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Vom Chef und seinen Leuten

Der Chef ist natürlich die Haupt-Zielscheibe des Witzes und Spottes seiner Angestellten. Daher die vielen Scherze über ihn und über seine Familienmitglieder. Wie er sich als Liebhaber, Gatte und Vater stellt, wie oft seine Kaufmannsseele sein Wesen und seinen Standpunkt selbst in delikaten Angelegenheiten bestimmt – das wird rücksichtslos verulkt. Und selbst jene Angestellten, die wissen, daß sie einst Chef werden, machen sich über ihn lustig. Und der Chef lacht wohl oft selbst über Witze, die ihn treffen. –

Die verschiedensten Charaktere und Typen sind in Scherz und Anekdote gekennzeichnet. Der Münstersche Schriftsteller Landois umriß den biederen, bockstirnigen Kleinbürger, Blumenthal streichelte etwas rauh den Millionär, Meyrink skizzierte satirisch die kaufmännische Atmosphäre, und Tucholsky ging dem schwatzhaften modernen Händlertyp zu Leibe.

Aber schließlich ist das alles so vergnüglich, daß alle, die sich wiedererkennen, darüber lachen werden ...

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Zeichnung: Dörbeck

 

Unglückliche Berufe.

Zwei Ladeninhaber unterhielten sich darüber, wer von den beiden wohl am unglücklichsten gestellt sei. Der eine, der ein Glaswarengeschäft hatte, meinte, er sei doch am schlimmsten dran, denn wenn auch alles aufschlüge, auf seine Waren dürfe er nicht aufschlagen.

Der andere aber, der Strümpfe anfertigte und sie verkaufte, sagte: »Am schlimmsten stehe ich mich. Denn wenn ich mein ganzes Leben lang noch so fleißig Strümpfe wirke, so ist das Ende doch das, daß ich mein Leben verwirkt habe.«

 

Er weiß sich zu helfen.

Ein Kaufmann in einer kleinen Stadt, die zu bestimmten Zeiten stark von Gutsbesitzern der Nachbarschaft besucht wurde, verkaufte eines Tages, als es sich bei ihm ungewöhnlich drängte, an einen Kunden einen Sattel, ohne daß er Zeit hatte, den Verkauf in sein Buch einzutragen. Da er sich am nächsten Morgen wohl des Verkaufs, nicht aber des Namens des Käufers erinnern konnte, sagte er zu seinem Gehilfen:

»Wilhelm, trage den Sattel in die Rechnung eines jeden unserer Kunden ein, der richtige Käufer wird sich dann schon finden.«

Gesagt, getan, und als im Herbst die Zeit des Bezahlens kam, wurden die verschiedenen Rechnungen ausgeschrieben und den Kunden zugestellt. Wer sie genau durchsah und den Sattel bemerkte, den er nie gekauft hatte, verwahrte sich natürlich dagegen, und der Posten wurde dann mit einer höflichen Entschuldigung ausgestrichen. Als die Rechnungen bezahlt waren, fragte der Kaufmann: »Nun, Wilhelm, wie viele haben den Sattel bezahlt?« –

»Einunddreißig«, erwiderte der Ladendiener. –

»Wenig genug,« meinte der Kaufmann, »für alle die Mühe, die wir uns gegeben haben, den wirklichen Käufer herauszufinden.«

 

Schlimme Sache.

Ein Händler erfuhr, daß einer seiner Geschäftsfreunde erblindet sei.

»Ach Gott,« jammerte er, »was fang' ich nun an? Ich habe einen Wechsel auf ihn, nach Sicht zahlbar.«

 

Erziehung zur Pünktlichkeit.

Ein Kaufmann, der sehr viel auf Pünktlichkeit hielt, war von einem Handwerker durch falsche Versprechungen, die Arbeit zu einer bestimmten Zeit abzuliefern, oft getäuscht worden. Als er einst wieder bei ihm eine Bestellung machte, verlangte er, daß der Handwerker diesmal ganz bestimmt sagen sollte, wann er die Arbeit liefern werde, denn nun nehme er keine Ausflüchte mehr an. Der Handwerker beteuerte, daß er am nächsten Freitag, wenn er überhaupt noch lebe, bestimmt die Ware abliefern werde.

Als nun der Kaufmann am festgesetzten Tage wieder nichts von dem Handwerker sah noch hörte, schickte er eine Anzeige nach der Zeitung, in der unter vielem Bedauern der Tod des Handwerkers gemeldet wurde. Dieser las ganz erstaunt die Nachricht von seinem eigenen Hinscheiden, lief zur Zeitung, und dann, als er den Namen des Kaufmanns als des Einsenders der Todesanzeige erfuhr, zu diesem hin. Wie der Kaufmann den Handwerker erblickte, stellte er sich ganz erschrocken, als sähe er einen Geist. »Mein Gott!« rief er schließlich aus. »Sie leben also wirklich noch? Sie hatten mir ja so fest versprochen, daß Sie Ihre Arbeit liefern würden, wenn Sie Freitag noch am Leben seien. Und als Sie dann nicht kamen, mußte ich natürlich annehmen, Sie seien gestorben. Da ich Ihr Freund bin, habe ich mich für verpflichtet gehalten, meine Mitbürger von diesem traurigen Todesfall in Kenntnis zu setzen.« von dieser Zeit an lieferte der Handwerker seine Arbeit stets zur festgesetzten Zeit ab.

 

Der jüngste Tag.

Ein Kaufmann in Hamburg hatte unter seinen Angestellten drei Brüder namens Tag. Dem jüngsten von ihnen war die Kassenführung übertragen worden. An einem Tage, als der Kassenverwalter sich zufällig nicht im Hause befand, kamen Frachtgüter an, und der Fuhrmann erbat sich die Fracht.

»Ja, lieber Mann,« sagte der Lagerist achselzuckend, »da kann ich Ihnen nicht helfen. Mit dem Geld müssen Sie warten, bis der jüngste Tag kommt.«

 

Auch ein Kaufmann.

Ein Berliner Eckensteher wurde von seinen Freunden gefragt, warum er gar nicht mehr an der Ecke erscheine. »Ick bin jetzt Koofmann«, antwortete er. »Ick habe man zwar een kleenes Jeschäft, aber wenn et mir eener im Janzen abkoofen wollte, würde ick doch een sehr reicher Mann.« – »Na, womit handelst du denn?« fragten sie weiter.

»Mit de Spree«, erwiderte er. »Den Emmer en Sechser!«

 

Doppelte Buchführung.

Jemand sagte, daß er aus der Bibel den Traum des Pharao doch gar nicht begreifen könne. Wie sei es denn eigentlich möglich, daß sieben magere Kühe sieben fette Kühe verzehrten, ohne daß man es ihnen ansehe? »Ich konnte es auch nicht begreifen,« sagte ein Kaufmann, »bis ich mir eine Frau nahm. Da hatte ich mehr als sieben dicke Kassa- und Handlungsbücher, und meine Frau hatte nur ein ganz kleines Wirtschaftsbuch. Am Ende des Jahres aber hatte das kleine Buch alle meine großen und dicken aufgezehrt, und man sah ihm auch nichts an. Seit der Zeit glaube ich an den Traum des Pharao.«

 

Der Gefallen.

An der Glastüre zu einem Kaufmannsladen war ein Pappschild angebracht mit der Aufschrift: »Wenn niemand im Laden ist, so bittet man höflichst, nur hier zu läuten!« Ein Vorübergehender las dies, schaute durch die Glastür in den Laden, und da er leer war, begann er herzhaft zu läuten. Sogleich kam der Kaufmann die Treppe herabgestürmt und fragte, was der Läuter befehle. »Gar nichts«, antwortete dieser. »Aber weil hier so höflich gebeten wird, man solle anläuten, wenn niemand im Laden sei, so hab' ich Ihnen den Gefallen tun wollen.«

 

Fürstenberg und die Bankkatzen.

Bei der Durchsicht des Hausspesenkontos seiner Bank beanstandete der bekannte Bankdirektor Fürstenberg einen Posten von 50 Mark Milch für die gehaltenen Bankkatzen und vermerkte nachfolgendes:

Wenn Mäuse im Gebäude sind, so brauchen die Katzen keine Milch, und wenn es keine Mäuse gibt, können wir ruhig die Katzen entbehren, infolgedessen sind die 50 Mark zu streichen.

 

Die nötigen Vorkenntnisse.

Handlungsgehilfe: »Ich glaube mich wegen meiner gründlichen Kenntnisse im Verkauf und in der Buchführung empfehlen zu können und beehre mich, Ihnen die Zeugnisse mehrerer Häuser vorzulegen, bei denen ich in Stellung gewesen.«

Kaufmann (lesend): »Berner und Waldeck, Binder und Saale, lauter solide Firmen. Sind Sie denn noch nie in einem Hause gewesen, das falliert hat?«

Handlungsgehilfe: »Nein.«

Kaufmann: »Dann kann ich Sie leider nicht einstellen, denn Sie werden einsehen, daß man heutzutage mit einseitiger Bildung nicht ausreicht, sondern für alle Eventualitäten Vorkenntnisse mitbringen muß.«

 

Ein Purist.

Prokurist: »Solche Manipulationen verstoßen gegen die Prinzipien eines reellen Geschäfts!«

Chef: »Bleiben Sie mir vom Leibe mit Ihren Fremdwörtern!«

 

Ehrlichkeit.

Ein neuer Lehrling wird in das Geschäft eingeführt, der Prinzipal hält ihm einen Vortrag über die Grundsätze eines ehrenwerten Kaufmanns. »Vor allem eins, mein Sohn! Ein Kaufmann muß immer reell und ehrlich sein. Im vorigen Sommer hat ein Kunde irrtümlich einen Posten doppelt bezahlt. Trotzdem nun mein Kompagnon damals verreist war und niemand von der Sache wußte, habe ich diesem doch die Hälfte ehrlich und reell gutgeschrieben.«

 

Energisch.

»Ich habe schon zehnmal gesagt, im Geschäft wird nicht geraucht!«

»Aber ich habe doch keine Zigarre im Mund, das ist doch ein Bleistift.«

»Zigarre oder Bleistift, das ist ganz egal. In meinem Geschäft wird nicht geraucht!«

 

Geschäftsprinzip.

»Einen anständigen Kunden mahne ich prinzipiell nicht!«

»Ja, aber wenn er nun einfach nicht bezahlt?«

»Ja, dann ist er doch kein anständiger Kunde! Dann mahne ich ihn natürlich.«

 

Die Krise.

»Na, Herr Ascher, wie geht's? Sie sagen ja, Ihr Geschäft befinde sich in einer Krise?«

»Danke, ich bin über den Berg.«

»Dann gratuliere ich. Über den Berg sind Sie?«

»Ja, jetzt geht's mächtig bergab!«

 

Hochachtung.

