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(Zur Einleitung kann die Ouvertüre aus der Zauberflöte von Mozart gespielt werden.)
Sarastro, privatisirender alter Magier. Tamino, Prinz und Flötenspieler. Pamina, dessen Gemahlin. Nocturna, Königin der Nacht, ihre Mutter. Erste Zweite Dritte Hofdame der Königin der Nacht. Papageno, Bedienter bei Sarastro. Monostatist, Leibmohr der Königin der Nacht. Casperl Larifari. Grethl, dessen Frau. Polizeidirektor. Griesmaier, Aktuar. Thomerl, Jäger. Zwei Polizeidiener. Ein zahmer Löwe. Verschiedene Maschinerien, Flug- und Zugwerke. |
Zimmer.
Casperl tritt wüthend ein.
Casperl. Es ist nichts mehr auf der Welt! Es ist nicht zum aushalten! Jetzt haben's mich gerad wieder aus'm Wirthshaus hinausg'worfen, und warum? Weil ich g'sagt hab, daß ich mit dem Fortschritt nicht einverstanden bin. Auf meine Aeußerung, daß das Fleisch so impertinent theuer ist und ob das auch zu dem Profit gehört, den wir von der Fortschrittlerei haben, hat mir gleich der Metzger Fleischmayer eine Ohrfeigen gegeben. Mit der Bemerkung, ob das eine Errungenschaft der persönlichen Freiheit sei, hab' ich ihm den Krug auf seine rothe Nasen geworfen. Dann hat sich gleich der Bäckermeister Bretzlhuber auch d'reingemischt und ist über mich hergefallen wie ein Tiger, weil ich ihm g'sagt hab, daß sein Brod zwar zu klein im Gewicht, aber dafür auch schlecht gebacken ist. Kurz und gut: Alle sind über mich hergefallen, haben mich überwältigt und corporativ zur Thüre hinausgeworfen, dann haben mich zwei Gendarm' in Empfang genommen und nachher die Ordnung wieder herg'stellt. – Da bin ich jetzt. Aber so geht's nicht mehr. So kann ein friedliebender, solider Staatsbürger nicht mehr existiren. Ich wandere aus oder zieh mich in die Einsamkeit zurück. Auf einige Zeit werd' ich Menschenfeind und ein Bier gibt's anderswo auch. Schlechter kann's auch nimmer werden. (Ruft) Grethi! Geliebtes Weib! Charmanterl, komm ein bißl heraus zu mir!
Grethl (draußen). Was gibts? Ich komm gleich; bin nur beim Kaffeebrennen.
Casperl Immer Kaffee und alleweil Kaffee!
Grethl tritt ein.
Casperl. Nun, theure Gatterin, setze Dich in Positur und vernimm mit gerührter Aufmerksamkeit, was Dein Herr und Gemahl zu Dir spricht.
Grethl. Das wird wieder was Gescheit's sein!
Casperl. Ich habe einen großen Plan. Schaudere – und ergib Dich in das Unvermeidliche! füge Dich in das nothwendige Schicksal.
Grethl. Das muß ja etwas Furchtbares sein!
Casperl (tragisch). Ja! ja! – Es ist furchtbarer Ernst! Höre, vernimm, merk' auf und staune: Ich werde mich auf einige Zeit in die Einsamkeit zurückziehen, denn die Menschheit hat mich ausgestoßen! –
Grethl. Oho! was fallt denn Dir ein!
Casperl. Ja, unglückliches Weib! Mein Entschluß ist unabwenderlich. Ich werde ein einjährig freiwilliger Menschenfeind; ich will mich ganz der Constemplation widmen. – Wielang ich mich diesem Zustande weihen werde, das hängt von Umständen und von Verhältnissen ab.
»Nach ewigen, ehernen,
»Großen Gesetzen
»Müssen wir Alle
»Unseres Daseins
»Kreise vollenden« –
sagt der verstorbene Geheime Rath von Göthe!
Grethl. Du bist ja nicht gescheit! Und was g'schieht denn nachher mit mir?
Casperl. Was bisher gescheh'n ist. Du lebst von unsern Capitalrenten.
Grethl. So? – wo sind denn die?
Casperl. Dieß wissen die Götter!
Grethl. (weint). So behandelst Du Dein treues Weib, das für Dich so aufopfernd gesorgt hat? Das ist schändlich?
Casperl. Ich verzichte fortan auf Deine Opfer. Tröste Dich, daß ich Dich auf einige Zeit verlasse. Das Stricksal will es so. Vielleicht kehr' ich wieder.
Grethl wirft sich auf einen Stuhl und jammert. Der Jäger Thomerl tritt ein.
Thomerl. Nun! Was war denn das wieder für ein Mordspecktatel mit Dir? Haben's Dich wieder einmal hinausgeworfen? Du kannst aber auch keine Ruh geben.
Casperl. Wie? Ich – keinen Ruh geben? Bin ich nicht vom Schicksal verfolgt? Hat sich nicht Alles gegen mich verschworen? Fluch der Menschheit! Ich habe mit ihr abgerechnet.
Thomerl. Abgerechnet – aber nichts bezahlt!
Casperl. Einerlei! Mein Weib weiß Alles! – Ich empfehle sie Deinem Freundesschutze!
(bei Seite zu Thomerl.) Ich geh' nur auf ein paar Tag' fort in Familiengeschäften.
(Laut.) Wer weiß, wann? – wer weiß, ob ich zurückkehre!! Wart'e bißl. Ich bring'Dir was.
Geht ab.
Thomerl. (zu Grethl). Was hat er denn heut' wieder?
Grethl. Ich glaub', er ist närrisch geworden. In die Einsamkeit will er sich zurückzieh'n als Menschenfeind.
Thomerl. Ei, lassen's ihn nur geh'n. Er bleibt nicht lang aus. Er – ein Menschenfeind und kein Wirthshaus!? Casperl tritt wieder ein, einen Stiefelzieher in der Hand.
Casperl. Edler Freund! Bruder! deutscher Bruder! ich scheide. Ohne Erinnerungszeichen unserer Freundschaft kann ich nicht von Dir gehen. Nimm diesen Stiefelzieher als eine werthvolle Gabe zum täglichen Gebrauche! Er war mein liebstes! – Schütze meine Gattin! Bleib'ihr Freund. Nun lebt beide wohl! (Weint ungeheuer.) (Er umarmt Beide) Oh, Oh! – Oh! – Vielleicht seh'n wir uns wieder! Oh! Oh! Jetzt geh ich nur noch zum Polizei-Director und nimm von ihm Abschied; denn der wird mich gewiß am meisten vermissen! (ab.)
Polizeibureau.
Actuar Griesmaier am Schreibpulte. Später der Director.
