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DIE VORIGEN ohne ATALA
ABENDWIND
Zwar beim Essen wird ei'm d' Zeit nie lang,
Aber trotzdem bitt' ich, während sich die Speisen setzen,
Stimmen S' an den Papatutu-Kriegsgesang.
BIBERHAHN
Wohlan, ich spreiz' mich nicht, mögt Ihr Euch dran ergötzen!
BIBERHAHN
1. | |
Guter Gatte sein, Stets galant und fein, Ohne Eifersucht, Essen Fleisch und Frucht, Lieben Fried' und Ruh' Die Papatutu; Doch nach altem Brauch Fressen s' d' Feinde auch; Das heißt leben frei, So das Kriegsgeschrei Der Papatutu! | |
2. | |
Meistens gar nichts tun, Gleich drauf lange ruhn, Nach der Ruh' zum Fraß Nach dem Fraß ans Faß! Nach dem Trinken ruhn, Wieder gar nichts tun, Und wenn das getan, Fangt von vorn man an; Das heißt leben frei, So das Kriegsgeschrei Der Papatutu! |
(Nach beendigter Musik.)
ABENDWIND Das is ein charmanter Kriegsgesang.
BIBERHAHN Nicht zu leugnen; aber alles, was man zu oft hört, wird ei'm am End' z'wider. Drum haben diesen Kriegsgesang alle meine Untertanen einstudieren müssen; die singen ihn jetzt von früh bis auf d' Nacht, das is über ein Werkel, und ich hoff', daß wir auf diese Art die Europäer vertreiben.
ATALA; DIE VORIGEN
ATALA (von rechts zurückkehrend) Das ist sonderbar – er ist verschwunden – er kann nur in die Wälder gegangen sein. Man hat, wie es scheint, meine Abwesenheit nicht bemerkt. (Nähert sich wieder den Speisenden.)
ABENDWIND (zu Biberhahn) Aber ich bitt', Sie lassen ja alles kalt werden.
BIBERHAHN Da haben Sie recht. Ich hab' neulich einen prächtigen kalten Verbrecher g'habt – hat mir nicht gut getan im Magen.
ABENDWIND Mit Essig und Öl sein s' nicht schlecht, und wann s' tüchtig zwiefelt werd'n –
BIBERHAHN Ich iß alles heiß, das is der Heißhunger. (Ißt gierig.)
ATALA (für sich) Ich werd' mich ins Gespräch mischen.
ABENDWIND (zu Biberhahn) Gach abbraten is 's g'sündeste, und nur nix Aufg'warmts – (Atala bemerkend.) Aber, Atala, das g'hört sich nicht, daß man den Leuten beim Essen so ins Maul schaut! Ein Mäderl muß artig sein, sonst is es ja ein unartiges Mäderl.
BIBERHAHN Lassen Sie s' gehn, sie is ja auch lieb zum Fressen.
ABENDWIND Ganz das Ebenbild ihrer Mutter.
BIBERHAHN Jawohl, ich habe die Ehre gehabt – (dumpf beiseite) sie zu fressen. (Ißt noch gieriger.)
ABENDWIND (ihn von der Seite betrachtend, für sich) Wie er hineinbampft in sich, als ob er sich betäuben wollte. – (Laut.) Aber was is denn das? Da liegt was in der Soß –! (Zieht einen Frisierkamm aus der Schüssel.) Das is ja ein Kampl –!
BIBERHAHN Richtig – (ihn mit Wohlgefallen betrachtend) ein ganz schöner elfenbeinerner Kamm.
ABENDWIND Ja, ja – aber in einer Speis' is das doch nicht nötig. Das is eine Nachlässigkeit beim Anrichten; es schaut halt niemand nach in der Kuchel, wie es bei ein' Witiber schon geht.
BIBERHAHN Sie haben früher gesagt: »Nur nichts Aufg'warmts!« – Warum warmen Sie diese Erinnerung immer auf? (Ißt noch gieriger als zuvor.)
ABENDWIND Weil – weil – ich weiß eigentlich selber nicht –
ATALA (welche Biberhahn mit Erstaunen zusah) Ach, sehen Sie, Papa –
ABENDWIND (beiseite, indem er ebenfalls Biberhahns Gierigkeit bewundert) Wenn er die Meinige so wie ich die Seinige – dann soll ihm der Bissen im Hals stecken bleiben.
BIBERHAHN (macht Bewegungen wie jemand, der ein zu großes Stück hinunterwürgt)
ATALA Papa – er würgt so gewaltsam hinunter!
ABENDWIND (ruhig) Es druckt ihn was – (beiseite) sollte das etwa das Gewissen sein –?
