Johann Nepomuk Nestroy
Die beiden Nachtwandler
Johann Nepomuk Nestroy

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Neunundzwanzigste Szene

Faden, Strick, Herr von Rauchengeld, Emilie, Mathilde, Theres

Herr von Rauchengeld Schaun wir doch wieder a bissel daher! (Zu Emilien.) Du hast recht, der Amtmann Geyer geht mir nicht aus 'n Kopf. Vielleicht kommt er wieder zurück, und wenn ich etwas nachlasset –

Faden (vortretend) Erzeuger meiner Angebeteten, nimm hier den pflichtschuldigen Tribut des Bräutigams (gibt ihm das von Wathfield erhaltene Geld) und erhöre seine Bitte um schleunige Verabfolgung der Liebreizenden.

Herr von Rauchengeld (die Banknoten besehend) Ich erstaune! Von Ihnen hab' ich das nicht erwartet.

Theres (zu Emilien) Greifen Sie zu, Fräulein Emilie; wer so viel dem Vater spendiert, was hat von dem erst die Geliebte, die Frau zu hoffen? Sie machen eine brillante Partie, wer weiß, was unter dem zerissenen Rock für ein heimlicher Kapitalist steckt.

Herr von Rauchengeld (führt ihm Emilie zu) Hier nehmen Sie sie hin, die teure Braut, und extra noch meinen väterlichen Segen als Zuwag'.

Emilie (Faden ihre Hand reichend) Mein Herr, ich schätze mich glücklich –

Faden (entzückt) Im Ernst? Ich geh' in d'Luft vor Freuden.

Dreißigste Szene

Geyer (eilig auftretend); die Vorigen

Geyer (zu Herrn von Brauchengeld) Liebster Mann, ich habe mir die Sache reiflich überlegt, die Liebe ist ein närrisches Ding – hier ist die verlangte Summe. (Will ihm das Geld einhändigen.)

Herr von Rauchengeld (erstaunt) Ich bedaure, aber 's Mädel ist schon vergeben. (Für sich.) Das wär' jetzt ein Augenblick zu einer Lizitation.

Geyer (ergrimmt) Wie? Was? Wer ist mir zuvorgekommen?

Herr von Rauchengeld (auf Faden zeigend) Hier, dieser unbekannte Kavalier.

Geyer Was? Der miserable Pfuscher, der Seilerer?

Herr von Rauchengeld Er hat das Kapital mir zu Handen erlegt.

Geyer Er? Der povre Hungerleider? Der kann das Geld nur gestohlen haben, da wollen wir gleich ins klare kommen. (Zu Herrn von Brauchengeld.) Liebster Mann, Sie sollen Dinge hören, daß Ihnen die Haare zu Berge stehen. Der Mensch ist ein Lump. Ich gehe, doch bald komme ich wieder – ich bin außer mir vor Wut. (Eilt grimmig links ab.)

Einunddreißigste Szene

Die Vorigen ohne Geyer

Herr von Rauchengeld Was hat der alles g'sagt? (Zu Faden.) Er scheint kein guter Freund von Ihnen zu sein.

Faden (verlegen) Neid, Neid, nichts als Neid!

Emilie Ein Seilerer, hat er g'sagt, sind Sie gewesen?

Faden Dilettantismus, nichts als Dilettantismus! Ich hab' öfters aus Unterhaltung Spagat gemacht – aus Kurzweil – Liebe zur Kunst –

Zweiunddreißigste Szene

Pumpf, Nachbarsleute; die Vorigen

Pumpf Bruder Faden, ich sollt' eigentlich noch bös sein auf dich, aber du hast ein unbegreifliches Glück gemacht, das freut mich in die Seele hinein, der Zorn is verschwunden, und da bin ich mit alle Nachbarsleut', dir herzlich zu gratulieren.

Die Nachbarsleute Wir gratulieren alle miteinand'!

Faden (verlegen) Ich danke – wirklich – ich danke vielmals.

Herr von Rauchengeld (zu seinen Töchtern) Er muß halt doch was Gemeines sein.