Griesmaier. (vor einem Pack Acten). No, das ist wieder ein hübsches Packl beisammen! Was werden wir heut für einen Humor haben? – Die Schinderei wird mir bald zu arg! Jetzt sind's gerad 22 Jahr, daß ich Actuar bin. Wenn ich nicht bald Commissär werd', so geh' ich zur Eisenbahn.
Director (tritt hastig ein) Guten Morgen, Griesmaier!
Griesmaier. Hab' die Ehre, Herr Director!
Director Schnell den Einlauf her! habe nicht viel Zeit heute.
Griesmaier. Sogleich, Herr Director.
Director (geht an den Pack Acten). Donnerwetter! eine hübsche Portion wieder! (Blättert und zerrt sehr hastig daran herum.) Nro. 1200: zum Commissär Stempler. Nro. 1201: ad acta. Nro. 1202: das ist ja schon lang erledigt; Nro. 1203. Sapperment! ist ja liegen geblieben. Geh'n Sie nachher gleich damit zum Herrn Commissär Langmüller, warum er den Bericht an die Regierung noch nicht gemacht hat?
Griesmaier. Ich glaub', es fehlt noch an den Voracten.
Director Kreuzsapperment! Was hat denn der Herr Registrator wieder getrieben? Ich muß einmal wieder d'reinfahren. Ich glaub', die Herren sitzen zu lange im Kaffeehaus und das vermaledeite »Schöppeln!« – (Es pocht an der Thüre). Wer kommt denn da wieder? Man hat doch keinen Augenblick Ruh' – (zornig) herein!
Casperl (tritt mit ungeheuern Reverenzen ein). Hab die Oehre, Herr Direcor! Unterthänigsten guten Morgen!
Director Potz Element! Sind Sie auch wieder einmal da, Herr Casperl? Was gibt's?
Casperl. Ja, Herr Director, Sie werden sich sehr wundern!
Director. Wieder einen Rausch im Wirthshaus gehabt? Einer Klage gegen Sie selbst vorbeugen, ehe die Anzeige kömmt? Ich möchte doch einmal Ruhe haben von Ihnen. Jetzt haben wir auf der Polizei schon einen ganzen Actenstoß Personalia über Sie! Nicht wahr, Herr Actuar?
Griesmaier. Zu dienen, Herr Director. In diesem Jahre schon 632 Einlaufsnummern, allein Herrn Casperl betreffend, da beißt die Maus kein' Faden ab.
Director Und meistens Lumpereien, polizeiwidrige Aufführung und dergleichen! Ich werde Sie einmal auf 8 Tag bei Wasser und Brod einsperren lassen, damit die Geschichten ein End nehmen.
Casperl. O Herr Director, man schikanirt mich nur, man reizt mich; da muß mir manchmal die Geduld ausgehen – – –
Director Ja, mir muß die Geduld ausgehen! Warten Sie nur, ich komm Ihnen schon!
Casperl. (in scheinheiligem Ton). Herr Director werden nicht lange mehr mit mir zu thun haben.
Director Desto besser.
Casperl. Ich bin eben deßwegen da. Ich reise ab und bitte gehorsamst um eine Paßkarte oder einen Vorweis mit Leumundszeugniß.
Director. Oho! scharmant! wo wollen denn Sie hin?
Casperl. Auf alle Fäll' von hier fort. Ich halt's nicht mehr aus und will mich als Privatier in die Einsamkeit zurückziehen. Ich bin Menschenfeind geworden.
Director (lacht). Ha, ha, ha! Das ist ja vortrefflich! bin aber begierig, wie lange Sie's aushalten.
Casperl. O Herr Director, da kennen Sie mich nicht: wenn ich einmal etwas vorhabe, da setz' ich's auch durch.
Director. Gut! ganz einverstanden. Da wird die Menschheit hier wenigstens vor Ihnen Ruhe haben. Ich muß jetzt fort zur Biervisitation und Bockcommission. Der Hofbräuhausbock wird heute eröffnet. (Zu Griesmaier.) Herr Actuar: machen Sie die Sache mit Herrn Casperl ab. Adieu! Ich wünsch' Ihnen viel Glück auf die Reise; glaub' aber, daß wir uns bald wieder sehen werden. Adieu! (Geht rasch ab.)
Griesmaier. Also, so steht's mit Ihnen, Herr Casperl?
Casperl. Ja, so steht's mit mir.
Griesmaier. Will man ein andres Leben anfangen? – so – da beißt die Maus kein' Faden ab. Eine Paßkarte oder ein Leumundszeugniß also? (Lacht.)
Casperl (beleidigt). Ja, wenn ich bitten darf ganz gehorsamst.
Griesmaier. Das werden wir gleich haben, da beißt die Maus kein' Faden ab. Aber mit dem Leumundszeugniß wird nicht viel zu machen sein.
Casperl. Warum denn, Herr Aktuar? Ich bin, glaub' ich, so gut, wie ein anderer Bürger der Stadt.
Griesmaier. Wie man's nehmen will.
Casperl. Nehmen Sie's. wie Sie wollen, das ist mir sehr gleichgültig. Vorderhand ersuche ich Sie, den Befehl des Herrn Polizeidirectors zur Ausführung zu bringen.
Griesmaier. Ich werde thun, was meine Pflicht ist, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber Sie haben mir Nichts zu befehlen. Verstehen Sie, Herr Casperl?
Casperl. Nun – wenn die Maus einmal den Faden abgebissen hat – so hoff' ich, daß ich meine Sach' bekomm'! Verstehen Sie mich, Herr Griesmaier?
Griesmaier. Hier bin ich königlicher Polizeiactuar und nicht simpler Griesmaier, wie im Wirthshaus, wo man Sie gestern hinausgeworfen hat, da beißt die Maus kein' Faden ab.
Casperl. Ja, und wo der Herr Polizeiactuar, wie gewöhnlich, seine Zech schuldig geblieben ist und der Wirth auch nichts begehrt, damit eine hohe Polizei bei seinem schlechten Bier durch die Finger zu seh'n beliebt.
Griesmaier. Oho – das ist Ehrenkränkung oder vielmehr Amtsbeleidigung! Da beißt die Maus kein' Faden ab. Ich werde Sie arretiren lassen.
Casperl. Mich, arretiren?!
Griesmaier. Ja, Sie arretiren. Das werden Sie gleich sehen. Ich laß' den Polizeisoldaten kommen.
Zieht an der Glockenschnur und läutet heftig.
Casperl. Da muß ich Ihnen doch zuvor auch meine Ansicht sagen. (Stößt und schlägt Griesmaier.)
Griesmaier. Infamer Bursch! (Läutet heftiger.) Heda Polizeidiener!
Ein dicker Polizeidiener tritt ein, den Casperl gleich umstößt.
Griesmaier. Arretiren! arretiren!
Ein zweiter Polizeidiener tritt ein. Allgemeines Geschrei und Balgerei, unterdessen fällt die Zwischengardine.
Wald. Abenddämmerung.
