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Die Scheinmätresse des ersten Preußenkönigs.

Wir sind gewohnt, die Zeit des Rokoko als die Zeit höfischer Etikette, Grazie und Prätiosität zu empfinden. Unsere schlichteren Höflichkeiten scheinen uns plump, verdorben und fast verroht.

Aber es ist doch einmal nötig, diese Meinung unserer Väter mit unseren eigenen Augen nachzuprüfen und unsere eigenen Gefühle und Ansichten als Maßstab an die Menschen des absolutistischen Zeitalters in Europa zu legen. Das absolutistische Zeitalter deckt sich ja etwa mit dem, das so voll schöner Förmlichkeit und Würde gewesen sein soll.

Der Hof Ludwig XIV., des Sonnenkönigs, war das glänzendste und vollendetste Beispiel. Und wie sah es da aus? Die krasseste Sittenlosigkeit konnte von allem Pomp und aller Etikette nicht verdeckt werden. Von ihm und seinen Mätressen ist ja genug bekannt. Und seine Hofleute gaben ihm nichts nach. Herzoginnen dinierten nackt in Herrengesellschaften und legten sich in öffentlichen Räumen ihren Geliebten in den Schoß. Vom Bruder des Königs schrieb eine an den französischen Hof durch Heirat verschlagene, ehrliche deutsche Prinzessin: »Er ist mehr auf Buben verpicht, als nie; nimmt Lakaien aus den Vorsälen … Außer meinem Sohn noch drei oder vier andere, sonst ist kein einziger, so nicht mit diesem Laster behaftet ist, verkaufen sich alle um Geld. Das Parterre von Oper ist wie ein Pferdemarkt. Da wählen sie, wen sie wollen. Man find't allerhand Preis.«

Die Schwester vom Prinzen Eugen ließ alle Abend das Theater nach wohlgebildeten Männern durchsuchen und gebar jedes Jahr einen Bastard.

Das alles waren Dinge und Vorkommnisse, die durchaus nicht als skandalös auffielen. Sie waren einfach alltäglich und durchaus nicht vereinzelt. Man braucht nur irgend ein Memoirenwerk oder Briefsammlungen und Reiseschilderungen aus jenen Jahrzehnten aufzuschlagen, um zu sehen, wie verderbt und mißleitet das Triebleben der Männer und der Frauen jener bewunderten Hofgesellschaften war.

Fast könnte man meinen, daß die Etikette und Eleganz eigentlich nur erfunden waren, um all die Widerwärtigkeiten zu übertünchen. Und selbst die Tünche hielt nicht überall dicht. Wenn sich edle Herzoginnen öffentlich ihrem Galan preisgaben …

Da war es nur zu natürlich, daß die Fürsten, die dem Sonnenkönig das selbstherrscherische Prinzip abgeguckt hatten, ihm auch im Hofleben nacheifern wollten. Und so sehen wir denn am Hofe des ersten Preußenkönigs auch eine Mätresse auftauchen.

 Friedrich I.

Friedrich I.
Gemälde von Antoine Pesne.
Quelle: de.wikipedia.org

Friedrich I. war eben nicht selbständig und begabt genug, um den Kern von der Schale trennen und nur das absolutistische System übernehmen zu können. Er war nun einmal kein großer Geist und machte alle Beschränktheiten seiner Zeit mit. Er war abergläubisch und ließ sich von einem italienischen Goldmacher düpieren – den er dann allerdings auch in Küstrin aufhängen ließ, anstatt die Schuld bei sich selbst zu suchen. Zwischen den Kriegen beschäftigten ihn nichts als hohle Lustbarkeiten. Und seine Frau Sophie Charlotte, die Freundin von Leibnitz, diese geistvolle, lustige, ja gern zu tollen Streichen aufgelegte Person sah er fast nur öffentlich. Während sie in Charlottenburg ein heiteres Hoflager hielt und nicht ohne Intelligenz manchen bedeutenden Kopf zu fesseln wußte, gab sich der König mit eitlem, selbstgefälligem und verschwenderischem Gepränge ab. Und dabei hatte er eine verwachsene, schwächliche Gestalt und fiel in Ohnmacht, als man ihm den Tod seiner Frau meldete.