»Herr Lehmann, Sie haben mich bei dem Geschäft in einer ganz raffinierten Weise betrogen. Sie sind der größte Gauner, der mir je vorgekommen ist. Ich sage Ihnen nur eins: Entweder lassen Sie sich nie wieder bei mir sehen, oder Sie werden mein Kompagnon!«

 

Ausflüchte.

Chef: »Nun, Fritz, hat er gezahlt?«

Lehrling: »Nein, er hat mich die Treppe hinuntergeworfen.«

Chef: »Gleich gehen Sie nochmal hin und holen Sie das Geld. Ich will doch dem Gauner zeigen, daß ich mich auf solche Ausflüchte nicht einlasse!«

 

Der Tod des Geschäftsmanns.

Herr Rosenzweig liegt im Sterben, mit geschlossenen Augen fragt er: »Kinder, seid ihr alle da? Ist die Mutter da?« –

»Ja, wir sind alle da!« –

»Das hab' ich mir doch gedacht!« ruft der Sterbende, sich plötzlich aufrichtend, aus. »Und wer kümmert sich ums Geschäft?«

 

Erschöpfende Auskunft.

Bamberger: »Auskunft über meinen früheren Angestellten Meier wollen Sie? Nun, ich kann Ihnen nur sagen, der Kerl lügt und betrügt jeden Menschen, und alles, was er kann, hat er von mir gelernt.«

 

Eine zweifelhafte Sache.

Reisender: »Herr Ganneffski ist nicht da? Wann wird er wiederkommen?«

Angestellter: »Das hängt ganz von den Geschworenen ab.«

 

Abgeholfen.

Chef: »Das ist jetzt schon das zweite Mal, daß ich Sie an Ihrem Pult schlafend finde.«

Buchhalter: »Entschuldigen Sie, aber ich habe ein kleines Kind, das läßt mich des Nachts nicht schlafen.«

Chef: »Famos! Dann bringen Sie doch das Rind mit ins Geschäft!«

 

Er kennt sie.

»Herr Meier, seit zwei Jahren haben Sie schon in ihrem Schaufenster ein Pappschild hängen mit der Aufschrift: ›Aushilfsarbeiter gesucht‹. Sie brauchen doch gar keine!«

»Was meinen Sie, wie ich früher von Bettlern überlaufen worden bin! Jetzt haben sie alle Angst, sie würden angestellt.«

 

Praktisch.

»Ich habe eine Idee. Ich werde mir jemand engagieren, der mir meine Geschäftssorgen abnimmt, dann kann ich den ganzen Tag sorgenfrei herumlaufen.«

»Was soll dich denn der Mann kosten?«

»Sechstausend Mark.«

»Und wie willst du diese Summe aufbringen?«

»Er soll sich darum sorgen!«

 

Genaue Auskunft.

»Wann sind Sie denn immer im Geschäft?«

»Gewöhnlich um neun, manchmal auch um acht, meistens aber um zehn.«

 

Das geschädigte Renommee.

Chef: »Eine Stunde waren Sie nicht im Büro und haben den Geldschrank offen stehen lassen!«

Kassierer: »Aber, es ist doch gar nichts drin.«

Chef: »Grade deshalb durften Sie ihn nicht offen stehen lassen.«

 

Dilemma.

»Ja, es sind lausige Zeiten. Jede Woche setze ich fünfhundert Mark zu.«

»Warum schließen Sie denn da nicht einfach?«

»Ich bitte, wovon soll ich denn leben?«

 

Ausgleich.

»Nun, Herr Neumann, was macht das Geschäft, und wie steht's mit Ihrem Prozeß?«

»Welchen Prozeß meinen Sie?«

»Na, mit dem Agenten, der Sie um dreitausend Mark geprellt hat.«

»Ganz gut! Wir haben uns ausgeglichen, er hat meine Tochter geheiratet.«

 

Gute Gründe.

Während der Inflationszeit fanden Lebensmittelunruhen statt, und es wurde ein großes Kolonialwarengeschäft ausgeplündert. Ein Herr, der vorbeikommt, sieht zu seinem Staunen unter den Plünderern einen ihm wohlbekannten Kaufmann, der sich grade einen ganzen Sack mit Kaffeebohnen anfüllt.

»Aber, Herr Müller, Sie plündern mit?« fragt er vorwurfsvoll.

»Still!« antwortet flüsternd Herr Müller. »Das Geschäft gehört doch mir!«

 

Schlecht belohnter Geschäftseifer.

»Wie, Herr Dannenbaum, Ihr Reisender hat sich mit der Tochter eines Kunden verlobt, um endlich bei ihm ins Geschäft hineinzukommen? Und was haben Sie denn zu einem solchen Geschäftseifer gesagt?«

»Was soll ich sagen? Ich hab ihm für den Verlobungstag die Spesen gestrichen, weil ihm da das Essen und Trinken doch nichts gekostet hat.«

 

Zweierlei Buchführung.

»Herr Meyer, Sie kleiden sich doch so einfach, und Ihre Frau treibt einen solchen Luxus mit ihren Toiletten.«

»Nun, meine Frau kleidet sich nach dem Journal der Moden und ich kleide mich nach dem Hauptbuch meines Geschäfts.«

 

Geschäftsverwandter Sport.

»Ich schwärme sehr für den Wassersport, besonders, da er sich ja auch gut mit meinem Beruf vereinigen läßt.«

»Ach ja, Sie sind ja, Weinhändler!«

 

Unnötiger Eifer.

»Es ist gut, daß ich Sie selbst treffe, Herr Müller. Dreimal war ich gestern mit der Rechnung in Ihrem Geschäft!«

»Und da kommen Sie heute schon wieder?«

 

Kunstkenner.

Die Gäste beim Kommerzienrat Bergmann bewundern eine prachtvolle Statue des Apollo

»Aus welcher Masse ist sie, Herr Kommerzienrat?« fragt einer, sie befühlend.

»Aus der Konkursmasse Friedländer! Ich hab sie billig erworben.«

 

Belehrung.

Der Chef ist schlechter Laune. Wütend rennt er im ganzen Geschäft herum, und wo er hinkommt, findet er etwas zu monieren. Auf einmal sieht er im Lagerraum mehrere junge Leute, die damit beschäftigt sind, allerlei waren zu Postpaketen zu verpacken. »Das soll ein Paket sein?« fährt er den einen an und reißt ihm das mühsam fertiggemachte Paket aus den Händen. »Ich will Ihnen mal zeigen, wie man ein Paket macht!« Aufgeregt beginnt er das Paket auf seine Art zu packen, aber die Gegenstände sind zu ungleich in der Form, und sein Kunstwerk fällt immer wieder auseinander. Schließlich hat er mit Mühe und Not ein übel aussehendes Paket zurechtgebracht. »So! Nun machen Sie's fertig. Dies ist zwar auch noch nicht das Richtige, aber Sie wissen jetzt wenigstens, wie's gemacht wird.«

 

Schwierige Branche.

»Na, Sie sind ja leicht zu einem Vermögen gekommen!«

»Was heißt leicht? Glauben Sie denn, das wäre so einfach, aus Baumrinde Schnupftabak zu machen?«

 

Der vergeßliche Chef.

»Müller, sehen Sie nach im Hauptbuch, zum wievielten Male wir jetzt Bankrott machen!«

 

Entrüstung.

Chef: »Herr Pieseke, ich muß Sie denn doch bitten, sich hier im Geschäft etwas anständiger zu benehmen! Sie sind doch nicht der Prinzipal!«

 

Das Hauptwort.

Einem Bankier, der es von einem kleinen Viehhändler zu einem reichen und großen Kaufmann gebracht hatte, überreichte der neue Buchhalter einen Brief zur Unterschrift. Der Bankier las den Brief durch und sagte: »Sie schreiben ja in dem Brief das Wort Verdienen klein!«

»Jawohl«, sagte der Buchhalter, »erdienen ist ein Zeitwort, und diese werden klein geschrieben; nur die Hauptwörter werden groß geschrieben.«

»Dann will ich Ihnen was sagen!« erwiderte der Bankier. »Verdienen ist bei mir immer ein Hauptwort gewesen, und in meinem Geschäft wird es groß geschrieben!«

 

Der fromme Kaufmann.

Ein amerikanischer Kaufmann, der einer sehr frommen Sekte angehörte, hielt des Abends mit seinem Ladendiener folgendes Zwiegespräch:

»Johann, hast du Wasser unter den Branntwein gegossen?«

»Ja, Herr!«

»Hast du Kreide unter den Mehlzucker getan?«

»Ja, Herr!«

»Hast du kleine Steinchen und Reiser unter die Rosinen gemischt?«

»Ja, Herr!«

»Hast du den Tabak angefeuchtet?« »Ja, Herr!«

»Nun, so komm in die Betstunde

 

Gewahrte Autorität.

Der Chef geht durch das Kontor und hört grade, wie sich zwei Angestellte zanken,.

»Sie sind der größte Esel hier im Geschäft!« schreit der eine den andern an.

Entrüstet wendet sich der Chef an die beiden Streithähne und sagt:

»Meine Herren, vergessen Sie bitte nicht, daß ich hier bin!«

 

Mißverstanden.

»Na, Meier, schlechte Geschäfte gemacht? Sie sehen ja so gedrückt aus!«

»Ach, ich habe beim Rennen so viel Geld verloren.«

»Geschieht Ihnen ganz recht – warum rennen Sie so?«

 

Unangenehme Situation.

Herr Berger eröffnet nach einer glücklich überstandenen Pleite ein großes Wäschegeschäft. Alle bestellten Waren sind schon da, nur die von Rosenbaum und Sohn bestellten Hemden fehlen noch. In höchster Not telegraphiert Herr Berger an Rosenbaum:

»Wo bleiben die bestellten Hemden? Sofort absenden, sonst stehe ich am Eröffnungstage ohne Hemd da!«

 

Das »L«.

Der Bankier Löwenstein war auf der Hamburger Börse einst sehr bekannt. Weil er das »L« nicht aussprechen konnte, wurde er von den Besuchern der Börse oft geneckt. Eines Tages begrüßte ihn einer der Börsenbesucher mit dem Ruf:

»Guten Morgen, Herr Newenstein!«

Löwenstein, schlecht gelaunt, die Kurse fielen, erwiderte:

»Necken Sie mich!«

 

Der Schabernack.

Ein Geschäftsmann entdeckt eines Morgens beim Öffnen seines Ladens, daß ihm ein böswilliger Mensch etwas Unangenehmes auf die Eingangsstufe gesetzt hat. Am Tage drauf findet er das Gleiche, und er rennt auf die Polizei, wo man ihm zwar verspricht, auf das Haus besonders zu achten, aber durchaus nicht verhindern kann, daß sich die schlimme Geschichte nochmals wiederholt. Da rennt endlich der unglückliche Ladenbesitzer zum Rechtsanwalt und erzählt ihm den Schabernack.