Die drei Hofdamen der Königin der Nacht treten ein, häßliche alte Gesichter mit schwarzen Schleiern.
Erste Dame. Quelle jolie soirée! Mesdames!
Zweite Dame. Oh, charmante!
Dritte Dame. Wirklich, ein deliciöser Abend! Ich dächte, wir setzten uns da unter den Bäumen zusammen und plauderten ein bischen.
Erste Dame. Ja wenn die Fräuleins nur plaudern können, dann find Sie schon à leur aise.
Dritte Dame. Aber ich bitte Sie, Gräfin: haben wir nicht genug Zeit und Gelegenheit zum Schweigen?
Zweite Dame. Die Baronin hat wohl recht: Hofdamen der stillen Nacht zu sein – das wäre genug, mein' ich!
Erste Dame. Wie? Ist nicht unsere Gebieterin, die Königin, eine höchst respectable hohe Frau? Was ist nicht schon Alles in ihrem »Schooße« vorgegangen? Ist sie nicht die Beschützerin der tiefsten Geheimnisse, die Weckerin der herrlichsten Gedanken?
Zweite Dame. Allerdings; sie hat große Eigenschaften, die allgemein anerkannt sind.
Ditte Dame. Große Eigenschaften – ja! Aber wohl auch ihre bedeutenden Schattenseiten.
Zweite Dame. Schattenseiten? nun das mein' ich! Wo und wann sie erscheint, wird es dunkel und ihr eigenes und unser eigentliches Leben beginnt erst mit der Dunkelheit.
Erste Dame. Dafür sind wir aber auch den ganzen Tag frei.
Dritte Dame. Schöne Freiheit das! Wie die Nachteulen, die am Tag nicht sehen. Und dann! welch ein langweiliger Dienst! Im Finstern umherschweben. Oder finden Sie es vielleicht besonders amüsant, meine Damen, wenn Abends der langweilige Mond oder so ein ungeschickter Komet bei uns eine Parthie Whist spielt.
Zweite Dame (lacht). Ha, ha, ha! Ganz charmant! Ja, in der That, das ist unser reizendes Leben. Und dabei sind wir alte Jungfern geworden!
Zweite und dritte Dame lachen.
Erste Dame (entrüstet). Comment, Mesdames! Welche Aeußerungen! »alte Jungfern« ?
Dritte Dame. Nun, ich meine, so ein paar hundert Jahre wären doch nicht übel!
Erste Dame. Nun, mein Fräulein, so nehmen Sie Ihre Pension. Ihre Majestät die Königin haben vielleicht gerne einen Wechsel in Höchstihrem Dienstpersonale.
Zweite Dame. Ich glaube dieß nicht; denn Ihre Majestät sind an uns gewöhnt, und wo gleich eine Andere finden?
Dritte Dame. Ihre Majestät haben an uns treue Dienerinnen. Wir haben uns immer und jederzeit discret bewährt. Erinnern Sie sich nur gefälligst der Katastrophe mit Sarastro und Prinzessin Pamina!
Zweite Dame. Und mit dem Prinzen Tamino –
Erste Dame. Nun, Pamina lebt recht glücklich mit ihm.
Zweite Dame. O, sehr. Wenn nur die Frau Schwiegermama nicht in's Haus kömmt – –
Erste Dame. Mesdames, ich bitte: Enden wir dieß Gespräch. Lassen Sie uns lieber ein Abendliedchen singen.
Zweite und dritte Dame. Wie's Ihnen beliebt.
Terzett.
»O wie herrlich, o wie labend
»Ist nach einem Sommertag
»Solch ein schöner, kühler Abend,
»Wo man sich erquicken mag.« etc. etc.
(Aus »Doctor und Apotheker« von Dittersdorf.)
Nun wird's aber dunkel. Ah, irre ich nicht, so holt uns auch schon der Leibmohr zum Thee.
Monostatist (in schwarz Tricot-Livree und goldbortirtem dreieckigen Hut, läuft herein).
Meine Damen, meine Damen,
s ist die höchste Zeit zum Thee;
Daß Sie nicht zu Hause kamen,
Frug mich schon die Majesté.
Das Souper ist aufgetragen,
Und die Gäste sind schon da;
Dieses soll ich Ihnen sagen
Und warum man Sie nicht sah!
Erste Dame. Quel horreur, Mesdames! Kommen Sie doch schleunigst! Sehen Sie, das macht wieder unser unnützes Geplauder.
Zweite Dame. Eilen wir, schnell!
Dritte Dame (zum Mohren) Laufen Sie voran und melden Sie, daß wir augenblicklich erscheinen werden. Brennen doch alle Stiegenlampen?
Erste Dame. Und die Candelaber?
Monostatist. Ja, Sie zünden freilich kein Licht an. Wenn ich nicht wär'!
Alle ab Nacht. Der Vollmond geht auf. C-dur-Flötenritornell aus der Zauberflöte, l. Act, vor der Arie des Tamino: »Wie stark ist nicht dein Zauberton!« Chor.
Der Flöte süßer Schall
Zieht durch den stillen Wald.
Es schlummert Alles bald,
Gut' Nacht! Gut' Nacht!
Noch tönt des Echo's Hall;
Die Vöglein ruhen lang,
Es schweiget ihr Gesang.
Gut' Nacht! Gut' Nacht!
Flötenritornell wie oben, unter welchem der Vorhang langsam fällt.
Ende des I. Aufzugs.
Ländliche Villa mit Gitter und Gartenthor. Hundshütte.
Casperl tritt ein und sieht sich ringsum
Casperl. Da bin ich jetzt. Einen Tag und eine Nacht herumgestrolcht! Numero Eins: Lauter schlechte Wirthshäuser, Numero Zwei: Nichts als Dunkelheit, eine Portion Mondschein, ein Mooslager, etwas feucht zum Liegen und ein Flötenconzert. Ich weiß nicht, wer so schön geblasen hat. Ich bin d'rüber eing'schlafen. Vor einer Stund bin ich hungrig aufg'wacht, aufg'standen, weiterg'spazirt, und jetzt bin ich, ich weiß nicht wie, dahergekommen an dieses herrschaftliche Sommerlogis. Der Hunger klopft an meinen Magen und ich werde an dieses Gartenthor klopfen. Ich weiß nicht – aber meine Menschenfeindschaft scheint schon etwas im Abnehmen begriffen. Schlipperment – wenn man mir aber aufmacht – als Was soll ich mich präsentiren. Als reisender Gelehrter – glaub' ich – da ist man am interessantesten, wenn man auch nichts weiß.
Schellt heftig am Thore. Aus der Hundshütte stürzt an einer Kette befestigt ein Löwe hervor und brüllt .
Casperl (springt zurück und fällt gleich hin) . Auweh, auweh! Was ist denn das?! Das scheint ja eine Menagerie zu sein. Ein Löw! ein Löw! – Da kommen vielleicht noch andere wilde Vieher heraus! – O ich bitt recht sehr; bemühen Sie sich gar nicht.