So ist es denn wohl auch denkbar, daß er nur zum Schein, aus Repräsentationsgründen eine Mätresse hielt. Und doch muß hier ein leiser Zweifel gestattet sein, denn die Gräfin Wartenberg konnte manches bei ihm durchsetzen. Auch war er sehr häufig und meist stundenlang mit ihr zusammen, das deutet doch auf größere Intimität. –

Johann Kasimir Kolb von Wartenberg Catharina von Wartenberg

Johann Kasimir Kolb von Wartenberg und Catharina von Wartenberg.
Quelle: de.wikipedia.org

Die Gräfin Wartenberg hatte der König auf ihrer Hochzeit mit dem Grafen kennen gelernt. Der Graf hatte bekanntlich den ehrlichen und bedeutenden Kanzler Danckelmann, der wohl die Verschwendungssucht des Fürsten nicht mehr dulden wollte, in den höchsten Aemtern des Staates abgelöst. Pöllnitz berichtet von ihm und der Wartenberg auf folgende erbauliche Weise:

»Dies war Johann Casimir, Freyherr von Colbe, nachheriger Graf von Wartenberg. Er war schon bey Lebzeiten des Churfürsten Friedrich Wilhelm im Gefolge der Pfalzgräfin von Simmern, einer Tante Friedrichs I. am Hofe erschienen. Colbe war damals noch jung, schön und wohlgewachsen. Seine angenehme Gestalt, sein Anstand, seine Manieren zogen Friedrichs Aufmerksamkeit auf sich. Er wünschte ihn an sich zu ziehen. Allein Colbe stand damals mit der Prinzessin von Simmern in Verbindungen, die ihm nicht erlaubten, sich von ihr zu trennen. Er kehrte also mit ihr nach der Pfalz zurück. Da sie aber kurz darauf starb, kam er wieder nach Berlin zurück. Friedrich Wilhelm ernannte ihn zum Staatsrat, und nach dieses Fürsten bald nachher erfolgten Tode machte ihn Friedrich I. zum Schloßhauptmann und ersten Stallmeister. Colbe war immer demütig und einschmeichelnd, und stellte sich dabei, als ob er sich ganz und gar nicht in Staatssachen mische. Dadurch erwarb er sich bald die Freundschaft des Oberpräsidenten, der viel zu seiner Erhebung beitrug. Es war damals gerade die erste Stelle bei Hofe durch den Tod des Oberkämmerers, Grafen von Dönhoff erledigt. Der junge Günstling erhielt sie. Mit derselben verband er in der Folge noch die Stellen eines Premierministers, Oberstallmeisters, Oberhofpostmeisters und Curators aller Universitäten und Akademien. Auf Ansuchen des Kurfürsten erhob ihn der Kaiser auch in den Reichsgrafenstand. Er legte hierauf seinen bisherigen Namen ab, und nahm von einem alten Schlosse, das er in der Pfalz hatte, den Namen eines Grafen von Wartenberg an. Alle diese Ehrenstellen und Würden machten ihn indessen nicht im geringsten stolz. Nie trieb wohl ein Minister seine Bescheidenheit und Höflichkeit so weit als er. Seinem Herrn aufrichtig zugetan, arbeitete er unablässig für den Ruhm desselben. Ob er gleich kein Genie vom ersten Range war, so beurteilte er die Dinge doch ungemein richtig, und man sah ihn nie einen Fehler gegen die Politik begehen. Sein Herz war sanft und zum Wohltun geneigt. Hätte seine Gemahlin weniger Ehrgeiz oder er für sie weniger Gefälligkeit gehabt, würde er allgemein geliebt worden sein. Diese Frau spielte damals am Hofe eine zu große Rolle, als daß ich sie hier so ganz mit Stillschweigen übergehen könnte. Sie war aus Emmerich im Herzogtum Cleve gebürtig. Ihr Vater hieß Ricker und war ein Schiffer. Er hielt eine Winkelschenke, wohin seine zwei Töchter die Gäste anlockten. Der Kammerdiener des Kurfürsten, namens Biedekap, hörte in Cleve von der Artigkeit dieser beiden Mädchen sprechen, und war neugierig genug, sie zu besuchen. Er verliebte sich bald in die Aelteste, Katharine, und heiratete sie. Als er sie nach Berlin brachte, gefiel sie dem Herrn von Colbe. Er erklärte ihr bald seine Liebe und ward erhört. Sie bekam hierauf zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, die Biedekap gutherzig auf seine Rechnung nahm. Dieser gute Ehemann starb endlich. Der Herr von Colbe ersetzte hierauf bald seine Stelle. Seine Vermählung ward im Beisein des Kurfürsten im Hause des ersten Kammerdieners desselben gefeiert. Ich weiß nicht, durch welche Reize die Neuvermählte sich die Gnade des Kurfürsten zu erwerben wußte. Soviel aber ist gewiß, daß er von diesem Tage an eine gewisse Achtung für sie hatte, aus welcher man schließen wollte, daß sie ihm nicht so ganz gleichgültig sei. Ich hingegen kann mit Gewißheit versichern, daß er nie wahre Zuneigung zu dieser Frau gefühlt hat. Ich will die eigenen Worte hier anführen, die ich ihn einmal selbst in Ansehung dieser Frau habe aussprechen hören. Es war in einem von den Augenblicken, wo der Kurfürst auf den Herrn von Colbe übel zu sprechen war, und wo er sich gar nicht verstellen konnte. »Ich weiß es recht gut«, sagte er, »daß man in dem Wahne steht, als lebte ich mit der Gräfin von Wartenberg in heimlichem guten Vernehmen; aber ich beteure es hier vor Gott, daß es falsch ist, und daß sie mich auch selbst nicht ein einziges Mal in Versuchung geführt hat.« Auch sprach ich einst mit der Gräfin von Wartenberg im Haag von den verflossenen Zeiten. Ich zählte ihr im Scherze alle ihre ehemaligen Verehrer her, und führte darunter auch den König Friedrich I. auf. Allein sie fiel mir gleich ins Wort und sagte: »O, was den König betrifft, da irren Sie sich. Es ist nie etwas zwischen ihm und mir vorgefallen. Da ich Ihnen die übrigen eingestehe«, setzte sie hinzu, »so würde ich ihnen dieses umso weniger leugnen, da es unstreitig wohl die ehrenvollste Eroberung gewesen wäre.«

