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Von K. R. Koch
(Mit drei Tafeln Abbildungen)
Es giebt wohl nur wenige Naturerscheinungen, die in höherem Maaße den Beschauer zu fesseln, ja ihn durch ihre Großartigkeit in eine Art andächtigen Betrachtens zu versetzen vermögen, als die Polarlichterscheinungen. Räthselhaft, lautlaus und plötzlich leuchtet das Licht am Nachthimmel auf, um oft ebenso plötzlich und geheimnisvoll wieder einer tiefen Nacht zu weichen. Ich erinnere mich noch deutlich der ersten bedeutenderen farbenprächtigen Lichterscheinung, die ich bei meiner Ueberfahrt nach der Küste Labradors erblickte. Wir segelten bei hereinbrechender Dämmerung vor leichtem Winde zwischen den zahllosen, die Küste Labradors umgebenden Inseln hin; der Kapitän unserer kleinen Bark wollte wegen der hereinbrechenden Dunkelheit, in der die vielen Riffe, niederen Inseln und Klippen nicht wahrzunehmen sind, in irgend einer geschützten Bucht vor Anker gehen, da schossen plötzlich aus Ost Strahlen auf, die sich bis zum Zenith erstreckten, von einem intensiven und leuchtenden, jedoch überaus zarten, gelblichen Weiß, so daß Schiff, Wasser und Inseln wie von mattem Mondenlichte erhellt erschienen; aus den Strahlen entstand in demselben Moment, wie durch einen Zauberschlag, ein sich über den ganzen Himmel von Ost durch das Zenith nach West schlängelndes Band, das in prächtigen rothen und grünen Farben schillerte; und wie wir noch erstaunt standen und zu der Erscheinung aufblickten, war sie wieder verblaßt und verschwunden. Der ganze Vorgang mochte nicht viel länger als ein bis zwei Minuten gedauert haben. Einige Zeit darauf entstand am nördlichen Himmel von Ost über Nord nach West ein helles Segment nach oben zu bogenförmig abgerundet, von Zeit zu Zeit in größerer Intensität aufleuchtend, unter dessen mildem, ruhigen Scheine wir um Mitternacht glücklich vor Hoffenthal Anker warfen.
Es nimmt nicht Wunder, wenn in einem Zeitalter, das die uns umgebende Natur mit Hexen- und Spukgestalten bevölkerte, das in allen Naturerscheinungen das Walten finsterer, dämonischer Gewalten erblickte, diese Erscheinungen für durch die Luft fahrende Gespenster gehalten wurden, daß man in ihnen ein Zeichen des Zornes des Himmels erblickte, indem man es als Vorzeichen für Krieg, Theuerung oder Pestilenz ansah.
Am Himmel geschehen Zeichen und Wunder
Und aus den Wolken blutigroth
Hängt der Herrgott den Kriegsmantel 'runter
ruft der Kapuziner in Wallenstein's Lager aus. Selbst in der neuesten Zeit finden wir derartige Vorstellungen im gemeinen Volke noch fest wurzelnd.
Ehe wir uns der Beantwortung der Frage nach der Natur und dem Wesen dieser seltsamen Erscheinung zuwenden, ist es nothwendig, zuerst die Erscheinungsform, die geographische Verbreitung, ihren Ort, die Periodicität, die Richtung, in der sich die Erscheinung abspielt, ins Auge zu fassen.
Betrachten wir zuerst die Form und das Auftreten der Erscheinung und begeben wir uns im Geiste in eine jener Gegenden, in der die Polarlichter in gewissen Jahren ein nahezu regelmäßiges Schauspiel einer jeden klaren Nacht bilden.
Rain, die eine der deutschen Beobachtungsstationen während der Dauer der internationalen Polarforschung, an der Küste Labradors, liegt an einer solchen Stelle; an einem Orte in der Maximalzone kann man am besten die Erscheinung in ihrer mannigfaltigen Form und ihren charakteristischen Eigenthümlichkeiten studiren.
Ich will nicht eine trockene Klassifikation und Beschreibung der einzelnen Formen liefern, sondern versuchen, eine jener glänzenden Haupt-Erscheinungen, die in der Regel alle Formen, alle Eigentümlichkeiten der Bewegungen, des Lichtes, des Phaenomens zu zeigen pflegen, in einem möglichst anschaulichen Bilde dem Leser vorzuführen. Dieses Bild ist bereits in einem früheren Kapitel dieses Bandes (Seite 167) gegeben worden und kann daher an dieser Stelle in Wegfall kommen; zur Vervollständigung dieser Schilderungen verweisen wir auf das dort Gesagte.
Die eigentlichen Beobachtungen über die Position, Höhe und Entfernung des Nordlichtes wurden in Nain größtentheils mit dem Meteoroskop (Seite 168), einem theodolitartigen Instrumente ausgeführt; es ist bei demselben an Stelle des Fernrohres eine einfache Visirvorrichtung angebracht, um die Richtung und die Höhe der Polarlichterscheinungen zu messen.
Deu Expeditionen nach Kingua-Fjord und Süb-Georgien war je ein Exemplar des Neumayer'schen Meteorographen Neumayer: Discussion of the meteorological and magnetical Observations made at the Flagstaff Observatory Melbourne p. 120 – 123. Das Instrument ist dort beschrieben und mittelst Zeichnungen erklärt. zum Registriren von Meteoren und Polarlichterscheinungen mitgegeben worden. Es ist dies insofern zu bedauern, als auf Süd-Georgien die Erscheinung des Südlichtes so gut wie nicht beobachtet werden konnte, während in Labrabor eines dieser Instrumente gute Dienste hätte leisten können.
Wir werden später noch einmal auf die Frage der Höhe und Nähe der Nordlichter zurückkommen.
Man hat das Zusammenschießen der Strahlen nach einem Punkte zu passend mit dem Namen der » Polarlicht-Krone« belegt. Das Band geht alsdann am Zenith vorüber und senkt sich lichtschwächer werdend gegen den Nord-Horizont. Aber schon ist dem ersten Bande ein zweites von Süden her gefolgt; es findet dasselbe farbenprächtige Schauspiel statt, auch dieses bildet an demselben Punkte wie das erste eine Krone, passirt unser Zenith und senkt sich gegen Nord; ein drittes, ein viertes, ein fünftes Band folgen, meistens erreicht aber die Lichtintensität, die Farbenpracht nicht die Größe wie bei den ersten Bändern. Die Erscheinung hat den Höhepunkt ihrer Entfaltung überschritten. Die scharf definirten Gebilde der Bogen und Bänder hören auf; der ganze Himmel ist jetzt an den verschiedensten Stellen mit Strahlen oder mit Polarlichtdunst bedeckt, d. h. mit wolkenförmigen Lichtgebilden, die Ort, Lichtstärke und Umrisse unaufhörlich ändern. Sehr häufig erkennt man beutlich, daß diese Dunstmassen, die scheinbar regellos den Himmel nach solchen brillanten Erscheinungen bedecken, nichts weiter sind, als wie die Fragmente von den vorhergegangenen, jetzt unzusammenhängend gewordenen Bogen und Bändern. Auch diese Dunstmassen verschwinden allmählich und zurück bleibt nur ein Bogen, der sich wie im Anfang der Erscheinung über den Nord-Himmel ziemlich tief am Horizonte spannt und dessen, ich möchte sagen klassische Ruhe nur unterbrochen wird durch jene, sich langsam von Zeit zu Zeit durch ihn fortwälzenden Intensitätswellen, eine Ruhe, die sonderbar kontrastirt mit der Unruhe, dem Wechsel und dem Farbenspiele der vorausgegangenen Erscheinungen. Nach einiger Zeit beginnt alsdann das soeben beschriebene Spiel von neuem; wieder erheben sich die Bogen, in Bänder verwandelt, unter Wallen und Wogen gegen das Zenith, senken sich gegen Süd, bilden Kronen und wandern zurück nach Nord, oder die Erscheinung bleibt während des folgenden Theiles der Nacht auf Bogen und Bänder über den Nordhimmel und das Zenith beschränkt.