»Zuerst hab ich den Mund drüber gehalten«, sagt er, »und dann hat sich die Polizei hineingelegt. Aber jetzt denk ich doch, es ist ein Fressen für Sie, Herr Rechtsanwalt.«

 

Ausverkauf.

»Ist es wahr, daß Sie Ihr Haus, Ihr Geschäft, Ihre Möbel, kurz alles, was Sie haben, verkaufen wollen?«

»Jawohl, und wenn Sie kaufen wollen, dann können Sie alles haben, nur meine Frau, die verkaufe ich nicht, die können Sie umsonst haben!«

 

Der zerstreute Chef.

»Herr Pollitzer«, sagt der Buchhalter bei der Durchsicht der eingelaufenen Korrespondenz, »hier ist eine Bestellung, aber man kann den Namen des Absenders nicht lesen.«

Chef: »Schreiben Sie dem Mann: ›Bitte höflich um Angabe des Namens und der Adresse, da Ihre Unterschrift unleserlich war!‹«

 

Stets im Geschäft.

»Herr Kommerzienrat, wollen Sie mir nicht mal einen Augenblick Ihr Ohr leihen?«

»Zu wieviel Prozent?«

 

Das Geschenk von der Reise.

Ein Kaufmann, der zum Einkauf nach Stockholm gereist war, brachte jedem seiner Angestellten von dort als Geschenk einen Stock mit.

»Es ist nur ein Glück,« sagte ein Lehrling zu einem andern, »daß der Chef nicht in Pforzheim war!«

 

Die bekannte Reise.

»Servus, alter Freund, ich habe Sie ja lange nicht mehr gesehen, wo haben Sie denn gesteckt?«

»Ich war acht Monate verreist!«

»Na, konnten Sie denn da keine Berufung einlegen?«

 

Keine Frage.

Chef (zum Buchhalter): »Einer von uns beiden ist offenbar verrückt!«

Buchhalter: »Aber, Herr Müller, Sie engagieren doch keinen verrückten Buchhalter?«

 

Immer Kaufmann.

Arzt: »Herr Neumann, Sie haben Gallen steine

Patient: »Arterien verkalkung habe ich auch, das paßt ja sehr gut zu meinem Baugeschäft.«

 

Zweckgeschenke.

Ein Bankier, der eine Amerikareise machen will, steigt in Berlin in den Hamburger Schnellzug. Freunde und Verwandte sind mit zur Bahn gekommen, seine Nichte reicht ihm eine Tafel Schokolade mit den Worten: »Damit du nicht verhungerst!«

Ein Neffe kommt mit einer Flasche Kognak und sagt: »Damit du nicht verdurstest!«

Jetzt tritt auch ein Geschäftsfreund mit einer Flasche Parfüm an den Wagen heran: »Damit du nicht verduftest!« Dann setzte sich der Zug in Bewegung.

 

Ein delikater Auftrag.

Eine Dame hat bei der Bestellung einer Wäscheaussteuer irrtümlich ein Dutzend Beinkleider mehr erhalten, als sie bestellt hat, und bringt sie wieder zurück. Gleichzeitig bittet sie um Berichtigung der Rechnung. Der Chef entschuldigt sich bei der Dame und sagt dann zum Buchhalter: »Ziehen Sie mal bitte der Dame die Beinkleider ab!«

 

Das weiche B.

Ein Kaufmann namens Pauli ließ sein Haus verputzen und befahl dem Maurermeister, über der Tür seinen Firmennamen in erhabener Gipsarbeit anzubringen. Grade war die Arbeit vollendet, da bemerkte Pauli, daß der Gipser in seinem Namen statt des P ein B gewählt hatte.

»Was haben Sie denn da gemacht?« fuhr er den Meister an. »Da steht ja ein weiches B!«

»Keine Sorge!« versetzte ruhig der Meister. »In einer Stunde ist es hart!«

 

Den Rat befolgt.

»Sie haben also dem säumigen Kunden die Rechnung überreicht?« fragte der Advokat seinen Klienten.

»Das tat ich allerdings!«

»Und was sagte er darauf?«

»Er sagte, ich sollte zum Teufel gehn.«

»Und was taten Sie darauf?«

»Ich ging dann natürlich zu Ihnen!«

 

Die Medizin.

Die Teilhaber der Firma Kohn und Könnecke sind beide starke Trinker. Eines Tages beschließen sie, Abstinenzler zu werden, weil sie merken, daß unter ihrem Trinken auch das Geschäft leidet. Die einzige Flasche Kognak, die grade noch im Geschäft steht, soll aber aufbewahrt werden, um im Falle einer Erkrankung als Medizin zu dienen.

Drei Tage dauert schon der neue Lebenswandel, da nähert sich Kohn ächzend und klagend dem Schrank, in der die Flasche steht und sagt zu seinem Kompagnon:

»Du, mir ist heut so miserabel, ich glaub', ich bin krank!«

»Du kommst zu spät!« antwortet achselzuckend Könnecke. »Mir war gestern schon den ganzen Tag hundsmiserabel!«

 

Geschäftsausdehnung.

Zwei Schieber renommieren voreinander über ihre geschäftlichen Erfolge. »Ich hab mir schon ein besonderes Telephon in das Badezimmer und neben das Klosett legen lassen, weil ich den ganzen Tag über angeklingelt werde.«

»Na, und ich,« erwiderte der andere, »ich muß Tag und Nacht meine Privatsekretärin um mich haben!«

 

Ganz wie heute.

Der kürzlich in Düsseldorf verstorbene Großspekulant Leo Hanua, der auch viele Jahre Berlin bewohnte, erhielt eines Tages von der Veranlagungskommission ein Schreiben des Inhaltes, sie vermisse in seiner Deklaration die Spekulationsgewinne.

Auf den behördlichen Erlaß schrieb der Börsianer: »Ich auch.«

Dr. L.....

*

Eine bekannte Firma in Gera war in fremde Hände übergegangen. Der alte Direktor hatte sein Personal versammelt, um von ihm Abschied zu nehmen. Seine wohldurchdachte Rede sollte mit den Worten beginnen: ›Hat je ein herzlicheres Einvernehmen usw. ...‹«

Der alte Herr begann: »Hat je ...« und Rührung erstickte seine Stimme.

Da rief aus dem ihm umgebenden Kreis eine ebenfalls gerührte Stimme: »Adjee, Herr Direktor, adjee!«

 

Der doppelte Buchhalter.

Die Frau eines zum Fabrikanten emporgekommenen Kattundruckers wollte sich gegen eine Bekannte gern als Kaufmannsfrau geltend machen und erzählte ihr, daß sich ihr Mann jetzt auch einen doppelten Buchhalter anschaffen werde.

»Jedenfalls habe ich schon für ihn ein zweischläfriges Bett bestellt.«

 

Sein Schreck.

Der Kaufmann Neumann hat bankrott gemacht. Seine Gattin tröstet ihn und spricht:

»Beruhige dich, lieber Mann, und bedenke, was der Himmel uns nimmt, das gibt er uns doppelt wieder.«

»Du gutes Weib,« sagt Neumann plötzlich erschrocken, »möge der Himmel dich mir niemals nehmen.«

 

Die zwei Hindernisse.

Ein reisender Kaufmann machte einer älteren, aber sehr wohlhabenden Witwe den Hof. Eines Tages gestand er ihr, wie gern er sie heiraten würde, wenn nicht zwei Hindernisse dem entgegenständen.

»Nennt die Hindernisse!« sagte die zur Wiederverehelichung entschlossene Witwe.

»Das eine ist, daß es mir an einem Kapital fehlt, um einen Laden zu eröffnen«, sagte der junge Kaufmann.

Sie fragte ihn, wieviel er denn brauche, und schrieb ihm einen Scheck über die gewünschte Summe aus. Als sie sich wieder trafen, hatte der Kaufmann einen Laden gemietet und hübsch ausgestattet, und die Witwe bat ihn nun lächelnd, auch das zweite Hindernis zu nennen.

»Das zweite Hindernis«, sagte der Kaufmann, »besteht darin, daß ich schon verheiratet bin.«

 

Das Grabmal der Kaufmannsfrau.

Im Jahre 1761 ließ ein Potsdamer Kaufmann dort auf dem großen Friedhof vor dem Nauenschen Tore seiner Frau ein Grabmonument errichten. Es steht in der Ecke des Kirchhofs und ist mit einer Mauer und Gittertür versehen. Das Monument stellt Saturn dar mit dem Sinnbild der Zeit in übergroßer Gestalt. Eine weibliche Figur in Lebensgröße sitzt trauernd in der Mitte, und ein kleiner Knabe als Merkur überreicht ihr einen versiegelten Brief mit der Aufschrift:

A Madame Dikow née Grunthal à Potsdam.

Diese weinende Madame hat schon ein Blatt in der Hand, auf dem steht:

Golgatha, am allgemeinen Erlösungstage. Auf diesen meinen Solawechsel, dessen Valuta ich an Frömmigkeit und ehelicher Treue erhalten, zahlet dir sogleich nach deinem Absterben die ewige Seligkeit dein Heiland

Jesus Christus.

 

Der Schreck.

Frau Bernstein, die ihren Mann von der Bahn abholt:

»Du, dein Kassierer ist ein Lump! Er hat –«

Bernstein wird totenblaß: »Um Gotteswillen, was ist? Was ist geschehen?«

Frau Bernstein: »Er hat deine Abwesenheit benutzt, um –«

Bernstein: »Der Lump! Der Schuft! Wer hätte das von ihm gedacht!«

Frau Bernstein: »Um mir einen unsittlichen Antrag zu machen!«

Bernstein, sich den kalten Schweiß von der Stirn reibend: »Wenn du es noch einmal wagst, mich so zu erschrecken! Ich hab' wahrhaftig gedacht, der Mensch ist ausgerückt!«

 

Die neue Sekretärin.

Chef: »Wie kam es denn, daß Sie Ihren früheren Posten so Knall und Fall verließen?«

Sekretärin: »Die Frau meines Chefs hatte Grund zur Eifersucht.«

Chef: »Sie sind engagiert!«

 

Kurzer Bescheid.

»Nun, Herr Müller, wie geht das Geschäft?«

»Auf den Namen meiner Frau!«

 

Fachkenner.

Wollheim, der in der Brautnacht die vielen Schnüre und Bänder an der Kleidung seiner Frau löst: »Rosa, deine Eltern haben dich aber in einer prima Verpackung geliefert!«

 

Das kleinere Übel.

»Ich habe zwei Bewerber für den Verkäuferposten«, sagte ein Kaufmann zu seiner Frau. »Sie scheinen beide tüchtig zu sein, aber der eine hat schon Unterschlagungen gemacht, und der andere ist ein Mädchenverführer.«

Frau: »Da würde ich unbedingt den zweiten nehmen. Ich laß mich doch lieber verführen als bestehlen.«

 

Passende Namen.