Diese beiden Zeugnisse von zwei Personen, die doch wohl einzig dabei interessiert waren, haben mich gelehrt, nicht immer nach dem äußeren Scheine zu urteilen. Und doch ist auch soviel gewiß, daß diejenigen, welche von dem Umgange des Kurfürsten mit der Frau von Colbe ungünstig urteilten, zu entschuldigen waren. Er bewies ihr wirklich außerordentlich viel Achtung, welches umsomehr Verdacht erregen mußte, da sie weder schön war, noch Verstand oder feine Manieren und Sitten oder sonst etwas Einnehmendes im Umgange hatte. Dies kam aber unstreitig daher, daß er so sehr an ihren Mann gefesselt war, daß er nicht zuviel für die Frau tun zu können glaubte. Er ließ daher sogar ihre Kinder erster Ehe zu Reichsfreiherrn erheben, worauf sie den Namen von Aspach annahmen, der so wenig berühmt als ihr voriger war. Dies geschah zu eben der Zeit, da der Herr von Colbe Graf wurde. Diese Grafen- und Freiherrntitel verdrehten nunmehr der Frau von Colbe, die ich von nun an die Gräfin von Wartenberg nennen werde, gänzlich den Kopf. Es gab wohl nichts so Lächerliches, auf das sie nicht täglich verfiel.«

Wenn auch Pöllnitz meint, die Wartenberg sei nicht schön gewesen, so muß sie doch irgend einen Reiz gehabt haben, der die Männer bezwang. Sonst hätte sie der Kammerdiener Biedekap, der sie doch auch gewiß so haben konnte, nicht aus der Schenke ihres Vaters weggeheiratet. Und sonst wäre ein Mann, dessen Manieren und Geschmack besonders gerühmt werden, wie Graf Wartenberg nicht auf sie hereingefallen – ebenso wie zahlreiche andere Männer und wie auch bis zu einem ziemlich kompromittierenden Grade der König – der allerdings nicht durch große Geistesgaben angezogen zu werden brauchte, denn selbst die sprühende Intelligenz seiner Frau fesselte ihn nicht.