Diese Schilderung, die ich zum Theil wörtlich meinen Tagebüchern entnommen habe, bezieht sich auf die brillantesten Erscheinungen, die sich im Laufe des Winters an vierzig bis fünfzig Nächten über der Station Nain in dieser oder ähnlicher Weise und mit der geschilderten Intensität abspielen.
Sonst ist die Erscheinung weniger lichtstark, ist nicht gefärbt, und besteht aus einer geringeren Anzahl von Bogen und Bändern; in manchen Nächten (für Nain namentlich in den December- und Januarnächten) strahlt oft nur jener eine, erst erwähnte Bogen nahezu unbeweglich von Abend bis zum Morgen am nördlichen Himmel und erleuchtet die öde Landschaft mit seinem dämmernden Lichte. C. Weyprecht: Praktische Anleitung zur Beobachtung der Polarlichter. Wien 1881. pag. 38 ff.
Bei dieser Schilderung habe ich in Anlehnung an die von Weyprecht vorgeschlagene Bezeichnung von Bogen und Bändern gesprochen, die sich über den Himmel spannen, von Strahlen, die aufleuchten und an einem gewissen Punkte des Himmels zur Krone zusammenschießen, von den wolkenähnlichen Polarlichtdunstmassen, die wie ein leichtes Gewölk oftmals große Theile des Himmels einnehmen.
Es kann nun die Frage aufgeworfen werden, ob wir es hierbei mit Erscheinungen verschiedener Natur zu thun haben, oder ob sie alle nur Abarten und Kombinationen einer einzigen Erscheinungsform sind. Betrachtungen, die wir über die wahrscheinliche Natur dieser Erscheinungen weiter unten anstellen werden, machen die schon bei einer aufmerksamen Betrachtung der Erscheinung dem Beobachter sich aufdrängende Vorstellung wahrscheinlich, daß die Grundform aller der Strahl- resp. das Strahlenelement eine leuchtende Linie von größerer oder geringer Länge ist, deren Richtung im Raume übereinstimmt mit der Richtung der erdmagnetischen Kraft an dem Orte, an dem sie auftritt. Diese leuchtenden Linien können nun einzeln zu schmalen Bündeln vereinigt auftreten, daraus entstehen die Strahlengebilde, deren Breite gering, oft kleiner als der Abstand von Mizar und Alcor im großen Bären und deren Länge im Verhältniß dazu bedeutend ist; ein solcher Strahl erstreckt sich oft vom Horizont bis zum Zenith.
Diese Strahlen sind nun oft in größeren Bündeln, natürlich wieder parallel zu einander angeordnet, dann entstehen Lichtgarben, wie solche in Figur 11, 13, 15, 18 der entsprechenden Abhandlung des I. Bandes des Hauptwerkes abgebildet sind. Die Strahlen ordnen sich ferner parallel zu einander auf Zonen an, deren Länge in der Regel gegen ihre Breite bedeutend ist; die Zonen sind selbst meist für einen bestimmten Ort in bestimmter Weise orientirt, diese Zonen erscheinen dem Beobachter als Bogen oder Bänder, je nachdem sie dieselbe Richtung behalten oder nicht. Behalten die Zonen in ihrem Verlaufe nicht dieselbe Richtung bei, sondern weisen sie Schleifen und Ausbiegungen auf, so hat die Erscheinung die Form eines Bandes. Jedoch auch diese Bänder erscheinen in Folge der Perspektive, wenn sie niederer am Horizonte stehen, als Bogen; in der That ist die Erscheinung der Bänderform an eine gewisse Höhe über dem Horizonte geknüpft; erhebt sich nämlich ein Bogen vom Horizonte gegen das Zenith, so zeigt er in der Rege! erst, wenn seine Scheitelhöhe 30 – 40° erreicht hat, deutlich die Bänderform.
Dies erklärt sich einfach aus einer perspektivischen Verkürzung, gerade wie Wolken, obgleich sie eine gewisse Flächenausdehnung besitzen, in der Nähe des Horizontes als langgestreckte Stratus erscheinen, so erscheinen auch Bänder, deren Schleifen eine gewisse Größe nicht übersteigen, näher dem Horizonte als regelmäßige sich über den Himmel spannende Bogen. Die wahre Form wird man nur bei denjenigen Gebilden wahrnehmen, die durch das Zenith oder nahe demselben verlaufen, da zeigt sich alsdann, daß der wirkliche Bogen eine recht selten vorkommende Erscheinung ist; die große Mehrzahl der regelmäßigen Bogen haben wir danach offenbar nur als Wirkung der Perspektive zu betrachten. Die Elemente, welche den Bogen oder das Band zusammensetzen, können nun entweder so dicht aneinander gereiht sein, daß man den Eindruck einer kontinuirlichen Lichtmasse hat, dies entspricht den ruhigen Lichterscheinungen, oder dieselben können gruppenweise als Strahlen zusammen stehen und durch dunkle Zwischenräume getrennt sein, alsdann entstehen die Erscheinungen von strahliger Struktur, in denen eine frühere phantastische Zeit kämpfende Heere mit Spießen und Schwertern zu sehen glaubte. Diese dunklen Zwischenräume verleihen dem gewundenen Bande alsdann den Charakter eines gefalteten Vorhanges oder einer ungeheuren Draperie. Die Lichtbewegungen in den Bogen und Bändern, die in den aus kontinuirlicher Lichtmasse bestehenden Formen den Eindruck von leuchtenden Wellen machen, welche ein solches Gebilde der Länge nach durchlaufen und bei den Formen von strahliger Struktur, wobei die seitliche scheinbare Verschiebung häufig mit einem in longitudinaler Richtung stattfindenden Aufleuchten verbunden ist, die Vorstellung des Tanzens der Strahlen hervorrufen, sind nichts Anderes als das nacheinander stattfindende Aufleuchten benachbarter Strahlen resp. benachbarter Strahlenelemente bei Erscheinungen von kontinuirlicher Lichtmasse. Bogen, Bänder und Strahlen, Erscheinungen mit kontinuirlichem Lichte und solche, die aus einzelnen Strahlen zusammengesetzt sind, sind mithin keine principiell verschiedenen Formen; in der That finden auch zwischen Bogen und Bändern, zwischen Erscheinungen mit ruhigem kontinuirlichem Lichte und solchen von strahliger Struktur alle möglichen Uebergänge und Zwischenstufen statt. Daß die Grundform aller jene parallel der magnetischen Kraft der Erde verlaufenden Elementarstrahlen sind, und daß Erscheinungen, wie es zum Theil behauptet ist, mit horizontaler Struktur nicht vorkommen, geht am einfachsten daraus hervor, daß sehr oft ein Bogen oder Band, die aus kontinuirlich znsammenhängender Lichtmasse bestehen, plötzlich die strahlige Struktur annehmen.
