's
Die Wüste
Sin, welche noch heut zu Tage denselben Nahmen führt, ist eine lange, sandige Ebene längs dem Meere, und noch der angenehmere Theil des peträischen Arabiens.
Rephidim ist eine Landschaft ungefähr 20 Meilen von Sin, welche dem Berge Sinai gegen Abend liegt. unendlichen Steppen
Früher schon Jehova herab die Schwärme der Wachteln,
Und das Manna gesandt, die Wunderspeise, zur Nahrung.
Doch Rephidim gewahrte den Sieg von Israels Söhnen.
Gleich dem reißenden Bach herstürzten die kriegrischen Scharen
Amalecks dort auf das wandernde Volk. Da erkieset' ihm Moses
Josua, Nuns Erzeugten, zum Hort. Er stieg auf den Hügel,
Aaron und Chur an der Seit', und hob, als unten der Schlachtruf
Scholl, huldflehend, die Händ' empor zu dem Himmel. Das Volk sah
Mitten im Kampfe nach ihm, und es drang, in hehrem Vertrauen,
Siegend, vor in dem Feld, so lang' er die Hände zum Himmel,
Flehend erhob; es wich, wenn solch', ermattet, ihm sanken.
Da vereinten die zween mit den seinen die ihren, und hielten
Jene gestützt empor, bis nun am dämmernden Abend
Schnell der Gegner entfloh, und unzählige Leichen zurückließ.
Dort, dem Horeb nicht fern', dem heiligen Berg, wo er vormals
Aus dem brennenden Busch die trosterfüllte Verheißung,
Bebend, vernahm: »Bald sollt' ihr hier Dankopfer mir bringen.«
Naht' ihm Jethro nun, sein Schwieher, zugleich mit Zipora,
Und den Söhnen, die er heimsandt' an dem Tage des Auszugs
Von Aegypten: vor Noth und Gefahr die Theuren zu wahren.
Gerschom hieß ihm der ältere Sohn: ein
Fremdling geboren
War er im fremden Land', und er nannte den jüngeren freudig
Jetzt Elieser: denn
Gott half, und errettete machtvoll.
Siehe oben: Anmerkung zum ersten Gesang. Anmerkung Nr. 6.
D'rauf, als sie sich erfreut in holden Gesprächen, und Jethro
Immer, zu helfen, bedacht, mit alter, geschäftiger Sorgfalt
Ihm gerathen, dem Volk' erlesene Richter zu wählen,
Daß er nicht selber erliege der Last: vom dämmernden Morgen
Bis in des Abends Grau'n Alljegliches ordnend, und schlichtend;
Als er Jehova's Macht vor allem Volke gepriesen,
Und ihm selbst Dankopfer gebracht, da kehret' er wieder
Heim in sein Land: beglückt mit den Segenswünschen des Eidams.
Doch in dem Steppengefild' um Sinai lagerte jetzo
Israels Volk. Jehova rief, und Moses erhob sich
Nach dem Gipfel des Berg's. Dort hört' er die Worte des Segens:
»Sieh', ich habe, dem Adler gleich, der liebend die Jungen
Trägt auf den Flügeln empor, euch her aus Aegypten geführet!
Werdet ihr, treu dem Bund, mir stets gehorchen in Demuth,
Dann erles' ich euch: denn mein ist die Erd' und das Weltall,
Gnädig zu meinem Volk', und ein königlich Priesterthum herrsche
Ueber euch mild. Dieß künde dem Volk', und es möge sich reinen
Bis zu dem dritten Tag; dann werd' ich im Wetter ihm nahen.«
Und einmüthig gelobte das Volk ihm Treu' und Gehorsam,
Als nun Moses, gekehrt, Jehova's Willen ihm kund that.
Sieh', ein Wettergewölk verhüllt urplötzlich des Berges
Ragende Höh'n! Schon zuckt der Blitz, hellleuchtenden Glanzes
Nach den Fluren herab; ihm murrt unendlicher Donner
Nach; Posaunengetön' erschallt, und es zittern die Scharen
Israels, die, aus dem Lager heraus durch Moses geführet,
Nahten dem Fuße des Berg's, auf welchem die Herrlichkeit Gottes
Ruht' im Wettergewölk: denn gleich dem finsteren Gluthrauch,
Der erzschmelzenden Essen entsteigt, quoll selbes im Luftraum
Dunkel empor; stets furchtbarer schollen die eh'rnen Posaunen
Jetzt mit dem rollenden Donner vereint, aus dem Wettergewölk her,
Und der Berg erzitterte tief auf den Vesten des Erdballs.
Moses sprach, und die Antwort kam aus dem Donner herüber:
Denn ihm geboth der Herr: er solle hinauf in die Wolken
Kommen mit Aaron allein, und das Volk entfernter sich halten
Von dem Saume des Berg's, daß Keinen Verderben ereile;
Doch blieb Aaron bald, erbebend, zurücke: nur Moses
Rang zu dem Gipfel des Berg's mit gottvertrauendem Muth' auf.
Jetzt trat er aus der Wolkennacht in strahlendes Licht ein.
Hoch in des Himmels Höh'n hob sich's, wie die riesige Kuppel,
Wölbend empor, und reicht' an die Gränzen der Erde hinüber,
Rings im Kreise umher, vor seinen entschleierten Augen.
Alsbald beugt' er die Stirne zum Staub; dann stand er mit Ehrfurcht,
Harrend entgegen dem Wink' unendlicher Huld und Erbarmung.
Noch erbebte der Berg, noch flammten die Blitz' aus den Wolken
Nach den Fluren herab; noch rollte der furchtbare Donner –
Scholl Posaunengetön', als Moses des hohen Gesetzes
Worte vernahm, wie im Freundesruf, vor dem Ewigen selber:
I.
»Ich, Jehova allein, bin Gott – ein Gott! Nicht auf Erden,
Nicht an dem Himmel ersiehst du mein Bild. D'rum sollst du nicht Bilder
Dir gestalten zum Gott, und anbethen sollst du den Schöpfer,
Nicht das schwache Geschöpf, willst du gesegnet von ihm seyn!«
Sanft ertönete jetzt, wie im Lenzgebüsche das Lüftchen
Säuselt, die Stimm' an dem Ohr' des still aufhorchenden Moses:
»Der die Welt allmächtig erschuf, ist Gott der
Vater.«
Und alsbald erscholl ein Ruf unzähliger Stimmen,
Gleich dem Brausen des Sturms, ringsher, aus dem kreisenden Weltall:
»Hallelujah! O, Anbethung, Preis, und Ehre dem
Vater!«
II.
»Nenne den Nahmen des Herrn, den Nahmen Jehova
nicht eitel:«
Ehre das göttliche Wort, willst du gesegnet von ihm seyn.«
Wieder ertönete sanft, wie im Lenzgebüsche das Lüftchen
Säuselt, die Stimm' an dem Ohr' des still aufhorchenden Moses:
»Nicht ward Gott, das
Wort, und sein heiliger Wille geehret,
Darum folgte dem Ungehorsam der Tod. In der Zeiten
Füll' erscheinet das
Wort im Fleisch,
Siehe
Evangelium Johannis 1. Cap. 1. Vers u. f. gesendet vom Vater:
Von dem ewigen Tod' erlöset der göttliche
Sohn nur.«
Und alsbald erscholl ein Ruf unzähliger Stimmen,
Gleich dem Brausen des Sturms, ringsher in dem kreisenden Weltall:
»Hallelujah! O, Anbethung, Preis, und Ehre dem
Sohn' auch.«
III.
