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Die Zahl der Witze über den Reisenden, d. h. über den Handlungsreisenden ist schwer zu Zählen. Er ist ebenso Gegenstand des Witzes, wie er selbst mit Witzen geladen sein muß. Denn das wird fast überall erwartet, wo er wegen eines Geschäftchens anklopft: Der neueste Witz! Wehe, wenn er den nicht mitbringt oder wenn er zu heftig ist und eine ungemütliche ablehnende Stimmung seines Kunden nicht abflauen lassen kann! Oder wenn er gar zu phlegmatisch ist und denkt: »Na, das nächstemal ist bessere Stimmung. Da wird schon ein Geschäft zu machen sein!«
Solch Reisender ist ein geplagter Mann, wenn er heute auch nicht mehr als Musterreiter über Land ziehen muß bei Schnee und Regen, wie noch zu Fontanes Zeiten, der in der Geschichte »Unterm Birnbaum« den Mord an einem solchen Krippenreiter geschildert hat. Der Reisende ist trotz aller Strapazen, die er auf sich nehmen muß – das oft ihm zugeschriene: »Wir brauchen jetzt nichts!« kräftigt gewiß nicht seine Nerven – der Reisende ist trotzdem immer ein vielbelächelter, verspotteter Mensch gewesen. Besonders seine Sucht zu prahlen und sich mit Worten hervorzutun, hat ihm ganz bestimmte Züge in der Ansicht seiner Mitmenschen verliehen. Und es ist nur gut, daß der Reisende ebenso wie der Chef auch gute Miene zum bösen Spiel macht – wenn er unterwegs allerlei Unerquickliches erlebt – und auch dann, wenn ihm allerlei Spottbilder vorgehalten werden.
General: »Ich bewundere Ihre Leute, Herr Hauptmann, Sechsmal hat der Feind sie aus der Verschanzung herausgeworfen, aber immer wieder sind sie von neuem hineingestürmt.«
Hauptmann: »Das ist nicht so wunderbar, die Hälfte der Kompagnie besteht ja aus Handlungsreisenden.«
»Es tut mir ja so leid, liebes Weibchen, daß ich sechs Wochen auf Tour sein muß. Du weißt gar nicht, wie unbequem es ist, wenn man jede Nacht wo anders zu Bett geht!«
»Du hast Recht, Männchen, mir gefällt das auch nicht!«
Moritz Gallenstein steht auf dem Bahnhofsperron und wartet, bis der Zug nach Berlin abfährt, da sieht er seinen gefährlichsten Konkurrenten, Jakob Zitronensaft.
Der kommt sehr freundlich auf Herrn Gallenstein zu und sagt: »So, Sie fahren auch nach Berlin, da können wir ja zusammenfahren.«
»Danke bestens,« sagte der Gallenstein, »ich bin schon zusammengefahren, wie ich Sie gesehen habe.«
Salomon Schnürsenkel hat aus Versehen einige ganz fremde Namen unter seine Wechsel geschrieben und muß nun zwei Jahre Gefängnis absitzen. Der Gefängnisdirektor fragt ihn, ob er Tüten kleben, Pappschachteln machen, Fußmatten flechten oder Einlegesohlen schneiden wolle. Da sagt der Schnürsenkel:
»Herr Direktor, ich seh, Sie ham da a große Fabrikation, wissen Sie was, schicken Sie mich auf Tour.«
Der Chef der Firma läßt sich seine drei besten Geschäftsreisenden kommen und sagt: »Meine Herren, es ist da eine große Tour zu machen durch ganz Süddeutschland und Österreich, wie lange brauchen Sie dazu, Herr Schmidt?« »Dazu brauche ich mindestens 6 Wochen.«
»Das dauert mir zu lange, wie lange brauchen Sie, Herr Müller?« »Ich würde diese Tour in 4 Wochen machen.«
»Das ist auch noch zu lange, Herr Cohn, wie lange brauchen Sie?« »Ich mach's, so Gott mir hilft, in 14 Tagen.«
Herr Cohn reist ab, absolviert die ganze Tour und ist in 14 Tagen wieder da.
Freudestrahlend empfängt ihn der Chef und sagt: »Nun bin ich aber neugierig, was Er für Aufträge mitgebracht hat.«
»Wie heißt, Aufträge, ich bin froh, daß ich die Zuganschlüsse bekommen habe.«
Der Besitzer eines Hotels annonciert:
»In allen Zimmern laufendes Wasser, Fahrstuhl im Hause.«
Da sagt einer der Gäste:
»Wissen Sie, Herr Wirt, das mit dem laufenden Wasser stimmt ja, nämlich das Wasser läuft an den Wänden herunter, aber wo ist der Fahrstuhl?«
»In dem wird meine Schwiegermutter im Garten spazieren gefahren.«
In einer Kleinstadt ist eine Denkmalsenthüllung, alle Hotels sind überfüllt und ein Reisender ist genötigt, in einer Gastwirtschaft zu logieren. Er läßt sich die Zimmer zeigen. Als er seinen Namen ins Fremdenbuch eintragen will, läuft eine Wanze übers Fremdenbuch. Da klappt der Reisende das Buch zu und sagt:
»Herr Wirt, ich kann das Zimmer nicht nehmen. Mir ist ja schon manches vorgekommen; daß sich aber die Wanzen erkundigen, welche Zimmernummer ich habe, das ist mir noch nicht passiert.«
Vor dem Offizierskasino stand ein Posten, der den strengen Befehl hatte, keinen Zivilisten hineinzulassen. Trotzdem erschien eines Tages ein Schnapsreisender, der einfach nicht mehr loszubringen war. Wutschnaubend stürzte der tischälteste Oberleutnant hinunter und fragt den Posten, wie er diesen Mann hereinlassen könne.
»Ich habe ihm schon gesagt, daß er nicht herein darf, da hat er geschrien: Halten Sie Ihr dummes Maul, Sie Rindvieh, da hab ich natürlich gemeint, es ist ein Herr Offizier in Zivil und hab ihn hereingelassen.
König Peter von Serbien erhielt einst folgenden Brief aus Berlin. »Eure Majestät!
Übereinstimmenden Nachrichten aus Belgrad zufolge werden Eure Majestät demnächst geruhen, Allerhöchst Ihren Posten daselbst zu verlassen. Wir erlauben uns schon heute die höfliche Anfrage, ob Eure Majestät in diesem Fall geneigt wären, den Generalvertrieb unserer Erzeugnisse auf dem Balkan zu übernehmen. Durch Ihre zahlreichen wertvollen Beziehungen hoffen wir Sie in der Lage, bei energischer Reisetätigkeit große Umsätze in unseren Artikeln erzielen zu können, wofür wir Ihnen dauernde angenehme Lebensstellung zusichern dürften. Euer Majestät ergebenste
Krotoschiner & Co.,
Fabrik feinster Liköre,
Posen und Berlin.
Die königliche Kabinettskanzlei antwortete: »Seine Majestät bedauere, auf das Offert nicht eingehen zu können, werde aber im Bedarfsfall gern darauf zurückkommen.«
Nach mehrjähriger Abwesenheit kehrte ein reicher Kaufmann aus dem heißesten Teile Indiens nach England zurück. Kaum angelangt, klagt er sehr über Kälte und vermochte nicht warm zu werden. Einige Monate darauf wurde er krank und starb. Vor seinem Tode hatte er den Wunsch ausgesprochen, eingeäschert zu werden, und sein Leichnam wurde daher einem Krematorium übergeben und in den Verbrennungsofen getan. Als die Zeit gekommen war, die Asche zu entfernen, öffnete der Beamte die Ofentür und hörte zu seinem Erstaunen und Entsetzen eine Stimme:
»Machen Sie die Tür zu, alter Esel! Dies ist das erstemal, daß ich warm werde, seit ich wieder zu Hause bin!«
Ein Reisender ist gezwungen, mit einem andern Herrn wegen der Überfüllung des Hotels in einem gemeinsamen Zimmer zu schlafen. Am Morgen bemerkt er, daß der andere zum Zähneputzen seine Zahnbürste benutzt.
»Aber, erlauben Sie mal«, schreit er wütend, »was machen Sie denn da mit meiner Zahnbürste?«
»Entschuldigen Sie,« sagt der andere verwundert. »Ich dachte, sie gehörte zum Hotel!«
Ein Reisender, der den ganzen Tag in Geschäften auf den Beinen gewesen war, legte sich müde in sein Hotelbett, konnte aber den ersehnten Schlaf nicht finden, weil im Nebenzimmer ein offenbar noch nicht lange verheiratetes Paar sich in den zärtlichsten Liebesbeteuerungen erging, und der Reisende durch die dünne Zimmerwand jedes Wort hören mußte. Immerzu wiederholte der junge Ehemann:
»Ach, mein süßes Lieb, wie hab ich dich so gern! Ich lasse dich vergolden, ich lasse dich vergolden!«
Der Reisende hörte das eine Stunde lang ruhig an, dann aber klingelte er und ließ den Wirt kommen. »Herr Wirt, holen Sie doch gleich einmal einen Vergolder und schicken Sie ihn hier nebenan zu den jungen Eheleuten. Der Mann will seine Frau vergolden, und ehe das nicht geschehen ist, krieg ich keine Ruhe.«
Geschäftsmann: »Den ganzen Tag kommen Reisende! Vier von Ihren Kollegen habe ich heute morgen schon hinaus geworfen!«
Reisender: »O, das ist aber fein! Dann haben Sie also Ihre Aufträge für mich reserviert.«
»Warum halten Sie denn diese mondäne Dame für eine so tüchtige Geschäftsfrau?«
»Weil sie sich gegen Kredit an- und nur gegen bare Kasse auszieht.«
»Diese Kleinbahn, auf der wir fahren, soll ja vor dem Konkurs stehen.«
»Kunststück! Wenn sie immer so schleudert!«
Ein Reisender kommt spät in der Nacht in einem Dorf an, wo er in dem einzigen Gasthof ein Zimmer nimmt.
»Aber wecken Sie mich morgen früh nicht!« sagt er zum Wirt. »Ich will mich einmal gründlich ausschlafen.«
Am nächsten Tag erwacht er dadurch, daß ihm jemand das Bettlaken unter dem Leibe wegzieht. »Nanu, was ist denn los?« fragt er verblüfft.
»Ja, das Laken müssen wir haben«, sagt der Wirt. »Es ist gleich zwölf, meine Frau will den Tisch decken für die Mittagsgäst!«
Ein Reisender hat die Gewohnheit, des abends beim Zubettgehen seine Schuhe mit lautem Gepolter gegen die Zimmertür zu schleudern. Ein Herr, der neben ihm schläft, und der jetzt schon zum zweiten Mal durch den Lärm aus dem besten Schlaf aufgeschreckt worden ist, beschwert sich beim Wirt, der denn auch den Reisenden ermahnt, in Rücksicht auf seinen etwas nervösen Nachbar dies lärmende Tun zu unterlassen.
