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Josef – der Sozialreformer

Ich war in der Wiener Hofburg und habe dort den Kaiser Josef nicht gefunden. Ich suchte ihn in Laxenburg, in Schönbrunn, im Augarten, wo er so gern gelebt, und fand ihn nirgends. Auch nicht im Hofmuseum und nicht in dem der Stadt Wien. Da und dort hängt wohl ein Bildnis, das ihn als frischen jungen Prinzen zeigt, aber nirgends redete ein Führer von ihm, nirgends wies man mir einen Gebrauchsgegenstand, den er besessen, ein Buch, das er gelesen, einen Sorgenstuhl, in dem er über gescheiterte Pläne trauerte. Nur in einer Fensternische der Bibliothek des Theresianums stieß ich einmal auf eine kleine Zeichnung von seiner Hand. Aber er zählte erst neun Jahre, als er sie entwarf, und sie sagt uns nichts, als daß er im Kindesalter gern militärische Veduten zeichnete und sich » Josephus Archidux« unterschrieb. Das kennzeichnet mehr seine Lehrer als ihn selbst.

Warum zeigt man uns so wenig vom Kaiser Josef? Oder eigentlich nichts? Man errichtete in Ofen-Pest ein Königin Elisabeth-Museum, einen Tempel der Pietät für die ermordete Kaiserin. Warum besitzen wir nicht schon längst ein nur ihm und seinen Taten gewidmetes Museum? Hunderttausende würden alljährlich nach Wien pilgern, um eine Stunde darin zu verweilen, so wie die Deutschen nach Sanssouci bei Berlin pilgern, um in den Räumen zu atmen, in denen Friedrich der Große gelebt hat und in denen alles so erhalten wurde, wie es unter ihm gewesen. Da lehnt noch der Stock, auf den er sich zuletzt gestützt, dort liegt noch die Flöte, die er geblasen.

Wo ist all das hingekommen, was Kaiser Josef liebte und um sich haben wollte? Wo ist die Feder, mit der er das Toleranzedikt unterschrieb, wo der Rock, in dem er hinter einem Bauernpflug geschritten? Wo ist jene markerschütternde Bittschrift, die ihm von einem Bäuerlein in Ungarn überreicht wurde und die vielleicht den Gedanken zur Aufhebung der Leibeigenschaft in ihm reifte? »Barmherziger Kaiser!« lautete dieses Dokument. »Vier Tage Robott, den fünften Tag auf Fischerei, den sechsten mit der Herrschaft auf die Jagd, der siebente gehöret Gott. Erwäge, barmherzigster Kaiser, wie ich Steuern und Gaben zahlen kann.« In alle Winde sind die Urkunden seines Daseins verweht, wir können seinen irdischen Spuren nirgends mehr folgen. Aber wenn man ins Volk hinausgeht, da findet man den Kaiser Josef. Er lebt in jedem Hause, in jedem Herzen, es gibt kein Ohr in diesem weiten Reiche, dem der Wohlklang seines Namens fremd geblieben wäre. Und doch sind schon mehr als hundertfünfundzwanzig Jahre verflossen, seitdem man ihn in der Kapuzinergruft beisetzte, in dem einfachsten, bescheidensten Sarg, in den je ein Habsburger gebettet wurde.

Kaiser Josef war kein Krieger und kein Sieger und doch hat kein anderer Monarch die Phantasie seines Volkes so sehr beschäftigt wie er in seiner bürgerlichen Schlichtheit. Und das Geheimnis dieser einzigartigen Volkstümlichkeit? Er hatte den Mut, ein Mensch zu sein. Josef war nicht der größten Herrscher einer, durchaus nicht, die Regierungskunft seiner Mutter Maria Theresia sieht höher als die seine, aber er war ein großer Mensch. Alles was er unternahm, galt einem idealen Ziel, er war immer unterwegs nach den höchsten Gipfeln und es fällt auf sein Leben auch nicht der leiseste Schatten einer Handlung, die nicht groß und edel gedacht gewesen wäre. Und makellos war auch sein Privatleben. Und doch mied ihn das Glück. So reich an Mißerfolgen, wie die kurze Regierungszeit des Kaisers Josef, war kaum eine andere. Die kulturelle Ausbeute dieses Regentenlebens für die Nachwelt aber war eine ungeheure und wir zehren noch heute von ihr. Unsere ganze Staatsreform seit hundert Jahren und auch unsere moderne Sozialreform steht im Banne der Gedanken, die Josef II. schon ausgesprochen oder im einzelnen auszuführen gesucht hat.