»Festlich begehe den Ruhetag, das göttliche Denkmaal
Von der Erschaffung der Welt.« In sechs erlesenen Tagen
Ward sie erschaffen vom Herrn; am siebenten ruht' er, ihm Segen
Spendend. Heilige den, willst du gesegnet von ihm seyn.«
Und es ertönte so sanft, wie im Lenzgebüsche das Lüftchen
Säuselt, die Stimm' an dem Ohr' des still aufhorchenden Moses:
»Hehre Geheimnisse beut zur Heiligung dir die Verehrung
Gottes: mild enthüllt sie der Welt, gleich feurigen Zungen,
Schwebend herunter, die ewige Lieb' im
Heiligen Geist' einst!«
Siehe
Apostelgeschichte 2. Cap. 4. Vers.
Und alsbald erbraust' ein Ruf unzähliger Stimmen
Ringsher: »Hallelujah!« und es scholl im kreisenden Weltall
Fort: »O, Anbethung, Preis, und Ehre dem
Heiligen Geist' auch!«
IV. »
Sey dir Vater und Mutter geehrt, so wird dir auf Erden
Lange das Leben zu Theil« – in Kanaans Segensgefilden.
V. »
Tödte nicht:« denn des Ermordeten Blut, vergossen in Willkühr,
Schreit um Rache zu mir. Dein Leben verkürze der Herr nur.
VI. »
Fliehe die Unzucht:« denn sie entwürdigt dich selber, und and're:
Nur dem Reinen enthüllt der Herr einst, lohnend, sein Antlitz.
VII. »
Stiehl nicht.« Reich ist die Quelle des Glücks im irdischen Leben,
Die der Achtung allein für fremdes Eigen entströmet.
VIII. »
Zeuge nicht falsch.« Auf Wahrheit, Treu', und Glauben gegründet
Stehet des Einen, und Aller Wohl in dauerndem Segen.
IX. »
Nicht des Nächsten Gattinn begehr':« entsetzlichen Frevel
Uebtest du sonst an dem Theuersten, was die Menschen vereinet.
X. »
Nicht begehre sein Gut:« ihm solches entreißen ist sündhaft;
Sünde die That nicht allein – denn zu ihr die böse Begier schon.
»Solches verkünde dem Volk'; auch sey's zum ewigen Denkmaal
Eingegraben in Stein, verwahrt an heiliger Stätte.
Wird es gehorchen, so will ich vor euch einher in den Wüsten
Senden den
Engel: Er wird euch dann zum Ziele geleiten,
Und beschirmen mit Huld. Nur horcht auf ihn, und erzürnt ihn
Nicht: denn Wir sind
Eins,
Im II. Buch
Mosis 23. Cap. 20. u. 21. V. sagt Jehova zu Moses: »Ich sende einen Engel vor dir her. – – – Er wird euch eure Uebertretung nicht verzeihen.
Er ist, der ich bin,« – welche Worte, ohne die Anwendung auf Christo, d. h. die zweite göttliche Person, gar keinen Sinn hätten. (Siehe oben: Anmerkung zum ersten Gesang, Anmerk. Nr. 16.) nicht würd' er vergeben. Er führt euch
Ein in des Segens Land, und vor euch zerstieben die Gegner.«
Also der Herr. Da säuselten sanft, wie die Lüftchen im Lenzhain
Säuseln, dem Ohr' des Horchenden hier die Worte vorüber:
»Ja, gesendet von ihm, kommt einst der Engel des Friedens,
Und der Erlösung vom Tod: mit dem Vater, und Heiligen Geist' auch
Eins, der göttliche Sohn – den Tod mit der Sünde besiegt Er!«
Sieh', und er gab dem Volk von Israel noch auf den Pfaden
Seiner Wanderung bis zu dem huldvollwinkenden Ziel hin,
Wo der Verheißene kommt ein neues Gesetz zu verkünden,
Viele Gesetz', Er selbst, sein Gott und König,
Im II. B.
Mosis 19. Cap. 6. Vers heißt es: »Ihr sollt mein Königreich, meine Priester, und ein, mir geweihtes Volk seyn.« zur Wohlfahrt.
Moses behielt sie all', ein Bothe Jehova's im Herzen,
Und schritt dann aus dem Wettergewölk nach der Eb'ne herunter.
Noch entflammten den Berg unzählige Blitze; der Donner
Krachte noch fort im Posaunenruf, und das bebende Volk stand
Unten im Felde, verstummt. Nur hier und drüben erhob sich
Zarter Kinder Geschrei und das Weinen der sorglichen Mütter.
Laut aufriefen sie all', ersehend den kehrenden Führer:
»Komm', und verkünd' uns Jehova's Geboth': wir wollen gehorchen;
Stürben wir doch, so er selbst mit uns redete, plötzlichen Todes!«
Moses richtete nun, wie Jehova gebothen, den Altar
Aus zwölf unbehauenen Steinen auf: nach der Stämme
Heiliger Zahl; hieß schlachten die jährigen Stier', und besprengte
Dann mit dem Blute das Volk: zum Zeichen des Bundes. (Erneut einst
Wird der Bund, und das heiligste Blut besiegelt ihn: Allen
Hier zur Erlösung von Schuld, und vom ewigen Tode.) Nicht säumt' er,
Faßte das Rohr, und schrieb, auf das Blatt der Staude,
Die
Papierstaude (Cyprus Papyrus), eine Binsenpflanze, welche in Aegypten zu Hause ist, und dort vor der Erfindung des Papiers zum Schreiben gebraucht wurde. Jehova's
Zehen Geboth', und las mit tieferschütternder Stimme,
Diese dem Volk dann vor. Ein Ruf: »Wir wollen gehorchen!«
Scholl, erneut, um ihn her, und er eilte zurück in die Wolken.
Vierzig Tage und Nächt' – o Zeit der Weih' und Entzückung,
Schnell entflohst du ihm dort, dem Seligen! Herrlich erhöhet
Stand in dem hehren Gesichte vor ihm die
Hütte des
Bundes
Hütte des Bundes, Stiftshütte, Heiligthum, wie Jehova selber II. B.
Mosis 25. Cap. 8. V. sie heißt: »Sie sollen mir ein Heiligthum bauen.« –
Schon, mit den Säulen umher, mit den hangenden Tüchern, dem Obdach,
Ihr zum Schirm g'en Wetter und Wind, und dem dreifachen
Vorhang,
Der von dem
Allerheiligsten erst das
Heilige trennte,
Dann den
Vorhof schied, und vor diesem verhüllte den Eingang.