Dreiunddreißigste Szene

Hannerl; die Vorigen; Wathfield und Howart (erscheinen im Hintergrunde)

Hannerl (eilig von links auftretend, zu Strick) Fabian! Fabian! Du verdienst es nicht, aber ich kann nicht anders, ich muß dich warnen. Dir droht Gefahr, der Amtmann red't dort mit die Wächter, ich hab' nichts als die Worte: »Einführen«, »Seilerer« und »Lump« verstanden, da hab' ich mir gleich 'denkt, das geht dich an, und lauf' daher –

Strick O je! Das sein feuchte Masematten. Mein Meister is der Lump, von dem der Amtmann g'red't hat, das weißt du recht gut, tust aber, als wenn du mich warnen tät'st, red'st aber hübsch laut, damit er sich auch darnach richten kann. Entflieh, Schlange!

Hannerl (weinend) Entsetzlich! Ich bin das Opfer eines Mißverständnisses.

Pumpf Ja, ein Madl soll halt alleweil Fenster und Türen hübsch zusperren.

Strick Meister, es könnt' halt doch Ernst werden mit 'n Einsperren, dort hinten stehn unsere zwei Geister, reden S' ein g'scheites Wort!

Faden Du hast recht. (Spricht mit Wathfield leise, dieser sagt dann während des Folgenden ein paar Worte zu Howart, welcher eine Schreibtafel aus der Tasche zieht und auf ein Blatt mit Bleistift schreibt.)

Emilie (zu ihrem Vater) Ich weiß nicht, was ich aus dem Menschen machen soll.

Herr von Rauchengeld Ich auch nicht. übrigens, 's Geld hab' ich einmal, und folglich findet kein Rücktritt statt.

Theres (zu Strick) Was schaut mich denn der Herr gar so an?

Strick Sie ist in Diensten meiner künftigen Gebieterin, ich bin in Diensten Ihres künftigen Gebieters, ich werfe das bloß so hin, weil sich daraus verschiedene Entspinnungen gestalten könnten.

Theres Kommt Zeit, kommt Rat!

Vierunddreißigste Szene

Geyer, Wächter; die Vorigen

Geyer (zu den Wächtern, auf Faden zeigend) Da steht der Verdächtige, der mit gestohlenen Geldern herumwirft. Aufs Amt mit ihm! (Die Wächter wollen auf Faden los.)

Wathfield (gibt heimlich und schnell Faden den Zettel, welchen Howart geschrieben) Gebt das dem Amtmann!

Faden (den Zettel nehmend) Herr Amtmann, lesen Sie erst das!

Geyer (den Zettel nehmend und durchschauend) Das ist – (erstaunt) das ist die Schrift des neuen Gutsherrn, ich kenne sie von der Kaufurkunde aus. (Liest leise.) »Herr Amtmann Geyer, Meister Faden erfreut sich meiner unbegrenzten Gunst. Wenn ich ankomme und nicht höre, daß Sie ihm die größte Achtung erwiesen haben, sind Sie Ihres Dienstes entlassen. Lord Howart.« (Alle heften neugierig den Blick auf Geyer, dieser ist wie vom Donner gerührt.) Ich erstarre! Da bleibt nichts übrig als Devotion.

Herr von Rauchengeld (zu Emilien) Jetzt wird sich's gleich zeigen.

Geyer (nähert sich Faden ehrerbietig) Mein Verehrtester – mein – ich weiß nicht, wie ich sagen soll – ich bitte um die Gunst, dero Hand – (küßt Faden die Hand.)

Alle (im höchsten Staunen) Was ist das?

Theres (zu Emilien) Hab' ich's nicht g'sagt, er is ein großes Tier?

Strick (beiseite) So ein Geist is a Passion.

Faden (für sich) Ich weiß zwar nicht, wie ich zu solchen Ehren komm', aber (laut), Schwiegerpapa, geliebte Braut, folgen Sie mir allerseits in mein Haus zum Verlobungsfest!

Strick Sämtliche Völkerschaften rufen: Es lebe Bräutigam und Braut!

Alle Es lebe Bräutigam und Braut!

Quodlibet

Chor
Wunderbar, was hier alles vorgegangen,
Licht darüber zu verlangen
Stehn wir zu befangen,
Zu fragen keiner waget.

Strick
Kommt man auf a Falschheit bei seiner Amour,
Da ist es das Beste, man lacht nur dazur,
Verzweiflung und Seufzer kein' Kreuzer nit taug'n,
Es gibt ja noch Mad'ln g'nug mit schöne Aug'n;
Plantiert ein' die Katherl, was liegt an der G'schicht'?
Die Mariandel, die hat auch a bildsaubers G'sicht,
Na, und gift't sich die Urschel, is d' Sopherl in Wut,
Dafür is d'Lenerl halt wiederum gut.