Den Tuchhändler Zwirner beschenkt der Himmel mit weiblichen Zwillingen, und er sinnt lange darüber nach, welche Vornamen er ihnen geben soll. Endlich fällt ihm das Richtige ein, und er nennt die eine »Met«a und die andere »Ell«a.

 

Er kennt ihn.

Kolonialwarenhändler: »Mein Sohn ist nicht nur hier im Geschäft sehr tüchtig, er hat sich auch dem Boxsport gewidmet und schon eine Meisterschaft errungen.«

Kunde: »Ich kenne ihn vom Einkauf. Gewiß hat er die Meisterschaft im Leichtgewicht bekommen.«

 

Überraschung.

Auf einem Tanzvergnügen lernte Fräulein Schröder einen netten Herrn kennen, der sich ihr als Staatsbeamter vorstellte. Herr Schröder lud ihn bald darauf zu Tisch ein und ging nach dem Essen mit ihm in sein Büro hinüber, wo er bei einem Gläschen Kognak und einer guten Zigarre als vorsorglicher Vater mit dem Gast über seine finanzielle Lage zu sprechen begann und ihm unter anderem erzählte, daß er jährlich zwanzigtausend Mark in seinem Geschäft verdiene, denn er sagte sich, daß bei fünf unverheirateten Töchtern doch endlich einmal eine untergebracht werden müßte. Der Fremde schüttelte bei der Nennung einer solchen Einkommenssumme ungläubig den Kopf, so daß Schröder, dem das gesetzte Wesen des andern gefiel, ihm schließlich sein Hauptbuch vorlegte, »verzeihen Sie,« sagte jetzt der Gast, »ich komme nicht als Bewerber zu Ihnen, sondern in meiner Eigenschaft als Obersteuerkontrolleur, um Ihr Einkommen zu prüfen.«

Seitdem, vergewisserte sich Herr Schröder immer erst sehr genau über den Beruf eines jungen Mannes, ehe er ihn zu Tisch einlud.

 

Instruktion.

Chef (zum neuen Reisenden): »In Meseritz besuchen Sie vor allem den alten Bamberger in Firma Bamberger & Sohn, Er hat früher immer warme, dicke Unterhosen von mir bezogen, machen Sie ihm darin Ihre Aufwartung.«

 

Er weiß Bescheid.

Verkäufer (leise zum Chef): »Da vorne ist ein junger Herr im Laden, der stottert alles mögliche durcheinander, ich werde nicht klug daraus, was er eigentlich haben will, wollen Sie nicht mal mit ihm sprechen?«

Chef: »Ist nicht nötig! Man merkt, daß Sie noch nicht viel Erfahrung haben, Legen Sie ihm Verlobungsringe vor!«

 

Berechtigtes Mißtrauen.

»Warum rennen Sie denn so, Herr Bergmann?«

»Ich muß schnell ins Geschäft. Ich hab' den Schlüsselbund am Geldschrank hängen lassen, und wenn mein Schwiegersohn, der im Büro sitzt, ihn aufmacht–«

»Na, trauen Sie denn dem nicht?«

»Nicht im geringsten! wenn der hineinsieht, dann hebt er morgen die Verlobung auf.«

 

Der Chef im Dilemma.

»Herr Rechtsanwalt, was soll ich tun? Immer, wenn ich nach Hause komme, sitzt mein Prokurist mit meiner Frau auf meinem Sofa, und sie knutschen sich ab!«

»Schmeißen Sie den Kerl aus Ihrem Geschäft heraus!«

»Das kann ich nicht, er ist zu tüchtig.«

»Dann schmeißen Sie Ihre Frau heraus!«

»Das kann ich auch nicht, sie hat doch ihr ganzes Vermögen im Geschäft stehen.«

»Ja, dann weiß ich auch keinen Rat für Sie!«

Nach einigen Wochen treffen sich die beiden wieder. »Nun, wie geht's?« fragt der Rechtsanwalt.

»Danke, sehr gut!«

»Und wie steht's mit den beiden Verliebten?«

»Danke, auch sehr gut!«

»Wen haben Sie rausgeschmissen?«

»Ich hab' mir's überlegt, ich hab' das Sofa rausgeschmissen.«

 

Der Kaufmann und seine Hausfreunde.

Ein Kaufmann hatte eine hübsche Frau und zugleich eine recht ansehnliche Menge Hausfreunde, von denen er nicht recht wußte, ob ihre Besuche ihm oder seiner Frau galten. Um sich ihrer zu entledigen, ersann er folgendes Mittel. Er nahm einen sogenannten Hausfreund beiseite und sagte zu ihm:

»Ich weiß, Sie sind mein Freund, und ich kann auf Ihre Verschwiegenheit rechnen. Sie wissen, daß bei jedem Kaufmanne Zeiten kommen, wo das eigene Kapital nicht ausreicht, können Sie mir vielleicht mit einem Darlehen von fünfhundert Talern aushelfen?«

Der Hausfreund entschuldigte sich mit augenblicklicher eigener Verlegenheit, versprach aber, auf die Erfüllung des Wunsches bedacht zu sein, und – kam nicht wieder.

In gleicher Weise verfuhr der Kaufmann mit allen übrigen Freunden, und siehe da! sie blieben alle aus.

 

Das falsche Sprüchwort.

.

Zwei Kaufleute unterhalten sich. »Geld allein macht ja auch nicht glücklich!« meint der eine.

»Ja, das habe ich früher ebenfalls geglaubt«, sagt sein Freund. »Aber, was meinen Sie, wie glücklich ich wäre, wenn ich das Geld meiner Frau allein hätte – ohne die Frau!«

 

Doppelte Freude.

»Nanu, Lehmann, was machen Sie denn für ein vergnügtes Gesicht?«

»Ach, denken Sie nur – mein Kassierer ist mit meiner Frau durchgebrannt, und der arme Kerl hat noch seine Kaution von 5000 Mark im Stich gelassen!«

 

Schlechte Zeiten.

»Na, wie gehen die Geschäfte?«

»Mit Unterschieden! Vormittags ist nicht viel los, und nachmittags läßt es etwas nach.«

 

Vorsorge.

»Ist das wirklich wahr, Herr Könnecke, Sie geben Ihre einzige Tochter Ihrem Kassierer zur Frau?«

»Ja, wenn er dann mal mit der Kasse durchgeht, dann hat wenigstens meine Tochter was davon!«

 

Wiegenlied für den Sohn eines Börsianers.

(Aus der Biedermeierzeit.)

Schlaf, Kindlein, schlaf,
Sei du nur gut und brav!
Dein Vater macht in Bankpapieren
Und wird bald sein Geschäft kassieren.
Alsdann wird er verschwinden
Zum Nimmerwiederfinden,
Schlaf, Kindlein, schlaf!

Schlaf, Kindlein, schlaf,
Sei du nur gut und brav!
Die Mutter geht in Krinolinen,
läßt sich von früh bis spät bedienen,
Ist im Konzert, in Soirséen
Stets mehr als wie zu Haus zu sehen,
Schlaf, Kindlein, schlaf!

 

Welcher Meier?.

Von Glasbrenner.

Wer von allen Damen und Herren, Kindern, Greisen und Jungfrauen unseres Vaterlandes kennt nicht mindestens einen Menschen namens Meier? Überall, soweit die deutsche Zunge reicht, gibt es Meier. In allen Ständen und Klassen machen sie sich breit, am meisten aber im Kaufmannsstande.

Eines Tages warf eine junge, hübsche und sehr elegante Dame in den Berliner Briefkasten einen Brief mit der einfachen Adresse:

Herrn A. Meier, Wohlgeboren,

Hier.

Beim Sortieren der Briefe stutzte der damit beauftragte Beamte, und als der Name laut ausgerufen wurde, meldete sich einer der Briefträger, der amtlich Meier VII. hieß, behauptete den Adressaten zu kennen und nahm das Briefchen an sich. Bei dem Herrn Adolf Meier, Chef der gleichnamigen Firma, gab er es mit einigen anderen Briefen ab, und der erste Kommis, Herr Meierheim, der sonst alle Geschäftsbriefe zu öffnen pflegte, schob dieses duftende Schreiben, dessen Zierlichkeit ihm sofort mehr auf Vergnügen als auf Geschäft hinzudeuten schien, uneröffnet und mit einem leisen Schmunzeln seinem schon in vorgerücktem Alter befindlichen Herrn auf den Schreibtisch. Herr Adolf Meier schob erstaunt seine Brille zurecht, öffnete das Billett und las: »Geliebter Freund! Ich erwarte Dich bestimmt heute, spätestens morgen. Wo? weißt du. Komm, süßer Meier, ich habe dir Interessantes mitzuteilen. Am sichersten abends 8 Uhr. Du weißt weshalb. Ewig deine treue

Isabella.«

»Isabella? Isabella?« besann sich der alte Herr. »Ich kenne doch keine Isabella außer einer Königin von Spanien und einer Isabella in Meierbeers Robert dem Teufel! Sie erwartet mich bestimmt heute oder morgen? Hm! Komisch, komisch!« Er drehte das Briefchen nach allen Seiten um und beschnupperte es. »Ach,« rief er, »das wird mein Konkurrent, der A. Louis Meier, sein! Ja, gewiß! Der Duckmäuser! Warte! – Karl!« rief er und kuvertierte das Schreiben, »Hier, Herrn A. Louis Meier gegen Mittag abzugeben! Kann auch der Madame übergeben werden!«

Und so geschah es, denn Herr A. Meier wußte ganz genau, daß Herr A. Louis Meier gegen Mittag sich auf der Börse befand.

Mit dem freundlichsten Gesicht, das Herrn Louis Meier seine Geschäfte erlaubten, kam er gegen drei zu Tisch. Seine Ehehälfte, die ihn übrigens an Korpulenz um das Dreifache übertraf, empfing ihn mit einem Blick, in welchem zehn Scharfrichter lagen. Sie legte ihm das parfümierte Briefchen auf den Tisch, und er durchflog es mit dem Angstschweiß eines bösen Gewissens, worauf er es mit einem empörten »Unsinn!« auf den Boden warf.

Die hierauf folgende Eheszene wurde ungewöhnlich heftig, nicht nur das Hauspersonal, sondern auch verschiedene Nachbarn genossen eine vergnügte Viertelstunde. Jedenfalls aß Herr A. Louis Meier an diesem Tage kein Mittagbrot, wenigstens nicht zu Hause. Er stampfte wütend mit dem Fuße, steckte den ominösen Brief in die Tasche und verließ mit rotem Gesicht die Stube und das Haus, wobei man ihn heftig die Türen zuschlagen hörte.