Dort in des Vorhofs Raum gewahrt' er das
eherne Becken
Nahe des Opfers
Brandaltar'. In dem Heiligen sah er
Rechts den
goldenen Tisch, und auf ihm
Schaubrote geschichtet;
Sah zur Linken entflammt den
siebenarmigen Leuchter,
Und den
Rauchaltar vor dem Allerheiligsten stehen;
Doch in dem Allerheiligsten sah mit staunender Ehrfurcht
Er die
Bundeslad', und in ihr auf
steinerne Tafeln
Eingegraben, Jehova's Gesetz; auch den
Stab, und des
Manna
(Für die kommende Zeit) erhaltenes Maß in dem Steinkrug.
Anbethend beugten die Stirn' zween Cherubim dort nach dem Deckel
Jener geheiligten Lade von Gold (von solchem gestaltet
Waren sie selbst, und der Tisch mit dem Rauchaltar und dem Leuchter)
Und umhülleten ihn mit den weitgebreiteten Flügeln.
Moses erbebt' im Wonnegefühl: denn hoher Verheißung
Worte vernahm er: »Ich will in der Mitte der Cherubim künftig,
Dir, dem Sterblichen, mich enthüllen mit Huld, und erteilen
Antwort dir im Grau'n beklemmender Zweifel. Des Jahres
Einmal wird nur der Hohepriester der Lade des Bundes,
Angethan mit dem Kleid' und dem Schmuck, der jetzo dir kund wird,
Nah'n, und im Allerheiligsten dort, ihm Gnade gewährt seyn;
Doch nicht also mit dir: durch vierzig der Jahre von nun an,
Führst du im wüsten Gefild' dieß Volk aus Abrahams Stamme,
Das ich erlas, den Glauben an Gott, den wahren und einen,
Rein zu bewahren, umher. Von den Götzendienern gesondert
Soll es mir seyn. Ihr Frevel verdarb sein Herz, und die Knechtschaft
Raubt' ihm den Sinn für Wahrheit und Recht. In den Jahren der Wand'rung
Sterbe das gegenwärt'ge Geschlecht – nur Wenige schau'n dort
Kanaans Segensgefild': ein neues, gesäugt in den Wüsten,
Blüh', und erringe das Land, wie ich Abraham, Isaak, und Jakob,
Einst verhieß. Jehova ist treu, barmherzig, und gnädig.«
Moses begann: »Ach Herr, Jehova, Gnade gefunden
Hab', Unwürdiger, ich, vor dir: dein Wille geschehe!
Nicht wie am Horeb, träg, als dort vom brennenden Dornbusch
Deine Stimme mir scholl – nein, freudigen Muthes gehorch' ich
Deinem erhabenen Wink'. Ach, zürne nicht, Herr! In Gesichten
Sah ich enthüllet zuvor das eherne Becken, den Altar,
Leuchter, und Tisch, die Lade des Bund's, und die heilige Hütte,
Wie ich hinfort gestalten sie soll auf dem Zug' in den Wüsten;
Doch, was sollen sie einst? Verborgenes liegt in dem Bild wohl?«
Alsbald säuselten sanft, wie im Lenzgebüsche das Lüftchen
Säuselt, an seinem Ohr', erneut, die Worte vorüber:
»Dreimal Heilig« erschallt in den Himmeln umher dem Erschaffer,
So dem Erlöser zugleich, und dem Heiliger! Bebst du der Gottheit
Hehrem Geheimniß' im Geist'? Ein Bothe des kommenden Retters
Eilst du dahin. Er führt aus den Banden des ewigen Todes,
Selbst, das entartete Menschengeschlecht zurück zu dem Schöpfer.
Kommen wird er voll Huld, und erbau'n den schöneren Tempel:
Auf dem Berge Zion zu Jerusalem wurde durch Salomo, Jehova zu Ehren, der erste Tempel erbaut (I.
Buch der Könige 6. Cap.), und nachdem dieser unter Nebukadnezar zerstört ward, bauten ihn die Juden, nach der Heimkehr aus der babylonischen Gefangenschaft, mit Erlaubniß des Cyrus, wieder auf
(Esdra 1. 3. 4. Cap ); doch glich er an Herrlichkeit dem ersten nicht, so daß die Prophezeiung
Haggäus 2. Cap. 8. und 10. Vers allgemein von dem Heiland und seiner neu gegründeten Kirche gedeutet wird.
Seinen Erlösten dereinst zur Heiligung. Nur in dem Vorbild
Siehst du sein Werk, und jetzt, in den Stunden der Weihe, nur ahnen
Sollst du, was einst auch dir in seiner
Verklärung
Siehe Evang. Math. 17. Cap. von der Verklärung Christi. enthüllt wird.
Sieh', in dem ehernen Becken die Fluth: durch Wasser gereinet
Trittst du in's Heiligtum ein? ... So werden durch Wasser die Völker
Einst dem Himmel geweiht in des dreimal Heiligen Nahmen!
Opferst du Rinder ihm jetzt, und biethest des dankbaren Herzens
Gaben auf Brandaltären ihm dar? ... Die Pfade der Kindheit
Wandelst du noch: denn dunkele Bilder gewahret dein Aug' nur
Von dem erhab'nen Altar und jenem unblutigen Opfer,
Deß' unendlicher Werth die Schuld versöhnet für immer!
Brief an die Hebräer 10. Cap. vom 1. bis 5. Vers.
Wallt Rauch auf in dem Allerheiligsten? ... Nur die Erlösten
Weihen, mit ihm, dereinst ein mir gefälliges Opfer!
Offenbarung Johannis 8. Cap. 4. Vers.
Doch auf dem gold'nen Tisch' ersiehst du die Brote, zur Rechten,
Aufgeschichtet zur Schau? ... O Tiefe der göttlichen Weisheit,
Wer ergründet dich? Einst ernährt zum ewigen Leben
Nur das lebendige Brot die Seel', und, in Wonne gesättigt
Fleugt sie zu Gott! Du siehst den siebenarmigen Leuchter
Dort zur Linken gestellt? ... Wie sieben der obersten Engel,
Knie'n am Thron'
Der
siebenarmige Leuchter, das Zeichen der sieben Engel, die um den Thron des Ewigen stehen. (Buch
Tobia 12. Cap. 15. Vers, und
Offenbarung Joh. 8. Cap. 2. Vers.) – im Beginn des weltbeglückenden Reiches
Sieben Hirten zuerst des Meisters erkorener Jünger
Offenbarung
Offenbarung Joh. 2. und 3. Cap. enthüllt, auf dem meerumflutheten Eiland,
Und der
Geheimnisse sieben in seiner Kirche hienieden
Heiligend walten:
Die sieben Sakramente, als Gnadenmittel zur Seligkeit, nach der Lehre der katholischen Kirche. so flammt sein Licht vor dem dunkelen Vorhang,
Der das Allerheiligste birgt! Ein Sarg ist des Bundes
Lade vor dir? ... ein Grab, aus dem in der Fülle der Zeiten,
Strahlend im Siegestriumph, der Welterlöser erstehet!
Sieh' die Cherubim knie'n mit gebeugter Stirn', und umhüllen
Dort mit den Flügeln, im Bild, der Gottheit hehres Gebeimniß!
Auch errichtest, und brichst du die Hütte noch ab auf der Wand'rung
Wechselndem Pfad'? ... Einst steht sie, verwandelt in herrliche Tempel
Oben auf Zions Höh'n von den Königen; aber den schönsten,
Herrlichsten baut nur Er, von erwählten und lebenden Steinen,
Siehe oben
Anmerkung 9. und, beziehend auf das N. T. I. Buch
Petr. 2. Cap. 4. und 5. Vers.