Die Richtung der Strahlenelemente bestimmt sich aus der Richtung der Strahlen; da die Strahlen nahezu parallel sind, so werden sie sich verlängert perspektivisch für den Beobachter in einem Punkte des Himmels treffen müssen und die Lage dieses Punktes ergiebt mithin die Richtung der Strahlen; dieser Punkt, gegen den die Strahlen zu konvergiren scheinen, fällt nahe zusammen mit dem Punkte, gegen den eine vollkommen frei beweglich aufgehängte Magnetnadel wirkt, die Richtung der Strahlen und Strahlenelemente ist also die der erdmagnetischen Kraft, man nennt diesen Punkt das magnetische Zenith des Beobachters; findet ein solches Zusammentreffen der Strahlen statt, so entsteht die Polarlichtkrone. Es mögen hier in einer Tabelle die Lage der Krone und die entsprechende Richtung des Erdmagnetismus zusammengestellt sein.
Nain. | ||
Krone | Az.= S. 36°,6 E | Höhe = 79°,6 |
Richtung der erdmagnetischen Kraft | Dekl. = N 44° W. | Inkl.= 80° |
Kingua-Fjord. | ||
Krone | Az.=S. 70°,4 E | Höhe = 83°,3 |
Richtung der erdmagnetischen Kraft | Dekl. = N 73°,5 W. | Inkl. = 83°,5 |
Da die Richtung der erdmagnetischen Kraft für die verschiedenen Orte verschieden ist, so werden weiter von einander entfernte Strahlen, z. B. solche, die nördlich und solche, die südlich vom Beobachter stehen, nicht einander parallel sein, sondern entsprechend der Krümmung der Erde und der verschiedenen Richtung der erdmagnetischen Kraft für verschiedene Orte, divergirend verlaufen, daraus folgt, daß der Punkt, in dem die Strahlen sich perspektivisch bei Annahme ihrer Parallelität treffen müßten, der Mittelpunkt der Krone, im Allgemeinen nicht hell, sondern dunkel erscheinen muß. Eine Ausnahme wird nur stattfinden bei den Erscheinungen, bei denen auch in der direkten Richtung zum magnetischen Zenith eine starke Lichtentwicklung stattfindet. Betrachten wir endlich die unbestimmten Formen des Polarlichtgewölkes und des Polarlichtdunstes; nach Analogie der anderen Erscheinungen haben wir uns auch die Struktur dieser zu denken, bestehend aus parallelen, dicht an einander gereihten Strahlenelementen, die senkrecht zu der Fläche des Polarlichtgewölkes angeordnet sind; daß diese Anschauung die richtige ist, geht daraus hervor, daß diese Gebilde sich plötzlich in einzelne Strahlen auflösen und Anlaß zu einer Kronenbildung geben können, wie umgekehrt, daß die strahligen Formen fast immer unter Abnahme ihrer Intensität vor ihrem Erlöschen in Polarlichtgewölk und -Dunst übergehen.
Wir haben gesehen, daß die Richtung der Strahlenelemente, aus denen sich alle Polarlichterscheinungen zusammenzusetzen scheinen, zusammenfällt mit der Richtung der Kraft des Erdmagnetismus. Man kann sich nun die Frage vorlegen, ob die Richtung jener Zonen, die uns als Bogen, welche sich über den Himmel spannen, erscheinen, auch für einen bestimmten Ort eine bestimmte und sich gleichbleibende ist. Man erkennt sofort, daß Strahlen, Lichtgarben, Polarlichtgewölk, sowie Band- und Bogenfragmente in allen Richtungen wahrgenommen werden können; die Richtung jedoch, in der sich die Bogen, und die allgemeine Richtung, sofern sie sich angeben läßt, in der sich die Bänder über den Himmel spannen, ist in der That für einen bestimmten Ort ziemlich konstant. Diese Richtung (als Winkelwerth vom Nordpunkte aus bestimmt und Azimut genannt) variirt etwas mit der Höhe des Bogens über dem Horizonte. Denken wir uns einen Bogen, der am Nordhimmel steht und mit seinem Scheitel sich höher und höher erhebt, das Zenith passirt und sich gegen Süd heruntersenkt, wobei er sich um seine Fußpunkte, mit denen er auf dem Horizont in Ost und West aufsteht, wie um Charniere dreht; denken wir uns jetzt alle Punkte, die der Scheitel nach und nach eingenommen hat, durch eine Kurve verbunden (Trajektorie genannt), so ist dieselbe für die Station Nain kein größter Kreis, sondern eine nach Westen zu konkave Kurve; Beobachtungen auf anderen Stationen geben zum Theil noch verwickeltere Verhältnisse.
Sehen wir von dieser Aenderung des Azimutes der Bogenscheitel mit der Höhe ab und nehmen den mittleren Werth aus allen Beobachtungen, so ergiebt sich für Nain
Az. der Bogenscheitel = N. 2, º1 E., 1)
für Kingua-Fjord
Az. der Bogenscheitel = S. 34, º7 E.
E steht für Ost.]
Auf beiden Stationen weicht mithin das Azimut der Bogenscheitel um einen bedeutenden Werth von dem Azimut der magnetischen Kraft der Erde ab; während die Richtung der Strahlenelemente, wie es scheint, mit der Richtung der erdmagnetischen Kraft zusammenfällt, stehen die Zonen, auf denen jene Lichterscheinungen hauptsächlich stattfinden, nicht senkrecht dazu, wie man wohl erwarten sollte.