ATALA (ängstlich) Er erstickt ja fast
ABENDWIND (ruhig) Er steht in der Götter Hand.
ATALA Uns Kinder hat man in solchen Fällen immer auf den Rücken geklopft.
ABENDWIND Das wäre gegen die Etikette, einen Beherrscher kann man nicht auf den Buckl klopfen.
ATALA (ängstlicher) Wo ist denn unser Hofdoktor?
ABENDWIND Der könnt' ihm allerdings einen Besenstiel verschreiben, um das Ganze abizustoßen.
BIBERHAHN (aufatmend) Es ist schon vorbei. (Sich schnell erholend.) Aber was es nur war? Es muß eine Art Gegenstand gewesen sein. Es war etwas ungeheuer Hartes und Rundes.
ABENDWIND Sie können von Glück reden, daß es nix Viereckigs war. Übrigens, mit einer guten Verdauung kann man viel –
BIBERHAHN Es ist mir auch etwas in den Zähnen steckengeblieben. (Wendet sich ein wenig ab und zieht mittels eines Zahnstochers eine Uhrkette aus dem Munde.)
ABENDWIND (staunend) Nein, was mein Koch heut' alles dazugenommen hat –!
BIBERHAHN Vermutlich als Gegensatz, daß das andere um so saftiger erscheint.
ABENDWIND Möglich, aber a Kampl, a Ketten, das sind keine Ingredienzen, das sind schon mehr Objekte, selbständige Substanzen.
BIBERHAHN Mir is schon wieder ganz wohl.
ABENDWIND Gratulier' Ihnen zu dem Magen.
BIBERHAHN Und somit wird der große Häuptling Biberhahn dem detto großen wie auch sanften Abendwind ungesäumt eine Eröffnung machen.
ATALA Da bin ich neugierig. (Tritt etwas näher.)
BIBERHAHN (zu Abendwind) Ihre Tochter is reizend –
ATALA Jetzt hab' ich geglaubt, ich werde etwas Neues hören. (Tritt, in ihrer Erwartung getäuscht, etwas mehr zur Seite links.)
ABENDWIND Ich schmeichle mir, nichts vernachlässigt zu haben.
BIBERHAHN Und da wir beide so glücklich in unserer Ehe waren – (Beide blicken sich an und weinen.)
BIBERHAHN (in seiner Rede fortfahrend) So wünschte ich, meinen Sohn, dessen Ankunft ich stündlich erwarte, ebenso glücklich zu sehen –
ABENDWIND (zu Atala) Tochter, werd' rot, 's is von ein' Mann die Red'.
ATALA Ist das etwas Neues?
ABENDWIND Wär' mir nicht lieb, wenn dir das nix Neu's wär'! (Für sich.) Die red't oft ein' Stiefel zusamm' in ihrer Unschuld, gar so ein' unschuldigen Stiefel.
BIBERHAHN (zu Abendwind) Mit einem Wort, ich ersuche Ihnen für ihn um die Hand Ihrer Tochter, während ich unter der Hand die ganze Tochter versteh'.
ABENDWIND (leise zu Atala) Tochter, vom Heiraten is die Red', jetzt sollst schon wieder rot werden, und bist es noch nicht 's erste Mal.
ATALA (zu Abendwind) Ich werde gelegentlich –
ABENDWIND (zu Biberhahn) Ich antworte auf Ihren geschätzten Antrag mit einem frischvonderleberwegigen unspomponadischen »Ja«. Melden Sie Ihrem Herrn Sohn unbekannterweis' meine Empfehlung und meine Gratulation, ich sage kühn »Gratulation«, denn mit der (auf Atala zeigend) muß jeder glücklich werd'n, ob's Ihr Sohn is oder ein anderer.
ATALA (für sich) Ein anderer –? Mein Arthur wäre so ein anderer –! (Laut.) Papa, Papa! Ich glaube, jetzt werd' ich rot.
ABENDWIND (für sich) 's Madl folgt, wann ich ihr was schaff', aber immer erst, wann's ihr g'legen is.
BIBERHAHN (zu Abendwind) Jetzt werden Sie gütigst erlauben, daß ich mein eigenes Fleisch und Blut a bisserl übern grünen Klee zum Lobhudeln anfang' und die Vorzüge und Eigenschaften meines Sohnes –
ABENDWIND (zu Atala) Atala, verlaß uns, geh hinaus aus dieser freien Gegend; deine Mutter is auch immer hinausgegangen, wenn von meine Eigenschaften die Red' war.
ATALA Ich geh' schon, Papa! – (Für sich.) Wenn ich nur wüßte, was aus Arthur geworden ist. (Geht nach rechts ab.)