Aus dem Schatten empor zu dem Reiche des Lichts und der Wahrheit!«
Tag' und Nächt' entfloh'n. Der gottbeseligte Führer
Israels sah im Geist' auf Augenblicke der Zukunft
Dunkeln Schooß, wie im Licht des schnellaufflammenden Blitzes
Nächtliche Fluren, erhellt: sein Volk in den Segensgefilden
Kanaans; erst der
Richter, und dann der
Könige Herrschaft,
Nach Moses, und Josua waren die Richter auf unbestimmte Zeit die erwählten Heerführer der Nation – beiläufig das, was die Dictatoren den Römern waren. Unter Samuel begehrte das Volk einen König, und Saul bestieg zuerst den israelitischen Thron.
Frevel und Götzendienst; zweimal den herrlichen Tempel
Zions zerstört, und so oft in die Fremde geführt von den Siegern
Sein entwürdigtes Volk.
Durch Salmanassar, König von Assyrien, wurden zuerst die Zehen Stämme in die
assyrische (II. B.
der Könige 17. Cap. 6. Vers) und durch Nebukadnezar der übrige Theil in die babylonische Gefangenschaft geführt. (II. B.
der Könige 23. Cap. 11. Vers.) Umsonst erheben die
Seher
Warnende Stimmen; doch sie künden zugleich in des Jammers
Füll' auch Trost: zur verheißenen Zeit, von der
Reinen geboren,
Kommt der Retter heran. Er lehret die Worte des Lebens –
Uebt die Thaten des Heils ... und, ach, an dem schmählichen Kreutz dort
Hängt er, und stirbt? Triumph dem Auferstand'nen: vom Oehlberg
Schwebt er, huldumstrahlt, empor in den jauchzenden Himmel!
Sieh', und das dürre
Holz, an welchem er hing – in die Wolken
Grünt es plötzlich empor, und breitet die schattenden Zweig' all'
Ueber die Erd', im Segen, umher! Sie kühlen des Müden
Glühende Stirn'; sie biethen dem Hungernden Speise des Lebens;
Laben den Dürstenden mild, und, gestärkt, erklimmt er von einem,
Immer höher empor, zum ander'n, das Ziel in dem Lichtreich,
Wo der Sohn, mit dem Vater und Heiligen Geiste vereinet
Ein-dreieiniger Gott, allmächtig in Ewigkeit herrschet.
Moses sank in Wonne dahin; doch, nahe der Rechten
Fand er, erwacht, Jehova's Gesetz, auf steinerne Tafeln
Eingegraben, und trug's im Arm von dem Berge herunter.
Wehe, wie trifft jetzt Lärm und Geschrei, von dem Lager herüber,
Sein aufhorchendes Ohr? Er sah – die steinernen Tafeln
Fielen aus seinen, voll Angst erhobenen Händen, und brachen
Mitten entzwei: er sah um ein güldenes Kalb sich erheben
Opfer, und Mahl, und Reigentanz, als hätt' er Aegyptens
Söhn' in die Wüste geführt.
Bei den Götzendienern aller Nationen machten gewöhnlich die Opfer, dann Mahlzeiten und Tänze, das Wesentlichste der Festfeier aus, welche letztere oft in die höchste Unsittlichkeit ausarteten. Unsinnige! Habt ihr vergessen,
Was Jehova für euch, barmherzig und gnädig, gethan hat?
Aaron, auch du? Doch nein: zum Dienste des Einen und Wahren
Hast du gerufen das Volk auf den kommenden Tag – ihm die Thorheit
So zu enthüllen gesinnt, am heiligen Feste Jehova's.
So sehr auch Aaron durch seine Nachgiebigkeit gegen das Begehren des Volkes: ein Götzenbild in der Gestalt eines goldenen Kalbes zu errichten, gefehlt hatte, so ist, bei der Dunkelheit dieser Stelle der h. Schrift, noch immer die Frage: ob er, nach II. B.
Mosis 32. Cap. 5. Vers, wo es heißt: »da solches Aaron sah, erbaute er demselben einen Altar, und kündigte auf den folgenden Tag dem Jehova ein Fest an,« – nicht die Absicht haben mochte, gerade durch die unsinnige Errichtung eines todten Götzenbildes in der Nähe des, im Donner- und Posaunenhall sich verkündenden, lebendigen, wahren Gottes, das Volk auf den rechten Weg zurückzuführen. Wirklich sehen wir auch in der Folge keinen Beweis, daß Jehova sein Benehmen dabei besonders gerügt hätte; vielmehr wurde er von ihm bald darauf zum Hohenpriester erwählt.
Moses ergrimmt', ergriff, zermalmte des schmählichen Götzen
Bild, und schleuderte selbst den Staub in die Fluthen des Bergstroms,
Daß sich reine das Volk, und im Durst noch erbebe dem Frevel.
Doch die Schuldigen weiht' er dem Tod: dreitausend erwürgte
Levi's Schwert, zur Strafe des Götzendienst's ... und es kehren
Einst zu dem einigen Gott so viele zurück' an dem Festtag,
Da, gleich feurigen Zungen, herab die göttliche Huld sich
Senkt, und mit donnerndem Laut', ein Jünger die Herzen erschüttert.
Apostelgeschichte II. Cap. 4. und 41. Vers.
Als in Osten der Tag aufdämmerte, stieg zu Jehova's
Wolkensitze, mit zwei, von neuem gemeißelten Tafeln
Moses in Eile hinauf. Dort fleht' er, weinend, im Staub noch.
Daß er verzeihe dem Volk die Missethat, und es fürder
Leite mit Huld – er selber, zum Ziel, nach seiner Verheißung.
O, und der Allerbarmer verzieh! Erneut (und erneut einst
Wird der Alt'- in dem Neuen-Bund) gewahrt' auf den Tafeln
Er Jehova's Gesetz, und vernahm nun weiter in Ehrfurcht:
»Sieh', ich führ' euch zum Ziel, wie ich Abraham, Isaak, und Jakob
Solches verhieß, in das Land der Götzendiener! Vertilgt soll
Werden ihr Volk, und der Götzendienst; doch, fliehet ihr Bündniß,
Ihre Verirrung, und Schuld. Erst frevelten Israels Kinder,
Jenen gleich, vor mir, und den Aaron selber besiegt' ihr
Dräuender Trotz; doch sann er ihr Heil: ich hab' ihm verziehen.