Es ist bekannt, daß die Polarlichterscheinungen an beiden Polen der Erde auf die höheren Breiten beschränkt sind, nur einzelne größere Erscheinungen werden auch unter niedereren Breiten beobachtet. Man könnte nun vielleicht denken, daß diese Zunahme um so größer würde, je näher man dem Pole käme, so daß in der Umgebung des Poles die Erscheinung sich am häufigsten zeigte; dies ist jedoch, wie alle Polarexpeditionen gezeigt haben, nicht der Fall; je weiter nördlich die Expeditionen drangen, um so seltener und weniger prächtig wurden die Erscheinungen. Es existirt vielmehr rund um die Erde herum eine Zone, wie dies von Herrn Fritz »Das Polarlicht«, Leipzig 1881, gezeigt ist, in welcher das Polarlicht am häufigsten und intensivesten auftritt, man übertreibt wohl nicht, wenn man sagt, daß an Orten, die in dieser Zone liegen, das Polarlicht nahezu in jeder hellen Nacht am Himmel strahlt. Nördlich wie südlich von dieser Zone nehmen die Häufigkeit und Intensität ab. Die Lage derselben, an welcher auch die neuesten Expeditionen wenig verändert haben, wird von Herrn Fritz in folgender Weise beschrieben:
»Diese Zone größter Häufigkeit und Intensität, welche sich auf dem größten Theile ihres Zuges bestimmen läßt, beginnt in der Nähe der Barrowspitze (72º N.), zieht sich über den großen Bärensee zur Hudsons-Bay, diese auf dem 60. Breitengrade schneidend, über Nain an der Labradorküste, südlich an Kap Farewell vorbei zwischen Island und den Far-Oer hindurch in die Nähe des Nordkaps in Norwegen und von da in das nördliche Eismeer. Sie umzieht die Nordkante von Nowaja-Semlja und das Kap Tscheljuskin, um sich in Sibiriens Osten, in der Länge von Nischnekolymak, wieder der Küste zu nähern und nach der Barrowstraße zurückzukehren. In wiefern durch die außerdeutschen Beobachtungen an dieser Bestimmung etwas geändert wird, kann erst ermessen werden, wenn dieses Material vollständig vorliegt. Die Beobachtungen von Kingua-Fjord und Nain bestätigen für diese Länge die Lage dieser Zone. Nach privaten Mitteilungen der dortigen Missionare scheint es allerdings, als läge die Maximalzone etwas nördlich von Nain.
Wir haben gesehen, daß für Nain das Azimut des Bogenscheitels N. 2, º1 E war und für Kingua-Fjord S. 34, º7 E. Zählen wir für Nain ab, wie oft die Polarlichtbogen und Bänder am Südhimmel und wie oft sie am Nordhimmel sich zeigen, so findet man, daß sie unter hundert Malen 56 Mal am nördlichen Himmel erschienen und 44 Mal am südlichen; es überwiegt also die Zahl der nördlichen Lichterscheinungen im Jahre etwas; führt man dieselbe Zählung für Kingua-Fjord aus, so findet man, daß die Polarlichter fast nur am südlichen Himmel auftreten, nach Beobachtungen auf St. Johns (New-Foundland) zeigt sich das Polarlicht dort immer nur am Nordhimmel; daraus folgt, daß der Hauptherd der Erscheinung etwas nördlich von Nain, jedoch ziemlich weit südlich von Kingua-Fjord zu suchen ist; für Orte, die diesem Hauptherde naheliegen, wird also das Polarlicht gerade so oft am nördlichen wie am südlichen Himmel erscheinen.
Von Herrn Fritz sind nun l.c.p. 34 ff. aus älteren und neueren Berichten für Orte rund um die Erde herum ähnliche Zählungen ausgeführt, aus denen folgt, daß sich überall ähnliche Verhältnisse finden; rund um die Erde herum läßt sich eine Zone »neutraler Sichtbarkeit« konstruiren, so, daß südlich von derselben das Polarlicht überwiegend in nördlicher Richtung erscheint, nördlich von derselben in südlicher Richtung. Von Herrn Fritz ist nun die Hypothese aufgestellt, daß möglichenfalls die beiden Zonen, die Zone »der neutralen Sichtbarkeit« und die Zone »größter Häufigkeit und Intensität« zusammenfallen; für die Station Nain scheint dieses der Fall zu sein, denn sowohl die eine wie die andere scheinen etwas nordwärts von Nain zu liegen. Es scheint mir jedoch auch an sich selbstverständlich zu sein, daß beide zusammenfallen; denn wenn die Polarlichter über einer bestimmten Zone in den höheren Schichten der Atmosphäre ihren Herd haben, an dem sie aufleuchten, so werden sie an den Orten, die unter derselben liegen, natürlich am häufigsten zu sehen sein.
Haben wir so eine Zone um die Erde, auf welcher sich hauptsächlich die Erscheinungen abspielen, so können wir zwei Fragen aufwerfen; erstlich, wie sind zu dieser Zone die Polarlichtbogen orientirt, auf denen sich die Strahlenelemente parallel zu einander anordnen, und zweitens, finden die Lichterscheinungen in jener ganzen Zone gleichzeitig statt, so daß, wenn an einem Orte eine größere Erscheinung auftritt, dann rund um die Erde herum ein stärkeres Aufleuchten dieser Zone stattfindet, oder sofern vielleicht die größeren Erscheinungen mehr lokaler Natur sind, ist die Erde ständig auf ihrer Nachtseite mit einem oder mehreren leuchtenden Ringen umgeben, die sich für jeden Ort als jene sich über den Himmel spannenden ruhigen Bogen zeigen. Diese letztere Vorstellung ist von Herrn v. Nordenskiöld angenommen worden. Die Beobachtungen der verschiedenen Stationen zur Zeit der Epoche 1882/83 der internationalen Polarforschung ergeben jedoch, soweit dieselben bis jetzt vorliegen, daß dies nicht der Fall ist.
Es sind oft aus einigen Stationen sehr intensive, prächtige Erscheinungen beobachtet worden, während auf den anderen benachbarten nichts wahrgenommen ist, oder jedenfalls die Erscheinung nicht lichtstärker oder formenreicher war, wie in anderen Nächten; jedoch auch mit jener Einschränkung auf den gewöhnlichen sich über den Himmel spannenden Bogen zeigt sich jene Hypothese eines die Erde umgebenden leuchtenden Ringes nicht haltbar, da z. B. auf der einen der Stationen Nain und Jan Mayen Lichterscheinungen in Bogenform beobachtet wurden, während auf der anderen trotz hellen Wetters nichts wahrzunehmen war. Wenn deshalb Herr Fritz in seinem Resumé der Resultate der Polarlichtbeobachtungen 1882/83 Meteorologische Zeitschrift, Mai 1887. sagt: »daß das Polarlicht nicht auf einer leuchtenden Zone gleichzeitig auftritt, sondern stets lokal entflammt und nur ausnahmsweise über große Ringflächenstücke verbreitet ist«, so ist damit wohl das Richtige getroffen.
Jene erwähnte andere Frage ist dahin zu beantworten, daß die Bogen sich hauptsächlich parallel jener Zone der neutralen Sichtbarkeit des Hauptherdes der Erscheinung zu entwickeln scheinen, ohne daß es ausgeschlossen ist, daß zu Zeiten bedeutende Abweichungen im Azimut des Bogenscheitels auftreten. Das mittlere Azimut der beobachteten Bogen, soweit sich aus dem bis jetzt von den übrigen Stationen mir vorliegenden Material Schlüsse ziehen lassen, fällt zusammen mit Richtungen, die auf eine Polarkarte eingezeichnet, die von Herrn Fritz konstruirte Zone neutraler Sichtbarkeit nahezu noxinal treffen; daraus folgt, daß die größte Anzahl der Bogen parallel jener Zone verläuft. Daß jedoch anders orientirte Bogen hie und da vorkommen, zusammen mit dem oben erwähnten Auftreten einer glänzenden Lichterscheinung auf der einen Station und dem oft gänzlichen Fehlen derselben auf einer benachbarten, zeigt, daß das Phänomen als ein lokales, in der Form seines Auftretens durch lokale Verhältnisse bedingtes anzusehen ist, wobei natürlich eine allgemeine, die Erscheinung bestimmende und erzeugende Ursache ebenso wenig ausgeschlossen ist, wie daß eine größere Lichtentwickelung auf größeren Abschnitten der Polarlichtzone auftreten kann.