Mich haben am Kaiser Josef immer die kleinen Züge mehr gefesselt als die großen, weltgeschichtlichen Taten. Daß er ein Jahrzehnt vor der französischen Revolution in seinen Staaten die Menschenrechte erklärte und die Leibeigenschaft der Bauern aufhob, daß er das Toleranzedikt erließ und alle Religionsbekenntnisse gleichstellte, daß er die alte Jesuitenzensur für alle Druckschriften aufhob und Preßfreiheit gewährte, daß er wohl katholisch, aber nicht römisch sein wollte – wer wüßte das nicht? Und wer kennt nicht die von hundert Geschichtschreibern wiederholte Phrase, daß seine Mutter den patriarchalischen, er aber, der Mann einer neuen Epoche, den aufgeklärten Absolutismus vertrete? Es ist über den großen Kulturkämpfer Josef längst alles gesagt. Nicht aber über den Sozialreformer. Und doch, wohin wir in Wien blicken, sehen wir die Spuren seiner Taten. Und er begann im eigenen Hause. Seine Vorfahren bauten Paläste und Kirchen, entfalteten Glanz und Prunk, beschäftigten ein Heer von fremden Künstlern und Glücksrittern. Er entließ die Hälfte seiner Hofbediensteten, setzte die Ausgaben der Hofhaltung von sechs Millionen jährlich auf eine halbe Million herab und gab das große Vermögen, das sein Vater hinterlassen hatte, an den Staat zurück. Und die Paläste, die er baute, hießen: Allgemeines Krankenhaus, Irrenhaus, Findelhaus, Taubstummeninstitut, Militärchirurgisches Institut, Invalidenhaus, Allgemeines Waisenhaus, Allgemeines Armeninstitut, Allgemeines Versorgungshaus usw. Man braucht nicht mehr zu sagen von Kaiser Josef, als dies aufzuzählen, und sein Ruhm ist erklärt, seine Volkstümlichkeit begründet. Der soziale Mitleidsgedanke kam ja nicht durch ihn in die Welt, aber in ihm zuerst hatte er einen Thron bestiegen.

Und wie schön und warmherzig prägte sich dieser Gedanke nicht in allem aus, in welch mannigfaltigen Formen gab ihm der Kaiser Gestalt. Der Prater war ein streng eingehegter, bis tief in die Leopoldstadt reichender Wald, der nur dem Hof und dem höchsten Adel zugänglich blieb. Josef ließ alle Schranken entfernen und gab ihn den Wienern frei. Er öffnete dem Volke auch seinen geliebten Augarten und setzte jene ewig denkwürdige Inschrift über die Eingangspforten, in der er sich als ein Schätzer der Menschen bekannte. Noch ahnte er nicht, wie sehr er sie überschätzte.