(Stimme von Innen: »Ruhig! herein!») Zugleich wird das Thor geöffnet und Papageno tritt heraus.
Papageno (in Livree von bunten Federn) . Wer läut't denn da so stark? Pressirt's gar so?
Casperl (aufstehend) . Ich bitte sehr um Entschuldigung. Die Glocken geht gar so leicht. Da hab' ich a bißl zu stark ang'rissen.
Papageno Das ist jedenfalls keine Manier. Wer ist Er?
Casperl. Man ist nicht »Er« – versteht Er mich? Denn Er scheint doch nur ein Domestik zu sein.
Papageno. Wer da herein will, hat sich jedenfalls zu legilimiren; denn das ist kein Wirthshaus, wo man mir nichts dir nichts so einkehren kann. Nun, wer ist man denn?
Casperl. Man ist, mit Respect zu melden, ein reisender Gelehrter.
Papageno. Ah! – das ist was anders. Darf ich fragen: In welchem Fach?
Casperl. Das behalt' ich vorläufig für mich. Verstanden? (Vornehm.) Aber, mein schöner, buntgefiederter Dienstvogel, nun ist die Frage an mich: Wem gehört diese angenehme Sommerwohnung?
Papageno. Verehrtester Herr Professor (denn das scheinen Sie, Ihrem Aeußern nach zu urtheilen, zu sein) es ist die Villa des Prinzen Tamino aus Aegypten.
Casperl. Aegypten? Ah! (Thut ungeheuer gelehrt.) Aegypten? Aegypten – eine sehr schöne Gegend – Ah – Ah –
Papageno. Wir wohnen nur im Sommer hier. Im Winter logiren wir an den Catarakten des Nil's.
Casperl. Wo man keinen Katarrh bekömmt, nicht wahr? Doch lassen wir dieses wissenschaftliche Gespräch. Er scheint nicht der Mann für so Etwas. Melde Er mich bei Seiner Herrschaft.
Papageno. Meine Herrschaft ist nicht zu Hause. Der alte Herr trinkt »Sauerbrunnen«, und da geht die junge Herrschaft mit ihm in der Fruh spazieren.
Casperl. Das ist eine sauere Unterhaltung; aber sag' Er mir: könnte man, bis die Herrschaft nach Haus kömmt, nicht ein kleines Etwas zum Frühstück bekommen?
Papageno. (wichtig). Nur Eingeweihte haben Einlaß.
Casperl. Was? nur Eingeweichte? Ja, wo kann man sich denn vorher einweichen lassen, damit man nachher Etwas zu essen bekommt?
Papageno (erhaben: singt).
Geht mit großen Schritten in's Haus zurück.
Casperl (schaut ihm erstaunt nach). Jetzt bin ich so gescheit – und so hungrig wie zuvor. – Das ist ja ein Narrenhaus – und keine Menagerie, wie ich gemeint hab'! – Da muß ich ein bißl herumspeculieren und einmal diese Sommerwohnung von allen Weltgegenden betrachten. Vielleicht finde ich eine Hinterpforte. (Ab.)
Sarastro's Stimme hinter der Scene. Kinder, lauft's doch nicht so, ich komm' ja nit nach!
Pamina (in eleganter Morgentoilette, springt herein). Ha, ha! der Papa kömmt nicht nach!
Sarastro (tritt ein, in langem ägyptischen Schlafrock und hohe, steife, weiße Mütze auf) Langsam, langsam! du muthwilliges Kind! Du bist heut' wieder wie toll! Dein Mann kömmt auch erst hint' d'rein.
Pamina. Ja, er mit seiner Flöte!
Tamino (in phantastischem Anzuge, im Hermelinkragen und solche fürstliche Kappe auf, bläst auf einer silbernen Flöte). Ich muß noch etwas exerciren; dann schmeckt immer das Frühstück besser d'rauf.
Pamina (spottend) Dudl, dudl! dudl. Das Stückchen hast Du ja schon tausendmal gespielt.
Sarastro. Ruhig, Kinder! Echauffirt euch nicht vor dem Frühstück. (Schellt an bei Thorglocke und ruft hinein.) Holla! Laßt mir 'n Lowerl los! (Das Thor geht auf, der Löwe springt heraus und liebkost Alle.) So, so, Lowerl, nicht unartig sein, brav sein! Kuschen! kuschen! (Der Löwe duckt sich.) Papageno! wo bist denn!
Papageno (kömmt heraus). Was befehlen Dieselben?
Sarastro. Bring's'Frühstück in den ägyptischen Salon. Nichts Neu's? War Niemand da? Wo sind die babylonischen Zeitungen?
Papageno Hab' sie schon auf den Tisch gelegt. Ein Fremder war auch da und hat herein gewollt.
Sarastro. Was? ein Fremder? wer? woher? was will er?
Papageno. Ich weiß nicht. Er sagt, er ist ein Gelehrter.
Sarastro Brav, brav! Ein Colleg vielleicht! Kommt Kinder, geh'n wir zum Dejeuner! Lowerl, komm, komm! (Alle ab. Tamino, Flöte blasend, hintendrein.)
Monostatist (läuft von der Seite herein). Lied.
(Melodie: »Alles fühlt der Liebe Freuden«.)
Heute komm ich wieder g'laufen
In dem allerschnellsten Schuß,
Daß ich kaum noch kann verschnaufen.
Weil ich spioniren muß.
Denn die Frauen, ja die müssen –
B'sonders meine Königin –
Was es immer gibt gleich wissen,
Und d'rum muß ich üb'rall hin.
Ganz besonders zu erfragen.
Was in diesem Haus geschieht,
Muß ich ihr gleich Nachricht sagen –
Das ist stets das alte Lied.
Und, daß sie kein Mensch kann leiden,
Hab' ich mir schon oft bedacht,
Jedermann will sie vermeiden,
Weil sie ist die schwarze Nacht!
Die verflixte Lauferei da wird mir schon bald zu arg. Natürlich, weil sie am Tag nichts sieht, muß ich herumlaufen wie ein Narr, um ihr zu rapportiren. Königin der Nacht! – Von einer Königin des Tages hab' ich noch nie was gehört. Aber irr' ich nicht, so nennen die Dichter die Sonne so. Jetzt muß ich ein bißl speculiren, was da drin beim Herrn Schwiegersohn vorgeht – (eilt hinaus und stößt an Casperl, der auf derselben Seite hereinläuft; beide fallen unter dem Geschrei »der Teufel« um).
Monostatist (aufstehend). Das wär' des Teufels!
Casperl (aufstehend). Das wär' des Teufels!
Monostatist (den Casperl von unten bis oben betrachtend). Ei was nicht gar!
Casperl (ebenso). Ei! wär nicht übel! Ich hab' ja auf der Dult schon schwarze Menschen g'sehen. Der ist vielleicht so ein Dult-Indianer.