Man hat nun durch Zusammenstellung und Sammlung der das Polarlicht betreffenden Beobachtungen gefunden, daß zu gewissen Zeiten, wenigstens für nicht zu nördlich gelegene Punkte, das Polarlicht häufiger auftritt, als wie zu anderen Zeiten, mit anderen Worten, daß in den Polarlichterscheinungen eine gewisse Periodicität herrscht. Solcher Perioden unterscheidet man drei:
die elfjährige Periode, die jährliche und die tägliche Periode.
Ueber die erste elfjährige Periode können natürlich die nur ein Jahr lang fortgesetzten Beobachtungen keine Auskunft liefern. In Betreff der jährlichen und täglichen Periode haben sich die Ergebnisse früherer Beobachtungen bestätigt. Die Sichtbarkeit der Polarlichterscheinungen wird nun beeinflußt von der Länge der Nacht, der Beleuchtung durch den Mond und der Bedeckung des Himmels durch Wolken. Nimmt man darauf Rücksicht, so zeigt es sich, daß in Kingua-Fjord, wo vom Januar bis zum April 1883 alle halbe Stunde Aufzeichnungen über den Stand der Erscheinung gemacht sind, die meisten Lichterscheinungen Abends gegen 11 Uhr und Morgens gegen 6 Uhr in den Monaten Januar und Februar auftraten; im März und April zogen sich die beiden Maxima in eines zusammen, das etwas nach Mitternacht fällt. Kingua-Fjord macht also, wie die Stationen der nördlichen Baffinsbay und des Smithsundes, eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, daß die Stunde des Maximums in die Zeit vor Mitternacht fällt. Für die Station Nain liegt das Maximum der Erscheinung auf ungefähr 8 Uhr Abends. Mehr noch als die tägliche Periode wird die jährliche durch Bewölkung, Mondlicht und Länge der Nacht beeinflußt. Nimmt man hierauf Rücksicht, so lassen die für diesen Zweck etwas unvollständigen Beobachtungen vermuthen, daß das Maximum der Erscheinung für Kingua-Fjord auf den Januar fällt. Für Nain liegen die Maxima mit jedoch kleiner Amplitude im November und im März. Es stimmt das überein mit den sonstigen Erfahrungen, nach denen für nicht sehr hohe Breiten, also für Stationen südlich der Zone der neutralen Sichtbarkeit, die Maxima in den März und den November fallen, während für Stationen unter hohen Breiten, nördlich der besagten Zone, das Maximum der Erscheinung in den Januar fällt. Man kann hieraus schon direkt schließen, daß dann in der Zone der neutralen Sichtbarkeit diese Perioden verschwinden werden. Es ergeben dies auch die kürzlich publicirten Beobachtungen der schwedischen Station auf Kap Thordsen; Observations faites au Cap Thordsen, Spitzberg, par l'Expédition Suédoise II, 1. Aurores boréales par Carlheim-Gyllenskiöld p. 204. aus eben dem Grunde sind auch für Nain, das ebenfalls nahe der Zone der neutralen Sichtbarkeit liegt, die Maxima nicht sehr abweichend vom Mittel.
Da in der Zone der neutralen Sichtbarkeit die Polarlichterscheinungen zu allen Jahreszeiten in derselben Anzahl auftreten, so scheint keine jährliche Periode, die ein absolutes Maximum oder Minimum lieferte, in der Frequenz der Lichterscheinungen zu existiren, man muß deshalb zur Erklärung dieser nördlich und südlich der neutralen Zone der Sichtbarkeit auftretenden Periodicität nach einer anderen Erklärung suchen, eine solche ist zuerst von Herrn Weyprecht Denkschrift der math. naturw. Klasse der k. Akademie der Wissensch. zu Wien, Bd. XXXV. gegeben und durch die Beobachtungen auf der Station Nain bestätigt. Nach ihm rückt die Zone, in der sich die Polarlichterscheinungen hauptsächlich zeigen, zur Zeit des Wintersolstitiums nach dem Norden und wandert zur Zeit der Nachtgleichen nach dem Süden. Zählt man aus den Beobachtungen von Nain zusammen, wie oft das Polarlicht am nördlichen Himmel beobachtet wurde und wie oft am südlichen, so erhält man:
Monat | Nördlich vom Zenith | Südlich vom Zenith |
1882 | % | % |
Oktober | 56 | 44 |
November | 45 | 55 |
December | 60 | 40 |
1883 | ||
Januar | 73 | 27 |
Februar | 60 | 40 |
März | 45 | 55 |
April | 50 | 50 |
Wie man sieht, fallen die Maxima der Erscheinung für Stationen südlich der Zone neutraler Sichtbarkeit nahe mit denjenigen Zeiten zusammen, in denen die Erscheinung in Nain am Süd-Himmel häufiger gesehen wurde wie am Nord-Himmel; anderseits stimmt das wahrscheinliche Maximum der Erscheinungen zu Kingua-Fjord im Januar damit überein, daß in diesem Monat in Nain sich die Erscheinungen hauptsächlich am nördlichen Himmel zeigten. Sollte es sich bestätigen, daß in der Zone neutraler Sichtbarkeit eine jährliche Periode nicht existirt, so findet die nördlich und südlich dieser Zone beobachtete jährliche Periode durch das als richtig vorausgesetzte Wandern des Hauptherdes der Erscheinung von Süd nach Nord und umgekehrt ihre ungezwungene Erklärung.
Nach dem Vorgange von Bravais hat man auch die tägliche Periodicität der verschiedenen Formen untersucht und festgestellt, zu welcher Tageszeit die Form der Bogen, der Bänder, der Strahlen des Polarlicht-Gewölkes am häufigsten vorkommen. Eine solche Untersuchung liefert offenbar den allgemeinen Typus der Erscheinung, vorausgesetzt, daß sich die Erscheinung ein demselben Orte immer ungefähr in derselben Weise abspielt.
Das scheint für die meisten Beobachtungsstationen der Fall zu sein, so sehen wir denn auch in Nain entsprechend dem allgemeinen Typus der Erscheinung in den frühen Abendstunden den Bogen am häufigsten, die Zeit der größten Intensität circa 8 h p. m. entspricht der Hauptentwicklung von Bändern, Kronen und Strahlen und darauf folgt alsdann gegen 10 h das Maximum des Auftretens des Polarlicht-Dunstes.