Erst in einem renommierten Weinlokal kam er nach dem zweiten Gang langsam wieder in eine andere Stimmung. »Sonderbar!« sagte er, den Brief noch einmal betrachtend. »Keine Wohnungsangabe, keine nähere Bezeichnung als A. Meier! Wer sollte alle A. Meier kennen? Und Isabella? Sollte ich irgendeine Isabella kennen? Nein, die heißen alle anders! Halt, jetzt hab' ich's! Es wird der junge blonde Meier, der Benjamin A. Meier sein! Ganz recht, das ist ein unverheirateter Don Juan, ein Lüderjan, der allen Mädchen nachläuft. Na, ich will ihn nicht um sein Glück bringen.« Und er ließ sich das Adreßbuch, Feder und Tinte bringen, verzeichnete die nähere Adresse auf dem noch immer duftenden Briefchen und warf es nachher selbst in einen Postkasten.

Der junge blonde Meier, in Firma Benjamin A. Meier, war seit kurzem verlobt und saß bei seiner Braut, mit ihr von der Zukunftsmusik schwärmend, welche die möglichst vielen kleinen Meiers machen würden. Sein Schwiegervater in spe, Kaufmann von der Perücke bis zum Absatz des Stiefels, wollte einen ihm durchaus ähnlichen Schwiegersohn. Deswegen erschien auch Meier, der Blonde, am Tage fast immer mit der Feder hinter dem Ohr, und fast immer nur auf eine Viertelstunde. Zur weiteren Einschmeichlung bei seinem zukünftigen Schwiegervater hatte er seinem Lehrling strenge Order erteilt, alle während seiner Abwesenheit einlaufenden Briefe sofort in das Haus seiner Braut zu bringen.

Heute war der blonde Benjamin A. Meier schon über 22 Minuten bei dieser Braut, als der gehorsame Handelsjüngling kam und mehrere Briefe brachte. Der Schwiegervater bemerkte mit innerem Wohlgefallen die Hast, mit der der Schwiegersohn die Briefe aufbrach, überflog und dabei angab, woher sie kamen.

»England – Bericht aus Hongkong – Helsingfors – Frankfurt – von Rollerkamp & Schwencke – Stadtpost? Ach, gewiß intime Nachrichten des Fondsmaklers.«

»Gib her!« Und der spekulierende Schwiegervater nahm rasch den Brief aus Benjamin A. Meiers Händen.

Bald gab es einen Heidenlärm in der Stube, Weinen, Durcheinanderschreien, Schimpfen und Toben der drei Anwesenden. Entrüstet nahm der Blonde endlich den Brief mit den »intimen Nachrichten des Fondsmaklers« auf, den ihm der erboste Exschwiegervater ins Gesicht geworfen hatte, und stürzte mit einem »Lebewohl für immer!« zur Tür hinaus. Die Braut fiel selbstverständlich in Ohnmacht.

Als sie aus dieser Ohnmacht erwachte, hatte sie den blonden Meier eigentlich nie geliebt. Sie sagte das ihrem Vater mit Überzeugung und schickte noch am nämlichen Tage den Verlobungsring zurück. Herr Benjamin A. Meier schickte dafür den seinen und gestand sich, daß ihm seine Braut schon seit langem fast zuwider gewesen war. »Das Vermögen des Alten, dieser unausstehlichen, lebendigen Zählmaschine, verlockte mich. Aber es gibt für den blonden Benjamin A. Meier zum Glück noch mehr gute Schwiegerväter, Im Grunde war sie zwar nicht hübsch, aber äußerst langweilig. Aus for ever!

Nachdem er durch diesen kurzen Monolog seine Heiterkeit wiedergefunden hatte, kuvertierte er das duftende Briefchen, schrieb des Spaßes halber statt A. Meier A. B. C. Meier darauf und schickte es zur Post.

Zufällig existierte ein A. B. C. Meier. Er war ein der Jugend längst entrückter Herr, der früher Abraham Baruch Meier geheißen hatte, aber dann einer Jungen Frau zuliebe, die er heiratete, sich taufen ließ und den weiteren Vornamen Christian annahm, weshalb er seitdem für sein Produktengeschäft A. B. C. Meier firmierte. Gerade saß dieses Ehepaar gemütlich beim Tee, als der Diener der Frau, die das Regiment im Hause führte, das Wanderschreiben überreichte.

»Wer ist Isabella?« fragte sie erstaunt und entrüstet ihren Gemahl.

»Gott, der Gerechte! – Wollt' ich sagen, Jesus! – wie heißt? Wie soll ich wissen, wer ist Isabella? Spaß! was geht mich irgendeine Isabella an?«

»Lies und bebe!« rief die junge Frau und warf ihm den Brief zu.

»Nu?« sagte er, nachdem er gelesen hatte, »wossu soll ich beben? Wenn Zehn solcher Briefe kämen, ich würde nicht beben. Aber vielleicht würd' ich beben, wenn mich wirklich eine Isabella erwartete um acht Uhr und verlangte von mir heiße Liebe!«

Die Frau nickte mit dem Kopf, sah ihren altersschwachen Mann an und seufzte.

Da klopfte es, und ein hübscher junger Mann trat ein, ein Verwandter des Hauses, »lieber Herr August,« rief ihm erfreut Herr A. B. C. Meier entgegen, »versöhnen Sie mir meine Frau, welche will, daß ich soll mit Gewalt beben um eine lange Isabella, welche will haben einen geliebten Freund heute oder morgen acht Uhr, um ihm mitzuteilen etwas Interessantes, was tu' ich mit Isabellas, ich will lieber gehen nebenan in Meyers Hotel und spielen meine Partie Klabrias. Versöhnen Sie mir meine Kläre!«

Dabei übergab er August das Briefchen, das dieser lächelnd las und in die Tasche steckte.

Herr A. B. C. Meier ging und spielte Klabrias, während der Vetter August seine Verwandte in einer Weise sanfter stimmte, daß diese sich gar nicht von ihm trennen wollte.

Aber gerade heute hatte er keine Zeit, er ging schon nach einer Viertelstunde von der schmachtend seufzenden Kläre fort. Er mußte sich nämlich sehr beeilen, um rechtzeitig um acht Uhr zu einer reizenden, hübschen jungen Dame zu kommen, die den Vornamen Isabella führte. Er hieß ja ebenfalls A. Meier, August Meier, und der Brief war nach einer seltsamen Irrfahrt nun doch an die richtige Adresse gelangt.

Otto Meier.

 

De Aoltbeerhüüse.

Aus »Frans Essink« von Landois, ein Roman aus dem alten Münster in Westfalen.

»Lepper, noch een Gläsken!« reip de Blickschliäger Peter Anton.

»'t giff nix mehr,« – sagg Lepper – »de Glocke hätt all niegen schlagen«, un blies daobi he eene Ungelkärße (Talgkerze) nao de andere ut, un namm so met up siene Upkammer; eene enzigste leit he briännen; et soag ut in de Kiücke, äs wenn en Nachtwächter daud wäör.

»Den gruowen Wärt fall doch der Düwel halen« – sagg Peter to de anderen Gäste – »soll wie uß dat gefallen laoten? Doch ick häwwe en kloken Infall: Holtmeier, du häölst en paar Kärßen, dat wi seihen könnt; ick will sölwst ne Buske (Holzbürde) halen, dat wi nich verfreiset.«

De beiden gongen ut'n Huuse herut, un kämmen auk baolle trügge. Peter ßüock de Kärßen up liedige Putelljen un schmeet de Buske an en Herd. Up en Spölsteen stonn noch en vullen Bullenkopp, also Beer nog. Se satten siälenvergnögt bi't Füer, vertellden noch allerhand Dönkes (Anekdoten) un fongen reits an te singen.

Leppen beet (biß) sick vüör Gift un Galle up de Tunge. So'n Randaleeren hadde he sien Liäwedage noch nich in Huuse hat. »Well iß hier Här in Huuse, ick odder de Suupstiärte?« kürde he in sick. Daobi schleek he sick up den Raukbühn buowen üöwer den Herd; von hier ut saog he alle siene Gäste, wu se so siälenoergnögt üm't Herdfüer satten.

»Ick will ju Nachtulen all vertiehen (verscheuchen)!« sagg he in sick un pladderdautsk, guott he en Emmer met Spölwater midden in't Füer tüsken de Gäste. Dat Water met de Aske un Kuohlen splenterde nao alle Ecken un Kanten, de Beergäste saogen ut, äs wenn se sik in die Gauske (Rinnstein) weltert (gewälzt) hädden. Peter Anton wull küren, he konn et nich, de Katuffelschellen von dat Spölwater hongen em in en Baort. Man häörde hier un dao »grouwen Wärth« – aower Lepper hadde sien Huus baolle rein. –

Den annern Aowend kämmen desölwigten Gäste, äs wenn der nix vüörfallen wäör. Äs Leppen aower Klock niegen eene Kärsse utpussede, gongen se alle stillkes nao Huus.

Üower eenige Tied hadden de Gäste et wier vergiätten, dat Lepper Aobends um niegen Uhr kien Beer mehr vertappen wull. Se satten un schwadroneerden de Stärne von'n Hiemmel herunder. Lepper hadde en kloken Infall. He gonk vüör de Düöre, kämm ielig trügge to biärßen und schreide in de Kiücke siene Gäste, to: »Brand! Brand! Brand!« Alle Gäste leipen up de Straote. Äs de letzte herut waß, schluott Jevver de Huusdüöre to, reet en Fenster up, un schmeet de Gäste ehre Höde, Stöcke un Röcke düör't Fenster nao. – So behandelden fröher in Mönster de warte ehre Gäste. –

 

Gespräche mit einem Millionär.

Aus »Humoresken«, Verlag Ph. Reclam.

Von Oskar Blumenthal.

Durch Zufall lernte ich einen jener amerikanischen Großmillionäre kennen, vor deren Launen die Finanzwelt durch ein ganzes Jahrzehnt gezittert hat. Wo sich eine Anzahl von Kapitalsriesen zu einem Trust zusammenschloß, um eine blühende Weltindustrie in ihren Alleinbesitz zu bringen, stand er in Reih' und Glied. Wo es galt, unter dem wohltätigen Schutz der Gesetze aus dem Prospekt einer Aktiengesellschaft einen kunstreichen Dietrich zu schmieden, um fremde Geldschränke anzubohren, hatte er die Hand im Spiel. Bei allen jenen großen Börsenkatastrophen, wo durch einen listig vorbereiteten Staatsstreich in einer einzigen Stunde alle Kleinen und Schwachen gnadenlos abgeschlachtet wurden, war er der führende Mann. Seit etlichen Jahren hat er sich mit seinen Millionen klüglich zurückgezogen und genießt nun die ganze Hochachtung, die in der europäischen Gesellschaft niemals denjenigen versagt wird, die man nach dem bekannten Sprichwort hat laufen lassen. Ich lernte ihn in einem Londoner Klub kennen. Bei einem großen Kunsthändler trafen wir uns wieder, wo ich ihn nur mühsam durch gütlichen Zuspruch zurückhalten konnte, von sieben kostbaren Gobelins, die ihm angeboten wurden, gerade den künstlerisch wertlosesten auszusuchen. An der American Bar des »Hotel Cecil« wurde unsere Bekanntschaft fortgesetzt. Beim dritten Cocktail wurden wir vertraulicher miteinander, wir trafen später häufig zusammen – und da er mit der herausfordernden Aufrichtigkeit eines Mannes, dem niemand etwas mehr anhaben kann, seine plutokratische Weltanschauung gern vor mir aufschloß, so habe ich manche seiner Bemerkungen der Aufzeichnung wert gehalten.

