Franz Graf Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Graf Pocci

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Kasperl unter den Wilden

Kulturhistorisches Drama in zwei Aufzügen

(1854/1858)

Personen

        Kasperl Larifari

Gerstlmaier, reisender Naturforscher

Zipflberger, Bürgermeister

Schneck, Nachtwächter

Ein Trommler der Bürgergarde

Neptunus, der Meergott

Mehrere wilde Insulaner in Trikot

Ein Krokodil

Ein Delphin

Erster Aufzug

Afrikanische Inselgegend,
im Hintergrunde
das Meer.

(Während der Ouvertüre, die eine stürmische Musik sein muß, geht der Vorhang auf. Furchtbarer Sturm, Blitz und Donner. Ein Schiff wird auf den Wogen hin und her getrieben. Es schlägt ins Schiff ein, das verbrennt und untergeht. Kasperl schwimmt auf den Wellen und steigt ans Ufer, während das Gewitter allmählich aufhört.)

Kasperl. Na, da dank' ich g'horsamst! Die Wasserpartie soll der Kuckuck holen! Wie mir nur eing'fallen ist, nach Amerika auszuwandern? Ja, richtig, weil mich mein Gretl so plagt und schikaniert hat. Eigentlich aber kann ich doch nix dafür, denn wie ich beim »Grünen Baum« am Hafen auf und ab gangen bin und schon wieder hab' umkehren wollen, hat mich ein Schiffskapitän beim Kragen packt und hat mir auf englisch, was i aber nit verstanden hab', g'sagt: »Ju, ju, most werden Matroserl, ei nimm ju auf mei Schipp!« I hab' g'meint, des »ju« bedeut't »Juhe«, und bin glei mitgangen, weil i mir dacht hab', da werd's lustig hergehn. Auweh zwick! Das ist aber bald anders word'n. Zuerst haben s' mir freilich ein' prächtigen Likör geben und ein Pfund Schinken und eine Portion gerösteten Walfisch und zwölf Haring, und da hab' ich ein' Rausch kriegt; ich weiß nimmer, war's der Walfisch oder der Branntwein, der mir in Kopf g'stiegen ist – kurz, wie ich wieder von meinem Dusl aufg'wacht bin, da hat der Kapitän schon mit einer Stangen in die See g'stochen g'habt, und ich war unter die Matrosen gepreßt, daß mir's Hören und Seh'n vergangen ist. Ja, das glaubt kein Mensch, was so eine Matrosenpresserei fürchterlich ist! Von allen Seiten wird man gedruckt. Na, da sind wir halt so fortg'fahren, oben blau, unten blau, nix als Himmel und Wasser, und wir mittendrin; mir ist's ganz blau vor die Augen word'n, und englische Prügel hab' ich auch g'nug kriegt, die tun gerade so weh wie die boarischen. Endlich, nach mehreren Tagen ist heut das Donnerwetter kommen, als wenn d'Welt untergehn wollt, und wir alle samt dem Schiff. Ein Blitz, ein Schlag – jetzt war's vorbei; Gott sei Dank, hätt' ich net 's Schwimmen g'lernt, wie s'mich amal aus'n Wirtshaus ins Wasser g'worfen haben, so hätten mich ohne Zweifel die Wellen des Ozeans verschlungen; – doch hier bin ich, gerettet – aber pudelnaß, wie aus'n Faß! Grausames Geschick oder eigentlich Ungeschick! Denn das ist doch eine Ungeschicklichkeit, wenn man so mir nix dir nix von den Wellen an ein unbekanntes Land geworfen wird! Ha, Verzweiflung! Denn da wird's schwerlich ein Wirtshäusel geben, die Gegend sieht mir nicht danach aus! Auweh! Da kommt schon ein ausgestopftes Krokodil auf mich losmarschiert! Ich mach' mich aus'm Staub. (Er läuft hinaus.)

Ein Krokodil (marschiert über die Bühne).