Schon als Thronfolger und als Mitregent seiner Mutter übte er seinen Einfluß immer nach der sozialreformatorischen Richtung aus. Von all seinen Reisen bringt er bedeutsame Ergebnisse mit und wo er etwas Nachahmenswertes gefunden, da sendet er, heimgekehrt, sogleich Männer seines Vertrauens hin zum Studium. So wird seine Pariser Reise, die er unternimmt, um das eheliche Glück Maria Antoinettens ins Geleise zu bringen, ganz besonders fruchtbar. Er verachtet das prasserische Hofleben, das er dort findet, aber er ist begeistert von den Pariser Wohlfahrtsanstalten. Daß man die Blinden, die Taubstummen und die Geisteskranken auch als Menschen zu behandeln habe, das erkennt er dort. Und auch wie man die Findlinge und die ärmsten aller Mütter, die Gefallenen und Verlassenen, zu behandeln habe, lehrt ihn Paris. Vieles kann er als Mitregent noch nicht durchsetzen, weil Maria Theresia in religiösen Anschauungen befangen war und ihre klaren Sittlichkeitsbegriffe jedem Kompromiß unzugänglich blieben. Protestanten mochte sie in ihren Ländern nicht sehen und jede Gefallene war ihr ein unsittliches Frauenzimmer, das ins Korrektionshaus gehört. Irre aber galten in der Regel als vom Teufel besessen, die Zwangsjacke und Prügel waren ihr Teil. Mit diesen fürchterlichen Resten des Mittelalters konnte Josef erst aufräumen, als er Alleinherrscher war. Und dann überstürzten sich die Reformen. Welch eine Tat war nicht die Reinigung des Strafgesetzes von dem Begriffe der Zauberei und Hexerei. Seine Mutter scheute zwar vor Strafurteilen zurück in solchen Dingen, aber sie glaubte noch an Hexen. Und auch die Richter glaubten an sie. Gleichzeitig engte Josef die Gerichtsbarkeit der Klöster (er verbot die geistlichen Kerker!) und der Gutsherrschaften ein, er gab den Bürgern eine bürgerliche Rechtspflege. Ein neues Ehepatent räumte die schlimmsten Ehehindernisse aus dem Wege, der Er-Stil im Verkehr mit den Untertanen wurde abgeschafft und der Kaiser nannte selbst seine letzten Diener Sie. Das schreckliche staatliche Kerkerwesen jener Tage wurde gemildert, der Spielberg bei Brünn, eines der abscheulichsten Staatsgefängnisse, geschlossen, die Todesstrafe grundsätzlich abgeschafft. Gesetze über eine gerechte Besteuerung aller Staatsbürger wurden teils eingeführt, teils erwogen, Maßnahmen gegen das Ueberhandnehmen des Fideikommiß- und Majoratswesens getroffen. Jeder Federzug des Kaisers brachte eine sozialreformatorische Tat oder rührte an ein heute noch zu lösendes Problem. Sein größter Schmerz war die Unbildung der Massen und er zuerst griff zum Schulzwang. Und auch die Universitäten und die schon bestehenden Mittelschulen ober »Lateinschulen« reformierte er mit einem einzigen Federzug: Er diktierte ihnen die deutsche Unterrichtssprache. Was uns heute unfaßbar dünkt, war damals das Natürliche – aller höhere Unterricht wurde lateinisch erteilt und kein Gebildeter achtete seine Muttersprache. Durch die zweihundertjährige Herrschaft des Jesuiten-Ordens auf unseren hohen Schulen, der ein internationales Element war, wurde dieser mittelalterliche Zustand aufrecht erhalten, bis Kaiser Josef ihm ein Ende machte. Vorher schon hatte er die französischen Komödianten des Hofes entlassen und das deutsche Burgtheater begründet, die italienischen »Operisten« aber ließ er durch Gluck und Mozart allmählich aus Wien hinausdrängen. Und die vielen welschen Ordensklöster hob er auf.

»Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein,« schrieb Kaiser Josef an den Freiherrn v. Dalberg. Und er hat diesen Stolz bewiesen. Daß das total verwelschte Altwien wieder eine deutsche Stadt geworden ist, das ist sein Werk. Noch seine Mutter konnte es nicht fassen, daß man eine andere Oper als eine italienische, ein anderes Schauspiel als ein französisches besuchen wollte. Die Loslösung von diesen Ueberlieferungen des verwelschten Oesterreich vollzog Josef mit starker und fester Hand.

