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Die Barbarina.

»Damals tanzte die Barbarina auf seinem Theater, die hernach der Sohn seines Kanzlers heiratete. Der König hatte diese Tänzerin in Venedig durch Soldaten wegnehmen, und über Wien nach Berlin bringen lassen. Er war ein wenig in sie verliebt, weil sie Mannsbeine hatte. Was aber unbegreiflich war, daß er ihr 32 Tausend Livres Salarium gab. Sein italienischer Poet, den er die Opern, wozu er beständig den Plan selbst entwarf, in italienische Verse setzen ließ, hatte nur 12 Hundert Livres Besoldung; man muß aber auch erwägen, daß er sehr häßlich war und nicht tanzte. Mit einem Wort, Barbarini bekam allein mehr als drei Staatsminister.«

Barbara Campanini, genannt Barberina

Barbara Campanini, genannt Barberina.
Porträt von Rosalba Carriera.
Quelle: de.wikipedia.org

So mokierte sich Voltaire über das hohe Einkommen jener Tänzerin, die zu den berühmtesten ihrer Zeit gehört und mit der Friedrich II. recht intim tat. Bei Voltaire kam hier sein großer Neid und seine Habgier zum Vorschein. Und doch hatte er nicht so Unrecht, wenn er es tadelte, daß eine Tänzerin ganz anders honoriert wurde, als Männer, die wichtiger für den Staat waren. Das rechtfertigt wohl, wenn die Barbarina und ihre Beziehungen zum König näher betrachtet werden.

Sie hatte sich gleich im Beginn seiner Regierungszeit für seine neuerbaute Oper verpflichtet. Doch hatte ein reicher junger Engländer ein Verhältnis in Venedig mit ihr angeknüpft. Da wollte sie sich denn lieber heiraten lassen, als nach dem nordischen Berlin auf die Bühne gehen. Aber Friedrich II. zwang sie, ihren Kontrakt zu halten. So wurde sie gewissermaßen per Schub nach der preußischen Hauptstadt gebracht. Und dort mußte sie in den Zwischenakten der französischen Vorstellungen im Schloßtheater tanzen. Das war noch vor dem ersten schlesischen Kriege. Gleich bei ihrem ersten Auftreten soll sie durch ihr graziöses Wesen und durch ihre dezente Art gewirkt haben. Pikanter Gewaltsamkeiten soll sie sich nicht bedient, sondern nur einfache Mittel angewendet haben. Der König, der noch bis dahin wegen ihres Kontraktbruches böse auf sie gewesen sein soll, soll nach der Vorstellung geradezu entzückt ausgesehen haben.

Ueber das Aeußere der Barbarina hat ja Voltaire schon eine bissige Bemerkung gemacht. Sie hätte Mannsbeine gehabt. Unmöglich ist's ja nicht, daß gerade diese Eigenheit den König fesselte. Doch wird das allein ihn wohl nicht gereizt haben. Wird doch von ihr berichtet, sie sei eine richtige, echte, schöne und zierliche Italienerin gewesen. Groß scheint sie nicht gewesen zu sein, wenn auch Pesne sie groß darstellte – was andere nicht taten. Auch nannte sie ihr junger Engländer seine »kleine« Frau. Meist puderte sie ihr schwarzes Haar nicht – entgegen der Sitte der Zeit. Doch streute sie sich manchmal Brillantstaub auf die Locken. Ihr Benehmen wird südländisch lebhaft gewesen sein, soll sie doch eine große Geläufigkeit im Sprechen besessen haben. Auch muß sie eine bessere Schule genossen haben; außer ihrer Muttersprache konnte sie englisch und französisch, deutsch aber nicht, was ja damals in der gebildeten Welt auch nicht nötig war, wo alles französisch sich unterhielt. Da sie witzig, belesen und spottlustig war, wird sie wohl dem König sympathisch gewesen sein.

Die ganze vornehme Männerwelt Berlins war von ihr entzückt. Und auch viele Frauen. Ja, ihr Ruf ging bald durch die ganze gebildete Welt Deutschlands. Auf den Straßen blieb man stehen und sah ihr nach. Die Porträtmaler rissen sich um sie.

Das war die beste Gelegenheit für den König, um zu zeigen, daß er noch nicht ganz weiberfeindlich war – so wenigstens wird behauptet. Wer aber Friedrich den Großen genauer betrachtet hat, wird sagen müssen, daß es ihm gewiß gleichgültig gewesen wäre, wie in diesem Punkte die Welt von ihm dachte. Er hat sicher ein ziemlich starkes Interesse für die Tänzerin gehabt. Er hatte ihr zuerst applaudiert und war sogar auf die Bühne gegangen, um ihr seine Anerkennung auszusprechen. Er nannte sie seine charmante Barbarina und machte später Verse auf sie. Auch wurde er, der sonst sehr knauserig sein konnte, gegen sie verschwenderisch und behängte sie mit Brillanten. Das veranlaßte den ganzen Hof, ihr zu huldigen. Viele wollten ihr gefallen, um bei dem König gut angeschrieben zu sein. Widerlicher Devotismus zeigte sich – wie ja fast immer an Höfen.

Aber viele verehrten sie wegen ihrer Schönheit. Und sie soll nicht spröde gewesen sein. Allerdings soll sie schöne Offiziere vorgezogen haben, wenn sie bemittelt waren. Vom Bankier Ephraim Potsdamer aber nahm sie ein Kollier im Wert von 2000 Laubtalern an, ohne ihm mit mehr als mit einem Lächeln zu danken …

Ihr Haus in der Behrenstraße soll kein vereinsamtes und gemiedenes Heim gewesen sein.