Einige Papageien (fliegen hin und her).

Zwei Wilde (kommen von verschiedenen Seiten herein).

Erster Wilder (mit Pfeil und Bogen). Kro, kro!

Zweiter Wilder (mit einer Lanze). Pu, pu, pu!

Erster Wilder. Mumulibutzili, Krokodilli!

Zweiter Wilder. Schiffi, schiffi, stechi, stechi!

Erster Wilder. Wuliwulipumdara.

Zweiter Wilder. Hungerli, nix fressi ganzi Tagi.

Erster Wilder. Ja, Diaboliverflixti.

Zweiter Wilder. Muri, schnuri, prdibixti.

Erster Wilder. Kokolimu, kokalimu.

Zweiter Wilder. Mu, mu!

Beide (gehen ab).

Professor Gerstlmaier (wie Robinson, mit einer Schürze von Palmblättern und einem großen roten Parapluie). Nun lebe ich schon ein Jahr auf dieser einsamen Insel unter dem achtundvierzigsten Grade südlicher Breite und widme mich unablässig dem Studium der Naturwissenschaft. Dank dem Zufall, daß mich die wilden Einwohner für ein höheres Wesen ansehen und als solches verehren; sonst hätten sie mich längst gefressen. Allein, das ist ja der Vorteil der Männer der Wissenschaft, daß sie stets von einem verklärenden Nebeldunste umhüllt sind und von den Laien im allgemeinen, im vorliegenden Falle in specie von den Menschenfressern, als Halbgötter angesehen werden müssen! Noch bin ich aber mit meinen Forschungen nicht zu Ende; unerachtet der genauesten mikroskopischen Beobachtungen gelang es mir noch nicht, zu entdecken, ob die Exkremente der Sepia annulata aus rein animalischen oder vegetabilischen Atomen bestehen, worüber ich bereits am achthundertsten Bogen einer ausführlichen Abhandlung arbeite. Noch ein paar Monate, und der preußische Dampfer Wiedebötel, der mich hier auf Staatskosten ausgesetzt, wird mich wieder abholen. Es bleibt mir also nur noch kurze Zeit für meine Forschung. Wie dem auch sei, jedenfalls kehre ich, reich an Erfahrungen, mit einer Sammlung von vierzigtausend naturwissenschaftlichen Objekten nach Europa zurück. – Ei! was seh' ich da kommen? Eine Art Papagei? Ein Psittacus formosus? – Die Spezies scheint mir neu. Ich will mich etwas verbergen und beobachten. (Er versteckt sich.)

Kasperl (tritt ein). Schlapperdibix! Das ist ja eine miserable Landschaft! Kein Wirtshaus weit und breit! Keine menschliche Seel'! Nix als Affen, Paperln und sonstige Menagerieviecher! Das ist ja zum Verhungern. Hätt' ich nit a paar Schnecken g'funden – leider ohne Sauerkraut! – so wär' ich schon hin. Mein Magen kommt mir jetzt schon vor wie ein leerer Tabaksbeutel; mein Unterleib ist schon so eing'schrumpft, daß ich gar nimmer weiß, ob ich jemals einen Bauch g'habt hab'! Ja, was wär' denn das? – Der Kasperl ist doch nit zum Hungern und Dursten auf der Welt! Ha – Schreckenszeit! Und wie komm ich denn wieder fort und nach Haus' zu meiner Gretl? Ringsum Wasser und nix als Wasser! Wenn's nur wenigstens Bier wär'; allein dieses heimatliche Getränk scheint hier gänzlich unbekannt zu sein. Mich kommt schier die Verzweiflung an! Auweh, auweh! Wenn ich verhungern müßt' – nein, das hielt ich nit aus, da ging' ich eher zugrund'! (Weint.)

Gerstlmaier (springt hervor und packt den Kasperl). Halt, du entkommst mir nicht!

Kasperl. Herrjemini! Was ist denn das?