So müssen denn wohl andere Gründe mitgewirkt haben, die Wartenberg so begehrenswert zu machen, daß der sonst so pretiöse Fürst sich mit der Wartenberg so angelegentlich beschäftigte und daß die Schenkmamsell aus einer Animierkneipe soviel höfische Männer und deren Adelsstolz bezwang.

Sie wird eben eine Frau mit großem sexuellem Trieb gewesen sein, die ja immer ihrer Wirkung sicher sind – sicherer, als Schönheiten und sicherer als kluge Frauen. Gerade so veranlagten Frauen werden die Männer viel leichter untertan, als anderen, feiner organisierten weiblichen Wesen. Gerade sie sind es, die zu Mätressen der Fürsten – und damit zu deren Herrschern werden.

Und die Wartenberg hat den ersten preußischen König beherrscht. Sie konnte mehr bei ihm ausrichten, als seine eigene Frau.

Sophie Charlotte nahm das alles mit dem gesunden Humor einer Frau von Welt auf. Sie fühlte sich nicht sonderlich gekränkt durch die Intimität ihres Mannes mit einer anderen. Allerdings äußerte sie im Jahre 1700 in Brüssel zu dem durch seine Ausschweifungen berüchtigten Kurfürsten Max Emanuel von Bayern:

»Ohne mir schmeicheln zu wollen, darf ich glauben, daß ich mich besser dazu geschickt hätte, Ihre Frau zu sein, als die Kurfürstin (Therese Sobiesky, eine sehr launenhafte schöne Polin). Sie lieben das Vergnügen, ich hasse es keineswegs. Sie sind galant, ich bin nicht eifersüchtig. Mich würden sie nie böse sehen und ich glaube, wir hätten eine gute Ehe miteinander führen können.«

Man sieht, sie war wie geschaffen, die Frau eines Fürsten zu sein, der sich Mätressen hielt. Sie wußte auch ihren Vorteil aus der Mätressenwirtschaft zu ziehen. Als sie einst mehrere Höfe bereiste, um sie geneigt zu machen, die Königswürde des bisherigen Kurfürsten von Brandenburg anzuerkennen, was ihr auch gelang, ging ihr das Geld aus. Sie ließ nun vom Grafen Wartenberg, der die Geldangelegenheiten des Hofes besorgte, mehr fordern. Er machte ihr bei dieser Gelegenheit die Bedingung, seine Frau bei der Cour anzunehmen, wo sie bis jetzt noch nicht hatte erscheinen dürfen, indem damals diese Ehre bloß den Personen von Geburt vorbehalten war. Die Kurfürstin, die sich von dieser Reise viel Vergnügen versprach, willigte darein, die Gräfin von Wartenberg bei sich zu sehen, machte sich dabei aber aus, daß ihr in ihren Ausgaben nichts vorgeschrieben, ihre Einkünfte für die Zukunft auf 20 000 Taler erhöhet und ihr überdem noch 150 000 Taler ausgezahlt würden, um ihre Schulden damit tilgen zu können. Dieser Vergleich wurde von dem Oberkämmerer und der Frau von Pöllnitz, welche das ganze Vertrauen der Kurfürstin besaß, unterzeichnet. Die Gräfin von Wartenberg erschien nun am Hofe und einige Tage darauf reiste die Kurfürstin unter dem Vorwande, die Bäder zu Aachen gebrauchen zu wollen, mit der Kurfürstin von Hannover, ihrer Mutter, ab.

Die Wartenberg war überhaupt herrschsüchtig. Sie benutzte jede Gelegenheit, sich aufzuspielen.

Der Tod der Königin (1705) brachte große Veränderungen in der gewöhnlichen Lebensart bei Hofe hervor. Die steife Etikette und das traurige Hofzeremoniell verbannten alle Freuden und Ergötzlichkeiten davon. Da die Gräfin von Wartenberg jetzt niemanden mehr zu fürchten hatte, ließ sie ihren Launen freien Lauf und machte durch ihren Stolz, womit sie den übrigen Damen begegnete, den Hof wüst und leer.