Theres
Ach, was kann man Schöners finden,
Als wenn Herzen sich eng verbinden,
Rosenketten sie zart umwinden,
Ach, und ich steh' immer noch ganz allein!

Faden
Mich umgaukeln süße Träume,
Fröhlich hebt sich meine Brust,
In die schönsten Himmelsräume
Zaubert mich der Liebe Lust.
Süß sind Mand'ln und Zibeben,
Gut für 'n Magen is a Sterz,
Doch der Liebe süßes Leben
Is die Leibspeis' für mein Herz.

Hannerl
Lalala etc.

(Jodler)

Strick
Ich möchte ein Konsilium anstellen über mich.

Faden
Sei Ritter ohne Furcht und Tadel und mach' kein solches G'sicht.

Strick
Nein, so was bringt ein Vieh um, mein Herz klopft fürchterlich!

Faden
Ein Reitpferd ohne Sattel is d' Lieb', traut man sich nicht.

Theres und Hannerl
Stets trösten Männer sich gar leicht,
Alle Kenner sagen,
Die Kenner sagen:
Sie sind seicht.

Hannerl
Welch Qual, welche Leiden!
Lieb' ihn noch, er will scheiden.

Theres und Hannerl zugleich:

Theres
Leiden statt der Freuden
Man durch sie erreicht.

Hannerl
Er will scheiden,
Denn nichts sein Herz erweicht.

Theres
Herbe Qual nur und Leiden
Geben sie statt Freuden.

Chor
Was sich liebt, necket sich,
Heute trifft's dich, morgen mich,
Doch im Streit – schnell verzeiht
Man, wenn 's Herz gebeut.

Strick
Ich hab' durchaus nicht den Mag'n –

Hannerl
Nein, du tust zu arg mich plag'n –

Strick
Solche Sachen zu vertrag'n!

Hannerl
Scham dich, is das ein Betrag'n?

Strick
Ha, ich quäle sie so, quäl' sie so –

Hannerl
Ha, er quälet mich so, quälet mich so –

Strick und Hannerl
In einem fort, in einem fort,
Ja, ein Hieb ist jedes Wort;
Ja, ein Hieb sei jedes Wort.

Chor
Hochzeit gibt's heut', ah, das is g'scheit!
Juche, Hochzeit gibt's heut', ah, das is g'scheit!

Theres
Süßer Trost, belebend, entzückend, erhebend,
Kehrt ins Herz zurück.
Flieht der Sehnsucht Leiden,
Bald blühen nur Freuden
Und himmlisches Glück,
Blüht mir, Gattenglück!

Strick und Faden
Gar nichts gleicht dem Glück der Neuvermählten,
Wenn die bunten Kränze Amor flicht,
Wandelt man am Arme der Erwählten
Stets auf Rosen und Vergißmeinnicht.

Hannerl
Kein Gedanke hat noch entweihet
Meines Busens reine Triebe,
Grausam lohnst du meine Liebe,
Nie verletzt' ich meine Pflicht.

Strick
Möglich is's wohl, aber wahrscheinlich nicht,
No, möglich is's wohl, aber wahrscheinlich nicht.

Theres
Ha! Ha! Bei solchen Sachen
Da muß ich wirklich lachen.
Hahahahaha! –

Pumpf
Dieser Lacher is so spitzig, wie a Gabel,
Gleich der Elster in der Fabel
Wetzt sie überall den Schnabel,
Schau' d'Mamsell doch nur auf sich!

Theres und Strick
Ha, die Impertinenzen
Sind ja über alle Grenzen,
Die Geduld wird mir zu knapp,
Zorn erfüllt die Herzenskammer,
Dieser kecke Bandelkramer,
So was ging' mir grad noch ab.

Theres
Doch, wozu soll ich hier streiten!

Theres und Hannerl
Wie sie zanken, wie sie streiten!
's schickt sich ja nicht vor den Leuten,
Ziehn wir auf die guten Saiten,
Da der Hochzeitsjubel winkt.

Strick, Faden und Pumpf
Lassen wir das dumme Streiten,
's schickt sich ja nicht vor den Leuten,
Ziehn wir auf die guten Saiten,
Da der Hochzeitsjubel winkt.

Chor
Meidet jetzo alles Streiten,
Es schickt sich ja nicht vor den Leuten,
Ziehet auf die guten Saiten,
Da der Hochzeitsjubel winkt.
Lalalala etc. etc.

Der Vorhang fällt.


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