Gerstlmaier (Kasperl festhaltend). Ein herrliches Exemplar.

Kasperl. Lassen S' aus oder ich schlag' aus!

Gerstlmaier. Ah, ich habe mich geirrt! Psittacus garrulus! Nur stillgehalten, Freundchen, bis ich dir die Flügel ein wenig gestutzt, damit du mir nicht mehr entkommst.

Kasperl. Was fällt denn Ihnen ein? Flügel stutzen? Ich bin ja kein Vogel.

Gerstlmaier. Das muß ich als Gelehrter besser wissen, wer du bist und zu welcher Spezies du gehörst.

Kasperl. Nix Spezis, ich bedank' mich für den Spezi, der mich stutzen will. Nix stutzen und nix duzen, heißt's bei uns zwei! Verstanden?

Gerstlmaier. Nun, du scheinst mir ein zahmes Exemplar, das vielleicht schon europäische Bildung genossen hat und wieder übers Meer hierhergeflogen ist.

Kasperl. Bildung hab' ich nicht genossen, aber Bratwürsteln und Blaukraut genug; nur hierzuland heißt's Hunger leiden. Jetzt aber: wie kommen denn Sie daher in die abgelegene Insel? Ich bin wirklich froh, daß ich eine menschliche Physiognomie seh', obschon Sie wie a Narr ausschaun.

Gerstlmaier. Es ist die Frage, wer der Narr ist. Er ist also wirklich kein Papagei?

Kasperl. Wär' nit übel! Ich bin nicht nur kein Papagei, sondern der Kasperl Larifari, pensioniertes Mitglied der europäischen Völkerwanderung und untergegangener Schiffsmatrose außer Dienst, nebenbei Privatier und Stiefelputzer; also, wenn's mich als Bedienten brauchen können oder so was, so steh' ich zu Diensten; aber ich seh' mehr auf gute Kost als auf schlechte Behandlung und viele Arbeit. – So, jetzt wissen S' alles, was S' zu wissen brauchen, und überhaupt, wenn Sie ein ordentlicher Gelehrter sein wollen, so geben S' mir a Maß Bier als Drangeld.

Gerstlmaier. Gut, gut – genug des Geplappers, drolliger Psittakus. Ich will dich in meine Dienste nehmen, denn ich werde dich wohl brauchen können in meiner Höhle.

Kasperl. Was, in der Höll'? Nein, ich dank', da drin mag ich nix zu tun haben, da is der Teufel und sein' Großmutter!

Gerstlmaier. Es ist ja nur eine Felsenhöhle, in der ich wohne und meine Sammlung von Naturalien aufbewahre.

Kasperl. So? Kapitalien hab'n S', das laß ich mir g'fall'n; bei einem Kapitalisten mag ich schon Budienter sein, da fallt bisweilen was ab.

Gerstlmaier. So sind wir einig. Ich bin dein Herr und du bist mein Diener.

Kasperl. Ja, ich bin von nun an Ihr Kammerdiener oder vielmehr Ihr Höhlendiener, weil Sie keine Kammer zu busitzen scheinen tun.

Gerstlmaier. Ich werde alles redlich mit dir teilen, obgleich die Bissen auf dieser Insel oft ziemlich schmal sind.

Kasperl. Und ich werde auch alles redlich mit Ihnen teilen, besonders weil ich nix hab'; denn sonst tät ich's selber b'halten.

Gerstlmaier. Nun kannst du gleich deinen Dienst antreten. Bleibe hier und warte, bis ich von meinem wissenschaftlichen Spaziergang zurückkehre, dann sollst du etwa meine Beute heimtragen.

Kasperl. Wenn Sie einen Beutel haben, in dem sich Geld bufindet, so können S' mir'n lieber gleich jetzt geben.

Gerstlmaier. Bleibe nur hier; sollten sich Einwohner dieser Insel nähern, so verstecke dich; denn du wärst verloren, im Falle sie dich entdecken würden.