Ueber die vielumstrittene Höhe, in der sich die Polarlichterscheinungen vollziehen, sind auf den deutschen Stationen keine messenden Versuche gemacht; aus den Nainer Messungen der beobachteten Bogen kann man nach der Methode von Bravais unter gewissen Annahmen die Höhe berechnen und findet daraus eine Höhe zwischen 100 bis 200 km ; ein Werth, der mit den sonstigen Berechnungen übereinstimmt; jedenfalls befand sich in Nain die Erscheinung, wenn Wolken am Himmel waren, immer oberhalb derselben; niemals fand ferner eine Erscheinung, wie sie von Anderen erwähnt wird, zwischen dem Beobachter und den benachbarten zum Theil beträchtlich hohen Bergen (300 m ) statt; dasselbe wird von Kingua-Fjord berichtet; nur einmal befindet sich in dem Tagebuch die Bemerkung: »Die Lichtmassen scheinen dem Beobachter sehr nahe zu sein.« So lange man jedoch seine objektiven Merkmale dafür hat, wird man die Erscheinung nicht in allzugroße Nähe verlegen dürfen, da ein Strahl oder ein flatterndes Band oft greifbar nahe erscheinen, während sie sich in der Wirklichkeit, wenn zufällig eine Wolke am Himmel in der Nähe der Erscheinung steht, oberhalb derselben befinden.
Die bei Gelegenheit der Beobachtungen im Jahre 1882–1883 gemachten Erfahrungen über die Höhe des Polarlichtes sind wohl am eingehendsten von Herrn A. Paulsen, welcher der dänischen Expedition nach Gobthaab vorstand, besprochen und allgemeine Resultate daraus abgeleitet worden. A. Paulsen: Contribution à notre connaissance de l'aurore boréale. Bull. de l'académ. R. danoise 1889 p. 67ff.
Herr Paulsen veranlaßte gleichzeitige Messungen mit den seinigen, indem er die Herren Garde und Eberlin veranlagte, mit ihm zu kooperiren. Diese Herren beobachteten in Nennortalik, in der Nähe von Kap Farewell. Dazu kamen noch die Beobachtungen der Expedition unter Kapitän der dänischen Marine G. F. Holm in Angmagsalik an der Ostküste von Grönland unter 66° N.Br. Expédition danoise Observations faites à Godthaab 1882–1885. Tome II, p. 16-39 (zweiter Abschnitt).
Aus den gleichzeitigen Messungen an den Enden einer 5800 m langen in dem gleichen magnetischen Meridian gelegenen Basis ergab sich als wesentlichem Resultat die Thatsache, daß das Nordlicht viel tiefer in den Polarzonen auftritt, als dies nach früheren Beobachtungen in den gemäßigten Zonen der Fall zu sein scheint, was auch durch die Messungen in Spitzbergen konstatirt worden ist. Carlheim-Gyllenskjöld: Expédition Suédoise Tome II, 1 In gleicher Weise wurde durch die Beobachtungen in Godthaab und in Thordsen dargethan, daß die Höhe ganz erheblichen Schwankungen unterworfen ist. Während Polarlichter bis zur Oberfläche der Erde herabsteigen, können sie andererseits auch in den höchsten Schichten der Atmosphäre wahrgenommen werden. Allerdings scheint sich auch zu ergeben, daß die großen Polarlichtmassen nicht bis zur Erdfläche herabreichen; es sind die am tiefsten herabreichenden meistens nur Strahlen, Schleier und Bänder. Die eigentliche Entwickelung der großen Bänder und Bogen von Polarlichtern sind nur auf die höchsten, oder doch höheren Schichten der Atmosphäre beschränkt. Es dürfte übrigens nochmals zu betonen sein, daß die großen Schwankungen in der Höhenlage der Polarlichter wohl nur in den eigentlichen Polarlichtzonen auftreten; außerhalb dieser Zonen sind wohl nur die höheren Lagen der Erscheinung die normalen.
Mit der Frage der Nähe der Polarlichterscheinung hängt die Frage nach einem beim Polarlichte auftretenden Geräusch eng zusammen. Es ist jedoch weder aus der Station Kingua-Fjord, noch auf der Station Nain von den Beobachtern je ein solches vernommen; wohl aber wollten mich die Eskimos, wenn ich am Meteoroskop meine Beobachtungen machte, häufig überreden, es hätte ein solches Sausen stattgefunden. Daß man es hier mit einer subjektiven Erscheinung einer Beeinflussung des Gehörsinnes durch den Gesichtssinn oder vielleicht auch nur mit einer subjektiven Einbildung zu thun hat, scheint mir daraus hervorzugehen, daß gewöhnlich behauptet wird, daß das Geräusch mit der Lichterscheinung, nicht nach derselben stattgefunden habe; bei der großen Differenz der Licht und Schallgeschwindigkeit ist dies jedoch nicht denkbar, es müßte sich denn die Erscheinung in wirklich greifbarer Nähe befunden haben.
Vielfache Meinungen sind bekanntlich aufgestellt über den Zusammenhang des Polarlichtes mit der Witterung; sofern es sich dabei um Muthmaaßungen über die zukünftige, dem Polarlicht folgende Witterung handelt, so finden sich nicht nur in den verschiedenen Ländern die verschiedensten Ansichten, sondern auch in ganz nahe gelegenen Gebieten widersprechen sich die Meinungen über den Zusammenhang beider. Sehen wir von diesen allgemeinen und vagen Vermuthungen und Behauptungen ab, so sind aber auch die mehr wissenschaftlichen Versuche, die Polarlichterscheinungen in Beziehung zu Temperatur und Luftdruckschwankungen zu setzen, oder eine gewisse Relation zu finden zwischen dem Auftreten des Polarlichts in gewissen Gegenden und der Lage der Luftdruckmaxima und Minima, bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Auch die neuesten Beobachtungen während der Epoche der internationalen Polarforschuug ergeben wenigstens in Bezug auf die deutschen Expeditionen keinen Zusammenhang zwischen den Polarlichterscheinungen und den meteorologischen Elementen, so daß eine einfache nahe Beziehung zwischen ihnen wohl nicht existirt.
Die bei einem Polarlicht schon öfters bemerkte plötzliche Bildung von Cirrus-Wolken wurde auch in Nain mehrfach beobachtet.
1882 Okt. 2.: 8 h30 m p. m. Plötzliche Bildung von Cir.-Cum.-Wolken über den ganzen Himmel; um 8 h 45 m p. m. ist alles wieder verschwunden.
1882 Nov. 2.: 9 h 15 m p. m. Nach einer sehr intensiven und farbigen Polarlichterscheinung ist plötzlich der ganze Himmel mit einem Cir.-Str.-Schirm bedeckt, durch den die Sterne stark getrübt werden.
1882 Nov. 15.: Während der ganzen Nacht von Mitternacht ab bei stark fallendem Barometer schwache Polarlichterscheinungen. Um 6 h a. m. plötzliche Bildung von Cir.-Str.- und Cir.-Cum.-Wolken, die nach 10 Minuten wieder verschwanden.
1882 Nov. 29.: 6 h 45 m p. m. Nach einem Polarlicht von mittlerer Intensität bedeckt sich der Himmel plötzlich mit einem Cir.-Str.-Schirm; derselbe ist um 8 h p. m. wieder verschwunden und der Himmel wieder klar.
