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Der Retter Merodach
Der Arzt
Die Feuersbrunst
Heil der Barmherzigkeit
Stehend, die Arme auf der Brust gekreuzt, hörte Merodach die zweite Beichte Nebos.
Der Magier und Konfessor wollte sich nicht erinnern, daß er prophezeit hatte: jeder andere hätte zuerst gesprochen: »Ich habe es vorhergesagt.« Da er sich des höchsten Zartgefühls bewußt war, schien er sich nicht des ersten Zwiegesprächs und seines Wortes zu erinnern: »Ich bin bestimmt, die Leichenrede dieser Liebe zu halten.«
Nachdem Merodach einen Augenblick überlegt hatte, klingelte er dem Diener.
– Die Eile ist die ganze Kunst der Wandlungen. Laß dir einen Wagen, einen Fahrplan holen und steig in irgendeinen Schnellzug. Das übrige werde ich tun.
– Lieber Merodach, welchen Mißbrauch treibe ich mit deiner Ergebenheit: ich überlasse dir die ganze Arbeit, meine Torheiten wieder gutzumachen.
– Würdest du nicht auch meine wieder gutmachen? Wundere dich also nicht, geliebter Bruder, daß unsere Herzen einander wert sind.
– Ja, aber wo bleibt die Gegenseitigkeit? Niemals werde ich dir den demütigen Dienst erwidern können.
– Schweig, Nebo, ich muß dich sogar loben! Ja, das Wort spottet nicht, du bist furchtbar gestählt, denn du läßt hier nur deine Sinne: deinen Geist und deine Seele hast du gerettet.
– Wunderbarer Psychologe: du findest meinem Hochmut etwas zu sagen, wenn ich kläglich besiegt bin.
– Geistig bist du gerettet; seelisch wird dir nur eine unglaubliche Neigung zur Empfindsamkeit bleiben; körperlich bist du sehr krank. Du hast die Gewohnheit der Wollust angenommen; wenn du plötzlich Enthaltsamkeit übst, wird deine Einbildungskraft zur Prinzessin fliegen; du brauchst etwas abgestufte Hurerei, die sich stets vermindert. Diese Verordnung ist nicht nach meinem Geschmack; aber nachdem wir mit dem Leben einer Jungfrau gespielt haben, würden wir inkonsequent sein, wenn wir uns bei einigen Streichen aufhalten wollten, die mehr oder weniger unzüchtig sind. Kurz, ich hege keine Unruhe mehr über dich: als ich kam, hegte ich sie. Ich wiederhole dir, daß ich die Kraft deines Gehirns bewundere: bis zum Nabel macht sie dich frei. Mit halbem Körper bist du noch der Eingeweihte, der sich durch Gewissensqual heilt und dessen Herzensangst Barmherzigkeit wird.
– Mach, daß sie nicht stirbt!
– Ich bürge für ihr Leben.
– Mach, daß sie nicht wahnsinnig wird!
– Ich bürge für ihre Vernunft.
– Mach, daß sie mich nicht mehr liebt und nicht verzweifelt.
– Ich bürge nicht mehr.
– Ach, wie sehr wird sie leiden!
– Leiden die Somnambulen, wenn der Magnetiseur ein Sohn des Hermes ist?
– Aber es gibt stets ein Erwachen.
– Ich hoffe, daß der Lethestrom die Vergangenheit ertränken, sie bis ins Wachen überschwemmen wird.
– Du hast nicht die Tiefe einer solchen Leidenschaft ermessen, noch ahnst du die Kraft ihrer Wurzeln.
– Ich werde die Muße haben, sie zu messen. Schnell, kleide dich an, während ich das Werk der Austreibung beginne. Wo ist das Zimmer eurer Wollust?
– Im ersten Stock, neben dem florentinischen Kabinett.
Im roten Zimmer zündete Merodach die Dreifüße an und warf die heiligen Harze im Ueberfluß hinein. Während der reinigende Rauch emporstieg, riß er die purpurnen Behänge herab und zerfetzte mit einem Dolch die Bettücher aus roter Seide. Mit den ruhigen Gebärden eines Arbeiters, der sich ganz seinen Sachen widmet, zerstörte er die Ausstattung, mit der sein Bruder die Leidenschaft umgeben hatte.