Priester soll er mir seyn mit seinem Geschlecht', und als solcher
Sühnen die Schuld und die Missethat. Nun schau' es im Vorbild,
Was ich gewollt, und salb' ihn darauf zum Priester Jehova's!«
Moses gewahrete jetzt des Hohenpriesters Bekleidung,
Staunend im Geiste, vor sich: das
Horn, und die Wort' um die Stirn her:
»Heilig Jehova dem Herrn.«
Es war bei den Hebräern gebräuchlich, gewisse kurze Sinnsprüche zur öfteren Erinnerung in den sogenannten
Denkzetteln (Tephilin, Philakteria) an der Stirne und den Armen zu tragen, und sie über die Thürpfosten und Thore zu heften. Die Worte: »
Dem Herrn heilig,« oder geweihet, waren auf ein Blättchen von Gold, welches über der Stirne von einem Ohre zum andern reichte, eingegraben. Sie war zugleich eine verzierende Einfassung der hohenpriesterlichen Tiare (Mütze, Horn), über deren Gestalt verschiedene Meinungen sind. Den azur-bläulichen
Mantel,
Wogend zur Ferse hinab; das
Unterkleid, und das
Ephod,
Das
Ephod war das Vorbild jenes Theils der Pontifical-Kleidung der Bischöfe, welches Tunicella heißt, und ihm vorne, und rückwärts zu den Lenden hinabreicht. Sie war über jeder Schulter mit einem Onyxsteine zusammengeheftet, auf welchem die Namen der zwölf Stämme eingegraben waren. Das Ephod selbst war aus feiner, gezwirnter Baumwolle gewebt.
Das ihm vorn an der Brust, und so an dem Rücken, gefestigt
Ueber den Schultern mit zween hellschimmernden Steinen, hinabhing.
Sah auf dem einen der Stein' und dem ander'n die Nahmen der Stämme
Israels, d'rauf den
Brustschild,
Der
Brustschild war aus eben diesem Zeuge, viereckig über der Brust mit vier rückwärts gezogenen Kettchen, über dem Ephod, an der Brust befestiget, auf welchem die, hier genannten, zwölf Steine, jeder den Nahmen eines der Stämme enthaltend, geheftet waren. – der an goldenen Kettchen
Ueber dem Ephod hing mit zwölf hellschimmernden Steinen:
Saphir, Rubin, Smaragd, Granat, Chalcedon, und Jaspis;
Onyx, Achat, Chrysolith, Opal, Amethyst, und Berylle
Herrlich verziert. Auf jeglichem stand ein Nahme der Stämme
Israels; dann auf dem Schild' auch noch das
Urim und
Thumim:
Urim und
Thummim, nach der Meinung einiger Schriftforscher drei uralte, schon vor Mosis Zeit, als heiliges Los, gebrauchte Steine, von welchen der eine
bejahend, der zweite
verneinend, und der dritte
keine Antwort gebend war. Nach der Erbauung des Tempels kommt ihr Gebrauch nicht mehr vor. –
Heilige Loos' aus der Urzeit her, auf den Sohn von dem Vater,
Frommen Geschlechtes, vererbt, wo auf einem das
Ja, auf dem andern
Aber das
Nein, befragt von dem Hohenpriester, ihm Antwort
Gab zur Leitung des Volks, noch eh' ihm ein König erwählt war;
Sah, wie jener also geschmückt, in der Hütte des Bundes
Opferte; wie er den Bock, des Jahrs einmal, in die Wüsten
Trieb, nach Buß' und Gebeth, mit der Sünde des Volkes belastet.
III. B.
Mosis 16. Cap. 6. Vers u. flg. sehen wir, wie an dem jährlichen Versöhnungsfeste über zwei Ziegenböcke das Los geworfen, der eine geschlachtet, und der andere frei in die Wüste hinaus entlassen ward. Ueber dessen Vorbedeutung: siehe
Brief an die Römer 4. Cap.
Dann ertönete sanft, wie im Lenzgebüsche das Lüftchen
Säuselt, die Stimm' an dem Ohr' des still aufhorchenden wieder:
»Euere Rede sey Ja, und Nein« – in jeglichem wahrhaft!
O, in der Wüste verkündet zuvor, erscheinet der Meister
Einst voll göttlicher Huld, und lehret die Pfade der Wahrheit,
Ruh', und ewigen Glücks! Er nimmt freiwillig die Sünden
Aller auf sich, und sühnt, am Kreutz', unschuldig – das
Opfer
Und der
Hohepriester zugleich,
In dem
Brief an die Hebräer, 7. Cap. 26. und 27. Vers, wird unser Erlöser das
Opfer, und der
Hohepriester zugleich, genannt. die entartete Menschheit.«
Leise, wie Harfengetön, verhallten die Wort' in dem Luftraum.
Doch nun stieg er vom Berge herab, und trug in der Rechten
Sorgsam, Jehova's erhab'nes Gesetz. Von Staunen gefesselt,
Sah ihn das Volk (nicht ahnet' er's) von den Strahlen der Gottheit
Glänzend, nah'n, und er hüllete dann in den Schleier das Antlitz
Stets, so er näher trat mit dem bebenden Volke zu reden.
Bald erbauten Bezaleel, Sohn Ur, und Oholiab,
Sohn Achimsach, die Hütte des Herrn vor ihm, und er stellte
All' die Geräthe zurecht, wie Jehova ihm solches gebothen.
Aaron salbt' er darauf zum Hohenpriester, und salbte
Nadab und Abihu, die Erzeugten Aarons, zu Priestern.
Doch nun stieg von dem Rauchaltar die Säule des Rauches,
Duftend empor! Zerstücket lag der jährige Stier schon
Auf dem Altar: das Volk erzitterte! Moses begab sich
Langsam gegen den Berg, und rief mit gewaltiger Stimme:
»Deine Herrlichkeit laß mich sehen, o Herr, und enthülle
Dich vor Israels Volk, daß solches dir diene mit Ehrfurcht!«
»Mich selbst wirst du nicht seh'n – wer wird mich sehen, und leben?«
Also erscholl's aus dem dunkeln Gewölk; doch plötzlich erhob sich's
Von dem Gipfel des Bergs: da wies in der Bläue des Himmels,
Strahlend hin, wie der zuckende Blitz, sich dem Volke Jehova's
Herrlichkeit. Sieh', ein Blitz fuhr nieder; verzehrte das Opfer
Schnell, und die Wolkensäul' umthaute die Hütte des Bundes!
Doch, schon schwebt, wie ein Siegespanier der kehrenden Heersmacht,
Sie von neuem dem Volk von Israel in den Gefilden
Einsamer Wüsten vor. Sie waren ihm jetzo die Heimath –
Also beschloß es der Herr: ein neues Geschlecht zu erziehen,
Das entfernt von dem Joch' und dem Truge der Götzenverehrer
Sich erhebe, den Glauben an Gott, den einen und wahren,
Durch die Nacht schuldvoller Unwissenheit bis zu dem Zeitraum
Seines verheißenen Lichts aus Bethleh'm hinüber zu retten.
Jahr' entfloh'n: da hielt an den Marken des herrlichen Landes
Kanaan, still das wandernde Volk, und Moses entsandte
Zwölf der Bothen (aus jeglichem Stamm sich einen erwählend)
Ueber das nahe Gebirg: zu erforschen die Lage des Landes,
Seine Fruchtbarkeit, Muth, und Zahl der Bewohner. Er heischt' auch,
Daß sie ihm brächten ein Pfand, als Zeichen erfülleter Sendung.
Jene erforschten das Land, und nach vierzig entflohenen Tagen
Kehreten sie, von dem Thal' Eschkol heimtragend der Reben
Lastende Purpurfrucht, zum Zeichen erfülleter Sendung.