Am nächsten Abend kommt der Reisende wieder in fröhlicher Stimmung auf sein Zimmer, zieht einen Stiefel aus und wirft ihn polternd gegen die Zimmertür, zieht den zweiten Stiefel aus – da fällt ihm plötzlich ein, was ihm der Wirt gesagt hat. Mäuschenstill setzt er den Stiefel zur Erde, zieht sich leise aus und geht ebenso zu Bett.
Nach einer Stunde wird er plötzlich aus dem Schlaf geweckt, sein Nachbar pocht an die Verbindungstür. »Ach, lieber Herr,« sagt er flehend, »bitte, schmeißen Sie jetzt endlich den zweiten Stiefel auch gegen die Tür, damit ich einschlafen kann!«
Auf einem kleinen sächsischen Bahnhof war ein Plakat angebracht mit der Inschrift: Das Ausspucken auf dem Bahnsteig ist bei zehn Mark Strafe verboten.
Dennoch spuckte ein achtloser Reiseonkel grade auf dieser Station aus dem Fenster seines Abteils und traf dabei den Stationsvorsteher mitten auf den Rock.
»Nu, Verährdester,« sagte der Beamte gemütlich, »da ham Se aber noch mal Glück gehabt, daß es nich uff'n Bahnsteig gefloge is – sonst hätten Se zehn Mark berappen müssen!«
In einer kleinen Stadt war wegen einer großen Jubiläumsfeier ein großer Fremdenzusammenstrom, und so mußten zwei Reiseonkel, um überhaupt nur unterzukommen, sich begnügen, in einem gemeinschaftlichen Bett zu schlafen.
Der eine war ein langer, hagerer Mensch, der andere war auffallend klein. Als der Lange nach Tagesanbruch erwachte, fand er den kurzen Kollegen neben sich tief hinabgedrückt und sah ein paar Füße über das Fußende hinausragen. Er weckte den schnarchenden Kleinen auf und sagte zu ihm:
»Sie werden sich erkälten, Freund, wenn Sie Ihre Füße nicht hereinziehen.«
»Sie irren sich«, erwiderte der kleine, »das dort unten sind Ihre Füße!«
»Nicht möglich!« meinte der Lange. »Sehen Sie doch noch einmal genau nach. Ich bin nämlich kurzsichtig und kann es in dieser Entfernung nicht richtig erkennen.«
»Kellner«, sagte ein Reisender, der soeben im Hotel angekommen war, »ich bin kein Freund von vielen Worten und wiederhole nicht gern, was ich einmal gesagt habe. Deshalb geben Sie acht auf das, was ich verlange, und besorgen Sie es mir schnell und pünktlich.«
»Sehr gern, mein Herr,« sagte der Kellner.
»Zuerst bringen Sie mir ein Glas kaltes Wasser, ein Glas Rum, etwas Zucker und einen Teelöffel; – wischen Sie den Tisch ab, lassen Sie Feuer anmachen; bringen Sie mir zwei Lichter, Federn, Tinte, Papier, Federmesser, Siegellack; erkundigen Sie sich, um welche Zeit die Post nach *** geht; sagen Sie dem Hausknecht, daß er für mein Pferd sorge, es abreiben, seine Füße putzen und es mir anzeigen soll, wenn es fressen kann. Bestellen Sie dem Hausmädchen, daß es mir das Bett rein überzieht, die Überzüge vorher gut lüftet, mir eine weiße Nachtmütze besorgt und mir ein Glas frisches Wasser vor das Bett setzt. Bringen Sie dem Hausknecht meine Stiefeln und besorgen Sie mir ein Paar Pantoffeln, damit ich nach dem Stall gehen kann. Die Stiefel soll mir der Hausknecht noch heute abend wieder in mein Zimmer bringen, und mich morgen früh um fünf Uhr wecken. – Fragen Sie die Wirtin, was ich zum Abendessen bekommen kann und sagen Sie ihr, ich hätte gern eine gebratene Ente oder etwas Ähnliches. – Bitten Sie auch den Wirt, daß er zu mir kommen möchte, weil ich einige Fragen an ihn zu richten hätte.«
»Sofort, mein Herr«, erwiderte der Kellner, ging zu seinem Herrn und sagte: »Der Fremde auf Nummer fünf wünscht Sie zu sprechen.«
Zwei Reisende sitzen auf der Eisenbahnfahrt einander gegenüber. »Mein Name ist Lehmann«, stellt sich der eine vor. »Ich reise in Parfümwaren!«
»Sehr angenehm«, sagte der andere, »Ich heiße Schröder und reise in Kunstdünger.«
Die beiden unterhalten sich eine Weile miteinander. Plötzlich sagt der Parfümreisende zu seinem Kollegen: »Ach, wollen Sie nicht mal nachsehen, mir kommt es immer vor, als wenn Ihr Musterkoffer aufgegangen wäre.«
In einem Wagenabteil treffen sich ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher und ein jüdischer Geschäftsreisender. Die beiden geistlichen Herren rühmen voreinander die Vorzüge ihrer Konfessionen.
»Wenn ich mich bei meiner Gemeinde sehen lasse,« meint der evangelische Geistliche, »dann nehmen alle den Hut ab und sagen: Guten Tag, hochwürdiger Herr!«
»Und wenn ich komme,« erwidert der katholische Geistliche, »dann grüßen alle: Gelobt sei Jesus Christus!«
»Das ist noch gar nichts«, fiel hier der jüdische Geschäftsreisende ein. »Wenn ich in einem Geschäft erscheine, dann schlagen die Leute die Hände über den Kopf zusammen und rufen: Großer Gott, sind Sie schon wieder da?«
Reisender: »Ich habe hier eine vorzügliche Möbelpolitur, die ich Ihnen anbieten möchte. Damit können Sie sich selbst Ihre alten Möbel wieder auffrischen, daß sie wie neu aussehen.«
Kunde: »Danke! Ich bin schon mal auf solche Politur reingefallen und habe mir einen Schrank total verdorben!«
Reisender (erstaunt): »So? War ich denn schon mal hier?«
»Darf ich Ihnen den Kopf waschen, mein Herr?«
Kunde (Reisender): »Danke, das besorgt gründlich mein Chef, wenn ich von der Tour komme.«
Herr Wendelin Neumüller, Vertreter einer Lederfirma, erzählte seinen Freunden auf folgende Art die Abenteuer seiner letzten Reise:
»Denkt euch, ich sitze oben auf dem Deckel der Diligence, der Postillion reitet und macht lustig klitsch klatsch! Der Wagen rollt dahin Orrar! Da geht's auf einmal krach!
›Halt!‹ ruf' ich dem Kondukteur zu, ›wir werfen um!‹
›Ich denke nicht daran‹, erwidert dieser.
Ich bestehe darauf, er will recht behalten, wir werden heftig; – schwapp! gebe ich ihm eine Ohrfeige, er will sie mir wiedergeben; ritsch! ratsch! fangen wir uns an zu balgen. Wupp! stoße ich ihn, er torkelt. Paff! habe ich eins von ihm, und pardauz! falle ich mit um. – Wir stehen wieder auf, rutsch! gleitet ihm ein Fuß aus, er steht von neuem auf, ritsch! setze ich ihm ein Bein. Unterdessen geht der Wagen immer fort, aber auf einmal holterdipolter! bricht die Achse, rulterdebulter! wälzt sich alles untereinander und – quatsch! – da liegt die ganze Geschichte, ich hatte es richtig vorausgesagt!«
»Ich habe vier Passionen, wissen Se: Pferde, Hunde, Damen un Weiber.«
»Und in was reisen Sie?«
»In Barchent.«
Ein Geschäftsreisender kam todmüde des Abends in einem kleinen Städtchen an und sollte, da das einzige Hotel ganz überfüllt war, mit einem fremden Kollegen das Bett teilen. Da er dazu aber sehr wenig Lust hatte, sann er auf ein Mittel, ihn zu vertreiben. Zu diesem Zweck hängte er seinen Rock über den Stuhl und legte seinen Hut darauf. Dann nahm er einen Stock, faßte ihn mit beiden Händen und schlug mit gewaltigen Schlägen den Hut immer wieder herab.
»Warum machen Sie das?« fragte ihn der andere.
»Oh, ich übe mich nur ein wenig«, war die Antwort. »Ich bin nämlich Scharfrichter und soll morgen einen hinrichten!« Kaum hatte der Geschäftsreisende diese Worte gesprochen, so war der andere schon aus dem Zimmer verschwunden.
was ist der Gipfel der Zerstreutheit? – Wenn ein Reisender im Hotel seinen Anzug auszieht und ihn ins Bett legt – sich dann selbst aber über den Stuhl hängt und die ganze Nacht so hängen bleibt.
Ein Geschäftsreisender war sehr ermüdet in einer Dorfschenke eingekehrt, konnte aber von dem lauten Lärmen der Bauern in der Gaststube nicht einschlafen. Endlich zog er sich wieder an und ging auch in die Gaststube.
»Herr Wirt,« sprach er da, »weckt mich doch morgen früh ganz zeitig auf. Ich habe unterwegs, kurz vor dem Dorfe, auf der Landstraße einen Beutel mit zweihundert Talern verloren und will den suchen.«
Die Gäste verschwanden jetzt einer nach dem andern, um das Geld selbst zu suchen, und der Geschäftsreisende konnte ruhig schlafen.