– Ich flehe dich an, rief Nebo, der unvermutet hereintrat, warte, bis ich fort bin: hier ist etwas von meiner Seele verstreut, und du zerreißest mich, wenn du diese Schleier meiner Liebe zerfetzest.
Er brach in Schluchzen aus.
Merodach drückte ihn an seine Brust, ihn umarmend.
– Armer Bruder, Mut! Weine nicht über sie: ich werde sie selbst vom Schmerz erretten, wenn Gott dem Eingeweihten erlaubt, das zu erreichen. Bedauere nichts: die Wollust wirst du überall finden, und wenn du ein treues Herz brauchst, um dich zu stützen, wirst du an mein Herz kommen.
– Ach, mein Merodach, deine Augen sind voller Tränen, murmelte Nebo.
– Ich habe keine Geliebte, für die ich sie vergießen könnte: wem sollten meine Tränen fließen, wenn nicht dem geliebtesten meiner Brüder?
Man hörte den Wagen halten.
– Schwöre mir, bei deinem ewigen Heil: wenn der Blitz auf jeden deiner Schritte fiele, würde er dich nicht aufhalten, bevor du tausend Kilometer hinter dir hast.
– Ich schwöre es dir, geliebter Merodach.
– Ich begleite dich nicht bis an den Zug: wir sind Magier und werden nach einem Schwur nicht mehr schwach. Ich richte mich hier ein; ich erwarte die Prinzessin und werde sie heilen.
– Benoit, rief Nebo, Sie gehorchen Merodach wie mir selbst.
– Sie nehmen mich nicht mit, Herr? Ich bin gewöhnt, Sie zu bedienen, Herr …
Der alte Diener wurde bewegt.
– Mein armer Benoit, ich brauche deine Dienste hier, aber ich werde dich bald dahin rufen, wohin ich gehe. Ich danke Ihnen für alles, was Sie mir erwiesen haben, Benoit.
Er reichte dem Diener die Hand, welche dieser küßte, und stieg hinab, gestützt von Merodach, der ihn um die Taille faßte.
– Ich verdiene weder den Namen Magier noch deine Freundschaft, Merodach.
– Halte deinen Schwur, und du wirst Magier werden und Merodach so glücklich machen, daß er dir verpflichtet ist. Vorwärts, Bruder, lebe wohl! Umarme mich noch einmal … Siehst du, mein geliebter Bruder, der Geist allein liebt gut und immer.
– Dein Herz ist milder als das Herz der Frau. Sei gesegnet, Retter Merodach.
Als die Droschke in die nächste Straße eingebogen war, trat Merodach wieder ins Haus und sagte mit kurzer Stimme:
– Benoit, wir müssen sofort alle Spuren der Prinzessin vernichten und nach Ihrer Anleitung das ganze Haus wieder in den Stand setzen, den es hatte, als Paula Riazan zum ersten Male kam.
Die Wissenschaft ahmte die Leidenschaft nach: wie die Prinzessin die Reliquien des Kastens aus Sandelholz zerfetzt hatte, so zerriß Merodach alles in Stücke, was vom Fluidum der Leidenschaft durchzogen sein konnte: Behänge, Matratzen, seidene Hemden, alles wurde in dem Gärtchen zu einem Haufen Lumpen; den begoß er mit chemischen Mischungen, welche die Farbe verzehrten und die Stoffe zerfetzten.
Als er ins Atelier trat, konnte er einen Ausruf der Bewunderung nicht zurückhalten, als er den Thron, den Blumenaltar und die Inszenierung sah, die noch prächtig war: unter dem Staub glänzte noch der Schmuck des Idols.
– Welcher Künstler ist dieser Nebo! Ich begreife, daß er daran zweifelt, ich könne solche Erinnerungen vergessen machen.
Von Benoit unterstützt, bestrich er die ganze Wand mit Kalk, schleifte den Thron, schaffte den Altar fort.
Nach mehreren Stunden anstrengender Arbeit erklärte Benoit, es sei keine Spur der Prinzessin mehr zu sehen.
Der Magier legte sich nieder, nachdem er für seinen Bruder gebetet hatte.
