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Der Aufmarsch

7.

Monsieur Duzart ist augenscheinlich viel mehr ladykiller, als man nach allem, was man über ihn hört, denken sollte. Er hat sich neulich Abend mit sehr viel Geschick um die Kandidatur für meine linke Hand beworben und die vorläufige Liebeserklärung in sehr angemessener Weise von Stapel gelassen. Aber die Sache muß doch im wirklichen Leben viel schwieriger sein, wie in Romanen.

Um von der alltäglichen Konversation auf ein frivol-erotisches Gespräch hinüberzulenken, bedarf es einer Art von musikalischem Verständnis, das aber nicht jedermanns Sache ist. Die meisten Frauen sind darin sehr nachsichtig und begnügen sich mit dem, was ihnen geboten wird, ohne Form und Inhalt näher zu prüfen.

Die zweite Talentprobe meines Illegitimen in spe war, daß er dafür sorgte, den Eindruck seiner ersten Attacke frisch zu erhalten. Am Morgen nach dem Diner bei meiner guten Freundin Dechesnin bekam ich einen langen Brief von ihm, und einige Stellen in diesem Briefe waren, weiß Gott, nicht übel, was er da sagt, ist sogar so gut, daß ich beinahe Zweifeln möchte, ob er das aus sich selbst hat. Er weiß mit großer Gewandtheit schon im voraus eine Antwort zu finden, die alle Einwände zu nichte macht; – eine anständige Frau kann nun doch einmal nicht umhin, sich selbst alle möglichen Bedenken vorzuhalten, ehe sie sich darüber klar wird, ob sie den Schritt wagen soll oder nicht.

Da heißt es Zum Beispiel in seinem Brief: »Gnädige Frau, Sie sind nun wieder in Ihr Heim zurückgekehrt, und es werden mehrere Tage darüber hingehen, bis wir uns wiedersehen. Es wäre nicht unmöglich, daß Sie bis dahin alles vergessen haben, was ich Ihnen am gestrigen Abend gesagt, oder daß Sie nichts mehr davon wissen wollen. – Nun, und wenn ich dann zur festgesetzten Stunde bei Ihnen erscheine, so stehe ich möglicherweise einer Dame gegenüber, die mich nicht einmal wieder erkennt und die mittlerweile für mich selbst eine Fremde geworden ist.

»Ich flehe Sie an, mir diesen Schmerz zu ersparen. Sie würden Ihren Freund damit aufs tiefste verwunden, denn seine Gefühle sind unverändert geblieben; noch mehr: der stete Gedanke an Sie hat sein Herz entflammt. Ich möchte Sie so wiederfinden, wie ich Sie gestern abend verlassen habe, wenn das nicht möglich ist, bitte ich Sie aufrichtig, schreiben Sie mir lieber, daß ich nicht kommen soll. Sie mögen es ja einkleiden, wie Sie wollen.«

Nicht wahr, das ist gut gesagt, aber ich finde, er macht es doch fast zu deutlich. Und dann weiter: »Sehen Sie, die Freundschaft, die gestern bei Tisch so zufällig zwischen uns entstanden ist, ist für mich fortan etwas Heiliges. Ich bin kein professioneller Verführer und ich bitte Sie, mir zu glauben, daß ich nicht jedesmal, wo ich eine hübsche junge Frau zur Tischnachbarin habe, den Versuch mache, das Gespräch auf erotische Dinge zu bringen. Natürlich habe ich, wie jeder Mann meines Alters, meine Erlebnisse hinter mir. Ich habe nicht oft, aber dann leidenschaftlich geliebt; denn ich halte die Liebe für das höchste Gut dieses Lebens, nicht nur wegen der Freuden, sondern auch wegen der Leiden, die sie mit sich bringt.