Ein Reisender fuhr auf einer Kleinbahn und bemerkte plötzlich, daß es in dem Zuge keinen bewußten Ort gab. An der nächsten Station stürzte er zum Zugführer und bat ihn, den Zug so lange halten zu lassen, bis er von einer dort befindlichen Lokalität zurück sei. »Ausgeschlossen!« sagt der Zugführer, »der Zug hält nur eine Minute!« – »Wetten wir, daß er länger hält?« erwidert der Reisende und verläßt den vielbeschäftigten Zugführer, der gleich darauf das Signal zum Abfahren gibt. Aber der Zug bleibt stehen, und der Zugführer pfeift zum zweiten- und dann zum drittenmal. Ganz aufgeregt läuft er endlich zum Lokomotivführer und schreit ihn an: »Na, wollen Sie endlich abfahren?« – »Ich kann nicht abfahren«, antwortet lächelnd der Lokomotivführer. »Sehen Sie denn nicht den Kerl, der dicht vor der Lokomotive sitzt?«
»Welches sind die besten Menschen?«
»Natürlich die Reisenden, Sie sind alle Mustermenschen.«
Ein Reisender kommt zu einer neuerrichteten Firma und freut sich, daß der Inhaber ihm einen so guten Auftrag gibt. Von allem, was der Reisende anpreist, bestellt der Kunde einen Zentner. Zum Schluß fragt der Reisende etwas mißtrauisch: »Und wie steht es mit den Referenzen?« – »Davon können Sie mir auch einen Zentner schicken!«
Der energische Chef: »Morgen gehen Sie auf die Tour. Sie fahren von Berlin nach Magdeburg, Braunschweig, Hannover, Bielefeld, Hamm, Dortmund, Bochum, Essen, Elberfeld, Barmen, Düsseldorf, Köln und kehren über Mainz, Frankfurt, Kassel, Erfurt, Halle wieder zurück. Ich hoffe auf gute Abschlüsse, in einer Woche können Sie wieder zurück sein!«
Der Reisende nach einer Woche: »So, da bin ich wieder, das war aber einmal eine Schnelltour!«
Chef, erfreut über den Erfolg seiner energischen Disposition: »Und wie waren die Abschlüsse?«
Reisender: »Abschlüsse? Ich bin froh, daß ich überall die Anschlüsse erreicht habe.«
»Meine Tochter wollen Sie heiraten, was ist denn Ihr Beruf?«
»Haben Sie auch Mittel?«
»Natürlich, leicht, mittel, kräftig! Was Sie haben wollen.«
»Mensch, ick habe jetzt zwee Jeschäfte, eens bei Dage, un eens bei Nacht.«
»Wat machste denn bei Nacht?«
»Nachts mach' ick wie immer meine Einbrüche.«
»Un bei Dage?«
»Da jeh ick als Vertreter einer Versicherungsgesellschaft gegen Diebstähle bei die Leute, bei denen ick nachts einjebrochen habe. Die versichern alle!«
»Ja, wenn die Witwe wirklich so furchtbar reich ist, warum heiraten Sie sie denn nicht selbst?«
»Na, ich werde mich doch nicht um die schöne Provision bringen?«
Reisender: »Sie haben mir aber fest versprochen, Herr Lehmann, diesen Winter den alten Posten zu bezahlen.«
Lehmann: »Gewiß hab' ich das. Aber sagen Sie selbst – ist das ein Winter?«
»Hören Sie mal, das ist wirklich eine Frechheit, Sie kommen hier als wildfremder Mensch in mein Geschäft, um mir eine Offerte zu machen, und haben dabei eine brennende Zigarre im Mund. Ich habe auch früher gereist, aber sowas habe ich mir nie erlaubt.«
»Na ja, Sie hatten aber auch sicherlich feinere Kunden als ich.«
Reisender, von der Tour zurückkommend: »Was die Firma Lohmann in Dresden angeht, so habe ich ein leises Gefühl, als ob sie uns in der nächsten Zeit kaum mehr Aufträge geben wird.«
Chef: »Was bringt Sie auf dieses Gefühl?«
Reisender: »Die Tatsache, daß man mich sofort, als ich den Namen Ihrer Firma nannte, die Treppe hinunterwarf.«
Lehmann kommt auf einer Geschäftsreise abends spät in einem kleinen Städtchen an und findet das einzige Hotel überfüllt. Schließlich verschafft der Wirt ihm doch eine Schlafgelegenheit, aber er muß mit einem anderen Reisenden, einem dicken, gemütlichen Herrn, in einem Zimmer übernachten. Lehmann, der am nächsten Morgen mit einem frühen Zug weiter muß, soll um halb sechs geweckt werden, während der Dicke Zeit hat und sich ausschlafen kann.
Des Morgens wird Lehmann pünktlich vom Hausdiener geweckt. Schlaftrunken steigt er aus dem Bett, zieht sich an und stürmt auf den Bahnhof, wo er im Wartesaal eine Tasse Kaffee hinunterstürzt. Dabei sieht ihn der Kellner ganz erstaunt an, verschiedene Gäste brechen in ein lautes Gelächter aus, und jetzt entdeckt Lehmann erst, daß er die Kleider seines dicken Kollegen am Leibe hat.
»Der verfluchte Hausknecht!« schreit jetzt Lehmann wütend. »Da hat der Kerl den verkehrten Reisenden geweckt!«
Chef zum ausgedienten Lehrling: »Ich kann leider nicht von Hause weg, Sie müssen daher die Reise für mich machen. Mein Haus ist draußen so bekannt, daß es Ihnen gar nicht schwer fallen wird, Geschäfte zu machen. Sie brauchen nur zu sagen, daß Sie für mich reisen. Und wenn Sie wohin kommen, wo ich in freundschaftlichen Verhältnissen stehe, so richten Sie obendrein eine schöne Empfehlung von mir aus.«
Der junge Mann macht seinen ersten Besuch. »Eine schöne Empfehlung von Herrn Fäustle & Comp. und Sie möchten mir was bestellen.«
Kaufmann: »In was reisen Sie denn?«
Reisender: »Ich – ich reise in einem einspännigen Wägelchen mit einem Pferd, und ich bin gestern nacht hier angekommen.«
Ein müder Reisender, der in einem ländlichen Gasthof eingekehrt war, wurde mitten in der Nacht von dem Hausknecht aus seinem besten Schlaf geweckt.
Reisender: »Was ist denn los? Warum wecken Sie mich mitten in der Nacht?«
Hausknecht: »Ach, wissen Sie, als ich Ihnen heute abend die Stiefel abholte, da hab' ich doch ganz vergessen, Ihnen gute Nacht zu wünschen!«
Chef: »Herr Meier, Sie sind nun drei Monate auf Reisen gewesen und haben nicht einmal die Spesen verdient. Wie soll ich da bestehen?«
Reisender: »Glauben Sie nur, Herr Guttmann, an mir liegt die Schuld nicht, wenn ich überall kurz abgewiesen werde.«
Chef: »Ach was, Sie fangen es eben nicht richtig an. Ich werde es Ihnen jetzt einmal vormachen, passen Sie auf! – Habe ich die Ehre, Herrn Schwärmer zu sprechen?«
Reisender: »Der bin ich.«
Chef: »Sehr angenehm. Ich reise für das Haus Guttmann & Komp. in ...«
Reisender: »So, Sie reisen für die Halunken? Im Augenblick machen Sie, daß Sie hinauskommen!«
Ihm war der Kilometer
Das Maß der Ruhmesbahn:
Er fuhr von Paul zu Peter
Und starb an Längenwahn.
Max Kalbeck.
Der Trikotagehändler Herz schickt versuchsweise einen noch jungen Mann, der gerade seine Lehrzeit beendet hat, auf die Reise. »Die Sache ist sehr einfach,« erklärt er ihm. »Wenn Sie in Pinne ankommen, dann gehen Sie zuerst in ein Restaurant, erfrischen sich dort etwas, trinken eine Bouillon und erkundigen sich, wo der Kunde wohnt, den ich Ihnen hier aufgeschrieben habe. Gut, und dann gehen Sie einfach zu ihm hin, bestellen einen schönen Gruß von mir, und ich hoffte, daß er mir wie früher wieder einen Posten bestellen würde. Die Preise habe ich Ihnen hier aufgeschrieben, und auch, wie weit Sie herabgehen können. Jedenfalls telegraphieren Sie mir sofort, was Sie ausgerichtet haben.«
Der vielversprechende junge Mann reist ab, und der Chef wartet besorgt auf das Telegramm, das erst abends spät eintrifft: »In Pinne kein Restaurant mit Bouillon getroffen. Was tun?«
Über den Geschäftsreisenden der guten alten Zeit gibt ein Aufsatz in den Breslauer Blättern aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine amüsante Schilderung:
Wenn an einer Table d'hôte ein Mann alle Schüsseln verlangt, den Braten tranchiert, ihn umherreicht und für sich das beste Stück behält ...
Wenn er sich beim Einsteigen in den Postwagen Ihres Platzes bemächtigt und Ihnen den seinigen, der schlecht ist, anbietet ...
Wenn er in einer Viertelstunde zwanzig Kalauer von sich gibt ...
Wenn er alle Kondukteure, alle Postillions und alle Herbergsmädchen herzählt ...
Wenn er überall zuerst bedient wird und als der letzte den Tisch verläßt ...
Wenn er den Mitreisenden genau die Stunde der Ankunft bezeichnet, wenn er weiß, wo guter Weg ist, wo es schlechte Pferde oder schlechte Nachtlager gibt ...
Wenn er alle Ihre Bekannten kennt, wenn alle Ihre Freunde auch die seinen, und alle Ihre Vettern auch seine Vettern sind ...
– so könnt ihr darauf wetten, daß er ein Musterreiter ist.
Einen Musterreiter findet man an jeder nur einigermaßen besetzten Tafel. Er »serviert«, wie er sich auszudrücken beliebt, in dem und dem »soliden« Hause und reist für dasselbe in den und den »Artikeln«.
Wenn der Nachtisch aufgetragen wird, dann beginnt des Musterreiters Glanzperiode, während des Hauptteils der Mahlzeit ist er ziemlich bescheiden gewesen, kaum daß er während des Klirrens der Gläser und Gabeln etwa fünf Kalauer und drei oder vier muntere Histörchen zum besten gegeben hat. Aber er war auch schwer beschäftigt gewesen, oder hatte gegessen, oder vielmehr die Speisen hinuntergewürgt.
Jetzt aber, sobald der Nachtisch gekommen ist, erscheint dem Musterreiter eine günstige Gelegenheit, die allgemeine Aufmerksamkeit zu angeln, und er tritt nun abwechselnd als Possenreißer, als Bauchredner, als Virtuose auf. So z. B. verschluckt er Brotkügelchen und zeigt sie gleich nachher wieder vor. Dann modelliert er mit denselben Brotkügelchen das Brustbild Napoleons oder irgendeines Modetenors. An der Art, wie er Politiker modelliert, erkennt man gleich, ob er streng monarchisch oder konstitutionell, ob er Radikaler oder Konservativer ist. Im allgemeinen wirft er aber doch schließlich alle politischen Meinungen wieder durcheinander, um es mit niemand zu verderben.
Hierauf produziert er eine andere liebenswürdige Kunst. Er zerschneidet ein Stück Brot in eine Menge kleiner Stückchen, legt sie, eins nach dem andern, auf die Rückseite der linken Hand, schlägt dann mit der rechten gegen die linke, und siehe da! sämtliche Stückchen fliegen ihm zur allgemeinen Verwunderung in den Mund. Nach diesem Kunststückchen füllt er ein Glas mit Wasser, hält es mit der linken Hand auf dem Tische fest, benetzt den Zeigefinger der Rechten und läßt ihn um den Rand des Glases herumgleiten, so daß eine ohrenzerreißende Musik entsteht. Die zartnervigen Damen bitten ihn um Gotteswillen, doch diese gräuliche Harmonika verstummen zu lassen, er aber bleibt unbarmherzig. Er hegt offenbar die feste Überzeugung, daß man die Damen recht quälen muß, wenn man ihre Gunst erwerben will.