Wie sie es fertig brachte, sich unbeliebt zu machen, und wie sie ihren ziemlich ordinären Charakter zeigte, mag folgende amüsante Episode lehren:

»Eine Taufzeremonie gab zu einem Rangstreite zwischen der Gräfin von Wartenberg und der Frau von Lintlo, Gemahlin des holländischen Gesandten, Anlaß, dessen ich hier nicht erwähnen würde, wenn es nicht beinahe das ganze Staatssystem von Europa verrückt hätte. Die Gräfin von Wartenberg ging bei allen feierlichen Gelegenheiten unmittelbar hinter den Prinzessinnen vom Geblüte, seitdem ihr nämlich die Herzogin von Holstein den Vortritt gegen 10 000 Taler, die der König ihr hatte zahlen lassen, eingeräumt hatte. Nie war es der Gemahlin eines Gesandten eingefallen, sich den Rang über die Gemahlin des Premier-Ministers anzumaßen. Die Frau von Lintlo war die erste, welche die bei Hofe eingeführte Ordnung abändern wollte. Am Tage der Taufe wurden alle Frauenzimmer von Stande eingeladen, sich in den Zimmern der Kronprinzessin einzufinden, um die Markgräfin von Schwedt, die Schwägerin des Königs, welche das neugeborene Kind zur Taufe in die Kapelle trug, dahin zu begleiten. Die Gräfin von Wartenberg und die Frau von Lintlo fanden sich also auch ein. Als der Zug seinen Anfang nahm, folgte die Gräfin unmittelbar nach der Markgräfin. Als man aber zur letzten Tür der Zimmer hinausgehen wollte, sprang die Frau von Lintlo, die sich hinter einem Vorhang versteckt hatte, aus ihrem Hinterhalte hervor und besetzte glücklich den Platz vor der Gräfin. Diese faßt sie beim Kleide und hielt sie fest. Da nun die Holländerin, die weniger Stärke, aber mehr Gewandtheit besaß, nicht weiter gehen konnte, machte sie eine geschickte Wendung, tat einen leichten Sprung und richtete im Kopfputz der Gräfin eine große Unordnung an. Diese gab ihr dafür einige Daumenstöße. Sie würden noch mehr Aergernisse gegeben haben, wenn nicht der Zeremonienmeister, Herr von Bester, die Kämpferinnen auseinander gebracht hätte. Die Gräfin behauptete das Schlachtfeld und trug ein Stück vom Kopfputze ihrer Feindin als Siegeszeichen davon.

Nach der Taufzeremonie brachte die Gräfin ihre bittersten Klagen vor den König, der die Sache sehr ernstlich ansah. Der Frau von Lintlo wurde sogleich der Hof verboten, und der König verlangte, daß sie der Gräfin Abbitte tun sollte. Der Herr von Lintlo unterstützte seine Frau und erklärte, daß sie sich nie zu einer solchen Demütigung verstehen würde. Der König drohte ihm, daß er um seine Zurückberufung bei den Generalstaaten Ansuchung tun werde, aber er ließ sich dadurch nicht irre machen. Der König beklagte sich also wirklich über ihn bei den Generalstaaten, verlangte seine Zurückberufung und bestand vor allen Dingen darauf, daß die Frau von Lintlo der Gräfin von Wartenberg Abbitte tun sollte, in Ermangelung dessen er seine Truppen aus Flandern zurückmarschieren lassen würde. Die Staaten gaben dem Könige alle Genugtuung, die er verlangte, und die Frau von Lintlo sah sich genötigt, sich vor der stolzen Gräfin zu demütigen, deren Uebermut nun nach diesem Siege natürlich um ein Beträchtliches zunahm.«

So hätte eine Weibereitelkeit beinahe dazu geführt, dem jungen preußischen Staat Ungelegenheiten zu machen, denn es ist sehr die Frage, ob er gut gefahren wäre, sich von den gegen Frankreich Verbündeten zu trennen. Jedenfalls zeugte diese Affäre von dem beschränkten weibischen Hochmut der Wartenberg, die um so eifersüchtiger auf ihre Stellung bedacht war, als man sie an ihre gerade nicht empfehlenswerte Herkunft erinnerte.

Doch nicht immer liefen ihre Affären so glänzend ab. Friedrich I. hatte eine zweite Frau geheiratet, die nicht so weitherzig und diplomatisch wie die erste war.