Am nächsten Tage ging Merodach nicht aus, überzeugt, die Prinzessin erscheinen zu sehen, obgleich er wußte, daß sie sich strafen wolle, indem sie wartete, bis sie gerufen wurde.
Gegen zwei Uhr nachmittags sah er durch das Kirchenfenster des Kabinetts, wie sie die eiserne Pforte öffnete.
– Sie ist sehr schön, murmelte er.
Eilig stieg sie hinauf und war bestürzt, sich einem Unbekannten gegenüber zu finden.
– Wer sind Sie? Wo ist Nebo? fragte sie, bebend vor Angst, daß sie ein Unglück erfahren würde.
– Ich bin der beste Freund Nebos und möchte wissen, wo er ist, Prinzessin.
– Ach, mein Gott, sollte ihm ein Unglück zugestoßen sein? Aber nein, wenn er abwesend ist, so will er mich strafen.
– Sie sind also schuldig?
Sie sank auf einen Stuhl.
– Oh, ja, sagte sie mit tiefem Ausruf. Dann fuhr sie brüsk fort:
– Zur Sache! Ich brauche nicht zu beichten? Warum sind Sie hier?
– Aus demselben Grunde, aus dem Sie hier sind: Besorgnis.
– Was fürchten Sie? Was denken Sie? Sprechen Sie! Aber sprechen Sie doch! Wenn Sie wüßten, wie ich leide!
– Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen: Sie wissen doch, daß er Kommandeur von Tipheret Papus, Kabbala, Deutsche Ausgabe, Max Altmann, Leipzig. und Malchut Papus, Kabbala, Deutsche Ausgabe, Max Altmann, Leipzig. ist, in dem neuen Tempelorden.
– Ja und nein! Was bedeutet das für mich?
– Das bedeutet, daß eine geheimnisvolle Pflicht ihn vielleicht zurückhält und daß ich bekümmert bin, ihm nicht helfen zu können.
– Sie wollen ihm helfen? Und ich nicht? Sie sind sein Freund? Sie sind Merodach? Nun wohl, ich würde ganz einfach mein Leben für ihn geben.
– Es ist weniger nötig, um uns alle beide zu beruhigen.
– Liegt es in meiner Macht?
– Es liegt in Ihrer Macht.
– Sagen Sie's! Oh, sagen Sie's schnell, Herr Merodach.
– Nun denn, als Freundin Nebos wissen Sie, daß ein Magier, wenn er jemanden einschläfert, wissen kann, was aus einer Person geworden ist, wo sie ist, ob sie sich in Gefahr befindet?
– Ja, ja, ich habe eine Ahnung davon.
– Wollen Sie, daß ich Sie einschläfere?
– Aber, ich kenne Sie nicht, und wenn …
– Prinzessin Paula Riazan, blicken Sie mich an und sagen Sie, ob mein Eindruck Ihnen Vertrauen einflößt.
– Ja, Vertrauen, sofort und ganz.
– Bleiben Sie sitzen, auf die Lehne gestützt; erlauben Sie mir, Ihnen meine Hände auf die Stirn zu legen.
– Für Nebo alles, was Sie wollen.
– Haben Sie also den Wunsch einzuschlafen, wie ich den Willen dazu habe.
In einigen Minuten schlief die Prinzessin einen lächelnden und ruhigen Schlaf.
Merodach läutete nach Benoit.
– Die Prinzessin ist verloren, rief der Diener.
– Die Prinzessin ist gerettet! Schnell, einen Wagen.
Der alte Diener blieb vor Schreck mit offenem Munde stehen, als er sah, wie Paula mit dem Schritt eines Automaten die Treppe hinunterging, die Droschke bestieg und sich hinsetzte.
– Auf den Bock, Benoit.
Zum Kutscher:
– Haus Vologda.
Dort angekommen:
– Benoit, holen Sie Petrowna.
Als die Gouvernante an den Wagenschlag kam:
– Ich bin Nebos Bruder; Ihre Herrin war leidend, ich habe sie eingeschläfert; sehen Sie, sie atmet und sieht glücklich aus; erschrecken Sie nicht über ihren steifen Gang; sie wird Ihnen folgen, entkleiden Sie sie, bringen Sie sie zu Bett, während ich die Herzogin sprechen werde.