1882 Dezember 3.: 8 h 50 m p. m. Plötzliche Bildung von Cir.-Cum.-Wolken, die aber nach 1 Minute wieder verschwunden sind.
1883 März 1.: 10 h 8 m. Nach einer intensiven Polarlichterscheinung ist der ganze Himmel mit Polarlicht-Dunst und mit einem Cir.-Str.-Schirm bedeckt.
1883 April 8.: 8 h 37 m p. m. Nach einem intensiven Polarlicht bedeckt sich der Himmel plötzlich vollständig mit Cir.-Cum.-Wolken, die in Reihen von N 10º E nach S 10º W angeordnet sind; um 8 h 48 m sind die Wolken wieder verschwunden.
Es mag hierzu bemerkt werden, daß ohne Polarlichterscheinung eine solche plötzliche Wolkenbildung in Nain nie von mir beobachtet wurde, trotzdem mir eine solche kaum hätte entgangen sein können, da ich des Tages über so oft wie möglich Beobachtungen über den Zug, namentlich dieser oberen Wolken anstellte.
In nahem Zusammenhange hiermit steht auch die Erscheinung von Höfen um den Mond und die Sterne; bei den zahlreichen Vorübergängen von Bogen, Bändern, Strahlen etc. an Mond und Sternen wurde nur einmal ein solcher Hof um den Mond wahrgenommen; da nun, wie die soeben mitgetheilten Beobachtungen darthun, plötzliche Bildungen von dünnen Cirrusschleiern bei den Polarlichterscheinungen stattfinden, so ist es wohl wahrscheinlich, daß bei dieser einen ausnahmsweisen Erscheinung eines Hofes um den Mond beim Vorübergange eines Polarlichtbandes am 20. Februar 1883 7 h 5 m p. m. ebenfalls ein dünner, wenn auch sonst unsichtbarer Cirrusschleier entstanden ist, der nach kurzer Zeit wieder verschwand.
Versuchen wir jetzt, der Natur dieser räthselhaften Erscheinung näher zu treten. Bekanntlich giebt uns die Physik auch für einen von uns entfernten Körper ein Mittel an die Hand, seinen Zustand und seine Beschaffenheit in gewissem Maaße zu erkennen, wenn er Licht aussendet. Stellen wir in den Weg der Lichtstrahlen, die von einem Körper ausgesandt werden, nachdem wir die Strahlen durch einen engen Spalt geleitet haben, ein Prisma, so wird das Licht, wenn z. B. der glühende Körper ein weißglühender Draht, also ein glühender, fester Körper, ist, bekanntlich zu einem breiten, farbigen Bande ausgebreitet, das wir das Spektrum nennen. Ein solches Spektrum, das die bekannten Regenbogenfarben in einer ununterbrochenen Farbenfolge enthält, nennt man ein kontinuirliches Spektrum und durch Versuche weiß man, daß alle glühenden festen und flüssigen Körper kontinuirliche Spektra liefern, also Licht aussenden, daß alle Farben und mithin, da das Licht verschiedener Farben verschiedene Wellenlänge besitzt, Licht von jeder Wellenlänge enthält. Anders verhalten sich die glühenden Gase, vorausgesetzt, daß sie in einer dünnen Schicht glühen; diese liefern auf diese Weise untersucht, kein kontinuirliches Spektrum, sondern ein sogenanntes Linienspektrum, d h. ihr Spektrum besteht aus einzelnen hellen Linien, deren Lage im Spektrum, also deren Farbe und mithin deren Wellenlänge für das betreffende leuchtende Gas charakteristisch ist. Es hat also jeder glühende gasförmige Körper ein bestimmtes Spektrum und es kann umgekehrt aus dem beobachteten Spektrum auf die Natur desselben geschlossen werden.
Untersuchen wir jetzt das Polarlicht in dieser Weise, so finden wir ein Linienspektrum, ein Zeichen, daß wir es mit einem leuchtenden Gase zu thun haben. Gewöhnlich tritt im Polarlicht-Spektrum nur eine helle Linie im Gelbgrün auf, das Polarlicht ist also gewöhnlich monochromatisch, bei den brillanteren farbigen Erscheinungen zeigen sich alsdann noch andere Linien; hierbei findet auch manchmal eine Aufhellung des ganzen Spektrums vom Grüngelb nach dem violetten Ende zu statt. Wenn nun das Spektrum eines Gases sich verändert, indem neue Linien auftreten, so kann das entweder daher rühren, daß das leuchtende Gas unter andere Verhältnisse des Druckes und der Temperatur kommt, oder daß eine andere Art des Glühens eintritt, oder daß unter den veränderten Verhältnissen noch andere Gase leuchtend werden. Es ist bis jetzt nicht gelungen, das Polarlicht-Spektrum künstlich im Laboratorium herzustellen, speciell ist es vollkommen unbekannt, welchem Stoffe jene charakteristische Linie im Gelbgrün angehört, die bei jeder Polarlichterscheinung beobachtet wird. Mit den anderen beobachteten Linien des Polarlichtes glaubt man Koincidenzen namentlich mit dem Spektrum des negativen Glimmlichtes (des Lichtes, das bei elektrischen Glimmentladungen am negativen Pol auftritt), dem Spektrum des Stickstoffes und Wasserstoffes bemerkt zu haben; bei allen diesen Spektren sind jedoch außer den koincidirenden Linien unter allen bisher angewendeten Versuchsbedingungen so viele andere vorhanden, daß jenes Zusammenfallen wohl eher ein zufälliges ist; dazu kommt, daß bei der geringen Lichtstärke der Polarlichterscheinung die Bestimmungen der Wellenlänge unsicher und mit ziemlich bedeutenden Fehlern behaftet sind. Auf der Station Kingua-Fjord wurde im Spektrum entsprechend der weißlichen Färbung die dort allein beobachtet wurde, nur die gelbgrüne Linie wahrgenommen.
In Nain wurden sechs Linien beobachtet; soweit sich die Lage derselben durch Erzeugung eines Vergleichsspektrums ohne direkte Messung bestimmen läßt, entsprechen dieselben den von Herrn H. C. Vogel in Bothkamp (1870-71) beobachteten, also den Wellenlängen im Milliontel-Millimeter:
629,7 556,9 523,3 518,9 500,4 466,0 (circa).
Die Linie von der Wellenlänge 556,9 Milliontel-Millimeter ist die Hauptlinie im Grüngelb; an derselben wurde an einigen Abenden ein eigenthümliches Flackern beobachtet, für das sich bis jetzt keine Erklärung finden läßt.