Monostatist. Der ist ja ein Hanswurst. Dessen hab' ich ja schon mehrere geseh'n. Darf ich fragen?
Casperl. Darf ich so frei sein? Sie zuvor!
Monastatist. Ich hab' die Ehre, bin ein Mohr.
Casperl. Ihnen zu dienen, mein Vielwerther: Ich bin ein reisender Gelehrter.
Monostatist. Ei, dieß find' ich unendlich heiter, Doch sprechen wir in Prosa weiter.
Casperl. O eine gute Prosa ist immer ein schöner Styl.
Monostatist. Und was ist das Leben an und für sich schon prosaisch!
Casperl. O sehr, ja.
Monostatist. Sie sind also ein reisender Gelehrter?
Casperl (vornehm). Theils reisend, theils gelehrt, je nachdem die Jahreszeiten.
Monostatist. Da sind Sie hier am rechten Orte; denn der eigentliche Bewohner dieses Hauses ist ein Magier.
Casperl Schlipperment; was ist das für ein Thier?
Monostatist Weniger Thier, als so eine Art Kartenschlager und Zauberer; allein er ist schon etwas altersschwach und lebt so zu sagen im Austrage bei einem mediatisirten Prinzen.
Casperl Also ein Austrägler? – Hat er's gut?
Monostatist Gar nicht übel. Aber Ein Umstand ist dabei fatal.
Casperl. Ha! ein Umstand? O, es gibt verschiedene Um- und andere Stände.
Monostatist. Er
Casperl. Wer? –
Monostatist. Nun Er
Monostatist. Ja. Er hat eine Feindin, meine Herrschaft, nämlich: die Königin der Nacht. Die haßt ihn, weil er ein Freund des Lichtes ist.
Casperl. Er möchte ihr also bisweilen »ein Licht aufzünden.« Ich verstöhe! – Und sie möcht' »alleweil im Dunkeln munkeln« – –
Monostatist. Man sieht, daß Sie ein Gelehrter sind; denn Sie gehen gleich auf die Verhältnisse ein.
Casperl. Erlauben Sie: Ich befind' mich jetzt zum Beispiel in dem Verhältnis, daß ich Etwas zu essen und zu trinken möcht'.
Monostatist. Sehr begreiflich. Nun, um Ihren Zweck zu erreichen, treten Sie ein in das Haus. Geben Sie sich als Gelehrten zu erkennen, geben Sie dem Magier ein geheimes Zeichen, dann hält er Sie für einen Freimaurer, und die kriegen Alles, was sie wollen.
Casperl. Vielleicht auch Schläg', die ich nicht will?
Monostatist. O nein, gewiß nicht. Nur ein geheimes Zeichen.
Casperl. Aber was für ein Zoichen?
Monostatist. Einen Fußtritt oder so Etwas dergleichen.
Casperl. Auf so Etwas kommt's mir nicht an.
Monostatist. Läuten Sie nur dreimal an der Glocke und rufen Sie: Abracadabraburubu!
Casperl. Gut! es sei! Ich will Ihrem schwarzen Rathschlusse folgen.
Geht an's Haus, schellt dreimal und ruft: »Abracadabraburubu!» (Das Thor springt unter einem furchtbaren Donnerschlag auf und Casperl fällt hinein. Das Thor schließt sich.)
Monostatist. Ha, ha, ha! – Gut. Jetzt kann sich wieder eine Confusion entwickeln, welche meiner Gebieterin Spaß macht. Schnell zu ihr! Mond verstecke Dich dazu! (Ab.)
Salon,
ägyptisch möblirt. Sphinx als Canapee. Ein goldenes Notenstehpult, auf welchem Notenblätter liegen. Auf einem Tische steht ein Caffee-Service. Aegyptische Gefäße. Sarastro. Pamina. Tamino (mit Flöte) und der Löwe treten ein.
Sarastro. So, Kinder! Jetzt lassen wir uns den Caffee schmecken. Oder haben wir vielleicht heut' eine Cactussuppen? Die ist gut für'n Magen.
Tamina. Nein, Papa. Heute gibt es Cocusnußmilch mit Vanille.
Sarastro. Ah, die laß' ich mir gefallen. Die schmeckt mir. Aber weißt, Taminerl, was ich wieder a mal zum Voressen möcht'?
Tamina. Nun, was denn, Papa.
Sarastro. Ja, Crocodillern in der sauren Rahmsauce.
Pamina. Die sollen Sie morgen bekommen. Ich glaube, wir haben noch ein paar Töpfchen Conserve aus Aegypten.
Sarastro. Brav, brav! – Aber jetzt muß uns der Tamino zum Frühstück wieder ein Stückl vorspielen aus der Zauberflöten.
Tamino. Mit Vergnügen, wenn's meinem lieben Paminchen angenehm sein kann.
Pamina. Ich finde eben doch die Zauberflöte etwas veraltet. Etwas Neues einmal!
Sarastro. Ja, er kann aber nichts anders.
Pamina (zu Tamino). Du solltest doch endlich einmal etwas Neues von Richard Wagner einstudiren.
Tamino. Ei, was denkst Du! Der ist mir viel zu schwer!
Sarastro. Nein, und ich bedank' mich für die Confusion. Da könnte Unser Einer närrisch werden.
Tamino. Ja, und gar keine Melodie. Der genre geht gar nicht für Flötensolo.
Pamina. Ihr seid beide veraltet; ihr geht nicht mit dem Zeitgeist; auch in der Musik nicht.
Sarastro. Laß mich in Ruh' mit dem Zeitgeist! Wir bleiben beim Alten; gelt, Tamino?
Tamino. Das versteht sich. Wir beide –
Sarastro. So geh, fang' einmal 's Blasen an. (singt.) Dieß Bildniß ist bezaubernd schön« – Das ist doch gewiß eine schöne, gefühlvolle Arie! und noch dazu Dir gewidmet, Pamina.
Pamina. Ja, aber damals haben wir uns noch nicht näher gekannt, Tamino und ich. Ich höre sie aber auch jetzt noch immer gern.
Tamino (fängt zu blasen an; Plötzlich wird es dunkel). Ich sehe die Noten nicht mehr. Die Frau Schwiegermama kommt, glaub' ich.
Königin der Nacht (tritt ein). Ich wünsche recht guten Morgen, meine Herrschaften.
Sarastro (für sich). Ist die auch wieder da!
Königin der Nacht. Ich wollte nur ein bischen zusprechen und sehen, wie's euch geht.
Tamino. Gut, gut, Frau Schwiegermaman.
Pamina. Guten Morgen, liebe Mutter. Mein Mann wollte eben ein Stückchen auf der Flöte spielen.
Königin der Nacht. Nun, daran will ich ihn nicht hindern.