Nachdem der Kutscher fortgeschickt war, ohne daß er den seltsamen Zustand der Dame, die er gefahren, bemerkt hätte, erzwang sich Merodach vom Kammerdiener den Zutritt und trat bei der Herzogin ein, die ihre Mittagsruhe hielt.
– Verzeihen Sie mir dieses Eindringen: es handelt sich um Paula.
– Heh! Was? Ein Unbekannter, ohne angemeldet zu sein, während ich ruhe, und der ganz kurz »Paula« sagt.
– Sie wissen, Herzogin, fuhr Merodach fort, sich mit einer Ruhe setzend, welche die Witwe reizte, daß Ihre Nichte Nebo liebte, daß Nebo nicht heiraten wollte. Er ist eben fortgereist, sehr weit und sehr lange: die Vernunft, vielleicht das Leben der Prinzessin war in Gefahr. Ich habe sie eingeschläfert, ich richte mich bei Ihnen ein und werde erst gehen, wenn ich Ihnen sagen kann: Herzogin Vologda, Ihre Nichte ist Ihnen wiedergegeben.
– Meine Nichte ist eingeschläfert, das rettet sie, Sie widmen sich ihrem Heil? Ich begreife nicht!
– Und doch ist es einfach: Ihre Nichte wäre ins Herz getroffen worden durch Nebos Abreise; indem ich sie in Schlaf versetzte, habe ich ihr den Schlag erspart. Jetzt werde ich dafür sorgen, daß sie nach zehn Tagen scheinbarer Starrsucht erwacht und alles vergessen hat.
– All das ist so verrückt, daß man die Wache rufen möchte! Doch, ich kenne die Menschen und ich glaube Ihnen, so seltsam Sie auch sind.
– Nebo hat mir gesagt, daß Sie höher stehen.
– Sie bürgen für meine Nichte?
– Ich bürge für sie, wenn Sie mir unbeschränkte Vollmacht geben.
– Was verstehen Sie darunter?
– Das Geheimnis.
– Warten Sie, Sie gehören zu der Schar, die auf dem Wohltätigkeitsbazar Peladan, Einweihung des Weibes. so seltsam geschickt gehandelt hat?
– Ich bin ihr Haupt.
– Und Sie nennen sich?
– Merodach.
– Herr Merodach, nein, Herr paßt nicht … Merodach, ganz kurz, werde ich sagen, wie Sie Paula sagten: helfen Sie mir, mich zu meinem schlafenden Dornröschen zu schleppen.
Wenn Merodach gewußt hätte, welche Aufgabe er übernahm, hätte er gezögert. Zwanzig Tage lang wagte er sie nicht aufzuwecken. Dreißig Male reinigte er das Fluidum der Prinzessin, verhütete er, daß die Ausströmung der Leidenschaft erstarrte.
Endlich am einundzwanzigsten Tage, nachdem er ihr suggeriert hatte, sie sei krank gewesen, und er sei Arzt, weckte er sie auf.
O Wunder: keine Beschäftigung mit ihrer alten Liebe erschien in den ersten Stunden; sie glaubte, was ihr gesagt war.
– Es scheint mir, Doktor, daß ein Schleier über meinem Denken liegt. Ja, etwas Ernstes wird mir durch eine höhere Macht verborgen, und dieses Etwas treibt mich, auszugehen … Ich muß irgendwohin gehen … ich weiß nicht, wohin … aber ich werde direkt darauf zugehen … Wollen Sie der Kavalier meines ersten Ausgehens sein?
– Ja, wenn Sie als Genesende fügsam sind und auf mich hören, falls ich es für richtig halte, umzukehren.
Kaum auf der Straße:
– Nicht nach dort, nach hier, Doktor.
Sie schlug den Weg nach der Galvanistraße ein.
– Welch seltsame Idee, Prinzessin.
– Oh, es ist keine Idee, es ist eine Anziehung, die mich im Innersten packt: es ist dort etwas von mir, wohin ich strebe. Es ist sehr schwer auszudrücken; es scheint mir, daß ich nur die Hälfte meiner Persönlichkeit in Besitz habe: die andere Hälfte ist dort, wohin ich Sie führe.
– Seltsam! Morgen werde ich Sie begleiten, wohin Sie wollen: jetzt müssen wir umkehren.