»Deshalb habe ich mich auch mit der gegenwärtigen Vereinsamung meines Herzens – denn es war einsam, bis ich Sie kennen lernte – abgefunden.«

Auch diese letzte Wendung ist sehr geschickt, denn ich kann daraus zwei wichtige Thatsachen entnehmen: daß Mr. Duzart mich ernst nimmt und daß er kein anderes Verhältnis hat. Und ich will, daß man mich ernst nimmt, selbst wenn ich – wie in diesem Fall, – geneigt sein sollte, meinen Partner nicht so feierlich aufzufassen. Eigentlich – wenn ich ganz offen sein soll – möchte ich sogar, daß eben dieser Partner sein möglichstes thut, um mich von seinen »ernst gemeinten Absichten« zu überzeugen. Da habe ich mich wirklich etwas dumm ausgedrückt, aber da meine Aufzeichnungen nur für mich selbst bestimmt sind, macht es nichts. Schließlich will ich es auch nicht haben, daß der Mann meiner Wahl auch nur durch den Gedanken an ein anderes Weib besudelt wird. Ich habe hier in meinem Tagebuch schon zweimal meine ästhetischen Prinzipien in physischer und moralischer Beziehung ausgesprochen, die mich vor dem Gedanken an ein derartiges Kompagniegeschäft zurückschrecken lassen.

Alle diese Empfindungen: der Wunsch, sich ernst aufgefaßt zu wissen und der Widerwille vor jeder Teilung gehören wohl nicht gerade zu den Seltenheiten; ich glaube, daß alle Frauen mehr oder weniger so empfinden. Aber immerhin ist es schon sehr viel, daß Mr. Duzart von selbst daran gedacht hat.

Am Schluß des Briefes kommen noch einige zärtliche Redensarten, die feurigere Wünsche durchscheinen lassen und gerade das ist schon sehr notwendig, wenn man etwas von uns erreichen will. Ich glaube, selbst den fischblütigsten Frauen macht es Freude, Männerherzen in Brand zu setzen; es schmeichelt ihrer Eitelkeit und macht die Sache so pikant, daß sie sich schließlich ebenso verliebt gebärden, wie andere, die wirklich Temperament besitzen.

Meine Angelegenheit ist also im besten Zug. Ich bin ganz zufrieden. Meine morganatische Ehe läßt sich ganz gut an, und ich habe allen Grund, hoffen zu dürfen, daß ich meine kleine Rache auf eine nicht zu unangenehme Art und Weise vollführen kann – und das ist mein gutes Recht. Ein Resultat habe ich schon zu verzeichnen, nämlich, daß mein eigenes Geheimnis mich schon viel mehr beschäftigt, wie das meines Gatten. Soviel ist gewiß, mein Roman ist weit interessanter, wie der seinige, und Monsieur Duzart und ich werden ganz gewiß ein geschmackvolleres Paar abgeben, wie das in der Rue de la Terasse.

*

Am Abend desselben Tages.

Heute sah ich Mme. Dechesnin. Selbstverständlich sprachen wir von ihm. Sie machte mir alle möglichen vertraulichen Mitteilungen über ihn. Darin sind »alte Freundinnen«, die für äußerst diskret gelten, gewöhnlich groß. Sie klatschen bis zur Bewußtlosigkeit über die Männer, deren Vertraute sie sind. Wenn ich jemals Duzarts Geliebte werde, will ich ihm darüber die Leviten lesen.

Wenn ich jemals – – das ist es gerade, was mir noch zweifelhaft ist. Mutter Dechesnin hat da etwas ausgeplaudert, was mir gar nicht gefällt. Duzart soll eine Liaison mit jemand aus der guten Gesellschaft haben, mit der kleinen d'Espaule, von der dieses Teufelsweib von Bertha sagt: »Für zwei Groschen Fleisch und vier Groschen Knochen«. Soviel ist gewiß, wenn man sich seine Geliebte nach dem Gewicht aussuchte, würde sie gar nicht mitzählen. Trotzdem hat es mich verstimmt und ich werde dem glücklichen Besitzer von: »Für zwei Groschen Fleisch und vier Groschen Knochen« bei der nächsten Gelegenheit seinen Standpunkt klar machen.

Nein, ist das dumm! Da kommen mir wahrhaftig Thränen in die Augen. Nein, nein, ich will nicht weinen, ich will nicht nervös sein. Ich pfeife auf Mr. Duzart und seine Mißgeburt von einer Maitresse.


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