Tamino. Ich seh' ja die Noten nicht mehr bei der Dunkelheit, die Sie immer mitbringen.
Pamina. Aber, lieber Tamino! Die Arie, mein' ich, solltest Du doch längst auswendig spielen können.
Königin der Nacht. Das meinte ich auch.
Tamino. Ich muß sie ja immer transponiren. Aus dem Es geht's nicht mehr. Ich muß die Flöte repariren lassen.
Sarastro. Nun so blasen's halt ein anders Stückl. »Der Vogelfänger bin ich ja« oder so was.
(zur Königin.) Nehmen's Platz, Frau Maman.
Königin der Nacht. Danke schönstens. Ich wollte nur im Vorüberschweben meinen Besuch machen. Ich muß jetzt auf einen Moment nach Indien, Nacht zu machen. Adieu, adieu! – Auf Wiedersehen!
Geht ab. Die Scene wird wieder hell.
Sarastro. Nun, Gott sei Dank! Jetzt sind wir der angenehmen Visite wieder los. Also, fang an, Tamino.
Papageno tritt ein.
Sarastro. Was denn schon wieder? Kann man nicht einmal ruhig frühstücken?
Papageno. Der gelehrte fremde Herr möcht' aufwarten.
Sarastro. Ach, das ist was anders. Herein damit!
Papageno ab. Gleich darauf tritt Casperl unter ungeheuern Complimenten ein und springt dem Sarastro auf die Beine, daß dieser »o weh« schreit. Zugleich stößt er von rückwärts das Notenpult um etc. etc.
Casperl. Ich habe die Oehre, g'horsamster Diener! (für sich) Nun, ich hoff', der hat das geheime Zeichen gemerkt.
Sarastro. Ich bitt' aber sehr – – wen hab' ich denn das Vergnügen – – ?
Casperl (springt ihm wieder auf die Füße). Ich bin, ich bin, wie? merken Sie denn nichts – ich bin Gelehrter und und und – no? no?
Pamina. Darf ich bitten, Platz zu nehmen.
Casperl. O sehr, aber auch etwas zum Essen.
Tamino. Wir sind gerade beim Frühstück.
Casperl. O ich stücke mit, wenn's erlauben.
Sarastro. Pamina, schenke dem Herrn ein!
Casperl. Brav, brav! Was gibts denn? Ich bin von meiner gelehrten Reise etwas bedeutend appetitlich aufgelegt.
Pamina. Ich kann Ihnen heute mit Cocusmilch à la Vanille dienen.
Casperl. Wa– wa– was sag'n Sie da?
Pamina. Cocusmilch à la Vanille.
Casperl. Co– co– co– co– cusmilch? Da muß ich bitten: Der Caffee ist mir unbekannt. (Versucht und schaut in die Tasse; spuckt aus und schlägt die Tasse etc. über den Tisch hinab.) Das ist ja ein miserables Gemantsch! Pfui Teufel!
Allgemeines »Ah, Ah« und Verwunderung.
Casperl. Ich bitte sehr – ich bin das nicht gewohnt.
Sarastro. Bedaure. (Zu Pamina.) Laß gleich einen Caffee für diesen Herrn machen. (Pamina ab.) Der Löwe brummt.
Casperl. Schlapperdibix! Sie, der Löwe! Da dank' ich.
Sarastro. O fürchten Sie nichts. Der thut nichts. Er ist ganz zahm.
Casperl. So? – Eine angenehme Gesellschaft, das!
Sarastro. Lassen's Ihne nicht stören. Der Caffee kommt gleich – –
Casperl. Ja – ich hoff's –
Sarastro. Einstweilen, Herr Professor, erlauben Sie, daß ich Sie mit unserem Kreise bekannt mach'. Ich bin eigentlich in Aegypten als gelehrter Magier etablirt und wohne in einer Pyramide mit dem Prinzen Tamino und seiner Gemahlin, die früher meine Haushalterin war. Wir leben still und zurückgezogen, weil man dem Prinzen seine Besitzungen geraubt hat, wie es in Aegypten bisweilen zu geschehen pflegt.
Casperl. Das kommt, scheint's, an andern Orten auch vor. Bei uns z'Haus heißt man's aber »Annexiren«.
Tamino. Nun hab' ich mich ganz dem Flötenspiel gewidmet, das ich früher aus Liebhaberei getrieben.
Casperl. Sehr merkwürdig, aber's Frühstück wär mir lieber.
Sarastro. Im Sommer bei der schönen Jahreszeit da ziehen wir nach Europa herüber, weil ich eine Kur für meinen Unterleib gebrauchen muß. Ich trink' nemlich Karlsbader Wasser oder Kissinger.
Casperl. Ich möcht' aber wirklich jetzt auch einmal Etwas zu trinken. Das ist keine Manier, einen so sitzen zu lassen! (Schlägt auf den Tisch.) Haben Sie denn moin geheimes Zeichen nicht begriffen?
Sarastro. Welch' ein Zeichen?
Casperl. Sie haben einen harten Begriff, wie es scheint.
Springt wieder auf ihn.
Sarastro. Oho, oho! Wie kommen Sie mir vor?
Tamino. Mein Herr, was sind das für Manieren?
Casperl. Hungerige und durstige Manieren!
Tamino. Aber eines gebildeten Mannes und eines Gelehrten noch überdieß – höchst unwürdig! –
Casperl. Auch ein Gelehrter hat einen Magen, Sie flautotraversistischer Prinz!
Sarastro. Ach! Da kommt ja der Caffee!
Pamina tritt ein mit einer Platte, auf welcher Caffegeschirr steht.
Casperl. Nun, das ist aber Zeit gewesen!
Springt gegen sie zu. Zugleich tritt plötzliche Dunkelheit ein.
Königin der Nacht. Ich hab' euch nur auf dem Rückwege wieder meinen Besuch en passant machen wollen.
Casperl. Was ist denn das? Jetzt in aller Früh schon Nacht! her mit'n Frühstück!
Stößt an das Caffegeschirr, das auf die Erde fällt und bricht. Alle schreien zugleich.
Pamina. O weh! das Service!
Sarastro. Ist die auch wieder da!
Casperl. Das ist ja infam! Wo bin denn ich da?
Tritt dem Löwen auf den Schweif, der Löwe brüllt .
Tamino. Ruhe! Ruhe!
Allgemeines Geschrei. Möbel fallen um. Schlagen und Stoßen. Unter furchtbarem Lärm und Wirrwarr fällt der Vorhang.
Sarastro's Laboratorium.
Eine goldblechene Sonne hängt als großer Pendel in der Mitte rückwärts an der Wand auf einem breiten weißen Papierstreifen in Form eines Halbkreises die Himmelszeichen schwarz gemalt. Sarastro, in blauem Schlafrock, ein weißes Schurzfell um, sitzt auf einem Lehnsessel; in der rechten Hand einen Hammer.