Hat der Musterreiter die Nerven seiner Zuhörer genugsam zermartert, so geht er zu Bauchrednerkünsten über. Er spielt den Bauchredner auf eine geschickte Weise. Gewöhnlich führt er die Szene aus zwischen dem Schornsteinfeger oben im Kamin und seinem Meister, der von unten mit ihm schimpft, weil ihm, indem er nach oben sah, etwas Ruß in die Augen gefallen ist. Es wird eine sehr dramatische Szene.
Sodann erzählt der Jünger Merkurs ein paar Raub- und Mordgeschichten, spricht im Vertrauen über bevorstehende Staatsstreiche und Umsturzpläne, die er haarklein dank seinen vornehmen diplomatischen Beziehungen erforscht hat, und entwirft schließlich einen verwirrenden Plan, um die Finanzen sämtlicher europäischer Staaten aufs beste zu ordnen.
Den Beschluß macht der Tausendkünstler damit, daß er ungebeten die neuesten Opernarien und Straußwalzer pfeift. Zuweilen pfeift er übrigens auch Romanzen, wozu er mit Messer und Gabel sich selbst begleitet, ebenso auch lustige Lieder aller Sorten. Besteht sein Auditorium nur aus Männern, so gibt er alles ohne Ausnahmen zum besten; befinden sich aber Damen darunter, so unterlegt er den allzu schlüpfrigen Stellen ein Tralala, den anstößigen Kehrreimen aber einen Laut, den er dadurch hervorbringt, daß er seinen Zeigefinger in den Mund steckt und ihn rasch wieder herauszieht – Paff!
Endlich bläst der Postillion, und der Musterreiter fährt dahin, um im Postwagen sich in ähnlicher Weise zu geben. Höchst zufrieden mit sich selbst, geht der Held des Abends zu Bett, um Tags darauf die gewohnten Künste aufs neue zu üben.
Zwei Handlungsreisende, der eine machte in Baumwolle, der andere in mehr oder weniger echtem Porzellan, trafen sich im »Erbprinzen« in Karlsruhe an der Mittagstafel und unterhielten die erstaunten Gäste von den Herrlichkeiten Berlins, von dem Glanze ihrer Firmen und von sonstigen Ungeheuerlichkeiten, und wenn es der eine nicht genau mit der Wahrheit nahm, so log der andere, daß die Balken sich bogen, denn sie waren nun einmal Reisende, und das Aufschneiden gehörte zu ihrem Geschäft.
Die beiden hatten sich aber zum Ergötzen der Gäste in ihren Übertreibungen bereits so überboten, daß sie sich in eine sehr gereizte Stimmung hineingelogen hatten. Keiner wollte dem andern das Feld räumen, und jeder gab sich die größte Mühe, den andern lächerlich zu machen.
»Ja, meine Herren,« rief der in Baumwolle, »meine Firma sollten Sie sehen! Jottvoll! Zwei Säle, jeder so groß wie der Karlsruher Marktplatz, vollgepfropft mit Angestellten, und das alles nur allein für die englische Korrespondenz. Nun denken Sie erst Frankreich, Amerika, China! Wir verbrauchen jährlich für zwanzigtausend Mark allein an Tinte und haben jetzt eine eigene Fabrik zur Anfertigung unserer Stahlfedern gegründet.«
»Ihre Firma?« sagte der in Porzellan mit spöttischem Lachen. »Pah! Ihre Firma kennt man! Meine Firma spart allein – Respekt, meine Herren! – jährlich für zwanzigtausend Mark an Tinte, seitdem wir keine Punkte auf dem ›i‹ nicht mehr machen, und aus unseren verbrauchten Stahlfedern fertigt die Firma Borsig ihren ganzen Bedarf an Eisenbahnschienen an.«
»Meine Herren,« schrie der in Baumwolle, »lassen Sie sich nichts weißmachen mit seinen Tintengeschichten. Er schneidet auf, sage ich, ich aber sage die reine Wahrheit. In meinem Geschäft – um Ihnen ein wirkliches Bild seiner Größe zu geben – wurde neulich der erste Buchhalter verrückt und mußte in eine Heilanstalt gebracht werden. Er hatte einmal ausgerechnet, was unsere Firma in diesem Jahr an Umsatzsteuer bezahlen mußte, und da kam eine so ungeheure Summe heraus, daß er, bloß weil er sie ansah, den Verstand verlor.«
»Den Buchhalter kenne ich zufällig«, meinte jetzt der in Porzellan. »Soviel ich weiß, erkrankte er an unheilbarer Melancholie, weil er seit Monaten im Geschäft nichts mehr zu tun hatte. Mein Geschäft aber, dessen Buchhalter nicht irrsinnig werden, ist so ausgedehnt, daß wir extra Bernhardinerhunde halten, um verschmachtete Kunden aufzusuchen, die sich in den weiten Gängen der vielen Abteilungen verirrt haben!«
»Schweigen Sie still!« rief der wahrheitsliebende Reisende in Baumwolle, der sich allmählich durch seinen Konkurrenten überflügelt fühlte. »Ich glaube, Sie wollen mir lächerlich machen! Sie beleidigen die Gesellschaft durch ihre sinnlosen Aufschneidereien. Man sieht doch gleich an Ihrer Bildung, daß Sie der Sohn eines Straßenkehrers sind!«
Dieser Übergriff ins Persönliche schien den Porzellanenen mächtig zu erbosen. »Was, ich der Sohn eines Straßenkehrers?!« schrie er, vom Stuhle aufspringend. »Mein Vater war Chausseeoberaufseher, und ich habe mich meiner Abkunft nicht zu schämen. Mein Vater hat Ihrer Mutter manchen Schoppen Milch abgekauft, wenn sie mühsam ihren elenden Milchkarren nach Berlin zog – denn zu einem Esel reichte es damals noch nicht, ich meine zu der Zeit, als Sie noch nicht geboren waren ...«
»Herr!« tobte der Baumwollene und faßte nach einer Flasche, »Sie beleidigen meine Frau Mutter, deren Augapfel ich bin. Meine Mutter unterhält, mehr ihres Vergnügens wegen und seitdem mein Vater, der Gutsbesitzer, gestorben ist, ein fliegendes Milchbüro, und Ihr Vater, der angebliche Chausseeoberaufseher, der vielleicht oder höchstens Chausseeobersteinklopfer war, konnte schon deshalb nicht zu ihren Kunden gehören, weil sie nur en gros verkauft.«
»Ja, den Schoppen zu eenen Silberjroschen«, höhnte jetzt der Porzellanene. »Und was Ihren Vater, den Gutsbesitzer, anbetrifft, so kannte ich seine Güter wohl, ein stubengroßes Kartoffelfeld und vor dem Fenster ein Zigarrenkistchen mit Schnittlauch.«
Der Baumwollene sprang jetzt dem Porzellanenen an die Kehle, und der Wirt mußte sich ins Mittel legen, um eine Rauferei zu verhindern. Die Gäste aber, die sich bei der Auseinandersetzung der beiden hoffnungsvollen Handlungsbeflissenen köstlich unterhalten hatten, ließen ein paar Extraflaschen guten Weines kommen, und der Sprößling des Chausseeoberaufsehers und der Augapfel des fliegenden Milchbüros reichten sich versöhnt die Hände.
Ein Herr kommt in ein Wagenabteil, wo ein Reisender sitzt und in seinem Kundenbuch blättert. Neben dein Reisenden steht ein schwerer Koffer. Der Eintretende grüßt und sagt etwas ärgerlich, weil der Reisende gar keine Anstalten trifft, ihm den Platz freizugeben: »Vielleicht sind Sie jetzt so liebenswürdig und stellen den Koffer weg, ich möchte mich hier setzen!«
Der Reisende blickte auf und fragte: »Wie meinten Sie, bitte?«
Der Eintretende wurde jetzt wütend. »Ich frage Sie, ob Sie den Koffer hier fortstellen wollen?«
»Ich denke nicht daran!« antwortete der Reisende.
Der andere bekam einen roten Kopf, wandte sich um und verließ das Abteil, um nach wenigen Minuten mit einem Schaffner wieder zu erscheinen.
»Mein Herr, Sie müssen den Koffer wegstellen!« sagte der Schaffner.
»Das brauche ich durchaus nicht!« erklärte der hartnäckige Reisende.
»Sie weigern sich also trotz meiner Anordnung, den Koffer von der Bank wegzunehmen?« fragte der Schaffner, sich nun ebenfalls entrüstend.
»Natürlich,« sagte der Reisende. »Und ich tue es auch nicht, wenn zehn Schaffner es mir befehlen!«
Der Schaffner verließ schnell das Abteil und holte den Zugführer. Dieser warf nur einen Blick auf den Koffer. »Der ist überhaupt viel zu groß für das Abteil, der muß als Passagierstück aufgegeben werden. Schaffner, bringen Sie ihn zum Gepäckwagen!« Dann wandte sich der Zugführer an den Reisenden: »Wohin fahren Sie?«
»Ich fahre nach Berlin!« sagte der Reisende.
»Schaffner, geben Sie den Koffer nach Berlin auf!« befahl der Zugführer.
Der Zug fuhr gleich darauf ab, und nach einer Weile kam der Schaffner mit dem Gepäckschein zu dem Reisenden.
»Was wollen Sie jetzt wieder von mir?« fragte dieser. »Ich will den Schein nicht haben!«
»Aber warum denn nicht?« fragte der Schaffner.
»Weil mir der Koffer gar nicht gehört. Ein Herr, der nach München fährt, hat ihn hier hingestellt. Er ist wahrscheinlich in den Speisewagen gegangen.«
Ein Geschäftsreisender, der gezwungen war, einen halben Tag untätig in einer kleinen Ortschaft zu verbringen, wollte die Zeit denn doch nicht ganz ungenutzt lassen und ging zum Barbier, um sich seine lockigen Haare, auf die er sehr stolz war, etwas schneiden zu lassen.
Der Barbier war noch von jener alten Art, die ihre Arbeit nicht ohne unaufhörliches Reden verrichten können, und begann nun, während er dem Reisenden seine Locken kürzte, mit großer Weitschweifigkeit eine herzbrechende Geschichte, die seinen Kunden durchaus nicht interessierte.
Aufs äußerste gelangweilt, rief der Reisende ein paarmal: »Kürzer! Kürzer!«, aber der Barbier setzte, seines Bittens ungeachtet, Schere und Zunge nur noch mehr in Bewegung und fuhr in seiner Arbeit und Erzählung fort.
Da die Geschichte immer langweiliger wurde und der Reisende endlich das Ende hören wollte, so mahnte er noch einmal: »Kürzer! Kürzer!«, aber auch diesmal ohne jeden Erfolg, denn noch schneller als vorher und heftiger begann der Barbier zu erzählen und zu schneiden.