Was er an sozialen Reformen im engsten Sinne für Wien geleistet hat, ist gar nicht aufzuzählen. Die Innere Stadt namentlich dankt dem Kaiser alles, was sie geworden ist. Als Josef seine Regierung antrat, gehörte mehr als ein Drittel des Flächenraumes der Innern Stadt der Geistlichkeit. Und jede Pfarrkirche hatte ihren Friedhof im Mittelpunkt von Wien. Dazwischen lagen die Adelspaläste mit ihren Gärten. Die Häuser der Bürgerschaft aber waren seit Jahrhunderten mit einem unerträglichen Servitut belastet: Die Beletage mußte in jedem Hause als »Hofwohnung« zur Verfügung stehen, das heißt, für Herrschaften und Leute vom Gefolge des Hofes. Der übergroße Hofstaat, der in der Burg nicht Platz hatte, und sein Anhang wohnten in den schönsten Räumen der Bürgerhäuser ohne Entgeld. Und man war glücklich, wenn man einen Baron oder einen Grafen zugeteilt erhielt und nicht einen Hofkutscher oder einen Lakai samt Familie. Es war eine soziale Großtat, die Josef vollführte, als er seine Hofhaltung von sechs Millionen jährlich auf eine halbe herabsetzte und allen überflüssigen Hofchargen den Abschied gab. Den Wiener Bürgern aber erließ er dabei endgiltig die »Hofwohnung.« Sie hatten nur eine kleine Steuer zu leisten zur Abfertigung all der zahllosen Schmarotzer, die sich als Gefolge des höfischen Gefolges eingenistet hatten. Da gab es Pariser Haarkräusler und Perückenmacher, ungezählte Tanzmeister, Puderhändler, Fechtmeister, Reitlehrer, Modistinnen, Schneiderinnen Kammerzofen, Sprachmeister, Kammerdiener, Musikanten und Sänger, die alle zum Hofhalte gehörten. Und dann schaffte der Kaiser der Innern Stadt Raum durch das Verbot, die Kirchhöfe zu benützen. Er gönnte den Toten eine Respektzeit von einigen Jahren, dann aber mußten alle Gräber verschwinden. Es gab zehn Friedhöfe in der Innern Stadt Wien! Und zwar: bei St. Stephan, bei St. Ruprecht, bei den Dominikanern, den Jakobern, hinter der Kirche Am Hof, bei den Minoriten, vor der Burg bei den Michaelern und bei den Schotten auf der Freiung. Wir können uns das heute kaum noch denken. Kaiser Josef hat sie aus gesundheitlichen Gründen aufgehoben und auch in den Vorstädten keine solchen geduldet. Er verwies die Toten vor die Linien von Wien, und die enge Innere Stadt erhielt Luft, sie erhielt einige freie Plätze nur durch die Beseitigung der Friedhöfe.

Wie in so vielen Fällen, hat sich des Kaisers sozialreformatorischer Eifer übrigens auch im Begräbniswesen eine kleine Schlappe geholt. Es war durch ein paar strenge Winter eine außerordentliche Holzteuerung eingetreten (die Kohle als Heizmaterial kannte man ja noch nicht) und das Volk mußte die Särge zu ganz unverhältnismäßigen Preisen bezahlen. Man wendete sich an den Kaiser um Hilfe. Und er versagte sie nicht. Er gebot, man möge die Toten in Leinensäcke einnähen und sie also der Mutter Erde übergeben. Doch sei jede Leiche mit ungelöschtem Kalk zu bedecken. Da kannte er aber seine Wiener schlecht! Es erhob sich ein Sturm gegen diese Verordnung und der Kaiser mußte sie zurückziehen. Er tat dies mit köstlichem Spott, indem er verlautbarte, »es möge jeder mit seinem Leichnam so verfahren, wie er es für denselben im voraus für das angenehmste erachte.«