Sarastro. Der Fremdling hat die Proben bestanden. Er hat die Dunkelheit besiegt und ist durch's Wasser gegangen. Ich will ihn aber noch genauer prüfen, ob er würdig ist, Bruder zu werden. (Schritte draußen.) Ah, Papageno bringt ihn.
Casperl, mit einem schwarzen Tuch verhüllt, wird von Papageno mit »links, rechts« herein – , ein paarmal im Zimmer herumgeführt vor Sarastro hingestellt und die Verhüllung abgenommen. Papageno tritt wieder ab.
Casperl. Da sind wir; aber was sind denn das für Faxen? Ich hätt', glaub'ich, so auch 'reing'funden.
Sarastro. Still! kein Wort! Schweigen – ist die Hauptsache. Ihre mündliche Prüfung beginnt, wenn es Ihre Absicht bleibt, in den geheimen Bund der Freimaurer einzutreten.
Casperl. Ja, wer hat Ihnen denn so was gesagt? Ich weiß kein Wort davon. Ich mag überhaupt kein Handwerk lernen, auch die Maurerei nicht.
Sarastro. Stille! Verschwiegenheit ist die erste Tugend des Bruders. Nur auf meine Fragen haben Sie zu antworten.
Casperl. Wenn ich mag. Ich möcht' vielmehr – –
Sarastro. Still! Vernimm ehrwürdiger Bruder: fühlst Du Dich stark genug, während zwölf Schwingungen des magischen Sonnenpendels hier, kein Wort zu sprechen?
Casperl. Auf den Spaß kommt's mir auch nicht an.
Sarastro. Nun, so stelle Dich an meine Seite.
Stößt an den Pendel, daß er sich in Bewegung setzt. Eins, zwei (zählt bis zwölf).
Casperl. Das ist aber sehr unterhaltlich. Gehen's, lassen's mich auch ein bißl.
Stößt immer heftiger an den Pendel, wobei er ungeheuer lacht.
Sarastro. Siehst Du, Bruder: dieß ist das berühmte Perpetuum mobile, welches ich hier in meiner Zurückgezogenheit erfunden habe. So lange die Menschheit existirt, d. h. so lange es Menschen gibt, kann dieser Pendel in Bewegung gesetzt werden, und wenn es keine Menschen mehr gibt, so ist es einerlei, ob er geht oder nicht mehr geht. Dieß ist der logische Beweis des großen Mysteriums. Was sagst Du dazu?
Casperl. Nichts; denn ich kenne ein noch wichtigeres Guheimniß. (Vornehm.) Auf dieser Welt Alles hat ein End; aber eine Bratwurst hat zwei End, wovon ein Jedes zugebunden ist.
Sarastro. Auch dieses Geheimniß ist groß und wenn Du es einmal in einer größeren Versammlung darlegst, wirst Du zum Ehrenbruder ernannt werden. Allein zur Zeit gebiete ich Dir darüber Stillschweigen und klopfe deßhalb mit dem Meisterhammer auf den Tisch. (Thut es.)
Casperl. Pumps! Das kann ich auch.
Schlägt mit dem Fuß auf den Tisch und den Sarastro auf den Kopf.
Sarastro. Bruder! Das mußt Du nicht thun. Der Schlag mit dem Hammer gebührt nur einem Meister vom Stuhle, wie ich bin.
Casperl. D'rum, mein Lieber, hab' ich meinen Fuß genommen.
Sarastro. Auch dieß ist Dir nicht erlaubt. Die nur Brüder und nicht Meister sind, müssen schweigen und stille halten.
Casperl. Ja, ich will aber nichts von der Bruderschaft wissen, verstanden ? Sie alter, langweiliger Meister vom Stuhl!
Sarastro Du hast Dich zu weit gewagt. Du bist in einen Theil unserer Geheimnisse schon eingedrungen und ich kann Dich nicht mehr zurück lassen. Nun heißt es für Dich: nur vorwärts, vorwärts, auf dem Pfade der Tugend und Weisheit! Verstanden?
Schlägt mit dem Hammer auf den Tisch.
Casperl. Ich bin mir so gescheidt genug. Verstanden?
Schlägt mit dem Fuß auf den Tisch.
Sarastro. Ruhig! Dieß ist in der geheimen Loge hier ein ungebührliches Benehmen. Bessere Dich!
(Schlägt mit dem Hammer auf den Tisch.)
Casperl (Schlägt mit dem Fuß auf den Tisch.) Ich bin mein eigener Herr!
(Nun schlagen Sarastro mit dem Hammer und Casperl mit seinem Fuß abwechslungsweise auf den Tisch; schließlich Casperl auf Sarastro, daß dieser bewußtlos vom Stuhle herabfällt.)
Casperl. So, jetzt bist Du auf einige Zeit still und verschwiegen, alter Esel. Unterdessen möchte ich mich aber aus dem Staub machen; denn das ist eine schauderhafte Familie, in die ich gerathen bin. Die Leute leben nur von Reis, von eingemachten Crocodilschweifeln und lauter solchen ägyptischen Speisartikeln; dann muß man den ganzen Tag das langweilige Flötenspiel des Prinzen Stramino hören und alle Augenblick kommt die Frau Schwiegermama in die Visite und da wirds immer gleich bockstechdunkel –
Königin der Nacht (tritt ein; es wird dunkel). Wie z. B . jetzt, mein Theurer, damit Sie in meinem Schatten fliehen können, bis der betäubte, edle Weise wieder erwacht sein wird.
Casperl. Oho! Sind Sie auch wieder da? – Aber wenn Sie mir dann zur Flucht aus dem langweiligen Nest behülflich zu sein so gefällig sein wollen, so möcht' ich auch bitten, daß Sie mir den Weg nach Haus zeigen.
Königin der Nacht.
Drei Fräulein, jung, schön, solid und weise,
Umschweben Dich auf Deiner Reise;
Sie werden Deine Führer sein,
Folg' ihrem Rathe ganz allein.
Morgenroth. Walddecoration wie im zweiten Acte.
Die drei Hofdamen der Königin. Casperl.
Erste Dame. Ein holder Jüngling sanft und schön!
Zweite Dame. So schön, als ich noch nie geseh'n.
Dritte Dame. Ja, ja, gewiß zum Malen schön.
Casperl. Was seh' ich da für drei Hexen steh'n? Ich komm aus der Zauberei gar nicht mehr hinaus. Meine schönen Damen, darf ich vielleicht fragen, womit ich Ihnen dienen kann?
Erste Dame. Unsre Königin hat uns befohlen, Dir den Weg zu weisen.
Casperl. Ich bitte sehr, ich kann allein schon reisen. (Für sich.) Das sind ja scheußliche G'sichter!
Zweite Dame Wir wollen gerne Dir gefällig sein.
Dritte Dame. Bleibt nur zurück, ich geh' mit ihm allein.