Schließlich ging dem Reisenden die letzte Geduld zum Teufel, und er fuhr in recht wütendem Ton den Haarkünstler an: »Herr, können Sie denn nicht hören? Kürzer habe ich gesagt, kürzer!«
Eingeschüchtert sah ihn jetzt der Barbier an, »Ich glaube nicht, daß das möglich ist!« sagte er und besah zurücktretend das Werk seiner fleißigen Hände. »Darf ich Ihnen noch den Kopf waschen?« fragte er zum Zeichen, daß er mit dem Haarschneiden fertig sei.
Nun erhob sich auch der Reisende, um sich im Spiegel zu besehen. Aber wie erschrak er, als er sich ganz kahl geschoren erblickte!
Der Barbier hatte das mehrmalige: »Kürzer! Kürzer!« nicht auf seine wichtige Geschichte, sondern auf das Haarabschneiden bezogen. Der Reisende mußte sich darein geben, für die nächste Zeit sich in der Öffentlichkeit ohne seine schönen Locken zu zeigen.
(In drei Bänden.)
Frei nach Louis Drucker, Weinhändler.
Erster Band.
Die Reise – Schiffbruch – Rettung.
Im Jahre 1825 segelte ein Schiffskapitän von Stettin mit einer Ladung Magdeburger Zichorien nach der Küste von Guinea. Kurz vor dem Ziel seiner Reise wurde er von einem furchtbaren Sturm überfallen, das Schiff strandete und ging trotz aller Anstrengungen der Matrosen mit Mann und Maus unter.
Nur der Kapitän hatte soviel Geistesgegenwart, sich in einem Boot zu retten, und als er schon keine Hoffnung auf Rettung mehr sah, da klärte sich nach und nach der Himmel. Der Sturm schwieg, die Wellen gaben sanft nach und führten ihn an eine kleine Insel, wo er mit Dankgebeten an unseren Schöpfer das Land betrat.
Zweiter Band.
Aufenthalt auf der unbewohnten Insel.
Doch wie gräßlich war seine Überraschung, als er die Insel von keinem menschlichen Wesen bewohnt fand, und so lebte er wie ein zweiter oder dritter Robinsohn bis zum Jahre 1836 einsam und verlassen, sich in sein unglückliches Schicksal ruhig fügend – weil er es doch nicht ändern konnte.
Dritter Band.
Freudige Überraschung – Ende.
Als er eines Morgens, in tiefes Nachdenken versunken, auf einer Rasenbank ruhte, da erschien – wer vermag sein Gefühl in Worten zu schildern – ein junger Mann, der mit freundlich lachendem Gesicht auf ihn zueilte. Der Kapitän sprang auf, stürzte wie ein Wahnsinniger in die Arme des Angekommenen und fragte: »Sind Sie ein Gott oder ein Mensch?«
Da antwortete der junge, edle Mensch, indem er seinen Rock aufknöpfte, mit großer Bescheidenheit: »Keines von beiden, ich bin nur ein Weinreisender aus Würzburg und erlaube mir die Freiheit, auch Ihnen einen Preiskurant meines Hauses ergebenst zu überreichen, indem ich Sie noch besonders auf unsern ausgezeichneten 34er aufmerksam mache.«
So wurde der Kapitän gerettet, und er tat ein heiliges Gelübde, zeitlebens Würzburger 34er zu trinken.
Ehre der ganzen Weinindustrie, Ehre besonders dieser Würzburger Firma, die ihre Reisenden in bekannte und unbekannte Weltteile sandte und mit dem Absatz ihrer Waren zugleich die Rettung von Schiffbrüchigen verband!!
Heil!!
Zwei Geschäftsreisende sitzen sich gegenüber.
Der erste: »Sie sind aus Breslau, Herr Kollege?«
Der zweite (der eifrig mit Essen beschäftigt ist): »Ja!«
Der erste: »Wie, dann kennen Sie gewiß den Kaufmann Schultz, der das große Mäntelgeschäft hat.«
Der zweite: »Ist tot!«
Der erste: »Wie, dieser kräftige Mann? Mein Gott, vor vier Wochen habe ich noch in Leipzig ein Geschäft mit ihm abgeschlossen. Nicht möglich!«
Der zweite: »Ist tot!«
Der erste: »Das ist ein beklagenswertes Ereignis und ein großer Verlust für die alte Firma. Wie untröstlich wird seine Frau sein. Haben Sie diese vielleicht nach dem Tode ihres Mannes einmal gesehen?«
Der zweite: »Ist tot!«
Der erste: »Mein Herr, das ist ja furchtbar, auch seine Frau ist tot?«
Der zweite: »Ist auch tot!«
Der erste: »Dann haben wohl die verwandten sich der unglücklichen Kinder angenommen? Es waren zwei hübsche Kinder da.«
Der zweite: »Sind auch tot!«
Der erste: »Mein Herr, ich bitte, erklären Sie mir das Entsetzliche eines solchen Ereignisses. Eine glückliche, vor wenigen Wochen noch gesunde Familie ausgestorben! Grassiert denn eine Epidemie in Breslau?«
Der zweite: »Alles tot!«
(Nach einer Pause, während der zweite Reisende seine Mahlzeit beendet hat und sich jetzt mit dem Zahnstocher beschäftigt.) Der erste: »Ihre Mitteilungen haben mich sehr betrübt, denn ich war befreundet mit Herrn Schultz und mit seiner Familie.«
Zweiter Reisender: »Hermann Schultz, Mäntel en gros? Ach ja, ein tüchtiger Mann!«
Erster Reisender: »Sein Tod hat wohl allgemeine Teilnahme hervorgerufen?«
Der zweite: »Sein Tod? Wie kommen Sie darauf?«
Der erste: »Nun, er ist ja gestorben, wie Sie mir gesagt haben!«
Der Zweite: »Gott bewahre, er lebt, er ist kerngesund!«
Der erste: »Und seine Gattin?«
Der Zweite: »Lebt auch, eine reizende Frau.«
Der erste: »Und die Kinder?«
Der Zweite: »Leben auch, allerliebste Kinder, hängen sehr an mir, visitieren mir immer die Rocktaschen, wenn ich komme. Verkehre oft in der Familie.«
Der erste: »Mein Herr, das sind ja gräßliche Widersprüche! Ich werde ganz irre an Ihnen, Sie sagten mir noch vor wenigen Minuten, die ganze Familie sei gestorben.«
Der zweite: »I bewahre! Wann sollte ich sowas gesagt haben?«
Der erste: »Als Sie speisten!«
Der zweite: »Ja, das ist was anderes! – Sehen Sie, mein Herr, wenn ich esse, dann ist für mich alles tot!«
Geschäftsreisender wollte von Köln nach Hannover fahren und sagte vor Antritt der Reise zum Schaffner: »Ich bin sehr müde und will im Zuge etwas schlafen. Hier haben Sie einen Taler, dafür müssen Sie mich in Hannover aber auch ganz bestimmt wecken. Sollte ich nicht recht munter werden oder in meiner Schlaftrunkenheit Umstände machen, dann stellen Sie einfach mein Gepäck auf den Bahnsteig, nehmen mich beim Kragen und setzen mich hinaus! Verstanden?«
Der Schaffner versprach hoch und heilig, den Auftrag richtig auszuführen, und der Reisende lehnte in einer Ecke und war bald fest eingeschlafen, wie er ja das Schlafen im Zuge wohl gewöhnt war, plötzlich wird er wach, indem ihn der Zugführer an der Schulter rüttelt:
»He, Mann, Sie müssen aussteigen, wir sind in Berlin. Der Zug fährt nicht weiter!«
Entsetzt springt der Reisende empor und erkennt den ihm wohlbekannten Berliner Bahnhof.
»Wo ist der Schaffner?« schreit er wütend. »Wo ist der verfluchte Schaffner, der mich in Hannover wecken sollte?«
Endlich entdeckt er ihn auf dem Bahnsteig und fällt mit einem ganz maßlosen Schimpfen über ihn her:
»Sie Kamel! Sie Ochse! Sie dreifacher Esel! Wozu hab' ich Ihnen den Taler gegeben? Was soll ich jetzt in Berlin? Aber ich werde Sie zur Verantwortung ziehen, Sie Nilpferd, Sie sollen mir meinen geschäftlichen Schaden ersetzen! Wo ist der Bahnhofsvorsteher?«
Und weiterschimpfend raste er davon.
Der schuldige Schaffner hatte zu dem allen kein Wort gesagt, bis ihn endlich ein anderer Schaffner fragte:
»Und wenn dir der Kerl zehnmal einen Taler gegeben hätte, solch ein Schimpfen brauchtest du dir aber doch nicht gefallen zu lassen!«
Jetzt tat der beschimpfte Schaffner zum erstenmal den Mund auf und sagte:
»Das nennst du Schimpfen? Da solltest du mal den andern gehört haben, den ich in Hannover aus dem Zuge gesetzt habe! Der hat geschimpft!!«
Zwei Geschäftsreisende, die gute Freunde waren, trafen sich zufällig in einer kleinen Stadt, wo sie im gleichen Hotel abstiegen und, da das Hotel etwas überfüllt war, ein gemeinsames Zimmer mit zwei Betten nahmen. Vor dem Schlafengehen feierten sie aber ihr Zusammentreffen durch einen herzhaften Trunk, der sich sehr lange ausdehnte, so daß sie ziemlich illuminiert endlich in ihr Zimmer gingen.
In ihrem fröhlichen Zustand geschah es nun, daß sie beide in dasselbe Bett kletterten, und zwar der eine an dem Kopfende und der andere an dem Fußende, Das Licht hatten sie ausgemacht, und es herrschte eine Weile tiefe Stille, plötzlich sagte der eine:
»Du, Paul, schläfst du schon?«
»Nein«, antwortete der andere.
»Du, Paul, bei mir liegt ein Kerl im Bett!«
»Bei mir auch, er streckt mir beide Beine entgegen.«
»Du, Paul, wollen wir die Kerle rausschmeißen?«
»Jawohl, machen wir, los!«
Es entspann sich nun im dunkeln Zimmer ein fürchterlicher Kampf, und nach einiger Zeit war ein doppeltes Aufbummsen auf den Fußboden zu hören. Dann trat wieder große Stille ein.
»Du, Paul,« hörte man plötzlich eine Stimme, »hast du den Kerl rausgeschmissen?«
»Nee, der Kerl hat mich rausgeschmissen.«
»Du, Paul, was machen wir dann? Mich hat er auch rausgeschmissen.«
»Dann müssen wir eben auf dem Erdboden schlafen.«
Dieses taten sie denn auch, und erst am nächsten Morgen sahen sie, daß sich außer ihnen überhaupt niemand im Zimmer befand. Das eine Bett war furchtbar zerwühlt, das andere überhaupt nicht berührt – sie hatten sich gegenseitig aus dem Bett herausgeworfen.