»Wissen Sie,« begann der Nabob eines Tages, »was mich am meisten ärgert? Daß der Begriff Millionär durch die Verschiedenheit der Währung in den einzelnen Ländern eine so große Dehnbarkeit angenommen hat. In England muß man wenigstens eine Million Pfund besitzen, um Millionär zu heißen. Das ist eine immerhin achtbare Vorbedingung. Aber in Deutschland erlangt man diesen Ehrentitel schon mit einer Million Mark, und in Frankreich kann man den Namen bereits mit einer schäbigen Million Frank erwerben – spottwohlfeil, wie den Doktortitel in Philadelphia ... Ich schreibe es nur diesem Umstände zu, daß sich jetzt überall in Europa ein Millionärproletariat so unleidlich bemerkbar macht!« In einer Stunde des Wohlwollens sagte er zu mir: »Soll ich Ihnen eine Beobachtung anvertrauen? Der Wunsch, eine zweite Million zu gewinnen, kostet sehr häufig den Besitz der ersten. Und darum rate ich Ihnen, mein lieber Freund, wenn Sie einmal so weit kommen sollten, fein genügsam zu sein und sich schon mit der ersten Million zurückzuziehen, Sie müssen sich dann eben mit dem Bewußtsein trösten, daß es in der Welt nicht lauter reiche Leute geben kann! Und wenn Sie auch in die Milliardärklubs in Neuyork und Chicago nicht aufgenommen werden können, so gibt es ja doch auch Gesellschaften für minderbemittelte Millionäre. Man muß sich nach der Decke strecken.« Eines Tages machte ich mir das boshafte Vergnügen, ihm Cesare Lombrosos so unschmeichelhafte Grundzüge einer Millionär-Psychologie zu geben. Er war einfach außer sich. »Was er nur von uns will, dieser Herr Lombroso, mit seinen wissenschaftlich verkleideten Impertinenzen! Zunächst ist es nicht eben mutig von einem Autor, seinen Witz an den Millionären zu wetzen – er weiß sehr wohl, wie wenig von seinen Lesern sich getroffen fühlen können. Und dann dieser Einfall, sogar die Ehrenhaftigkeit unserer Vergangenheit untersuchen zu wollen! Als wenn ein Milliardär überhaupt noch eine Vergangenheit hat! Mag sein Vorleben mit noch so vielen unklaren Streifen gesprenkelt sein – durch keine Hülle wird eine makelreiche Vergangenheit so sicher verborgen wie durch eine ganz dünne Decke von Tausenddollarnoten. Und die Gesellschaft hat auch vollkommen recht mit der liebreichen Schonung, die sie uns angedeihen läßt. Denn die Millionen haben schließlich eine läuternde Kraft, und aus jungen Trustmännern sind schon alte Wohltäter geworden ... Sehen Sie die großen Ströme an: sie sprudeln alle aus kristallklaren Bergquellen, aber in ihrem Laufe verschlammen sie mehr und mehr. Mit den großen Reichtümern ist es umgekehrt. Sie fließen oft aus unreinen Quellen, aber je weiter die Wellen rinnen, um so mehr Schlamm werfen sie aus – und die Ehrenhaftigkeit, die man sich anfangs nur als einen Luxus gegönnt hat, wird uns schließlich Bedürfnis,«»Auch der Erwerbssinn«, sagte er bei anderem Anlasse, »hat seine großen Meister. Es gibt bei uns zu Lande Genies, die mit ganz geringfügigen Veruntreuungen der Portokasse begonnen haben – aber schon nach wenigen Jahren konnte man ihnen die Verschleierung der größten Jahresbilanzen anvertrauen.« In dem Sprechbuche eines geistreichen deutschen Aphoristikers fand ich die Merkung:

Gelegenheit macht auch ehrliche Leute.

»Der Mann kennt die Welt«, lachte mein Nabob, als ich ihm das Aperçu mitteilte. »Aber nicht bloß die Gelegenheit – auch der Reichtum hat eine verehrlichende Kraft. Er muß nur groß genug sein! Denn wenn das Gold erst in recht stattlichen Haufen emporgeschichtet ist, so gewinnt es eine Leuchtkraft, die sogar die Grenzen von mein und dein hervortreten läßt.« »Wie finden Sie mein Porträt?« fragte er mich eines Nachmittags und führte mich vor das Meisterwerk eines deutschen Künstlers.

»Darf ich aufrichtig sein?«

»Ich bitte.«

»So meisterlich Ihre Gesichtszüge wiedergegeben sind – durch die Pose, die Sie annehmen, wird das Bild Ihnen unähnlich.«

»Wieso?«

»Weil Sie die Hand in Ihrer eigenen Tasche haben.«

Er schmunzelte so geschmeichelt, als wenn ich ihm die ehrenvollste Anerkennung gezollt hätte. »Sittlichkeit im Geschäftsleben ...« Ich hatte diese Frage kaum behutsam angeschnitten, als mir der Amerikaner schon erregt ins Wort fiel: »Hören Sie auf!... Sittlichkeit im Geschäftsleben – das ist ein relativer Begriff, der vor allem an der Größe des Objekts gemessen werden muß, an welchem er sich erproben soll, wenn ein Gutsherr seinen Nachbar durch eine kleine Fälscherlist bei der Grenzvermessung um einen winzigen Randstreifen bringt, so hat er eine schäbige Spitzbüberei begangen. Aber wenn eine Großmacht der andern eine ganze Provinz nimmt, so hat sie nicht geraubt, sondern erobert. Es ist im Geschäftsleben nicht anders. Ein paar Hundertdollarnoten können gestohlen, aber Millionen können nur erobert werden.«

»Und wie erobert man sie?«

»Das Rezept läßt sich nicht gemeingültig aufzeichnen, Man kann sie ein ganzes Leben lang vergeblich gesucht haben, um sie endlich in einer einzigen, gut ausgemünzten. Stunde zu gewinnen. Es gehört dazu viel Verstand, einiges Glück und vor allem eine starke Dosis Herzlosigkeit. Mit Sentiments ist noch nie jemand Großmillionär geworden – denn bei Geschäften gilt der Wahlspruch: Herz beiseite! Man muß den Mut haben, viele kleinere Existenzen mitleidlos zu erwürgen, um eine große an ihre Stelle zu setzen – und wenn Ihnen jemand erzählt, daß er seine Millionen im Handumdrehen verdient hat, so können Sie ihm getrost erwidern, daß es im Halsumdrehen noch häufiger glückt!« Bisweilen mischte sich unter tausend zynische Aufrichtigkeiten auch einmal eine versöhnende Äußerung. Auf ein Zeitungsblatt deutend, sagte er mir nach einem Klubfrühstück: »Ich begreife nicht, warum die Blätter immer, wenn ich ein etwas kostbares Gemälde kaufe, meinen Kunstsinn rühmen? Und warum sie mich bei jeder Tausendpfundspende, die ich einer wohltätigen Anstalt zuwende, den edelmütigen Menschenfreund nennen? ... Ich habe wirklich keinen Anspruch auf diesen Ruhm, was meine Menschenliebe betrifft, so ist sie nicht halb so groß wie meine Menschenkenntnis. – Sie verstehen... und mein Kunstsinn? – Du lieber Gott, das Thema wollen wir lieber nicht aufrollen. Doch vor wenigen Jahren habe ich die Präraffaeliten für eine religiöse Sekte und die veristische Schule für eine Unterrichtsanstalt gehalten. Aber es gehört zu meinen gesellschaftlichen Pflichten, daß ich Kunstsinn und Menschenliebe mit einer bestimmten Summe in meinen Jahresetat einstelle. Das ist ein Tribut, den ich meinen Mitmenschen schulde, damit sie mir meine Millionen weniger übelnehmen, und ich zahle diesen Tribut sehr pünktlich, weil ich niemals gewohnt war, mich an meine Schulden mahnen zu lassen. Aber Freude springt dabei nicht viel für mich hervor – es sei denn die Genugtuung, daß alle Summen, die ich den wohltätigen Anstalten übergebe, den lieben Verwandten entzogen werden, die mich erblustig schon von weitem umlauern ... Ja, ja, mein Freund!« fügte er boshaft hinzu, »in der Liebe zu unserm Nächsten steckt bisweilen ein Tropfen Bosheit gegen unsere Allernächsten – und das ist die Geheimgeschichte mancher Millionenstiftung.« Sein tiefer Lebensschmerz waren die Lücken in seiner Bildung. »Ich habe zwar auf der Schule ziemlich viel gelernt,« seufzte er, »aber doch lange nicht so viel, wie gelehrt wurde! – – Und wenn ich das heute noch nachholen könnte, dafür gäbe ich –«

Hier stockte er.

»Eine Million?« fragte ich ergänzend.

»O nein«, erwiderte er lachend. »Diese Redensart werden Sie von Millionären noch niemals gehört haben. Denn es sind die einzigen, die man beim Wort nehmen könnte.« Zum Abschied erbat ich mir, wie der Schüler im »Faust« eine Aufzeichnung zum Andenken. Er riß ein Blatt aus seinem Scheckbuch und schrieb auf die Rückseite:

Was uns auch die weisen sagen –
wenn ein Geldsack noch so schwer ist,
Leichter ist er doch zu tragen,
Als ein Bettelsack, der leer ist.

Ich habe diese so überaus gemütvolle Sentenz den Aussprüchen bemerkenswerter Zeitgenossen angereiht, die ich in einem schönen Album für die Nachwelt bewahre.

 

Der Fehlerkommis.

Von Peter Robinson.

Heymann Freundlich, Manufakturwaren en gros und en détail, aber mehr das letzte, nennt sich stolz den tüchtigsten Geschäftsmann von Krojanke. Er ist, wie ein Türmer, immer auf der Höhe. So war er zum Beispiel der erste, der in Krojanke Rabattmarken einführte; nachdem er in aller Stille drei Prozent auf seine Ware aufgeschlagen hatte, kündete er äußerst laut drei Prozent Rabatt an, ein Verfahren, das von großem Erfolg begleitet war. Er war auch der erste, der in Krojanke Gasglühlicht brannte, worüber damals sogar ein Artikel im »Krojanker Stadt- und Landboten« erschien, und sicherlich wird er auch der erste sein, der in seinem Laden elektrische Beleuchtung hat, vorausgesetzt freilich, daß er überhaupt die Erbauung eines Elektrizitätswerkes in Krojanke erlebt; und das ist allerdings zweifelhaft. Das Manufakturwarengeschäft en gros und en détail, aber mehr das letzte, geht gut. Heymann Freundlich kann durchaus nicht klagen, wenn er es doch tut, geschieht es eben aus der Überzeugung, daß ein tüchtiger Geschäftsmann immer klagen muß. Außerdem hat er unbemittelte Verwandte, und die Steuereinschätzung ist auch zu berücksichtigen.