Wohl erhoben sogleich die Lag' und den Reichthum des Landes
Josua, Nuns Erzeugter, vereint mit Caleb, Jephuna's
Sohne; doch, in geheim: denn feiggesinneten Herzens,
Schlichen bei dunkeler Nacht die andern umher, und erfüllten
Dort die Stämme mit Angst durch schaudervolle Geschichten
Von gesehenem Riesengeschlecht' in dem Lande des Fluches –
Nicht des Segens, und Weh' und Jammer erscholl in dem Lager!
Laut g'en Moses zugleich und Jehova, murrten die Feigen,
Schrie'n, und sehnten zur Schmach und in's Grab im Lande der Knechtschaft,
Sich von neuem zurück'. Umsonst bezeugten die beiden,
Kaleb und Josua, selbst des dräuenden Todes nicht achtend:
Lüge sey's, und Trug, was jene Verirrten gesprochen,
Bis nun Moses, vom Herrn gesandt, inmitten des Volkes
Stand, und ihm die lang'gedrohete Züchtigung kund that:
»Alsbald wieder zurück nach den einsamen Fluren der Wüsten
Soll es kehren, und sie durch vierzig der Jahre durchwandern;
Auch aus der Zahl, die Aegypten gebar, nur Nuns und Jephuna's
Sohn, mit dem neuen Geschlecht, – weil sie, voll Muthes, die Wahrheit
Kündeten, siegumstrahlt, in Kanaans Herrlichkeit einzieh'n.«
Trauer erfüllte das Volk, als solches die Rede vernommen.
Doch, am Morgen erhoben sich dann zehntausend der Männer
Aus dem Volk, die unendliche Schmach zu sühnen entschlossen,
Nach dem Gebirg, von dem heimkehrten die Bothen. Vergeblich
Warnte Moses die Kühnen: »Nicht sey Jehova mit ihnen:
Denn still ruhe die Wolkensäul' an der Lade des Bundes.«
Aber sie hörten ihn nicht, von empörtem Stolze getrieben.
Welch' Getümmel erschallt? Den Flüchtenden liegen die Gegner
Hart im Rücken, und sä'n, zur schrecklichen Ernte, die Leichen
Hin in dem stäubenden Feld. Nur wenige kehrten in's Lager.
Mirjam erhob sich schnell im Gefolg mitleidiger Seelen,
Dort den Verwundeten Hülf' und Rettung zu bringen; doch alsbald
Faßt sie unendlicher Schmerz, als sie die zerstümmelten Leichen
Schaut, und ein heimlicher Groll erstickt ihr im Auge die Thränen:
Denn sie theilte zuvor des murrenden Volkes Gesinnung.
Schweigend kehrte sie heim in das nachtumhüllete Lager.
Weder Jehova's Dienst, noch auch des trauernden Volkes
Lieb' erfreute sie mehr. All' ihres Glanzes beraubet,
Wie die Ros' in den Tagen des lautherrauschenden Regens,
Schien sie, und schmähete jetzt, von Aaron begleitet, im Jähzorn,
Moses eh'lichen Bund, nach Zipora's Tod, mit der Fremden.
Nach IV. B.
Mosis 12. Cap. 1. Vers hatte Moses, wahrscheinlich nach Zipora's Tod – eine Aethiopierinn geheirathet. Es war laut Jehovas Gesetz dem Israeliten erlaubt eine Ausländerinn, nur nicht aus Canaans Volke, zu heirathen. Aaron und Mirjam bezeigten ihren Unwillen darüber, weil Moses, nach ihrer Meinung, aus einem der angesehensten eigenen Stämme hätte eine Frau nehmen sollen.
Aber sie litt die Strafe der Schuld in schmählicher Krankheit;
Ward nun wieder geheilt auf Moses Fleh'n zu Jehova,
Und sie umfing dann bald das Grab im Gefilde von Kadesch.
Jahr' entfloh'n. Ach, viel erduldete Moses, der Führer
Israels, noch auf dem weitumirrenden Pfad zu den Fluren
Hin des verheißenen Land's! Und wie, nicht im schallenden Siegsruf
Soll' er's jetzt erringen dem Volk – des unendlichen Mühsals
Lohn nicht ernten, und auch nicht ruh'n im ersehneten Grab dort? ...
Wandle getrost: hell strahlt dereinst der umnachtete Pfad dir!
Ha, welch Meut'rergeschrei! Wie, Korah, Dathan, Abiron,
Wagt ihr's frech dem Erwählten des Herrn entgegen zu stehen –
Ihn zu schmäh'n vor dem Volk? Allein, schon berstet der Boden:
Euch, und die Euern zugleich, verschlingt der Rachen des Abgrunds.
Ihr, die ihr Aaron verhöhnt, und seines Dienstes euch anmaßt,
Seh't: sein Wunder-Stab ergrünt vor dem Herrn in der Hütte –
Euere liegen verdorrt – und soll in der Lade des Bundes
Aufbewahrt, zum Denkmaal seyn noch späten Geschlechtern!
Bei einem allgemeinen Murren des Volks wider Moses und Aaron (siehe IV. B.
Mosis 17. Cap.) mußten auf Jehova's Befehl die Oberhäupter der zwölf Stämme, jeder einen Stab von Mandelbaumholz geschnitzt in der Unterredungshütte zunächst vor dem Allerheiligen, hinterlegen. Am folgenden Morgen fand es sich, daß Aarons Stab allein grünte, Blätter und Früchte trieb, zum Zeichen: daß dem seinen des Priesterthums Ehre gebühre.
Doch ihm winkte der Herr, und er schlummert im Grab' in des Horebs
Niederung, wie er ihm solches zuvor, und auch Mose verkündet'
Ueber der Haderquell', als Mißtrau'n dort ihn erzürnte:
»Nicht sollt ihr in das Land der Verheißung, Kanaan, einzieh'n!«
Haderquelle (
Mosis IV. B. 20. Cap.), bei einem Volksaufstand wegen des mangelnden Wassers, scheinen Moses, und Aaron die Fassung verloren, und das Wunder nicht mit Ruhe, und Vertrauen zu Jehova wie sonst, gewirkt zu haben. (Ueber diese Stelle siehe E. F. C. Rosenmülleri Scholia in Vetus Testamentum. 2. B. S. 293.
Weh' und Rettung zugleich euch Murrenden! Tausende liegen
Schon auf der Erd', entseelt vom Biß' entsetzlicher Schlangen;
Tausende harren des Todes in Qual; doch winket Jehova
Mose: er eilt, und erhöhet die eherne Schlang' auf dem Stammholz –
Schnell sind alle geheilt, die auf sie die Blicke geheftet,
Gläubigen Sinn's. Auf dem Holz both einst der arge Verführer,
Heva, in Schlangengestalt, die Frucht, aus welcher zum Erbtheil
Wurde die Schuld. Ihn ereilte der Fluch und die Strafe des Frevels;
Aber das Bild des tief Verworfenen zeigte dem Volk jetzt,
Daß, wie dort von dem Holz der Jammer ihm kam, auch die Hülf' ihm
Komme daher: denn so wie die Schlang' einst Moses erhöhte,
Wird auch des Menschen Sohn erhöht auf dem Holze, daß alle,
Die an ihn glauben, ihr Heil durch ihn erlangen auf ewig.