Bei seiner Rückkunft von einer Reise fand der König seine Gemahlin höchst aufgebracht gegen die Gräfin von Wartenberg. Seit der Streitigkeit mit der Frau des holländischen Gesandten war dieselbe immer frecher geworden und hatte sich sogar einige Mal gegen die Königin vergessen. Die Königin hatte wegen einer kleinen Unpäßlichkeit einige Tage hindurch das Zimmer gehütet. Während dieser Zeit hatte sie verschiedene Damen bitten lassen, ihr ein Gerät, das sie für den König verfertigte, endigen zu helfen. Sie wußte nun zwar, daß die Gräfin nicht gern arbeitete. Sie ließ sie indessen doch einladen, weil sie ihr dadurch eine Ehre zu erzeigen glaubte. Eines Tages saß die Königin bei ihrer Arbeit mit den übrigen Damen um sich herum. Auf einmal trat ein ihr unbekannter Mensch mit einem Kaffeebrett und Tassen in der einen und einer Kaffeekanne in der anderen Hand in ihr Zimmer. Die Königin wunderte sich hierüber nicht wenig und fragte was dieses zu bedeuten habe. Die Gräfin von Wartenberg versetzte hierauf in einem ziemlich vertrauten Tone, es sei ihr Kammerdiener, der ihr den Kaffee bringe. Die Königin, die sich darüber außerordentlich ärgerte, befahl ihr hierauf, sogleich ihr Zimmer zu verlassen und ihr nie wieder vor Augen zu kommen. Die Gräfin schlug ein lautes Gelächter darüber auf und sagte, das möchte sie doch wohl sehen! Hierüber geriet die Königin in einen so wütenden Zorn, daß sie Leute herbeirief, um die Gräfin zum Fenster hinauswerfen zu lassen. Glücklicherweise waren diese nicht gleich bei der Hand, daher die Gräfin noch Zeit hatte sich wegzubegeben.

Als der König nun zurückgekommen war, brachte die Königin ihre Klagen bei ihm an. Dieser antwortete ihr, daß er den Stolz der Gräfin schon zu demütigen wissen werde; sie möchte es sich unterdessen gefallen lassen, daß die Gräfin sie für jetzt bloß um Verzeihung bitte. Das war die ganze Genugtuung, welche die Königin von der übermütigen Gräfin erhielt, deren Eitelkeit indessen bald aufs ärgste gedemütigt wurde. Die Frau von Matuoff, deren Gemahl Staatsminister des Zars und Ambassadeur bei den Generalstaaten war, kam durch Berlin. Der Herr von Licht, bevollmächtigter Minister des Zars, gab ihr zu Ehren ein großes Diner, zu welchem die vornehmsten Personen, also auch die Gräfin von Wartenberg, eingeladen waren. Sie ließ lange Zeit auf sich warten. Endlich schickte sie ihren Stallmeister zu dem russischen Gesandten und ließ ihn fragen, ob die Frau von Matuoff den Rang über sie verlange. Der Gesandte ließ ihr sagen, daß er es nicht vermeiden könnte, der Frau von Matuoff den ersten Platz einzuräumen, da sie sowohl die Gemahlin eines Staatsministers und Ambassadeurs des Zars, seines Herrn, als auch eine Fremde in Berlin sei. Diese Antwort bestimmte die Gräfin, nicht zu dem Gesandten zu fahren. Die Frau von Matuoff erfuhr es, daß sie dieses bloß tue, um ihr auszuweichen. Sie nahm es daher sehr übel auf. Sie schrieb deshalb an den König und beklagte sich darüber, daß die Gräfin den Vorrang vor ihr verlangt habe, welches doch den Vorrechten der Gemahlin eines Ambassadeurs zuwider laufe und für den Zar selbst beleidigend sei. Sie verlangte also, daß die Gräfin ihr Genugtuung geben sollte. Der König, welcher befürchtete, er möchte sich darüber mit dem Zar überwerfen, der jetzt ebenso furchtbar geworden war, als es Karl XII. vor seiner Niederlage gewesen war, zwang daher lieber die Gräfin von Wartenberg zur Frau von Matuoff zu gehen und ihr zu erklären, daß, solange der Herr von Matuoff Ambassadeur sein werde, sie ihr den Rang abtreten würde. Dieser Besuch war sehr demütigend für die Gräfin. Die Frau von Matuoff hatte ihr die Stunde bestimmt und alle fremden Minister, den englischen Gesandten, Mylord Baby, allein ausgenommen, zu sich eingeladen.

