Balder Olden
Kilimandscharo
Balder Olden

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Die schwarze Dame

Mein Diener fand das Feldleben unhygienisch. Man saß da auf einem hohen, kahlhäuptigen Berg oder tief versteckt im Dornbusch, ich kletterte Felsspitzen hinauf und spähte die Steppe ab, er kochte, stopfte und – was in Afrika waschen heißt – schlug meine Kleider auf Steinkanten faserdünn. Wir kommandierten und wurden kommandiert – denn der Boy eines Weißen findet immer Leute, die er kommandieren kann, und die ihn so für seine Dienstbarkeit entschädigen –, wir zechten, spielten. Aber das Spiel war reizlos, weil er über meinen Geldstrumpf verfügte und sein Gewinn oder Verlust kein Verhältnis zu meinem Reichtum hatte. Manchmal schimpfte er, weil ich über unsere Verhältnisse gerupft worden war, manchmal drückte er ein Auge zu, weil er gleichfalls geblutet hatte. Seine Partner waren Askari, – schwarze Kriegsleut', und ihnen Geld abzunehmen, wäre kein Zeichen guter Erziehung gewesen. Dies Leben war nicht arm, zumal wir manchmal überfallen wurden oder ausrückten, um Andere zu überfallen, weil es mithin durch Gefahren erhöht war. 10 Alle paar Wochen aber pflegte er, Urlaub zu verlangen, und begründete seinen Wunsch so eindeutig, daß die Uebersetzung: »Brautschau halten« beinahe Fälschung ist. Dann zog er mit vielen Abschiedsgrüßen von dannen.

Auf der nächsten Etappe schon fand er, wonach sein Herze schrie. War ein Mann von der Front, jung, von Kriegserlebnissen umwittert, wohlhabend. Eilig entwand er sich dem dornigen Jungfernkranz, dann dachte er sorgenvoll auch an seinen Herrn. Er kaufte ein: Hühner, Eier im Schock, eine Last Bananen, ein paar Flaschen Honig. Er mietete Träger, und mit einer Karawane, die er nun befehligte, schlich jedesmal auch eine zarte Trägerin, männlich verkleidet, durch alle Gefahren der Steppe zum Vorposten hinaus. Sein Urlaub war stets weit überschritten.

Bärtig, ohne seine Pflege verkommen und knurrig, empfing ich ihn. Bedrohte ihn mit Körperstrafen, die gar nicht schimpflich, aber peinlich waren. Dann lud er mich, verstohlen triumphierend, in die Boyhütte, die zugleich Küche war, und wies all seine Schätze vor, auch den mir zugedachten Schatz.

Ein Negermädchen in buntem Kattun hockte am Feuer, hatte die Zähne sieghaft gefletscht, aber ein bißchen Angst in den goldbraunen Augen, wand zärtlich ihre runden Glieder, um alle Schönheit zu verraten.

»Sagt dein Herr, daß ich süß bin?« girrte sie meinen Diener an. Zu mir zu sprechen, wagte sie noch nicht.

Weiße Dame! Du standest daneben, du warst 11 mächtig da, mit deinen Liebesworten, Lügen, deiner Gepflegtheit, deiner Güte . . .

Dann schrieb ich einem Freunde, dessen Diener nicht so talentvoll wie der meine war, ein paar herzliche Zeilen, spielte Karten, trank Schnaps, und Fatuma wanderte tags darauf als Liebesgabe einem anderen Posten zu. Mein Leibdiener aber erklärte seinen Freunden laut, daß ich es hören mußte: im ganzen Schutzgebiet, auf der ganzen Welt vielleicht, gäbe es keinen Narren wie seinen Herrn. Er hatte Erfahrung mit Europäern, wußte wohl, was er sagte.

Fatuma ward bald die Freundin eines weißen Kriegers, der eines Tags Patrouille ritt. Rasch betrog sie ihn mit seinem Diener, dann wurde sie die ehrsame Frau eines Askari, dann wanderte sie im Troß, zog weit durchs Land, wurde Mutter, schleppte ihr Kind auf dem Rücken hinter Lettows Kriegsvolk her, lernte viel Leben, viele Männer kennen.

Der Waffenstillstand mag sie seßhaft gemacht haben. Es kann sein, daß sie schon heute, als interessante, ältere Dame, im Flackern eines Buschfeuers die Honneurs macht, durch Schönheit nicht mehr ausgezeichnet, aber geschätzt ob ihrer reichen Erlebnisse im Schatten der Weltgeschichte. Sie ist nicht mehr »Bibi«, das heißt Frau, sondern »Mama«, das heißt Ehrwürdige.

* * *

Gefangen, gebündelt und etikettiert wurde ich nach Indien verfrachtet, ein Stück Kriegsbeute, das vielleicht Hunger, kein anderes Verlangen kennen durfte. 12 Wie anders hatte ich dies Meer überfahren, als noch Frieden war, alle Weltteile sich dem zu Füßen legten, der Fernen suchte. – Wie war damals, im Jubel der Tropensonne, die weiße Dame aufgewacht, fast transparent in ihren seidenen Hüllen, fast blumenhaft in all der Wärme, ganz phantasiebeherrscht zwischen den großen Wundern der orientalischen Welt! Grün und gischtend war die See, damals Rahmen meines Reichtums, wie nun meiner Armut.

Die Eskorten, biedere Männer, mobilisierte Bauern aus Südafrika, Australien, Kanada schlugen ihre Zähne ins Leben, wo es schmackhaft war, und gönnten auch dem wackeren Feinde saftige Bissen.

»Ihr werdet eine Hölle von guter Zeit drüben haben,« versprachen sie. »Die Hindufrau, ach, ist ein süßes Herz!«

Ich kannte sie schon, die schmalhüftige Hindufrau, ihr banges, tastendes Schreiten, ihren frommen Blick, der demütiges Weibsein in höchster Gestaltung kündet. Aber sie wurde nicht mächtig in mir, die braune Dame . . . Fieberheiß und unentrinnbar lebte ihre weiße Schwester fort. 13

 


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