Ein Weinreisender, der auf dem Lande zu tun gehabt, hatte den letzten, heute noch fahrenden Zug der Kleinbahn versäumt, und da er unbedingt noch in die Stadt wollte, ging er zu einem Bauern, um ihn zu veranlassen, ihn für Geld und gute Worte hinzufahren. Aber der Bauer, der durchaus nicht dafür schwärmte, dem eleganten Stadtmenschen einen Gefallen zu tun, antwortete mürrisch, seine Pferde seien heute genug angestrengt, und wenn er schon fahre, dann koste das acht Taler.
Der Weinreisende war entsetzt und machte höfliche Einwendungen und Vorstellungen, die aber den höchst eigensinnigen Bauern nicht im geringsten zu rühren schienen. Plötzlich sah der Reisende auf dem Hof einen mit Brennholz beladenen Wagen stehn, und es kam ihm ein Gedanke.
»Sagen Sie mal,« fragte er in gleichgültigem Ton den Bauern, »Sie haben da draußen Holz stehn – was kostet eine solche Fuhre?«
»Die will ich morgen in die Stadt fahren«, antwortete der Bauer. »Die Fuhre kostet drei Taler!«
»Und wenn Sie mir das Holz ins Haus liefern?«
»Auch dann kostet es drei Taler.«
»Gut!« sagte der Reisende. »Ich brauche gerade Holz, ich kaufe die Fuhre. Sie müssen sie nur aber sofort hinfahren.«
Der Bauer, erfreut, daß er morgen nicht erst in die Stadt zu fahren brauchte, war gern einverstanden. Der Knecht spannte die Pferde an, der Reisende setzte sich mit auf den Bock, und so fuhr er kostenlos in die Stadt, denn unterwegs überlegte er schon, wem von seinen Kunden in der Stadt er die Fuhre verkaufen wollte.
Ein Gutsbesitzer war bei einem befreundeten andern Gutsbesitzer zu Besuch und vertrieb sich dort in den Forsten die Zeit mit fleißigem Jagen. Die Geschichte spielte an der russischen Grenze, wo damals noch Wölfe und manchmal sogar Bären vorkamen.
Eines Tages hatte sich der Besucher verirrt, der Abend brach herein, und noch immer konnte er keinen Pfad entdecken, der ihn aus dem dichten Wald führe, weil er nun doch etwas Furcht vor Raubtieren hatte, so stieg er auf einen Baum, zog seine Flinte nach sich und suchte es sich zwischen den Zweigen so bequem wie möglich zu machen. Plötzlich hörte er über sich ein Rauschen in den Zweigen und erschrak heftig, denn dies konnte ja ein nach Honig lüsterner Bär sein. Schon erhob er seine Flinte, um dem Untier den Garaus zu machen, als sich aus den Zweigen zu seinem großen Erstaunen folgende Stimme vernehmen ließ:
»Bitte, halten Sie mich nicht für einen Bären oder für sonst ein Ungetüm. Ich habe mich, was ich auch von Ihnen annehme, im Walde verirrt, Ich reise für das Ihnen wahrscheinlich wohlbekannte Weingeschäft von Meier & Co. und würde mich glücklich schätzen, wenn ich bei dieser Gelegenheit einen Teil Ihres Weinbedarfs zur prompten Effektuierung notieren könnte. Der soeben durch die Wolken blinkende Vollmond dürfte Ihnen diesen Preiskurant, den ich Ihnen hiermit überreiche, lesbar machen.«
Ein französischer Geschäftsreisender kam auf seiner Fahrt nach Valenciennes, wo er in einem Hotel einkehrte und an der öffentlichen Tafel zu Abend aß. Während des Essens hatte er seinen Handkoffer neben sich auf einen leeren Stuhl gestellt.
Wie erstaunt war er am nächsten Morgen, als er Weiterreisen wollte und auf der Rechnung ein Abendessen für zwei berechnet fand. Auf seine unwillige Nachfrage erklärte ihm der Kellner aber, daß sein Handkoffer, da er den Platz eines Reisenden eingenommen habe, auch den dafür dem Hotelbesitzer entstehenden Verlust tragen müßte. Der Reisende bezahlte, ohne weiter ein Wort zu verlieren, und reiste ab. Wenige Tage nach diesem Vorfall kam er zurück und kehrte wieder in diesem Hotel ein. Ohne sich die bei seinem letzten Aufenthalt gemachte Erfahrung zunutze zu machen, legte er den von ihm unzertrennlichen Handkoffer wieder neben sich auf den Stuhl. Diesmal aber war der Reisekoffer bei jeder Schüssel, die herumgereicht wurde, offen und beanspruchte bald ein viertel von einem Huhn, bald ein Stück Rindfleisch, bald ein paar Schnitte Schinken. Nichts ging an dem Koffer vorüber, ohne daß es ihm einen sehr bedeutenden Tribut gezahlt hätte. Endlich ging die Sache so weit, daß die Kellner anfingen, Einwendungen zu machen. Aber der Reisende erwiderte ruhig: »Neulich abends hatte mein Koffer keinen Hunger, aber heute, wie Sie sehen, ist sein Appetit sehr bedeutend; dadurch gleicht sich die Sache aus.« Der Geschäftsreisende erzählte jetzt den andern Tischgästen von dem ersten Besuch seines Koffers und hatte sofort alle Lacher für sich, so daß weder die Kellner noch der bestrafte Hotelwirt weiterhin eine Einwendung zu machen wagten.
Ein Reisender kam zu Magdeburg in einen Gasthof. Er trug einen langen, zusammengeschlagenen Mantel, und da er sehr müde war, verlangte er ein Zimmer, um sich gleich schlafen zu legen. Am nächsten Morgen machte er einen furchtbaren Lärm und sagte, während der Nacht seien die Hausbediensteten in sein Zimmer eingebrochen und hätten ihm seine Hose mit seiner Börse, die 50 Dukaten enthalten habe, gestohlen. Der Wirt und alle im Hause liefen hinzu, und da dem Fremden wirklich die Hosen fehlten, mußte schließlich der Wirt nach Eingreifen der Polizei den ganzen Schaden ersetzen.
Einige Jahre später mußte dieser Wirt eine Reise machen und logierte in einer anderen Stadt in einem Gasthof. Als er dort des Morgens beim Frühstück saß, erzählte ihm der Kellner, in der Nacht seien einem Reisenden die Hose mit 50 Dukaten gestohlen worden, und der Wirt müsse den Schaden bezahlen. Dies machte den Gast, dem in seinem eigenen Hotel schon einmal dieselbe Geschichte passiert war? denn doch stutzig. Er ließ sich von dem Kellner den bestohlenen Reisenden zeigen und erkannte, daß es derselbe Mann war, den er in einer so schmerzhaften Erinnerung hatte. Er besann sich nicht lange, sondern ließ den Mann festnehmen. Es wurde dann durch gerichtliche Forschungen festgestellt, daß man es mit einem gefährlichen Gauner zu tun hatte, der mit einem langen Mantel bekleidet ohne Hose in allen möglichen Städten sich in Gasthäuser einschlich und immer wieder denselben Trick mit großem Erfolg anwandte. Ohne den seltsamen Zufall, daß ihn ein betrogener Gastwirt in einem andern Hotel erwischte, hätte er sein Gewerbe als falscher Reisender noch lange fortführen können.
Aus: »Der tolle Bomberg« von Josef Winkler.
Selten nahm der Baron Geld in der Tasche mit, Er schrieb nur einen Bon für die Rentei, und der Rentmeister zahlte. So reiste er wie ein Krösus im Lande umher, und da jeder seine Schnurren kannte und sein Kredit – wie Münster – fest gegründet war, ging er überall glatt durch. Eines Tages aß er bei Vater Sieverding in Hiltrup hinterm Wirtshause, wo der schöne alte Baum steht und seine Zweige über den Tisch breitete. »Hier bleib' ich, bis meine Bartspitzen um die Linde wachsen – noch eine Flasche – he!« Da fuhrwerkte ein Likör- und Weinreisender aus Telgte herein und gedachte sich bei einem Speckpfannkuchen mit Kopfsalat gütlich zu tun. Schon auf dem Steinpatt hatte der Baron sein lärmendes Wesen gehört und beschloß, ihn zu ignorieren. Aber der Mensch saß bald neben ihm, strüppte die Röllchen über die fleischigen Hände ab, setzte sie vorsichtig wie Lampenzylinder auf den Tisch und rieb mit dem Tischtuch die dampfende Stirn:
»Erlauben Sie – woher mag diese Hitze kommen?« Der Baron trommelte die Tischplatte und sah geradeaus. Der Reisende öffnete noch ein Kragenende, daß es wie ein Span abstand vom dicken Hals, und gurgelte lauter: »Man sollt' die Hitze nicht für möglich halten.« Bomberg sah stracks vorbei auf den Hühnerhof und erinnerte sich, kürzlich von Landois gehört zu haben, wie ein Ei entstand: während zwei Stunden unablässig langsam drehend, unter langsamen Drehungen in vierundzwanzig Stunden wächst die ovale Form, und dachte: putzig, wieviel Eier mögen sich da in dem Hühnerhintern drehen? und lächelte. Der Reisende faßte dies als Ironie auf und blähte sich erbost: »Man hat's wirklich nicht leicht, bei diesen Wirten hier im Lande herumzufahren – schlechtes Geschäft!«
Der Baron lachte plötzlich laut auf.
Der Reisende schrie: »Wenn ich Sie geniere, setze ich mich anderswo – erlauben Sie, mein Name ist nämlich Möbstig!«
»lieber Mann, ich stelle mir nur vor, welch ein Gefühl es für Sie wäre, wenn sich in Ihrem dicken Hinterviertel zwei Schock Eier drehten!«
Jetzt war es klar, daß hier wohl ein Irrer rede; der Reiseonkel machte eine mitleidige Miene und schwieg beklommen. Am Ende würde der Irre auch noch gewalttätig über ihn herfallen!
Schon fragte der Baron den alten Sieverding: »was hab' ich zu zahlen?« Der Wirt nannte die Summe. Der Baron steckte sich erst mit einem Tausendmarkschein die Zigarre an, riß dann aus seinem Notizbuch eine Seite und schrieb den Bon und ging.
»Erlauben Sie, Wirt, was ist das für ein Kauz? Zahlt der mit Notizblättern?«
»Lassen Se den man laufen, der nimmt Ihnen für'n Bon das ganze Geschäft ab samt Pferd und Wagen und die Firma dazu, wenn er in Laune ist! Das ist der tolle Bomberg.«
»Mit dem wird jetzt kein Geschäft mehr zu machen sein«, bedauerte der Reiseonkel.