Kasperl. Gehn S' nur zu, ich gib schon acht auf mich.

Gerstlmaier (geht ab).

Kasperl. Das hab' ich schon wieder g'merkt: des ist halt auch so ein gelehrter Hungerleider, wie mir s' z' Haus' genug haben. Die sind überall z'finden, sogar auf dieser Insel da muß so einer rumlaufen. Aber jetzt will ich ein bißl ausrasten, das warme Klima tut mir gar nit gut: ich hab' schon einen Schlaf, als wenn ich zwölf Maß Bier getrunken hätt'. (Er setzt sich, an einen Baum gelehnt.) So – ah! Da liegt man gar nicht übel auf dem indianischen Moos, so weich, wie – im – Feder – bett. (Er schläft ein.)

Die beiden Wilden (schleichen herbei).

Erster Wilder. Kro, kro, kro!

Zweiter Wilder. Pu, pu!

Erster Wilder. Witzliwuzi.

Zweiter Wilder. Wuziwitzli.

Erster Wilder. Stritzliwixi.

Zweiter Wilder. Karamalomilapitschipatschiwatschi.

Erster Wilder. Witschiwatschi.

Die Wilden (fallen mit Geschrei über Kasperl her.)

Kasperl. Auweh, auweh, die Menschenfresser! Herr Professor, kommen S' mir zu Hilf'! Auweh! Auweh!

Erster Wilder. Fressi, fraßi!

Zweiter Wilder. Guti Bissi!

Erster Wilder. Spißibrati!

Zweiter Wilder. Kro, kro, kro!

Die Wilden (schleppen Kasperl hinter die Szene).

Das Krokodil (kommt mittlerweile nieder und singt folgende Arie).

Ich bin ein altes Krokodil
Und leb' dahin ganz ruhig und still,
Bald in dem Wasser, bald zu Land
Am Ufer hier im warmen Sand.

Gemütlich ist mein Lebenslauf,
Was mir in' Weg kommt, fress' ich auf,
Und mir ist es ganz einerlei,
In meinem Magen wird's zu Brei.

Schon hundert Jahre leb' ich jetzt,
Und wenn ich sterben muß zuletzt,
Leg' ich mich ruhig ins Schilf hinein
Und sterb' im Abendsonnenschein. (Marschiert ab.)

Die Wilden (schieben eine Feuerstelle heraus mit flackernder Flamme, ein Bratspieß liegt darüber).

Andere Wilde (kommen noch dazu; unter schleppender Musik tanzen sie und singen folgenden Chor).

Spißi, Spaßi, Kasperladi,
Hicki, Hacki, Karbonadi.
Trenschi, Transchi, Appetiti,
Fressi, Frassi, Fetti, Fitti.

Schlicki, Schlucki, Kasperlucki,
Dricki, Drucki, Mamelucki,
Michi, Machi, Kasperlores,
Spißi, Spaßi, Tscha kapores.

Kasperl (wird an Händen und Füßen gebunden herausgeschleppt). Auweh, auweh! Potz Schlipperment, das wird mir zu arg. Ich bin ja ein Mensch und kein Kalbsbratl. Hört's auf, ihr rabenschwarzen, verdächtigen Individuen! Hört's auf! – Ich gelobe, daß ich nie mehr eine Maß Bier trinken will, wenn ich diesmal ungerupft durchkomm'!

(Furchtbarer Donnerschlag.)

Die Wilden (laufen auseinander).

Der Meergott Neptun (erscheint in den Wellen).
Ich habe deinen Schwur gehört,
Mit welchem Rettung du begehrt;
Sieh hier am Ufer den Delphin,
Er trägt dich übers Meer dahin.
Du kannst auf seinem Rücken schlafen,
Er bringt dich sicher in den Hafen.
Doch was du hast gelobet hier,
Den Schwur halt wohl und trink kein Bier.
Ich bin die Gottheit der Gewässer,
Das Wasser soll dir schmecken besser.
Dies sagt zu dir der Gott Neptun
Und kehrt zurück ins Wasser nun. (Versinkt.)