Zur Strafe der Unzufriedenheit auf ihrer Reise nach dem Lande Canaan, wurden die Israeliten durch Schlangen gebissen. Jehova hieß den Moses eine eherne Schlange auf einen hölzernen Pfahl hängen, und alle, die nach ihr blickten, wurden geheilt. (IV. B.
Mosis 31. Cap.) In der Gestalt der Schlange wurde das erste Menschenpaar von dem Holze herab verführt. Von diesem, woher ihr der Jammer kam, sollte ihr auch die Hülfe kommen. So spricht, als von dem Vorbilde des Erlösers, der Lieblingsjünger (
Joh. 3. Cap. 14. und 15. Vers) davon.
Jahr' entfloh'n. Schon beugte sich Ogg, der König von Basan,
Sichon, von Amorrhäa, besiegt, vor Israels Waffen;
Aber warum vertilgt es die schändlichen Götzenverehrer
Nicht mit des Siegers Schwert, wie Jehova gebothen? Warum, ach!
Eint es in sündiger Lust sich mit ihren verworfensten Töchtern?
Doch schon schwingt Phinees, der Sohn Eleazar, und Aarons
Enkel, den Speer, und durchstößt, voll Grimms, den frechen Verächter
Von Jehova's Gesetz', mit der Buhlerinn: ihm und den Seinen
Wurde darum die Würde des Hohenpriesterthums erblich.
Bileam rief nur Segen, nicht Fluch, auf Israels Völker
Von dem Himmel herab. Verwirrt flieht Balak, der König:
Balak, der Moabiter-König, sandte nach dem Seher Bileam, auf daß er durch Flüche und Verwünschungen den weiteren Fortschritten der Israeliten Einhalt thun sollte, welche bereits die Amorriter überwunden hatten. Allein statt der Verwünschungen kamen, wider seine Absicht, nur Segensworte aus seinem Munde. (IV. B.
Mosis 22., 23. u. 24. Cap.)
Denn schon nahe dem Ziel, nach vierzigjähriger Wand'rung,
Schau'n sie des Jordans Fluth, und theilen die Beut' und das Land bald
Unter sich zum Besitz: das Land der hohen Verheißung.
Siehe, die Sonne sinkt, mit sanftverglühenden Blicken
Scheidend, g'en Westen hinab; der Lärm des Tages verhallet,
Und es entschlummert die Welt: so wandelte Moses am Abend
Seines herrlichen, Gott und den Menschen gewidmeten Lebens
Jetzt im rosigen Abendlicht dem Ufer des Jordans,
Hehren Blicks, entgegen; er stand, und rief zu dem Volk so:
»Hundert und zwanzig Jahr' erlebt' ich. Nicht dunkeln die Augen
Mir noch; ungeschwächt ist die Kraft dem Greise geblieben;
Aber Jehova zürnete mir, ob eurem Vergehen
Dort an der Haderquell': euch führt in das Land der Verheißung
Josua jetzt, Nun's Sohn, mit siegverherrlichter Recht', ein.
Ehret den heiligen Bund, den ihr vor Sinai's Felshöh'n,
Als der Herr im Posaunenruf' und im rollenden Donner
Sein Gesetz verkündete, treu zu halten, gelobtet.
Bald soll euch von Garizims Höh'n nur Segen erschallen,
So ihr gehorcht; doch Fluch und Verwünschung schallen vom Ebal,
Die Berge
Garizim und
Ebal bilden ein enges Thal, in welchem das merkwürdige Sichem lag. Durch die eine Hälfte der zwölf Stämme ließ
Moses von jenem den Beobachtern des Gesetzes Segen, und durch die andere von diesem den Uebertretern desselben Fluch und Jammer verkünden (V. B.
Mosis 27). –
Solltet ihr einst, verkehrt, sein spotten im sündigen Abfall.
Laßt mich Jehova ein Lied – daß es doch zum rettenden Wink' euch
Dienete, weih'n, bevor ich von euch nun scheide für immer!«
Rief's, und sah bewegt nach der Bundeshütte hinüber.
Liebliches Harfen-Getön' erscholl um ihn her; zu dem Himmel
Hob er die Recht', und begann mit weitumschallender Stimme:
Mosis letztes Lied. V. Buch, 32. Cap.
»Hört, ihr Himmel, mein Wort, und die Erde vernehme den Ausruf
Meines Mund's! Bald schwell' er an, wie Regengewässer;
Fließe bald wie der Thau und der träufelnde Schauer des Morgens
Von dem Gras' und den Kräutern der Flur. Den Nahmen Jehova's
Will ich preisen. Dem Herrn sey Ruhm, ihm, unserem Gotte!
Er ist der Schöpfer der Welt, und vollkommen Alles und Jedes,
Was er gemacht. Gerecht sind seine Wege, des treuen
Und unfehlbar'n Horts, des ewig Heiligen, Wahren.
Ach, an ihm sündigten sie – nicht Kinder ihm mehr, in der Schandthat:
Ein verderbtes, verworf'nes Geschlecht! So lohnst du's Jehova,
Sinnlosthörichtes Volk? Ist er nicht Vater, nicht Herr dir,
Der dich erschuf, und erhob? Gedenke der Tage der Vorzeit;
Sinne vergang'nen Geschlechtern nach; frag' deinen Erzeuger,
Und er kündet es dir; erforsche die Alten – sie sagen
Solches dir an: schon als der Herr die Völker zerstreute,
Schied er von Adams Söhnen dich aus, und setzte den Völkern
Gränzen rings um dich her; er zählte dich: denn wie sein Eigen
Bist du ihm, Israels Volk, wie ein zugemessenes Erb' ihm.
Draußen im öden Gefild hat er dich ernährt, und im Wohnort
Grauser Schrecken umhergeführt, in den einsamen Wüsten:
Dort dich lehrend, und, wie sein Auge bewahrend vor Unbill.
Wie der Aar, ermunternd zum Flug, nah' über den Jungen
Flattert, und sie mit weitgebreiteten Flügeln emporträgt
Auf dem Rücken zur Luft: so war dein einziger Führer
Dort Jehova der Herr – kein anderer war dir genahet.
Sieh', er führte dich über die Höh'n! Dich sollte des Feldes
Frucht ernähren, der Fels dir Honig träufeln, und Oehl dir
Fließen vom harten Gestein. Dir ward die Butter der Heerden,
Milch der Schaf', und das Fett der Lämmer, der Böck' und der Widder
Basans zu Theil. Dich sättigte Weitzenmehl, und der Trauben
Köstliches Blut trankst du nach Lust. So wurde der Liebling
Wohlgenährt: schlug aus mit der Ferse; verließ in der Fülle
Seinen Schöpfer, und trat von Gott zurücke, dem Retter.
Ach, so empörten sie ihn durch fremde Götter! Sie reizten
Ihn durch Gräuel zum Zorn: nicht Gott – nein, Dämonen opfernd,
Die sie nicht kannten zuvor, und die nicht ehrten die Aeltern,
Deren Söhne sie sind: denn jen' einwanderten jüngst erst!
Gott verließest du, ach! der dich gezeugt, und vergessen
Hast du sein, des Erschaffers sogar? Er sah's, und entbrannte
Gegen jen' im Zorn, die als seine Kinder ihn reizten.