Aus der Analyse des Lichtes der Erscheinung folgt jedoch jedenfalls, daß wir es mit einem selbstleuchtenden Gase zu thun haben; dieses Leuchten ist unter den gegebenen Verhältnissen nach unseren sonstigen Erfahrungen nur möglich durch elektrische Entladungen, die sich in dem Gase vollziehen und dasselbe leuchtend machen. Die Strombahnen dieser Entladungen sind nur gegeben durch die Elementarstrahlen, aus denen sich die Erscheinungen nach unserer Betrachtung über ihre Form, zusammensetzen. Die Richtung dieser Strahlenelemente fällt, wie wir gleichfalls gesehen haben, zusammen mit der Richtung der magnetischen Kraft der Erde. Die Zahl der Hypothesen, welche das Zustandekommen jener elektrischen Entladungen in der Richtung der erdmagnetischen Kraft in den oberen Schichten der Atmosphäre begreiflich zu machen suchen, ist eine sehr große, ohne daß eine einzige derselben vollständig einwurfsfrei wäre und alle Erscheinungen vollständig zu erklären vermöchte. Es ist jedoch hier in einer mehr gemeinfaßlichen Darstellung der wirklich erreichten Resultate der letzten Polarforschungs-Epoche nicht der Ort, darauf näher einzugehen. Die Uebereinstimmung der Richtung der Strahlen (also nach den soeben angestellten Erwägungen »der Strombahnen«) mit der Richtung der Kraft des Erdmagnetismus hat schon in früheren Zeiten dazu geführt, beide Phänomene mit einander in Beziehung zu setzen. Während man früher an einen direkten Zusammenhang zwischen den Störungen in Richtung und Intensität des Erdmagnetismus und dem Auftreten des Polarlichtes geglaubt hat, haben neuere Untersuchungen dazu geführt, daß eine direkte ursächliche Beziehung zwischen beiden nicht existirt, insbesondere hat die letzte internationale Polarforschungs-Epoche, so weit die entsprechenden Beobachtungen vorliegen, dargethan, daß zwar große Störungen in Richtung und Intensität des Erdmagnetismus und intensive Polarlichter gleichzeitig auftreten, daß jedoch auch das eine Phänomen auftreten kann, ohne gleichzeitig von dem anderen begleitet zu sein.
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Zu dem vorstehenden Aufsatze des Herrn Professor Koch ist erklärend hinzuzufügen, daß sich derselbe fast ausschließlich auf die Polarlichterscheinungen in der Nord-Polarzone bezieht, die Verhältnisse der Süd-Polarzone jedoch nicht näher berührt. Und doch ist es von besonderem Interesse, diese eigenartige Lichtentwickelung unserer Erde für deren ganzes Gebiet näher ins Auge zu fassen, wenn es sich um deren Erklärung handelt. In dem Hauptwerke, welches über die Ergebnisse der deutschen Expedition handelt, sind denn auch verschiedene tabellarische Zusammenstellungen über das Vorkommen von Polarlichtern enthalten, Bd. I, Seite 314-316 und Seite (26) und (27); Bd. II Seite 521-523. die insofern einen besonderen Werth haben, als die zahlreichen bei der Deutschen Seewarte einlaufenden Schiffsjournale Gelegenheit bieten, die Verzeichnisse über Auftreten der Polarlichter möglichst zu vervollständigen, was denn auch in den angezogenen Tabellen der Fall gewesen ist.
Was sich schon aus früheren Untersuchungen ergeben hat, erhellt auch aus diesen Zusammenstellungen: auch in der Südhemisphäre ist die Häufigkeit der Erscheinung des Polarlichtes innerhalb einer bestimmten Epoche an bestimmte Oertlichkeiten gebunden und scheint auch hier sich eine Zone größter Häufigkeit erkennen zu lassen, deren Axe in der Nähe der Verbindungslinie zu liegen scheint, welche durch die Sammelpunkte größter magnetischer Kraftäußerung unserer Erde – auf der Südhemisphäre – geht und die daher die australische Küste etwa im 135° östl. Länge von Greenwich trifft. Die Beobachtungen an der Südküste Australiens und Tasmaniens haben ergeben, daß die Häufigkeit des Auftretens der Südlichter dort eine sehr erhebliche ist, während die geographische Breite nur rund 40° S beträgt. Es scheint also hier jedenfalls eine Beziehung zwischen der Vertheilung der magnetischen Kraftäußerung auf unserer Erde zu dem Auftreten der Polarlichterscheinungen zu bestehen, welche Beziehung sich auf der Nordhemisphäre, wegen der sehr weit auseinanderliegenden beiden Sammelpunkte der magnetischen Kraft, nicht so ohne Weiteres erkennen läßt. In Orange-Bai, der Station der Franzosen, und in Süd-Georgien, welche ungefähr 180º der Länge von dem mittleren Meridian der Sammelpunkte entfernt liegen, wurden Südlichter während der Polarepoche so gut wie keine wahrgenommen, wie denn auch aus den Schiffsjournalen sich ergiebt, daß diese Erscheinungen vergleichsweise selten bei Kap Horn gesehen werden. Von der bezeichneten Axe der Region der Südlichter erstreckt sich dieselbe nach Westen ungefähr bis zum 40º östlicher Länge, im Osten in der Breite des südlichen Neuseelands bis etwa 170º westlicher Länge –, jedenfalls werden zwischen Kap Horn und 40º östlicher Länge nach Osten hin dieselben selten wahrgenommen, während es noch fraglich ist, wie sich das Häufigkeitsverhältniß von dem genannten Kap nach Westen zu gestaltet, – in der Polar-Epoche wurde in diesem Gebiet keine verzeichnet, sowie denn überhaupt in der Breite des Kaps westlich vom 96º westlicher Länge bis zur oben genannten Grenze Südlichterscheinungen nicht in den Journalen der Seewarte gefunden worden sind.
Mit Beziehung auf die Bemerkungen über die Lage der Polarlicht-Kronen sind die auf der Südhemisphäre an dem Observatorium in Melbourne während der großen Epoche häufiger Polarlichterscheinungen im August und September 1859 gemachten Aufzeichnungen von erheblichem Interesse. In Melbourne, welches auf 37,8º südlicher Breite liegt, war die Höhe der Südlicht-Krone am Abend des 2. September 1859 66º 30' – die magnetische Inklination betrug 67º 12' südlich – über dem südlichen Horizonte. Zeitweise bewegte sich das Phänomen weit nach Norden und schien den Ort der Beobachtung vollständig einzuhüllen, d. h. sich ganz in der Nähe des Beobachters zu befinden. Neumayer. Results of the meteorological Observations taken in the Colony of Victoria etc. Melbourne 1864, p. 242 u. 243. Aehnliche Vorkommnisse, wenn auch nicht in gleichem Grade hervortretend, werden auch von dem Observatorium in Hobarton (heute City of Hobart) berichtet. Es spricht dies gleichfalls in gewissem Sinne für die Beziehungen, von welchen vorher gesprochen worden ist. Die schon des Oefteren angezogenen und diesem Bande bei gegebenen magnetischen Kärtchen sind geeignet zur Beleuchtung des interessanten Gegenstandes beizutragen.
Wir werden an einer anderen Stelle dieses Werkes auf eine Nothwendigkeit der Durchführung gleichzeitiger Beobachtungen über Polarlichterscheinungen in der nördlichen und südlichen Polarzone zurückkommen, wenn dieses interessante Phänomen bezüglich seiner Verbreitung und seiner physikalischen Eigenthümlichkeiten gründlich erforscht werden soll.