Kasperl (befreit von seinen Banden). Adieu, adieu, ich bedank' mich halt recht schön für meine Errettung aus den Händen und Rachen dieser menschenfleischappetitlichen, ungebildeten, indianischen Wildlinge! (Für sich.) Aber ang'führt hab' ich den Wassermayer doch! Ich hab' g'schwor'n, daß ich nicht eine Maß Bier mehr trink'; ja freilich, nicht eine, sondern möglichst mehrere, denn eine Maß hat mir ohnehin nie g'langt! Nun, auf! In das teure Vaterland! Mutig will ich diesen ausländischen Karpfen besteigen und mich seiner Entführung anvertrauen! Leb wohl, schönes Eiland, auf dem ich aber keine Eierspeis' 'gessen hab'! Leb wohl, Naturforscher! (Besteigt den Delphin der unter sanfter Musik mit ihm fortschwimmt.)

Gerstlmaier (erscheint auf einem Hügel am Ufer und schaut durch ein großes Perspektiv dem Kasperl nach).

Zweiter Aufzug

Stadt

Morgendämmerung

Schneck (mit Spieß und Laterne läuft herein und schellt an einer Haustür). Aufg'macht! Runterg'schaut! Aufpaßt! Weckt's den Burgermeister auf! (schellt immer stärker.)

Bürgermeister (mit der Zipfelmütze. öffnet ein Fenster und schaut herunter). Was gibt's da drunten? Was ist das für ein Spektakel? Wer untersteht sich, so an meinem Haus zu läuten, daß ich aus Schrecken beinah' aus 'm Bett g'fallen wär'?

Schneck. Ich bin's, Herr Bürgermeister.

Bürgermeister. Wer ist dieses unverschämte Ich?

Schneck. Der Nachtwächter is.

Bürgermeister. Was? Er ist es, Schneck? Was gibt's, was gibt's? Warum so früh eine Meldung? Hätt's nit später auch Zeit g'habt?

Schneck. Nein, nein! Kommen Euer Gnaden nur herunter, ich hab' was ungeheuer Wichtiges zu notiflixieren.

Bürgermeister. Wart Er nur, ich komme gleich hinab. (Macht das Fenster zu.)

Schneck. Sipperement, sipperement, das ist eine G'schicht'! Ich weiß gar nit, wo mir mein Nachtwachterkopf steht.

Bürgermeister (im Schlafrock). Also schnell, was ist besonderes g'schehn? Aber hätt' Er nicht das Ratskollegium zuerst aufwecken können? Warum mich aus meiner amtlichen Ruhe stören?

Schneck. Ich bin schon bei alle Ratsherrn gewesen; aber der Herr Rat Faßlmayer hat's Podagra und kann nicht auf; der Rat Wurstmüller hat sich gestern, wie er vom Bier nach Haus' gegangen ist, den Fuß überstaucht, weil er niederg'fallen ist; der Rat Grobhäusler ist im Kindbett', das heißt, seine Frau hat einen Buben kriegt, der kann nit aus 'm Haus, und der Marktschreiber ist gar nit hier; der ist gestern nachmittags ins Gäu fort und noch nit wieder z'ruck. Er muß ein paar Kälber kaufen, weil er zum Kirchtag Würst' braucht.

Bürgermeister. Das ist doch fatal, daß Gewerbe und andere Allotrias so oft mit den Amtsverpflichtungen kollidieren! Also schnell, was gibt's?

Schneck. Ja, Herr Bürgermeister, stellen S' Ihnen vor, wie ich da in der Zwielichten meinen letzten Nachtwachtergang mach' und über'n Markt geh', seh' ich auf einmal einen furchtbar großen schwarzen Klumpen ober mir in der Luft! Ich hab' glaubt, es is der Teufel, und hab' mich gleich unter ein Obstlerstandl versteckt. Pumps!