Aber er sprach: verwenden will ich von ihnen mein Antlitz,
Schau'n ihr Ende vor mir: denn frevelnde Kinder erzeuget
Dieß Geschlecht. Sie erzürneten mich durch nichtige Götzen,
Und durch eitelen Tand: so will auch ich in dem Volk hier,
Welches nicht mein hieß, sie dann reizen, und höhnen vor Thoren.
Schnell entflammt mein Zorn die Gluth: hinunter zum Abgrund
Braus't sie im Flug, verzehret die Keime der Erd', und zerwühlet
Auch die Vesten der Berg'. Auf ihr Haupt versamml' ich des Jammers
Füll', und schleud're mein tödtend Geschoß nach ihnen, daß ringsum
Sie verschmachten in Noth, und die Vögel, voll Gier, sich an ihnen
Sättigen. Raubthiers Zahn soll sie zerfleischen – entseelen
Plötzlich der giftige Biß der trägumschleichenden Schlangen;
Draußen tilgen das Schwert, und daheim verzehren der Schrecken
Jüngling und Mädchen, und so mit dem Greise den wimmernden Säugling.
Dann ruf' ich: wo sind sie? Ihr Andenken selber vergehe ...
Aber noch zögr' ich ob des Grimms der Gegner; in Hochmuth
Rühmten sie sich: »Nur unser gewaltiger Arm, nicht Jehova,
Hat es vollbracht.« O Volk, des Raths und Verstandes beraubet:
Sähst du's ein, und erkenntest ihr Ende! Würden vor Einem
Tausend entflieh'n, und Zween in die Flucht Zehntausende schlagen,
Wenn ihr Schutzgott sie nicht verkauft', und Jehova dahingab?
Denn nicht wie unser Gott sind ihre Götter: deß' geben
Zeugniß sie selbst. Von Sodom und Gomorrha's Flur ist ihr Weinstock –
Galle die Beer' an den Trauben von ihm, und des geifernden Drachen,
Wie auch der Natter unheilbares Gift ihr Wein. Nicht erkennst du's,
Daß es verhüllt, und versiegelt bei mir, im heimlichen Schatz war?
Ha, die Rache ist mein! Einst will ich vergelten: ihr Fuß soll
Gleiten – der Tag des Falles ist nah': ihn ereilet die Zukunft.
Gott wird richten sein Volk; an seinen Knechten Erbarmen
Ueben, und seh'n, daß die Kraft erlag, die Umvestigten sanken,
Und hinschwanden zugleich die Entronnenen. Dann wird er rufen:
Euere Götter, auf welch' ihr fest vertrautet, wo sind sie?
Mögen denn jene, von deren Opfer-Fett ihr gekostet,
Und getrunken hattet den Wein, aufsteh'n, und euch schirmen
Dann in der Noth. Seht ihr's, daß nur Ich – und außer mir kein Gott
Sey? Daß ich tödt', und erhalt', und schlag', und heil', und erretten
Keiner aus meinen Händen vermag? Zum Himmel erheb' ich
Meine Hand, und rufe: So wahr ich, Ewiger, lebe:
Wetzen will ich mein Schwert; ausstrecken die Rechte mit Nachdruck
Dann zum Gericht; will rächen mich an dem Feind' und vergelten
Jenen, die mich gehaßt! Satt trinken soll in dem Blutstrom
Sich mein Pfeil, und mein Schwert vollsättigen sich an den Leichen
Ihrer Erschlag'nen – am Mord der Bund-entblößeten Häupter.
Preis't, ihr Heiden, sein Volk: denn rächen wird er das Blut einst
Seiner Erwählten; für sie Vergeltung üben am Gegner,
Und ihr Land vor allen mit Ruhm und Segen erfüllen!«
So vollbracht' er das Lied: dann gab er den Stab in die Vollmacht
Josua's; hob die Händ' empor, und segnete laut noch
Israels Stämm' in dem Herrn. Ein Schluchzen und Weinen ertönte.
Doch nun stieg er die Höh'n Abarims mit langsamen Schritten
Aufwärts, bis er umher die Berg' und Hügel versunken
Sah, und unendlich vor ihm das Gelobte-Land sich enthüllte.
Jetzo stand er am Ziel. Die in Rosen versinkende Sonne
Wand den Strahlenkranz um seine erhabene Scheitel:
Schweigend sah er hinüber nach ihr. Da scholl ihm Jehova's
Stimm' an das Ohr: »Nun schaue hinab in die herrlichen Fluren
Kanaans. So wie ich dort an Abraham, Isaak, und Jakob
Eidlich verhieß: erringen soll' ihr Enkelgeschlecht einst
Dieß gesegnete Land: so geb' ich es ihm zum Besitz hin;
Nur du allein betrittst es nicht.« Sieh', da er's hatte vernommen,
Schwand ihm die Kraft sogleich, und mit weitverbreiteten Händen
Strebt' er, erblaßt, auf den brechenden Knie'n, den Staub zu erfassen –
Staub, des Menschen Beginn und Ende! ... Wie liegen so dunkel
Gottes Wege vor uns! Ach, er, der herrliche Führer
Israels, steht an den Marken des langverheißenen Landes,
Schaut es vor sich, und endet dort, verlassen, die Laufbahn?
Doch, o wonnige Schau: sein brechendes Auge gewahret
Drüben schon von des Tabors Höh'n, im himmlischen Lichtglanz
Schweben, verklärt, empor den Welterlöser, und sieht dort
Ihm zur Seite sich selbst mit Helias, dem Seher von Thesbi,
Wiedererweckt, und beglückt auf immer!
Bei der Verklärung Christi auf dem Tabor sahen seine Jünger den Moses, und Helias ihm zur Seite, schweben. (
Ev. Matth. 17. Cap. 3. Vers.) O, seliges Enden!
Bethend haucht' er den Geist in den Schooß des ewigen Mittlers
Aus; sank heiter hinab in das Grab: denn einst hin zum Tabor
Schwebt er aus ihm, verklärt, und zu nie versiegender Wonn' auf!
Auferstehung, o Licht auf dem dunkeln Pfade des Lebens!
Schlummern werden sie einst im Grab die Unzähligen alle;
Plötzlich tönt die Posaun', und, verklärt, erstehen die einen –
Zieh'n, wie ein Fest-Kleid an die Unsterblichkeit: denn mit dem Tod nur
Siegt dem Vergänglichen ob das unvergängliche Leben!«
Brief
an die Corinther 15. Cap. 53. und 54. Vers.
Dreimal festlicher Tag: der Heilige ruht in dem Grab noch!
Aber die drönend' Erd' ergreift ein Beben und Schauern;
Felsen spalten entzwei; hervor aus dunkeler Felsnacht
Kommt, erstanden, der Herr des Lebens und Todes, und alsbald
Schallt dann Hallelujah in den Höh'n, in den Tiefen, und ringsum:
Ihm sey Ruhm und Preis; was Keiner vermochte – geöffnet
Hat er die Siegel des Buchs:
Offenbarung Joh. 5. Cap. 8. Vers. er zeigt uns die himmlische Stelle –
Zeigt uns die Wonne der
Auferstehung auf irdischem Pfad' schon!