Zu den sozialreformatorischen Taten des Kaisers wird man auch die außerordentliche Industrieförderung zählen müssen, die er in Wien durchführte. Er rief das Fabrikswesen am Neubau und am Schottenfeld ins Leben, schuf weiten Volkskreisen Arbeitsgelegenheit und erzog dem Staate steuerkräftige Bürger. Und selbst ein Dienstbotenamt für unentgeltliche Arbeitsvermittlung ließ er errichten. Den Zünften aber verbot er ihren Pomp und Luxus auf Kosten der Gehilfen. Zahlreiche Prozessionen, die nur dem Aberglauben dienten und dem Volke stets einen Arbeitstag kosteten, stellte er ein. Ebenso das Wetterläuten, das die Menschen zum Gebete rief, wenn ein Gewitter drohte und das durch seinen Schall die Wolken zerteilen sollte. Selbst die allzu lange Dauer des Gottesdienstes erlaubte er sich zu regeln und den Luxus mit Wachskerzen auf Kosten der Gläubigen schränkte er ein, sowie er den Beichtkreuzer schon zu Lebzeiten seiner Mutter abgeschafft hatte, denn aus diesem Beichtkreuzer war ein Beichtgulden und ein Beichtdukaten geworden! Man darf heute in all diesen Maßnahmen, die als feindselige Akte gegen die Kirche gedeutet wurden, soziale Reformen erblicken. Eine sozialreformatorische Tat war auch seine Aktion gegen die unnützen Klöster. Als Maria Theresia starb, gab es in Oesterreich 2163 Klöster mit 63 000 Mönchen und Nonnen. Es war ganz selbstverständlich, daß ein Kaiser, der in allen Dingen das Zweck- und Vernunftgemäße suchte und keinem die Pflicht der Mitarbeit am kulturellen Gedeihen der Menschheit erlassen wollte, mit diesem überkommenen geistlichen Besitzstande ins Gericht ging. Und er verfügte nach reiflicher Prüfung, »daß alle jene Klöster zur Aufhebung bestimmt seien, deren Mitglieder beiderlei Geschlechtes ein bloß beschauliches Leben führen, weder Schulen halten, noch Kranke bedienen, noch predigen, noch den Beichtstuhl versehen, noch Sterbenden beistehen, noch sonst in Studien sich hervortun.« Diese Begründung liest sich noch heute wie ein soziales Bekenntnis des Kaisers. Und nach diesem Programm wurde gehandelt. Als Kaiser Josef am 20. Februar 1790 starb, gab es nun beinahe tausend Klöster weniger in Oesterreich. In der Innern Stadt Wien aber war eine so gewaltige Umwälzung erfolgt, daß sie nur mit jener verglichen werden kann, die eintrat, als einst die Protestanten Wien verlassen mußten. Wieder verließen Tausende die Stadt. Und so ziemlich der ganze Besitz, der zur Zeit der Gegenreformation von Ferdinand II. an die katholische Geistlichkeit verschenkt wurde, ward jetzt wieder der Allgemeinheit zurückerstattet, indem der Staat seine Hand darauf legte.

Diese Fülle sozialer Taten in zehn Regierungsjahren wird noch übertroffen von der Betätigung des Kaisers nach auswärts. Seine rasche Hand war in allen Provinzen fühlbar, und er traf nicht überall das Beste auf den ersten Griff. Er beschwor große Widerstände mit den Niederlanden und mit Ungarn herauf, Revolten bedrohten das Reformwerk. Der Kaiser hatte sich in den Sümpfen an der unteren Donau eine schleichende, tödliche Krankheit geholt und mußte noch auf seinem Sterbelager, als sein Widerstand gebrochen war, vieles von dem widerrufen, was er zum Wohle der Enterbten des Glückes durchgeführt hatte. Seine Völker waren seinem Ideal nicht reif. Sie ergriffen da und dort sogar Partei für ihre alten Peiniger, sie riefen laut wieder nach den Ketten, die Josef ihnen abgenommen hatte. So starb er in dem trostlosen Glauben, daß all seine Pläne und Entwürfe gescheitert wären.

Er täuschte sich. Alles, was er getan, war zum Segen, und niemand hat seinen Völkern das wieder ganz nehmen können, was er ihnen gegeben. Auch das, was er in seiner Sterbestunde widerrief, ist längst in Erfüllung gegangen, und die Freiheiten, die seine Völker von ihm noch nicht annehmen wollten, haben sie später selbst stürmisch begehrt. Das ganze moderne Oesterreich ruht auf der sozialreformatorischen Vorarbeit des Kaisers Josef.


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