– Oh, Doktor, ich bitte Sie … wenn Sie wüßten, wie ich angezogen werde … ich leide darunter.
– Morgen, Prinzessin.
– Wenn Sie wüßten, wie weh Sie mir tun, würden Sie es mir nicht abschlagen.
– Morgen werden wir zum Teufel gehen, wenn es sein muß: mein Ehrenwort als Arzt.
Ein Wagen fuhr vorbei. Er ließ sie einsteigen, fast mit Gewalt, und brachte sie nach Hause zurück.
Dort befahl er ihr, daß sie nicht ausgehen dürfe, und eilte nach der Galvanistraße.
– Benoit, von jetzt bis heute abend müssen Sie alles, was irgendeinen Wert hat, ausräumen und es zu mir, Rue Notre Dame des Champs, bringen lassen. Dann werden Sie zu Ihrem Herrn reisen.
Um Mitternacht desselben Tages war alles fortgeschafft und Benoit war abgereist.
Merodach unterzog das ganze Haus einer letzten peinlichen Durchsicht. Dann ging er ins Laboratorium und mischte lange. Einen Eimer in der einen Hand, einen Pinsel in der andern, durcheilte er das Haus und bestrich die Wände. Schließlich, kurz vor Tagesanbruch, zündete er einen kurzen Zunder auf dem Sims eines Rezipienten an und schloß alle Türen wieder.
Mit leiser Stimme sagte er:
– Herr, möge das Feuer auch die Asche der Liebe verzehren, die hier gehaust hat!
Er machte das Zeichen des Kreuzes über das kleine Haus, in dem ein ungewöhnlicher Lichtschein bereits an einem Fenster leuchtete.
Im selben Augenblick, als Merodach die Galvanistraße verließ, fuhr Paula plötzlich aus dem Schlafe und weckte Petrowna durch die Schreie:
– Feuer! Ich sehe Flammen! Sie verbrennen mich!
Als die Erregung vorüberging, glaubte sie, es sei ein Alp gewesen.
Geheimnisvoll besessen, kleidete sie sich an, und gegen acht Uhr morgens entwischte sie, um wie ein Pfeil direkt nach dem kleinen Hause zu schießen.
Eine Menschenmenge stand dort vor einem Haufen rauchender Asche.
– Das ist keine gewöhnliche Feuersbrunst, sagte ein Offizier der Feuerwehr; Chemie ist dabei! Eine Rache ohne Zweifel!
Ohne daran zu denken, daß man sie bemerkte, irrte Paula umher, durch dieses Unglück aus der Fassung gebracht.
Stumpfsinnig kehrte sie nach Hause zurück; Merodach erwartete sie.
– Nun, was hat Sie angezogen?
– Ich weiß nicht mehr.
Ein Schleier des Blödsinns fiel über ihre schönen Züge.
– Mein Gott, betete Merodach innerlich, mache, daß sie gerettet wird.
Nachdem er sie eingeschläfert hatte, gab er ihr die Erinnerung zurück. Dann legte er einen Brief Nebos, der die Vergangenheit fälschte, so weit es möglich war, auf ihre Knie und verschwand.
Einen vollen Monat sah man ihn im Hause Vologda nicht wieder.
Während dieses Monats handelte er aus der Ferne, indem er die geistige Wiedererlangung der Vergangenheit stufenweise steigerte.
Für immer traurig, war die Prinzessin eine zerbrochene Seele, aber mit dem Mut zu leben und der Hoffnung, eines Tages ihr verlorenes Paradies wiederzugewinnen, den Geliebten wiederzusehen, durch die Resignation ihres Schmerzes selbst und die Verdienste ihrer stolzen und edlen Witwenschaft.
Eines Tages meldete man den Magier.
– Er sendet mich, sagte er einfach.
Darauf:
– Er allein war bewußt, er allein ist verantwortlich. Ihr Schmerz zieht Unglück auf ihn herab: verzeihen Sie ihm?
– Er kommt zurück?
Ihre ganze Seele fragte in ihren Augen.
– Er kommt nicht zurück! Er fragt Sie, ob Sie wollen, daß er leidet, indem er Sie leiden läßt.
– Ich will, daß er glücklich ist, müßte ich auch daran sterben. Ich verzeihe ihm, ich segne ihn: bringen Sie ihm dieses Wort des Friedens.