Bürgermeister (fährt zusammen). Erschreck' Er mich doch nicht so!

Schneck. Pumps hat's tan, und wie ich hinschau', ist ein großer Vogel auf und davon g'flogen und auf'm Pflaster ist eine Gewaltsfigur g'legen, die einen furchtbaren Seufzer getan hat.

Bürgermeister. Nun, und was weiter?

Schneck. Ich hab' mich vor Aengsten gar nimmer auskennt und bin davong'loffen. Nachher, wie mir nach und nach die Kuraschi wieder kommen ist, bin ich zu alle Ratsherrn rumg'rennt, na, das wissen S' ja, und zuletzt hab' ich Ihnen in meiner Todesangst aufgeweckt.

Bürgermeister. Allerdings ein furchtbares Ereignis, das unser gutes Städtlein betroffen hat! Da muß alles aufg'weckt werd'n. Der Stadttrommler soll gleich herumtrommeln und Alarm schlagen, der Stadttürmer soll blasen, was er kann, und an den Glocken anschlagen; lauf Er auch gleich zum Spritzenmeister, daß die große Feuerspritzen ausruckt; man kann nicht wissen, was g'schieht. Ich will unterdessen meinen Amtsrock anziehn; dann hol' Er mich wieder ab; denn unter solchen Umständen allein auszugehn, das könnt' gefährlich sein und wäre für den Bürgermeister auch nicht schicklich. So, jetzt lauf Er, was Er kann!

Schneck. Ich lauf' schon! Wenn mich nur das Ungeheuer nit frißt. (Ab.)

Bürgermeister (geht ins Haus).

(Unterdessen ist es Tag geworden. Bald darauf beginnt das Geläute vom Turm und der Turmwächter stößt ins Horn.)

Der Stadttrommler (marschiert über die Bühne und trommelt).

(Der Lärm wird immer ärger.)

Kasperl (läuft herein). Schlipperdibix! Das ist a Metten, ich kenn' mich gar nit aus! Zuerst hat mich der indianische Stockfisch übers Meer getragen; an der europäischen Küste i weiß nit wie's dort heißt – bin ich ausg'stieg'n, eigentlich abg'stiegen. Kaum hab' ich ein bißl ausrasten wollen, denn mir war steinübel von der Seekrankheit, weil ich auf'm Meer nix als Austern g'fress'n hab' – so ist auf einmal ein ungeheurer Vogel herg'flogen, hat mich bei der Hosen packt und ist mit mir auf und davon, bis er mich vor einer halben Stund' mitten in das Stadtl aufs Pflaster niederg'setzt hat, daß alles kracht hat. Jetzt fragt sich's: wo bin ich? Ich hab mich vor lauter Ueberraschung nit umg'schaut, und des Höllenspektakel macht mich ja ganz konfus. Ah, da kommt der Trommler wieder, den will ich fragen.

Trommler (nähert sich).

Kasperl. Heda, sind S' a bißl stad auf ein' Augenblick. Sag'n S' mir doch, was der Lärm bedeut't und wo ich bin?

Trommler. Da müssen S' den Spritzenmeister fragen oder den Nachtwachter. Nach'n Reglement muß ich 's Maul halten, wenn ich im Dienst bin. (trommelt weiter, abgehend.)

Kasperl. Schlipperement! Jetzt weiß ich soviel wie zuvor.

Nachtwächter (kommt, um den Bürgermeister aus seinem Hause abzuholen).

Kasperl. Heda! Guter Freund! Ich bitt' Ihnen, sagen S' mir doch – – –

Schneck. Pst, pst! Ich muß den Herrn Bürgermeister abholen, und da darf i nix red'n, weil ich im Dienst bin.

Kasperl. Bravo! Das sind a mal verschwiegene Leut'! Das heißt man das Amtsgeheimnis halten.