Sie wurde aber auch vom König in Gesellschaft gezogen. Friedrich speiste wiederholt mit ihr auch an der sogenannten Confidenztafel gegenüber der Bittschriftenlinde im Potsdamer Stadtschloß in vortrefflicher Gesellschaft zu Abend oder er sah sie beim General Rothenburg nach der Oper. »Rothenburg«, schreibt der englische Gesandte Lawrence am 22. Januar 1746, »ist immer bei dem gegenwärtig, was die Franzosen » parties fines« nennen und wozu die Barbarina, Frau von Brand und die verwitwete Frau von Truchseß gehören …«

Bei Hofmaskenbällen hatte der König mit ihr sein tête à tête in ihrem verschlossenen Kabinett und trank mit ihr den Tee.

Von ihren Tanzkünsten sprach man noch dreißig Jahre später. Besonders aber von ihrem Auftreten in einem Divertissement. »Pygmalion und Psyche«, in der Ballettmeister Lang als Pygmalion, seine Frau als Amor und die Barbarini als Psyche tanzten. Eine »Erinnerung« meldet:

»So unverbesserlich die ganze Oper war, so ausnehmend schön war auch unter den Balletts die Vorstellung des Pygmalion mit seiner Psyche. Die so reizend gebildete Barbarini kam, durch den Fußboden aufs Theater geschoben, ganz allmählich, wie die Sonne, wenn sie am Morgen hinter den Gebirgen hervorkommt. Sie stand als verfertigte Statue des Pygmalion so leblos da, als wenn alles Blut in ihren Adern erstarrt wäre. Lang aber, ihr Pygmalion, tanzte so einnehmend um sie, und wußte den Göttern so lange zu schmeicheln, bis die empfindsame Venus sich zum Mitleiden bewegen ließ, und dieser Puppe, dem Abgott seiner Seele, das Leben gab. Sie fing an, sich zu bewegen. Die Bewegung stieg nach Graden eines göttlich eingehauchten Funken, welcher um sich griff, bis er eine Flamme ward. Beide tanzten alsdann aus Dankbarkeit gegen die Götter so bezaubernd, daß auch steinerne Schönen hätten erweicht werden mögen.«

Trotzdem sie also wohl künstlerisch ihre Umgebung überragte, ließ sich der König doch nicht soweit von ihrer Anmut hinreißen, ihre Schwächen zu übersehen. Als sie anfing große Schulden zu machen, verlor sie seine Gunst. Ihr zum Schabernack zog er andere, minderwertigere Tänzerinnen vor. Und als sie nach abgelaufenem Kontrakt abreisen wollte, ohne ihre Modistin zu bezahlen, legte ihr der König einfach Polizeibeamte in die Wohnung. Das wurde ihr lästig und sie zahlte. Sie reiste dann nach England, kam aber wieder und konnte den Mißerfolg ihrer Nachfolgerin auf der Opernbühne mit ansehen.

Zu ihren Verehrern gehörte, neben den Grafen Rothenburg und Algarottie, dem Ritter Chazot und vielen anderen Franzosen, Engländern, Italienern, Polen und Russen auch der Sohn des Großkanzlers Baron von Cocceji. Er war ein baumlanger und fast riesenstarker Mann, von sehr heftigem Temperamente. So oft Signora Barbarini tanzte, wußte er sich einen Platz dicht an der Bühne zu verschaffen. Seine Leidenschaft für die schöne Tänzerin ging sehr weit. Einmal, als sie einem neben ihm sitzenden Rivalen, wie er glaubte, freundlichere Blicke als ihm zuwarf, übermannte ihn die Eifersucht. Er ergriff plötzlich den Nachbar, hob ihn wie ein Kind in die Höhe und warf ihn der Signora auf die Bühne hinab. Der König war in seiner Loge. Er ließ ruhig fortspielen. Am anderen Morgen fuhr der alte Großkanzler in größter Bestürzung zum König. Friedrich begnügte sich, den jungen Brausekopf nach der Festung Glogau zu schicken – aber als Geheimen Justizrat im Jahre 1748. Er sollte von seiner Leidenschaft abkommen. Cocceji heiratete aber 1749 fünfundzwanzigjährig die Babarini; die so heiß begehrte Ehe dauerte auch vierzig Jahre, endlich aber ließ nach dem Tode des Königs die Barbarini sich scheiden und darauf 1789 zur Gräfin Campanini erheben. Sie besaß die schlesischen Güter Barschau, Porschütz und Polach, die sie einem Fräuleinstifte vermachte.

So endete eine gefeierte Schönheit, die so manchem ihrer Verehrer ihre Gunst geschenkt hatte, als Stifterin und Wohltäterin – wie so viele ihrer Art, wenn sie gute Rechnerinnen gewesen waren.

Daß sie ihren Ruhm nicht nur ihren künstlerischen Qualitäten, sondern auch den Qualitäten ihrer Erscheinung zu verdanken hatte, beweisen die zahlreichen Gemälde, die Pesne von ihr für den König malen mußte – bald als Venus, bald als Diana, als Nymphe, Pomona, als Bacchantin und in vielen anderen Entkleidungen, die soweit gingen, daß sie schließlich nur mit einem Siegelring bedeckt war. Diese Bilder voll saftigster Sinnlichkeit waren über alle Schlößer verteilt: ein Zeichen von ihrer Massenhaftigkeit, ein Zeichen, was sie Friedrich II. bedeutet hat.



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