Aber kein Geschäft geht so gut, daß es nicht besser gehen könnte. Und deshalb denkt Heymann Freundlich tagaus, tagein über neue Verbesserungen und Attraktionen nach, Neulich las er eine Notiz über eine in amerikanischen Warenhäusern übliche Einrichtung, die als »Entschuldigungsclerk« oder »Fehlerkommis« bezeichnet wird. Sie tritt in Erscheinung, wenn aufgeregte Kundinnen kommen und sich über irgend etwas beschweren wollen, Damen sind in solchen Fällen fast nie zufrieden zu stellen. Nur der Fehlerkommis kann helfen. »Sie haben ganz recht, meine Gnädige,« sagt man der Kundin, »so etwas durfte nicht vorkommen; es ist aber einzig und allein die Schuld unseres Herrn X, der diesen minderwertigen Stoff nicht hat an den Fabrikanten zurückgehen lassen« – oder die Preise falsch ausgeschrieben hat, oder worum es sich sonst gerade handelt. Herr X wird gerufen. »Sehen Sie, was Sie da angerichtet haben – auf der Stelle sind Sie entlassen!« – Herr X wird bleich – dazu ist er kontraktlich verpflichtet; er stammelt Entschuldigungen und Bitten – dafür bekommt er sein Gehalt; er versucht ein paar Tränen herauszuquetschen – die gibt er als pflichteifriger Mensch gratis. Die anfangs so empörte Kundin ist bestürzt; das hat sie wirklich nicht veranlassen wollen, ihretwegen soll kein Mensch so plötzlich auf die Straße gesetzt werden. »Aber ich bitte, so schlimm ist die Sache ja gar nicht; ein Irrtum kann in solchem großen Geschäft mal vorkommen, lassen Sie doch das nicht den Herrn entgelten!« Und die durch so rasche Genugtuung – alle anderen Entschuldigungen wären vielleicht vergeblich gewesen – unendlich zufriedengestellte Kundin verwendet sich in rührender Weise für Herrn X, der denn auch »für dieses eine Mal« begnadigt wird und sich mit einem Roman die Zeit vertreibt, bis er von neuem gerufen wird und einer anderen Beschwerdeführerin als Opfer vorgeworfen wird. – Das ist die interessante, von feinster kaufmännischer Seelenkunde zeugende Institution des »Fehlerkommis«.

Heymann Freundlich war begeistert. Das war ja ganz ausgezeichnet; so mußte er das auch machen. Aber einen besonderen Fehlerkommis, der nur für die Funktionen eines Sündenbockes Gehalt bezog, wollte er natürlich nicht anstellen; diese Rolle konnten seine jungen Leute ebensogut nebenbei spielen, abwechselnd, damit keiner zu kurz käme. Daß der in einem amerikanischen Warenhause angestellte »Entschuldigungsclerk« zum Teil auch für sein gekränktes Ehrgefühl entschädigt wird – denn es ist keine Kleinigkeit, in Gegenwart einer vielleicht jungen und hübschen Kundin hinausgeworfen zu werden – berücksichtigte Heymann Freundlich nicht weiter. Gekränktes Ehrgefühl gab es in seinem Geschäft nicht – bei ihm nicht und bei seinen jungen Leuten erst recht nicht.

Das Personal wurde instruiert. Dessauer, der älteste junge Mann, die Stütze des Etablissements, eingeweiht in fast alle Geschäftsgeheimnisse, sollte der Sündenbock der ersten Woche sein. »Sie sind am gescheitesten«, sagte der Chef, »von Ihnen können die andern lernen, wie sie sich dabei zu benehmen haben. Üben Sie sich ein bißchen vorher, wie niedergeschmettert Sie sein werden, wenn ich Sie entlasse, und denken Sie sich was Schönes aus, was Sie dann sagen werden. Sie brauchen ja nicht gerade »Weih geschrien!« zu rufen, aber irgend so was Ähnliches kann's schon sein, ins Deutsche übersetzt.« –

Und nun wurde auf die erste Beschwerde gewartet. Die Frau Superintendent kam damit an. Eine gute, eine sehr geschätzte Kundin. Für sich und ihre Familie brauchte sie gerade nicht viel, eher sehr wenig, aber jedes Jahr kaufte sie alle die Socken, wollene Unterjacken, Wintermäntel für Kinder und ähnliche Sachen ein, die der »Armenverein« der Stadt für seine Weihnachtsbescherung nötig hatte. Und der »Armenverein« hatte Geld, denn die wohlhabendsten Leute der Stadt gehörten ihm an, wie das gewöhnlich so ist, wenn auch die Bezeichnung »Armenverein« nicht gerade darauf hindeutet. Also die Frau Superintendent kam und war sehr unzufrieden, Sie hatte vor drei Wochen zwei Schürzen für ihr Dienstmädchen gekauft, zwei bunte Kattunschürzen. Die eine Schürze war jetzt gewaschen worden und hatte in der Wäsche etwas an Farbe verloren. Das durfte natürlich nicht vorkommen – bei dem gezahlten Preise nicht und in einem reellen Geschäft auch nicht.

Heymann Freundlich hörte die Klage der Frau Superintendent an, mit aufrichtiger Anteilnahme. Der Preis war freilich ein derartiger gewesen, daß man von der Farbe gerade nicht Dauerhaftigkeit verlangen, im Gegenteil sich freuen konnte, daß in der Wäsche wenigstens die Schürze erhalten geblieben war, und was das reelle Geschäft anbetraf – nun, Herr Freundlich behielt seine Gedanken für sich und gab der Frau Superintendent vollkommen recht. Wirklich, es war ein Skandal; untröstlich war er, daß so etwas hatte bei ihm passieren können. Aber gleich wollte er ein Exempel statuieren. »Herr Dessauer, kommen Sie doch mal einen Augenblick her!«

»Ah, richtig, der Herr hat mir ja die Schürzen damals verkauft«, erklärte die Frau Superintendent.

Das traf sich sehr gut; Herr Freundlich war außerordentlich zufrieden. Natürlich nur innerlich; äußerlich war er unzufrieden. »Nu sagen Se mal, was fällt Ihnen ein, so was zu verkaufen! Hab' ich Ihnen nicht schon längst gesagt, daß die Schürzen ausrangiert werden sollen? Muß ich mich denn um alles kümmern? Wollen Sie mir denn mein Geschäft ruinieren? Wissen Sie, daß ich keine Lust mehr hab', mich mit Ihnen herumzuärgern! Sie können zum Ersten gehen, verstehen Sie mich? Gleich können Sie gehen; packen Sie Ihre Sachen zusammen, nachher zahl' ich Ihnen Ihr Salär aus.«

Dessauer zuckte die Achseln, »Mir auch recht«, sagte er und weiter nichts. Herr Freundlich rollte die Augen, um ihm anzudeuten, daß er bestürzt sein und jammern und bitten sollte. Aber Dessauer war nicht bestürzt und jammerte und bat auch nicht. Die Frau Superintendent war erschreckt; sie faltete die Hände. »Aber Herr Freundlich, so schlimm ist das doch nicht! Sie werden den jungen Mann doch nicht gleich entlassen, er hat sonst immer so nett bedient.«

»So was darf in meinem Geschäft nicht vorkommen«, wütete Herr Freundlich.

Und jetzt geschah etwas Unerwartetes. Dessauer zuckte noch einmal die Achseln und sprach: »Na meinetwegen! Es gibt noch andere Geschäfte in Krojanke, die mich schon längst haben wollen.« Die Frau Superintendent jammerte: »Aber Herr Freundlich! Und ich habe mich immer so gefreut über das nette patriarchalische Verhältnis, das zwischen Ihnen und Ihren jungen Leuten bestand.«

Heymann Freundlich wünschte sich jetzt das gerühmte patriarchalische Verhältnis selbst; als umsichtiger Geschäftsmann hatte er schon immer davor gebangt, daß ihm seine Kraft von der Konkurrenz weggeschnappt werden könnte. Am liebsten hätte er jetzt mit Dessauer einen mehrjährigen Kontrakt abgeschlossen. »Nu, diesmal können Sie noch bleiben; aber machen Sie mir so was nicht noch einmal!« Das klang sehr großmütig, und die Frau Superintendent war zufrieden. Nur Dessauer nicht. »Ich geh' lieber«, erklärte er; »oder wollen Sie mir endlich die längst versprochenen zehn Mark pro Monat zulegen?«

»Das könnten Sie schon tun, Herr Freundlich, »verwandte sich die Frau Superintendent für den jungen Mann; »das Leben ist so teuer geworden.«

»Na ja«, brummte Herr Freundlich und dachte: wir spielen ja nur Fehlerkommis!

»Das ist christlich – entschuldigen Sie, Herr Freundlich, wollte sagen, das ist recht gehandelt«, sagte die Frau Superintendent, bekam zwei andere Schürzen und ging befriedigt von dannen. –

Heymann Friedrich packte seinen ersten jungen Mann bei seinem Rockknopf. »Sie – das mit den zehn Mark ist natürlich Stuß!« – Aber Dessauer entgegnete kühl: »Ich habe die Frau Superintendent als Zeugin.«

Da kam Kohn, der jüngste junge Mann. »Nu lassen Sie mich den Dessauer als Fehlerkommis ablösen, Herr Freundlich: ich weiß jetzt, wie's gemacht wird.«

Aber der Chef erklärte die Einrichtung, als für Krojanke nicht ganz geeignet, wieder für abgeschafft.

 

Inneres Leben. Aus »Prag«.

Aus »Des deutschen Spießers Wunderhorn«.

von Gustav Mayrink.

Auf dem »Graben« ist etwas Sonnenschein.

Natürlich nur der Kommerzialrat Sonnenschein. –

(Es unterliegt heute überhaupt nicht dem geringsten Zweifel mehr, daß Prag tatsächlich von orientalischen Kaufleuten, wie die Sage berichtet, gegründet wurde.)

Herr Sonnenschein steht gern bei dem Laden der Firma Waldel & Wagner, Gummiwaren und Utensilien – und auf seinem Antlitz ruht der Glanz, der von jeher großen Kaufleuten eigen war: Marca Polo, Fugger, Li-hung-tschang.

Er steht dort gern, – es ist mitten zwischen zwei Banken, der böhmischen Landesbank und der Kreditanstalt, und das macht immer a guten Eindruck. – Und dann is er stets schwarz angezogen.

– »Schwarz is immer elegant.« –

»Hab' dj' Ähre!« – hat jetzt jemand laut gegrüßt. –

Herr Feldeck von Feldrind ist es. – Ein feiner Kopf.