»Der trägt nichts nach! Tun Sie harmlos, er ist jetzt in Alberloh auf der Kirmes!«
Die lockende Aussicht, an diesen übergeschnappten Sonderling die ganze Ladung Likör auf einmal loszuschlagen, ließ ihn noch selbiger Stunde anspannen und gen Albersloh eilen. Bald traf er bei einem bekannten Wirt den Baron unter einem Haufen Kirmesbrüdern. Er schlängelte sich mit lärmender Lustigkeit heran, als erkenne er den Baron nicht: »Meine Herren, erlauben Sie, die Gelegenheit ist günstig – mein Wagen hält vor der Tür – ich spendiere drei Pullen Likör, dazu zwei Pullen alten Münsterländer! Wat help dat schlechte Liäwen!« Also gingen Schnapsgläschen gleich in der Runde und wurden mit spitzen Fingern solange gekippt, gewippt, daß die Fidelität stieg und der Baron sagte: »Na, auf ein paar Flaschen können wir zehn Mann nicht balancieren – geben Sie noch eine Runde?« Der Reiseonkel, sauersüß seine Rechnung überschlagend, dachte: Sei splendid, Möbstig, soll die erste Runde nicht verloren sein, muß die zweite folgen – und ponierte mit geheucheltem Edelsinn schließlich auch noch das Gesinde, die übrigen Gäste und den Wirt. Jedes aufsteigende Bedenken erstickte die Beruhigung: »Der Baron läßt sich gewiß nicht lumpen!« Der Leichtsinn des Schenkens kam mit dem Trunk über ihn, und er verteilte schließlich mit sollen Armen aus dem Schlund des Likörwagens. Der Baron animierte noch immer wacker, und Möbstig war unerschöpflich wie der gute Sankt Nikolaus auf der Dorfkirmes! Aber als der Vorrat zur Neige ging, überkam ihn plötzliche Ernüchterung, er überschlug den Schaden so auf gute zweihundert Taler, fuhr vor Schreck herum und keuchte: »Herr Baron, nu wird's aber Zeit, daß Se bald mit 'nem Bong 'rausrücken!« – »Natürlich –« dampfte dieser – »was kostet der ganze Krempel?« Der Dicke rieb die fleischigen Hände, schlug noch schnell ein Profitchen zu und strahlte: »Mit dem, was noch drin steckt, dreihundertsechsundfünfzig Taler!« – – »Mensch, Mann, Seele, Herr – ich will den ganzen Krempel, wie er dasteht – mit allem, was drauf und dran hängt – die ganze Karriole!« – Ein Bäuerlein schrie: »Met dat magere Piärd is de Kaorn tosammen 'n Grösken wärt!« Der Dicke fuhr herum: »Aber erlauben Sie!« Schon schlug der Baron ein: »Top – mit allen Anhängseln viertausend Taler!« – »Viktoria!« jauchzte der Reiseonkel, und der Baron schreibt einen Bon über die Summe: »Kaufpreis für Wagen, Inhalt und gesamten Zubehör!«
Jetzt mußte natürlich der Rest verpulvert werden und der Reisende kannte keine Grenze seiner Großmütigkeit. Das Ende war, daß er hagelkreuzbombenvoll vom Stuhl fiel und der Baron sagte: »Ich will ihn heimfahren,« – worauf man umständlich den Koloß in den Likörwagen schob, leere Flaschen drauf häufte, den Kasten hinten fest zuschloß, daß er nicht herauspolterte.
Der Baron bestieg den Bock und fuhr sein Opfer mit Hallo von der Kirmes fort.
Auf Bulbergen wurde der Wagen zu den anderen in die Remise verstaut und auch Bomberg suchte sein Bett auf, selber wankend und schwankend. – Am folgenden Mittag erwachte der splendide Reiseonkel in der Düsterheit seines engen Gefängnisses und begann zu rumoren unter den klirrenden Pullen. Er trommelte vergebens mit den Fäusten. Schachmatt und hundsmiserabel schnarchte er wieder ein, und am späten Abend klopfte der Baron beim Deliquenten an: »He – Mann, schon nüchtern?« – »Ich verklage Sie, ich vergreife mich an Ihnen – lassen Sie mich 'raus.« – »Ta gueula – halt die Schnauze!« rief der Baron. – »Aber erlauben Sie!« tönte es aus dem Kasten und die Flaschen klirrten, als erhöbe sich darin ein Mastadon aus einem Scherbenhügel. »Ich hab' den ganzen Wagen gekauft mit allem, was drauf und dran hängt, und Sie gehören mit zum Inventar!« – »Das ist Betrug, das ist Übervorteilung!« – »Ich hab's schriftlich von Ihnen!« – »Und die Blamage –« – »Wird noch viel größer durch Ihren Prozeß – aber vorläufig füttere ich Sie noch ein paar Wochen wie einen wilden Köter im Hundeloch!« Das fuhr dem Dicken doch durch Mark und Bein, er mußte wahrhaftig jetzt aufs Tollste vorbereitet sein und somit legte er sich vom Drohen aufs Bitten: »Na, – annullieren wir den Kauf –« gab der Baron nach, »rücken Sie mir erst den Bon – raus!« Nach einigem Zögern seufzte es drinnen: »Gut.«
Der durch eigene Profitsucht Geplünderte fuhr belämmert auf Nimmerwiedersehen davon: »Wahrhaftig – dieser Mann ist mit zehntausend Hexenmeistern zur Schule gegangen!«
von Moritz Joeb.
Ausmarsch.
(Die Firma Haußmann & Co., Jupons en gros und Export ist aus dem Häuschen, denn ihr erster Reisender,)
Herr Bauchwitz (steht im Begriff, den Berliner Staub von seinen Pantoffeln zu schütteln und nach dem Kriegsschauplatz abzudampfen. Er rennt vor seinen vier Koffern wie ein gereizter Löwe hin und her und sortiert in fieberhafter Eile die neuen Muster ein. Durch das Geschäftslokal rufend): »Vinzelberg – Fräulein Vinzelberg, wo stecken Sie denn?«
Frl. Vinzelberg: »Was wollen Sie denn jetzt schon wieder?«
Bauchwitz ( sehr laut): »Was ich will? Die plissierten Taffetröcke muß ich haben, zum Donnerwetter!«
Frl. Vinzelberg ( herüberrufend): »Machen Se doch man nich so'n Krach! Ich komme ja schon! Nich mal 'ne Stulle kann man mit Ruhe essen!«
Bauchwitz: »Den ganzen Tag futtert die Gesellschaft! Wir sind doch hier nicht bei Aschinger, sondern im Geschäft!«
Frl. Vinzelberg: »Hast de Töne? Bauchwitz schimpft über's Essen! – Sie haben wohl gerade seinen Appetit?«
Peter ( der Hausdiener, kommt mit einem Vierseidel und einem Paketchen herein).
Das Personal ( bricht in Gelächter aus).
Bauchwitz ( ärgerlich): »Warum lacht ihr denn?«
Peter: »Herr Bauchwitz, es jab' keen' Jänsebraten mehr, da hab' ick Kalbsbraten jenommen.«
Bauchwitz: »Ja, schön, 's is gut, danke. Legen Sie nur hin!«
Peter: »Se kriejen noch zwanzig Fennje retour.«
Bauchwitz: »Lassen Sie mich jetzt in Ruhe und koofen Sie sich'n Rittergut dafür.«
Peter ( trollt davon).
Bauchwitz ( ruft ihm nach): Peter, haben Sie meinen Privatkoffer geholt?«
Peter: »Jawohl, der is unten.«
Bauchwitz: »Und die Fuhre?«
Peter: »Steht auch schon vor der Tür. Se brauchen bloß zuzuschließen, dann kenn' wa uffladen.«
Frl. Vinzelberg: »Hier sind die Taffetas-Jupons, zwei Modelle fehlen noch. Die Preise müssen Sie sich dann selbst auf den Etiketten vermerken, wir teilen sie Ihnen morgen mit.«
Bauchwitz: »Was soll ich denn mit Mustern ohne Preis? Verschenken? – Es ist wirklich haarsträubend! So 'ne Bummelei!«
Frl. Vinzelberg: »Meinethalben können Sie den Artikel auch hierlassen, wenn Sie zu bequem sind, ein paar Muster auszuzeichnen. Sie wissen doch, daß ich die Preise noch nicht habe.«
Bauchwitz (brummig): »Ach was, ich weiß gar nichts.«
Adolf (anzüglich): »Hört! Hört! – Sehr richtig!«
Bauchwitz (wütend): »Dummer Bengel! Was fällt Ihnen denn eigentlich ein? Sie wollen wohl alte Leute uzen?« (Er wirft ihm einen Knäuel Bindfaden an den Kopf.)
Herr Haußmann (kommt gerade hinzu): »Herr Bauchwitz, Sie bilden sich wohl als Jongleur aus?«
Bauchwitz: »Herr Haußmann, der Bengel wird über alle Maßen frech.«
Chef: »So? Was hat er denn getan?«
Frl. Vinzelberg (mischt sich ein): »Herr Bauchwitz hat gesagt, er weiß gar nichts, darauf hat Adolf ›Sehr richtig!‹ gerufen –« (allgemeines Gelächter).
Chef: »Wenn der Junge frech wird, so ist's kein Wunder: Treiben Sie nicht so viel Unfug mit ihm!«
Adolf: »Heute morgen hat mich Herr Bauchwitz in seinen großen Koffer gesteckt!«
Chef (streng): »Sie sind nicht gefragt! Und wenn Sie sich nicht anständig benehmen, werden Sie aus der Lehre gejagt. – Unterlassen Sie aber künftig solche Dummheiten, Herr Bauchwitz. Wir sind doch hier in keiner Spielschule!«
Bauchwitz (von seinem Chef weiter keine Notiz nehmend ): »Vinzelberg – habe ich nun alles eingepackt? Es ist höchste Zeit – Vinzelberg – Fräulein Vinzelberg –«
Frl. Vinzelberg (ruft aus dem Hintergrunde): »Jawohl – schließen Sie doch zu! Sie werden noch den Zug versäumen!«
Bauchwitz: »Dann nehme ich ganz einfach einen Extrazug!«
Frl. Vinzelberg: »Das traue ich Ihnen sogar zu.«
Chef: »Aber bitte – für Ihr Geld!«
Bauchwitz (schließt lachend die Musterkoffer): »So! Fertig! Klar zum Gefecht! Peter – – – Peter!«
Peter (eilt herbei): »Herr Bauchwitz! Ihr Abendbrot!«
Bauchwitz (kommandiert): »Abfahren! – Zum Essen ist jetzt keine Zeit mehr!« (Geht ins Kontor, während das Personal unter Donnergepolter die schweren Koffer hinausrollt. Zum Buchhalter): »Herr Strahl, Reisekasse!«
Strahl: »Ach so! Daran habe ich ja gar nicht gedacht.« (Wendet sich zum Kassenschrank.)