Bürgermeister (kommt mit dem Nachtwächter aus seinem Hause). Was ist da für ein verdächtiges Subjektum? Nachtwächter! Gleich verarretieren! – Ei, was seh' ich, das ist ja der Monsjö Kasperl! Wo kommen denn Sie wieder her aus der Fremd'?

Kasperl. Ah! Schnickerl, Schneckerl! Das ist ja der Herr Burgermeister Zipflberger! Juhe! Juhe! Jetzt bin ich also wieder z'Haus' und weiß net wie!

Bürgermeister. Die Madame Gretl hat schon sehr nach Ihnen geschmachtet, weil Sie so lang ausblieben sind. Die wär' vor Sehnsucht beinah' g'storben.

Kasperl. Ei was? Da wär' ich lieber noch ein' halbe Stund länger ausblieben!

Bürgermeister. Ja, sag'n S', wo war'n S' denn die ganze Zeit über?

Kasperl. Auf der Wanderschaft weit hinten übers Meer. (Vornehm tuend.) Zuerst war ich Matrosenhauptmann auf einem zwölfpfünder Dreimasterdampfschiff, dann war ich Seegeschöpf und Meerungeheuer; hierauf Insulaner, Naturaliensammler und Bratlaspirant; sodann wieder Seefahrer und schließlich Luftfahrer, bis ich mich in meine liebe Vaterstadt per posteriorem wieder niedergelassen habe.

Bürgermeister. Aber nein! Also sind Sie das Ungeheuer, das heute Nacht auf dem Marktplatze niederfiel?

Kasperl. Dasjenige, welches nicht nur, sondern auch –

Schneck. Die ganze Stadt in Alarm versetzt hat?

Bürgermeister (zu Schneck). Das heißt, weil Er ein Hasenfuß ist! Es ist erschrecklich! Was werden die Leut' von uns denken?

Kasperl. Vermutlich, was sie zuvor schon von dem hohen Magistrat gedacht haben: nix Rar's!

Bürgermeister. Genug davon! Nachtwächter, jetzt geh Er und sag den Alarm wieder ab. Ich meinerseits will die Einwohnerschaft beruhigen. (Geht ab.)

Kasperl. Und ich werde die Sehnsucht meiner Gretl beruhigen, aber zuvor will ich auf die vielen Strapazen nauf meinem Gevattersmann, dem Wirt »Zum blauen Bock«, einen interessanten Besuch abstatten. Dieser ernste bedeutungsvolle Gang ist mir vor allem von Wichtigkeit. Nachtwachter, und du gehst derweil zu meinem Gretl und bereitest sie auf die Rückkehr ihres getreuen Gatten vor. (Im Schauspielerton.) Sag ihr, ja sag ihr, wölchen unsöglichen Gefahren ich entgangen bin! Sag ihr, wie mein gattliches Hörz ihr aus dem »Blauen Bock« entgegenschlögt! Sag ihr, ihr sag, sag ihr, ihr sag, wie ich zittere und ziböbe im Hinblick auf den Rückblick des Wiederblicks unseres zörtlichen Wiedersöhens und der Umschlingung der weitausgebreiteten Umspannung der liebenden Arme treuer verhältnismäßiger Gattenliebe und öhelicher Umstände. O, sag ihr –

Schneck. Hör auf, Kasperl, das kann ich mir ja nit alles merken. Weißt was? Ich geh' mit dir ins Wirtshäusl; da kannst mir's besser explizieren, nachher gehen wir mit einander zu deiner Gretl und die muß uns ein'n Kaffee machen.

Kasperl. Einen Kaffee machen, sehr Kaffee mit einigen Brezeln und sonst noch was zum Eintunken. Juhe! Jetzt bin ich wieder z'Haus! Uebers Meer mag ich nimmer, ich bleib' ein ruhiger Staatsbürger und nähre mich redlich.

(Der Vorhang fällt.)

Ende.


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