Casperl. O, bemüh'n Sie sich nicht. Ich war schon einmal in diesem Revier und kenn' mich ganz gut aus. Machen Sie sich gar keine Mühe. Am besten ist's, wenn Sie in das dunkle Reich zu Ihrer Gebieterin zurückkehren. (Will fort.)
Die drei Damen. Halt, schöner Jüngling, halt, halt –
Monostatist (tritt ihnen entgegen).
Zurückgeblieben! schöne Damen,
Gebt ihm ja nicht das Geleit!
Es ist schon zum Frühstück Zeit!
Chocolade gibt es heut!
Erste Dame. Ei, das ist doch sehr fatal!
Zweite Dame Er genirt uns jedesmal.
Dritte Dame.
Ach, müssen wir denn wirklich fort,
Von dem allerliebsten Ort?
Monostatist. Die Königin befiehlt's.
Die drei Damen und Casperl (singen) Melodie: Zauberflöte. Schluß Nr. 5.
Lebet wohl! Wir wollen geh'n,
Lebet wohl auf Wiederseh'n!
Damen ab mit Monostatist.
Casperl (allein; hochtragisch). Hier steh' ich jetzt, an Ehrfahrungen roicher! Ich habe meinen Menschenhaß gekühlt! – Ha, ha, ha! – Allein! Allein! – furchtbare Kluft zwischen der bewohnten Erde und der Einsamkeit des Tigers und seiner Brut an dem Fuße jener Spyramidengipfel, wovon mir der alte, weise Magier in seiner Einsamkeit erzählt hat! Menschheit! du sollst mich wieder haben! Vernimm es, du Eccho dieses Waldes! Ich kehre zurück in die Sturmfluth des Lebens! Hört es! hört es!
(Man hört draußen Löwengebrüll.) Ha! – Wer antwortet mir? Welches Geschöpf brüllt mir Jubel zu, oder jubelt mir Brüllen zu? Was seh' ich? – Schlipperment! Ich glaub' der Löw' verfolgt mich.' Ich bin verloren: G'schwind auf einen Baum!
Steigt auf einen Baum.
Löwe. Elender! Wo bist Du? Ich muß Dich verfolgen; denn Du warst es, der meinen alten, weisen Herrn auf den Kopf geschlagen hat – jedenfalls sehr beschädigt – wenn nicht getödtet; noch liegt er bewußtlos auf dem Boden. Der Prinz und die Prinzessin sind in Verzweiflung. Die Loge steht leer und traurig. Alle Brüder suchen den Missethäter. Wenn ich ihn treffe, so zerreiße ich ihn!
Casperl (schreit auf dem Baum oben. Zu Hülfe! zu Hülfe! Der Löw!
Löwe. Aha? Da oben bist Du! Ich werde Dich hier unten erwarten. In meinen Rachen selbst sollst Du stürzen, Elender!
Casperl. Auweh! auweh! helft's mir! schlagt's den Löwen todt!
Es fällt ein Büchsenschuß und der Löwe fällt um, Casperl zugleich vom Baume herab. Jäger Thomerl springt mit losgeschossener Büchse aus einem Gebüsche.)
Thomerl. Hab'n wir'n schon! Aber wie kommt denn die Bestie daher? Aus einer Menagerie vermutlich.
Casperl (springt dem Thomerl um den Hals). Retter meines Lebens! Thomerl! So seh'n wir uns wieder?!
Thomerl. Casperl! Du hier? Welches Wunder! Welche Verkettung von Umständen! Ich bin gerad' a bißl auf d' Jagd gangen und da lauft mir das Thier daher.
Casperl (in großartiger Rührung, erhaben). Welches Schicksal! Welche Fügung!
Thomerl. Nun aber gehörst Du wieder uns!
Casperl. Ja! ich bin wieder der Eure.
Thomerl. Laß uns zurückkehren in den Schooß Deiner Familie und Deiner Freunde!
Casperl Und meiner Gläubiger! –
Thomerl. Und diese Siegestrophäe, meine Beute, nehmen wir zum Einzuge und zum Staunen der ganzen Einwohnerschaft mit.
Casperl. Wenn auch der Löwe nur von Pappendeckel ist.
Thomerl. Thut nichts! – Wenn Maskenzug ist, so häng' ich die Löwenhaut um!
Casperl. So komm! – Komm!
Sie nehmen den Löwen und tragen ihn hinaus.
Polizeibureau (wie im ersten Aufzuge)
Actuar Griesmaier. Polizeidiener. Lärm hinter der Bühne.
Griesmaier. Schau'n Sie einmal hinaus, was das für ein Lärm auf der Gassen ist?
Polizeidiener. Sogleich, Herr Actuar. Es kommt vom obern Stadtthor herein. (Ab.)
Griesmaier. Es muß was ganz besonders sein, Heut' ist doch kein Schrannentag. (Schaut zum Fenster hinaus.) Da läuft ja die ganze Stadt zusammen!
Polizeidiener (tritt wieder ein). Herr Actuar, es ist kaum zum glauben. Denken Sie sich: der Herr Casperl Larifari zieht feierlich ein mit einem todten Löwen.
Griesmair. Mit einem Löwen? Ei, Sie sind nicht g'scheidt! Was fallt Ihnen ein?
Polizeidiener. Ich versicher' Sie auf Ehr', Herr Actuar; der Jäger Thomerl und der Casperl schleppen miteinander einen leibhaftigen Löwen in die Stadt.
Griesmaier. Das muß ich auch sehen. Geh'n wir gleich miteinander.
Director stürzt herein.
Director. Was gibt's denn da für Dummheiten? Sitzen wir grad' beim Schöppeln, läuft Alles vor'm Haus zusammen, ein Mordsg'schrei und 's heißt, der Casperl kommt zurück und bringt einen Löwen mit. Wie wär denn das möglich!? Dummheiten das! Geh'n wir alle drei gleich miteinander hinaus! Machen Sie nur 's Bureau zu; denn so was sieht man nicht alle Tag'. Die Herrn Assessoren sollen auch mitgeh'n.
Alle ab.
Stadtstraße.
Ungeheures Volksgetümmel. Im Hintergründe wird auf einem Wagen der Löwe heimgebracht. Kasperl. Thomerl. Jubelgeschrei. Allmälig wird es dunkel.
Casperl (schreit). Da ist der Löw'! Da ist er!
Polizeidirector. Wo ist der Löwe? Ich will's wissen!
Griesmaier. Ich seh' keinen Löwen, es ist ja ganz dunkel! Bringt's doch eine Latern'!
Stimmen. Fackeln her! Lichter her!
Casperl. Ja, es ist halt wieder die Königin der Nacht da. Die kenn ich schon. Da ist nichts zu machen.
Königin der Nacht (vortretend). Ja, ich bin's. Ich wünsch' dem geehrten Publicum eine recht gute Nacht!
Der Vorhang fällt.
Ende des Stückes.