Bauchwitz: »Ich brauche fünfhundert Mark.«
Strahl (zählt): »So viel habe ich nicht hier.«
Bauchwitz: »So 'ne Bummelei! Sie wissen doch, daß ich heute abend fahre! Das kann auch nur Ihnen passieren, warum schicken Sie nicht rechtzeitig zur Bank? Wirklich haarsträubend!«
Strahl: »Na, ich hab's eben vergessen.«
Bauchwitz: »Wie kann man nur etwas vergessen? Verstehe ich gar nicht! Bei Windberg & Süßholz sollte mal so was vorkommen!«
Chef (hinzutretend): »Fangen Sie schon wieder mit Windberg & Süßholz an?«
Bauchwitz (boshaft): »Nein, aber wenn das noch lange so weiter geht, kann es leicht kommen, daß ich damit mal aufhöre.«
Chef: »Menschenskind, was ist denn schon wieder?«
Bauchwitz: »Was ist? Kein Geld ist da!«
Strahl: »Aber ich kann Ihnen ja zweihundert Mark geben! Reißen Sie sich doch nicht bei jeder Gelegenheit ein Bein aus!«
Chef: »Na, soviel wollen Sie doch hoffentlich nicht bis übermorgen ausgeben?«
Bauchwitz: »Dalli, dalli! 's ist höchste Bierzeit! – So, Strahl, Adresse wie immer, vergessen Sie morgen das Geld nicht. – Ha, auf Wiedersehn!« (will gehen.)
Strahl: »Ihre Briefmappe!«
Bauchwitz (umkehrend): »Donner – hätte ich bald vergessen!«
Strahl (anzüglich): »Wie kann man nur etwas vergessen!«
Bauchwitz (trocken): »Quatsch' nich, Krause, Adieu! – Adieu, Fräulein Vinzelberg. Erledigen Sie meine Aufträge ordentlich, sonst soll Sie der und jener frikassieren. Auf Wiedersehn, Herr Haußmann!«
Chef: »Adieu! Gute Reise, und kommen Sie nicht so bald wieder!«
Bauchwitz (hinausstürzend): »Ihren geehrten Segen erbitte schriftlich.« (ab.)
Chef: (mit der Direktrice flüsternd): »Was meinen Sie, Fräulein Vinzelberg, ich werde ihn wohl zur nächsten Saison als Teilhaber aufnehmen müssen? Es ist sonst kein Auskommen mehr mit ihm, und schließlich schnappt »W. & S.« ihn doch noch mal weg.«
Frl. Vinzelberg: »Ich glaube auch, es würde das Richtigste sein!«
Von Hanns Heinz Ewers.
Auf einer Fahrt durch Estremadura (Spanien) befand sich in meinem Coupé eine englische Dame, welche sich genierte, die primitiven, aus zwei durchlöcherten Brettern bestehenden W.-C. der spanischen Bahnstationen zu benutzen und deshalb seelische wie körperliche Qualen litt.
Da war es, daß ich ein seltenes, ein aufopferndes Bild von Edelmut und Herzensgute erlebte.
Ein im Coups sitzender Handlungsreisender erhob sich und nahm aus der Schachtel seinen neuen, wundervollen Zylinderhut. Er reichte ihn der Dame hin und sagte würdevoll:
»Madam! Dies ist ein Zylinderhut! Man kann ihn auch zu anderen Zwecken benutzen. – Ich und die beiden Herren möchten jetzt schrecklich gern hier aus dem Fenster hinaus die Gegend betrachten. – Wenn in der Zwischenzeit der Zylinderhut aus dem andern Fenster hinausgeworfen würde, würde ich mir das zur hohen Ehre anrechnen!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte er den Zylinderhut neben die Dame, faßte uns am Arm und drängte uns zum Fenster hin, wir unterhielten uns laut über die schöne Gegend, die aus Sand, verbranntem Gras und Telegraphenstangen bestanden. Als wir sie genug bewundert zu haben glaubten, drehten wir uns wieder um. Der Zylinderhut war verschwunden, die Engländerin saß ruhig mit glücklichem Gesicht in ihrer Ecke. Sie warf dem Handlungsreisenden einen dankbaren Blick zu.
»Sie sind ein Gentleman!« sagte sie einfach.
»Ja!« sagte ich ergriffen und drückte ihm die Hand, »man sollte Ihnen ein Denkmal setzen!«
»O bitte!« sagte der Herr vornehm. Und rasch brachte er ein anderes Gesprächsthema auf, erzählte höchst ergötzliche Geschichten von Leutnants und Schwiegermüttern.
»Welch ein Mensch!« dachte ich.
Alles nimmt ein Ende. Und so gelang es schließlich auch unserer sechzigiährigen Lokomotive »Esmeralda«, uns nach Sevilla hineinzuschleppen. Sie schnarchte fürchterlich und war schrecklich müde – das arme Tierchen!
Wir stiegen aus, der Handlungsreisende reichte liebenswürdig der englischen Dame ihre Gepäckstücke, und ich sah, wie er die Adresse auf ihrem Koffer las.
»Miß Maud Eliston, Park Road, Cheffield!« murmelte er. – »Cheffield? – Das ist gut, da ist ja die Firma Winter Brothers!«
Er half der Dame beim Aussteigen. Dann kritzelte er ein paar Worte auf eine Karte und wandte sich an mich:
»Lieber Landsmann,« sagte er, »ich muß unserer Reisegefährtin mit dem Gepäck behilflich sein, wollen Sie mir wohl dies Telegramm hier aufgeben?«
Ich war froh, dem hochherzigen Mann einen kleinen Dienst erweisen zu können, und sprang schnell zum Telegraphenbureau. Die Depesche lautete:
»Winter Brothers, Cheffield!
Hat Miß Maud Eliston, Cheffield, Park Road, eigenes Vermögen? Und wieviel? Drahtantwort. Lehmann in Firma Obermeier, Berlin, zur Zeit Sevilla, Hotel Cadiz.«
Nachdem ich das Telegramm aufgegeben hatte, suchte ich mein Handgepäck zusammen und lief zum Hotelwagen, der bis zum letzten Platz besetzt war.
»Sie müssen in ein anderes Hotel!« rief mir Herr Lehmann aus dem Fenster zu, »in diesem ist alles besetzt.«
»Die Depesche ist besorgt, sie hat acht Pesetas vierzig gekostet!« sagte ich^
»Schon gut«, meinte Herr Lehmann. »Wenn nur die Antwort befriedigend ist!« Er beugte sich hinaus und sagte vertraulich: »Hübsch ist sie ja, die Miß, wenn sie nun auch noch Geld hat, können wir bald Verlobung feiern!«
»Oh!« beteuerte ich, »Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Glück! – Sie edler Mensch, Sie! Sie Gentleman! – Ihr neuer Zylinderhut!«
»Reden Sie doch nicht!« sagte Herr Lehmann, »meinen Sie denn, ich würde auf ein so schwaches Risiko hin meinen eigenen Zylinderhut hergeben? – Nicht mal die Telegrammkosten!«
Der Kutscher knallte. Der Hotelwagen knatterte über das Pflaster hin.
Eine schreckliche Ahnung stieg in mir auf. – Ich öffnete meine schöne lederne Hutschachtel – – sie war leer!
O dieser Gentleman – – dieser scheußliche Gentleman!
Wenn er aber Hochzeit macht – – ich werde ihm telegraphisch meine Rechnung schicken! –
von Hermann Graebke.
In Neustadt steg ik in de Bohn,
Um noh Berlin to föhr'n;
Un achter, mi kem rintogohn
Een Dom mit een voor Görn.
As wi nun föhrt wär'n een kort Wiel,
Höl een lütt Dern ehr Näs ganz piel
In d' Höcht un säd: »Mamma, es tinkt!«
De Dom würr puterrot un plinkt
Dat Mäken to. Doch de verstünn ehr nich
Un säd: »Mama, es tinkt ganz fürchterlich!
Mal tinkt es nich, un denn tinkt's wieder,
von oben tinkt es immer nieder!«
De Dom kek noh das Brett in d' Höcht,
Un ick säd dünn: »Dat Kind het recht!
Dat ruckt hier dull noh Käs, so'n rechten ollen,
Un de Geruch is kum noch uttohollen.«
Un as de Dom von Käsen hört,
Se gor to schnurrig sich regert,
Höl sich vör d' Näs ehr Taschendook,
Un löp, as war se mch recht klok,
In'n Wagen ümmer hin un her,
Bet in Berlin se ankom'n wär.
Kum wär de Zog in'n Bahnhof rin,
So kem in uns' Coups geswinn
Een Herr. He nickt mi fründlich to.
»Es muß hier stehen irgendwo,«
Säd he, »mein kleines Reis'gepäck;
Ich seh' es schon dort in der Eck!«
Ick mokt em Platz, un as he runnerlangt
Een lütte Kist un sich be mir bedankt.
Da lärmt de Frau ganz wütend los:
»Mein Herr, ich find' es rücksichtslos,
Daß Sie hier über unsern Plätzen
Die Käsekiste niedersetzten!
wie durften Sie so etwas wagen!«
»Madam,« säd he, »das will ich Ihnen sagen:
Ich kann den Käsgeruch nicht gut vertragen,
Und deshalb saß ich hier im Nebenwagen,
So fahr' ich schon von Hamburg her.« –
Un ruter wär he ut de Dör.
Von Gustav Hochstetter.
In einem von den besten Hoteln
In Köln
Erschien ein Gast.
Mit Ergebenheit und Hast
Begrüßte ihn der Portier:
»Monsieur parle français?«
Der Gast, unbeweglichen Gesichts,
Antwortete nichts.
Der Empfangs- und Begrüßungs-Herr
Kam hinterm Tisch vor:
»'morning Sir!
You speak english, I think?«
Wobei es genau wie vorher ging:
Der Gast, unbeweglichen Gesichts,
Antwortete nichts.
Der Fall war bereits etwas ungewöhnlich,
Drum trat der Hoteldirektor persönlich
Hervor und fragte mit vollem Tenore:
»Parla italiano, Signore?«
Der Gast, unbeweglichen Gesichts,
Antwortete nichts.
Der Liftboy war ein Niggerboy,
Der dachte im schwärzlichen Hirn, »Oi, oi,
Nix inglisch, italisch, französisch hier?
Isse vielleicht ein Landsmann von mir?«
Er nahm sein Käppi in sein Händi
Und fragt: »Türkdje görüschürmisinis, Effendi?«
Der Gast, unbeweglichen Gesichts,
Antwortete nichts.
Man holte die Polizei
Herbei.
Die fluchte,
Untersuchte
Und fand schließlich heraus:
Der Fall war in einem ersten Haus
In Köln
Eigentlich gar nicht vorzustell'n!
In allen ersten Hoteln
Zu Köln
Ward seit drei Jahren
Dergleichen nicht erfahren!
Der Fall war ein richtiger Nerven-Peitscher:
Der Gast im Hotel zu Köln war – – –
– – ein Deutscher!