Sie saugte ihre Tränen wieder auf und nutzte nicht die Rührung des Magiers aus, um eine einzige indiskrete Frage zu stellen.
– Merodach, Sie haben mich von der Verzweiflung gerettet! Sie sind zwei Male groß: Sie befehlen den Seelen und bleiben weich! Wollen Sie mir auf eine Frage antworten, die mich persönlich angeht, deren Beantwortung aber für die Wissenschaft Wert hat, für Ihre Wissenschaft, für Sie? Da ich mich nur verdient machen will, ohne zu handeln, um etwas zu erreichen, kann ich nicht, allein durch die Kraft meiner Seele, ein Werk der Magie vollbringen: kann ich einem abwesenden Menschen nicht von meiner Kraft, von meiner Jugend geben?
– Sie können es, Prinzessin.
– Wenn er krank wird, kann ich ihm einen Strahl der Gesundheit senden?
– Sie können es.
– Versprechen Sie mir, mich zu benachrichtigen, wenn etwas, das aus mir entspringt, ihm dienen könnte.
– Das verspreche ich Ihnen gern.
Plötzlich ergriff er ihre Hände:
– Sie sind meine Schwester: ich leide in Ihnen. Hören Sie mich! Sie haben den Stoff des Glücks verdorben; doch ich will Ihnen sagen, was Fräulein Merodach an Ihrer Stelle tun würde.
– O barmherziger Arzt der Seelen, bedenkst du, was du mir eben gezeigt hast? Das Geheimnis des Himmels bietest du mir!
– Höre, meine Schwester! Du bist eifersüchtig, eigensinnig, heftig gewesen: die Prinzessinnen beginnen alle so. Der Schmerz ist gekommen und hat dich gestählt. Heute würdest du nicht mehr drohen, ein Palimpsest zu zerschneiden; du würdest Nebo nicht mehr beim Kragen packen. Körperlich bist du fern von ihm; seelisch hast du einen ungeheuern Schritt auf das Ideal hin gemacht, von dem er träumt. Schweigend, gesammelt, bitte die Gottesfurcht, deinen Schmerz tragen zu helfen, und bemühe dich, die Frau zu werden, zu der er dich machen wollte, als du nicht auf ihn hörtest. Werde so, daß du sein lebender Traum bist; und du erwirbst die Macht eines Verhängnisses. Glaube mir, die Wissenschaft der Greise erstickt in mir nicht das Blut der jungen Menschen: ich sehe ebenso klar im menschlichen Herzen wie in den göttlichen Gesetzen. Wenn du die vollkommene Paula sein wirst, wirst du die glückliche Paula sein! Frage nicht nach der Zeit: ein Jahr, viel weniger, viel mehr, ich weiß es nicht. Dein Glück hängt von deiner Vervollkommnung ab: verliere nicht den Mut, du würdest Merodach zum Weinen bringen; und er hat nicht das Recht, sich die Augen zu verdunkeln, der bescheidene Magier.
– Geben Sie mir Ihren Segen.
Sie kniete nieder.
– Erhebe dich, Schwester: du stehst höher als ich, da du mehr leidest! Keine Salbung hat mir das Recht zu segnen verliehen.
– Ihre Barmherzigkeit ist das Werk eines Heiligen.
– Nein, meine liebe Prinzessin: ich bin nur der christliche Geliebte der schönen Seelen! Ich liebe dich für deinen Schmerz, wie ich Nebo für seinen Geist liebe.
– Nun, dann will ich dich segnen, lieber Wundertäter: Magier, du bist größer als ein Priester. Sei gesegnet: du hast Nebo von meiner Selbstsucht und meiner Torheit gerettet! Sei gesegnet: du hast die Prinzessin vor Selbstmord oder Wahnsinn bewahrt! Sei gesegnet, himmlischer Geist: du paarst in den Seelen die Barmherzigkeit und das Glück! Deine schönen Hände haben mir Nebo genommen: deine schönen Hände werden ihn mir wiedergeben, wenn ich ihn verdient habe!
MERODACH, DER RETTER.
Gedruckt für den Verlag Georg Müller in München
bei Mänicke und Jahn in Rudolstadt