Als der König, den die Demütigung der Gräfin mehr schmerzte als sie selbst, sie am folgenden Tage bei der Königin antraf, machte er ihr Vorwürfe darüber, daß sie ihm solche Unannehmlichkeiten zuziehe, und erklärte ihr zugleich, daß sie für die Zukunft ihr Betragen ganz abzuändern und niemanden mehr zu beleidigen habe, widrigenfalls er andere Maßregeln ergreifen würde. Da die Gräfin einer solchen Sprache von Seiten des Königs gar nicht gewohnt war, so hielt sie sich schon für ganz verloren. Sie lag daher ihrem Manne an, den Hof zu verlassen. Dies war vielleicht der einzige kluge Rat, den sie ihm jemals gegeben hatte, aber auch der einzige, den er nicht befolgte.

Der Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm I. entlarvte im Jahre 1711 die Mißwirtschaft des Grafen, der durch sein Beispiel das preußische Beamtentum stark korrumpiert und der auch die Umschaffung des Landes aus einem rein mit Leibeigenen besetzten in ein wohlhabendes Bauernland verdorben hatte. Doch ließ ihn der König nicht in Haft nehmen wie er es vorher mit dem verdienten Danckelmann getan, sondern wies ihm Frankfurt am Main als Wohnsitz an, bewilligte ihm auch eine Pension von 24 000 Talern, die auch auf die Gräfin übergehen sollte, wenn sie ihren Mann überleben würde.

Graf Wartenberg und seine Frau packten schleunigst ihre Möbel und Effekten, deren sie eine ungeheure Menge besaßen. Die Gräfin nahm allein für 500 000 Taler Diamanten mit sich, das Uebrige hatte einen Wert von Millionen – die wahrscheinlich recht trüben Ursprungs waren.

So endete die Episode der Mätresse des ersten preußischen Königs. Das famose Ehepaar Wartenberg hatte immer einander unterstützt. Und wenn der Graf auch anfänglich schon die Gunst des allerdings nicht mit Menschenkenntnis begabten Fürsten genoß, so wußte sich die Gräfin noch eine größere Gunst zu erringen und so ihren Mann wesentlich zu unterstützen. Es muß doch seine Gründe gehabt haben, daß Friedrich I. täglich stundenlang mit dieser Gastwirtstochter zubrachte. Sonst hätte wohl auch Schlüter sich nicht einen der beliebten Architektenscherze erlauben dürfen. Ueber einem Fenster an dem Portal, das zu den Zimmern führte, in denen sich der König mit der Gräfin aufzuhalten pflegte, ließ der berühmte Baumeister ein Basrelief anbringen: Venus, auf einem entschlafenen Löwen ruhend, die Keule des Herkules in der Hand haltend, mit der ein Liebesgott spielt.

Die Gräfin, deren Gewalt so gut angedeutet war, hatte ein Ende, wie so viele derartige Größen. Als ihr Mann gestorben war, ging sie nach Paris und verlobte sich dort mit einem sächsischen Edelmann. Der bemächtigte sich ihrer Juwelen und ging damit durch, indem er ihr in einem offenen Schreiben erklärte, er behielte die Geschmeide als Entgelt für die böse Krankheit, die er ihr verdankte.

So verlor sie durch die Leidenschaft, was sie durch sie erworben.

Jedenfalls deutet dieses Abenteuer ihres Alters darauf hin, daß ich recht habe, wenn ich die Gräfin Wartenberg für eine jener dirnenhaften, stark sexuell erregten Frauen halte, die gerade dadurch die außerordentliche Begierde der Männer reizen. So ist vielleicht auch der Flirt zu verstehen, den sie mit dem sonst so schwächlichen, zimperlichen König hatte – dieser Flirt, der ihr alle Rechte einer wirklichen Mätresse einbrachte. Der König wird bei diesem Flirt, wenn es wirklich dabei geblieben ist, ebenso auf seine Rechnung gekommen sein, wie andere Fürsten, die ihre Mätressen ganz besaßen.



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