Die Brusttasche dick geschwollen. – Stearinkerzen hat er drin. – Er nimmt sie immer aus den Laternen seiner Equipage, damit sie der Kutscher nicht stiehlt.

Man dreht sich um: Ah!

Die harmlose kleine Frau Teichhut ist vorbeigegangen. Klapp, klapp, mit hohen Absätzen. Sie imitiert sengenden Blick, sieghaft, als hätte sie ein neues Laster erfunden.

Und dort hält ein Wagen, welch prächtiger Landauer!

Schau nur!

Die Gemahlin des Millionärs Steißbein sitzt darin und ißt mit bloßen Fingern kalte Linsen aus ihrer Pompadour.

Verlegen ruft die Tochter, die eben vorübergeht, ihr zu:

»Aber Mama, was eßt du das?!«

Jedoch die alte Dame läßt sich nicht beirren.

Ja, und wer ist denn das? – Schon aus Wien zurück? – Ah, da staune ich:

Der Hauptmann Aaron Gedalje Hehler vom Infanterieregiment Nr. 202 ist angekommen. – Schreibabteilung natürlich.

Wer kennt ihn nicht!

Fünfundvierzig Kilo schwer, ist er der Leichtgewichtsbalmachome par excellence.

Sein unbändiger Mut ist Stadtgespräch, und ein Duell mit ihm muß etwas Schauderhaftes sein.

Gott sei Dank hat er noch keins gehabt.

Er macht einen äußerst verwegenen Eindruck, und daran ist weiter nichts Wunderbares, denn einer seiner Ahnen schon hat kühn zu weiland Hermann dem Cherusker vorgedrängt, um sich das Knopperngeschäft im Teutoburger Wald nicht entgehen zu lassen.

Erst kürzlich wieder hat man ihn dekoriert, den Hauptmann Hehler, – von Armenien aus, zusammen mit dem Friseur Schecketanz und dem Diurnisten Oberkneifer aus Marienbad, aber gewiß nicht seiner Furchtlosigkeit oder unvergleichlichen Befähigung, die Ehrbegriffe im kabbalistischen Sinne zu deuten, wegen, sondern offenbar der Verdienste halber, die er sich in den Tagen, als er noch ungetauft und Kommis in der Zichorienbranche war, um Armenien und die angrenzenden Länder erworben hatte.

»Maj Kärl is ä hajpohrn Leedi,« singt er abends so gerne beim Wein, denn er liebt die englische Sprache, – – Hauptmann Gedalje Hehler!

Jetzt aber, vorgeneigter Leser, folge mir willig ins Café Continental, es ist gerade gegenüber und das Herz Deutsch-Prags.

Siehst du, dort links mündet die Schwefelgasse, so benannt, weil sie täglich der tiefsinnige Rechtsgelehrte Jellinek durchquert, und dort rechts steht der Insektenpulverturm, der mit Recht die »Zeltnergasse« abschließt.

Für die Leute, die noch nicht in Prag akklimatisiert sind, empfiehlt es sich ja allerdings, ehe sie zum Besuche des Kaffeehauses schreiten, sich längere Zeit in einem Wachsfigurenkabinett abzuhärten.

Man wird dann nicht so leicht erschrecken und manche Freude haben, wenn man gelegentlich einen oder den anderen verbürgten Prager Ehrenmann kennenlernt und sich innerlich froh gestehen kann: Hurra, ganz denselben Kopf habe ich ja schon in Spiritus gesehen.

Selbstverständlich ist und bleibt aber ein Panoptikum immer nur ein mildes Training, und so manchem, der unvorbereitet das Café betrat, ist der Schreck arg in die Glieder gefahren. –

Ahnungslos drängt man sich zwischen Sesseln hindurch, wehrt dankend dem aufmerksamen Kellner, der einem verbindlich sämtliche österreichischen Wochen-, Tages- und Sennesblätter anbietet, und sieht plötzlich auf:

Um Gottes willen, was ist denn das? –

Da sitzen ja drei assyrische Flügelstiere hinter einem Tisch? –

Mit langen, schwarzen viereckigen Bärten und glühenden Augen, und starren einem auf die Stelle, wo man die Brieftasche stecken hat.

Es sind aber nur der Herr Eisenkaß aus der Schmielesgasse, der Herr Jeittinger und der Spezialist für unheilbare Krankheiten Doktor Paschory, und ihr Aussehen büßt viel an Schrecklichkeit ein, wenn sie aufstehen, denn sie haben krumme Hosen und den friedlichen Plattfuß.

Und in der Stammecke tagaus tagein, da sitzt ein Herr, der ist vielleicht gar kein Herr, sondern ein Kondor. Er ist zwar immer a quatre epingles, aber er ist doch ein Raubvogel.

Er ist sogar ganz gewiß ein Raubvogel!

Wetten?

Seinen Namen habe ich vergessen, er soll eine »Seehandlung« betreiben, sagt man. – Heißt wohl, er handelt, was er »seht«. –

Mit seinen kleinen Augen, dem dünnen, faltigen Hals und dem riesigen Kondorschnabel ist er entsetzlich unheimlich anzuschauen: weiß Gott, man würde sich nicht wundern, wenn er plötzlich still in seine Tasche griffe, einen Haufen Gedärme hervorzöge und sie unter heiserem Geierschrei verzehren würde. –

Und jetzt steht plötzlich alles auf und grüßt ehrerbietig!?!

Ein würdevoll aussehender Herr ist soeben eingetreten, – ein kleines Unterschleifchen im Knopfloch – und dankt herablassend nach allen Seiten. –

Er war früher Offizier, Jetzt ist er falscher Zeuge von Beruf.

Daher die allgemeine Beliebtheit.

 

Herr Wendriner telephoniert.

Aus »Mit 5 SP«, Verlag Rowohlt.

Der gesamte Postbetrieb des Reiches ruhte am Tage der Beerdigung Walter Rathenaus von zwei Uhr bis zwei Uhr zehn Minuten.

»Wenn er die Faktura nicht anerkennt, dann werde ich ihn eben einfach mal anrufen. Legen Sie die Kuverts inzwischen auf'n Stuhl. welches Amt hat Skalitzer? Amt Königstadt? Na, warte ... Nu? Na? Na, was ist –? Fräulein! warum melden Sie sich denn nicht? Haste gesehen: sie sagt nicht, warum sie sich nicht meldet! Fräulein! Na, ist denn der Apparat nicht in Ordnung ...? Fräulein Tinschmann, was ist mit dem Apparat? Ist er nicht in Ordnung? Wie oft hab ich Ihnen schon gesagt ... Was? Was ist? Der Betrieb ruht? Was heißt das? Warum ...? Ach so – wegen Rathenau, Danke, Sie können wieder gehn ... Wegen Rathenau, sehr gut. Sehr richtig ist das. Der Mann ist ein königlicher Kaufmann gewesen und unser größter Staatsmann, Das ist unbestritten. Skandal, daß sie ihn erschossen haben! So ein effektiv anständiger Mensch! Ich hab noch den alten Rathenau gut gekannt – das waren Kaufleute waren das! Na, er hat eine hervorragende Trauerfeier im Reichstag gehabt! Sehr eindruckvoll. Glänzend war der Leitartikel heute morgen – ausgezeichnet. Ja, die Regierung wird ja kräftig durchgreifen – eine Verordnung haben sie ja schon erlassen, Aus'm Auto raus zu erschießen – unerhört! Die Polizei sollte da ... Fräulein! Die zehn Minuten sind noch nicht um. Glänzende Schützen müssen das gewesen sein, die Jungens. Vielleicht Offiziere ... Aber das kann ich mir eigentlich gar nicht denken: Die Regimentskameraden von Walter waren doch damals alle zu Tisch bei uns – alles so nette und seine Leute! Famose Erscheinungen darunter! Ich hab mich ja damals doch gefreut, wie der Junge Reserveoffizier geworden ist! Fräulein! Fräulein! Ein bißchen länglich die zehn Minuten! Fräulein! Aber wenn sie eine Minute länger streiken als zehn Minuten – ich bin imstande und beschwere mich! Fräulein! Ich muß doch den alten Skalitzer haben! Kateridee, deshalb das Telephon abzusperren! Davon wird er auch nicht lebendig. Soll'n se lieber die Steuern gerecht verteilen, das war mehr im Sinne des Verstorbenen gewesen! Fräulein! Wer sperrt das Telephon ab, wenn ich mal nicht mehr bin? Kein Mensch! Meschugge, das Telephon abzusperren! Wie soll ich jetzt an Skalitzers ran? Nachher ist der Alte sicherlich zu Tisch gegangen. Schkandal! Mehr Lohn wollen die Leute – das ist alles. Was sind das für Sachen, einem am hellerlichten Tage das Telephon vor der Nase abzusperren. Unterm Kaiser sind doch gewiß manche Sachen vorgekommen – aber so was hab ich noch nicht erlebt! Unerhört! Das ist eine Belästigung der Öffentlichkeit! Solln se sich totschießen oder nicht – aber bis ins Geschäft darf das doch nicht gehn! Überhaupt: ein Jude soll nicht solches Aufsehen von sich machen! Das reizt nur den Antisemitismus. Seit dem neunten November ist hier keine Ordnung mehr im Lande! Ist das nötig, einem das Telephon abzusperren? Wer ersetzt mir meinen Schaden, wenn ich Skalitzer nicht erreiche? Fräulein! Nu hör an – da draußen gehn se demonstrieren! Sieh doch– mit roten Fahnen – das hab ich gar gern! was singen sie da? Fräulein! Se wern noch so lange machen, bis es wieder Revolution gibt! Fräulein! Mich kann die ganze Republik ... Fräulein! Fräulein! Mein politischer Grundsatz ist ... Fräulein! Endlich! Fräulein! Königstadt –!«

 

Kaufmännische Liebeserklärung.

Sieh mein Herz hier ohne Emballage,
vollgepackt vom innigsten Gefühl,
Ohne Spesen, ohne Agiotage
Kostet mich die süße Ladung viel.

Ach, Geliebte! schwere Seufzer drängen
langsam sich wie Medoc aus der Brust,
An des Herzens Wagebalken hängen
Mir von gleicher Schwere Schmerz und Luft.

Wirst du nicht den Wechsel honorieren,
Den Cupido mir auf dich gestellt,
Deine Liebe mir assekurieren,
So zediere bald ich diese Welt.

Doch, Geliebte, läßt du mit dir handeln,
Gibst mir billige Provision,
Wird sich in Profit mein Schmerz verwandeln,
Und Prozente sind der Liebe Lohn,

Stand im Kurs al pari deine Liebe
Mit der meinen prompt bezahlte ich
Deine Ordre vista , und es bliebe
Nichts zu spekulieren mehr für mich.

Drum nimm mich zum Associé des Lebens,
Laß zum mindesten dein Kommis mich sein,
Und das ganze Facit meines Lebens
Ist der Wunsch, dein Kompagnon zu sein.


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