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Erster Theil.


Luther von Walbeck, erwählter Markgraf der Nordmark (Altmark), wurde im Jahre 998 von Kaiser Otto III. beordert, das größte Probestück eines unerschrockenen Heldenmuths und seiner, durch frühere Thaten ausgezeichneten Tapferkeit, abzulegen. Ehrenvoll erschien ihm der Auftrag, aber gefährlich und er stellte sich selbst die Prophezeiung, daß er nur dann gelingen werde, wenn ihn das Glück besonders begünstigte. Eilig zog er kriegerische Schaaren zusammen, so vieler er habhaft werden konnte. Godila, seine Gattin, sah ihm mit banger Ahnung und thränenvollem Blicke nach, indeß sein Sohn, Werner, sich kühn und thatenlustig mit seinem Streitroß tummelte, freudig, daß er dem Vater in die Feldschlacht folgen durfte.

Mit einer furchtbaren Macht bedrohten die Wenden Brandenburg, sie wollten es erstürmen, um dort das Schauspiel der unmenschlichen Gräuelscenen zu wiederholen, die sie in Havelberg geübt hatten. Sie glühten vor Rache und Wuth gegen die Deutschen, die sie bei den Christenbekehrungen geplagt, gemartert, geplündert hatten, und sie ihrer Rechte und Freiheiten berauben und sie, wie Sclaven, unter die Füße treten wollten. Es war bei ihnen zum Wahlspruch geworden, daß alle Christen vertilgt werden müßten, wenn sie zu einem dauerhaften Frieden, zum ruhigen Besitz ihres Eigenthums, zur ungestörten Freiheit kommen und ihre Nationalehre behaupten wollten.

Der Markgraf Luther überschaute seine Truppenzahl, berechnete seine Vertheidigungsmittel und fand, daß er Wunder der Tapferkeit thun müsse, wenn er über die Feinde siegen und sie von der Erstürmung der Stadt zurückschlagen wollte. Der jugendliche Werner hatte, wie diesmal auf dem Marsche nach Brandenburg, seinen Vater nie so sinnig und gedankenvoll gesehn und sagte:

»Ich denke, wer siegen will, muß freudigen Muth haben. Seyd Ihr doch, als ob wir den Wenden das Feld hätten räumen müssen. Mit diesem Ernst, aus dem fast Furcht und Bangigkeit hervorblickt, ließe ich mich vor Luitgard, meiner Braut, nicht sehn.«

Finster blickte ihn der Markgraf an und sagte:

»Du hast einen falschen Muth, weil Du die Gefahr nicht kennst. Wollen sehn, wie Du dich im Ungewitter gebehrdest. Zweifelhaft ist des Sieges Glück und wer es mit unbesonnener Gewißheit hofft und die Kräfte ruhen läßt, die es erringen sollen, der hat's oft schon verloren. Luitgard wird sich sich aber Deinetwegen ängstigen.«

»Auch freuen, Vater, wenn ich, mit einer Heldenthat geschmückt, vor ihr erscheine. In ihrer Achtung, höher zu steigen, da ich ihrer zärtlichsten Liebe gewiß bin, das ist für mich ein Ziel, nach dem ich auf der gefahrvollsten Bahn strebe.«

»Du hast dir Großes vorgenommen, die Größe Deines Muths zu messen, dazu wird Dir die Gelegenheit nicht fehlen.«

Von der Grausamkeit der Wenden, von ihrer rohen Unmenschlichkeit war das Äußerste zu fürchten, wenn man an die Zeit zurück dachte, wo sie; als Sieger, in Havelberg eindrangen. Der vorige Markgraf Dietrich hatte sie wirklich erbittert und erschien ihnen nur als Tyrann und Unterdrücker. Die unbarmherzigen Erpressungen aller Art, überzeugten sie, daß es den Sachsen bei ihrer Bekehrung zum Christenthum, wohl um Geld und Gut, nicht aber um die Rettung ihrer Seelen zu thun sey.

Der Zunder zur allgemeinen Empörung der Wenden schlug durch folgenden Umstand in lichte Flammen auf: das Haupt der Obotriten, eines wendischen Völkerstamms im Mecklenburgischen, Mistewoi genannt, begehrte des Sachsenherzogs Bernhards Nichte zur Gemahlin. Die Hand der schönen Jungfrau, gegen die seine ganze Seele in Liebe entbrannt war, die von dem Glücke träumte, mit dem schönen kraftvollen Fürsten verbunden zu werden, wurde ihm unter einem nichtigen Vorwande verweigert. Sie selbst ließ es ihm durch einen Geheimboten kund thun, daß der Markgraf Dietrich das angeknüpfte Band zerrissen und dem Oheim die Worte, in ihrem Beiseyn, ins Gesicht gerufen habe: eine edle Prinzessin müsse man mit solch einem wendischen Hunde nicht verbinden.

Mistewoi ließ dem Markgraf, vom höchsten Grimm entflammt, durch einen seiner Diener die Antwort sagen: ein wendischer Hund kann gut bellen und beißen, und er werde Beides mit einer Gewalt thun, daß den Feinden Ohren und Beine weh thun und Hören und Sehen vergehen sollte.

Der tief beleidigte Wende hielt Wort, vereinigte sich mit den Wendenstämmen, die Deutschen zu verdrängen und sie mit allen Ruthen des Kriegs zu züchtigen; aber auf Dietrichen und sein Land waren die Blitze einer zerstörenden Rache besonders gerichtet. Dreißigtausend wohlgerüstete Wenden, Mistewoi an der Spitze, nahten der Festung Havelberg. Die kaiserliche Besatzung fiel unter den Schwertern; kein Menschenleben wurde geschont; die Geistlichen erfuhren alle Qualen und auf eine grausenvolle Art wurde der Bischof Udo, zu Tode gemartert. Die schöne Domkirche wurde in einen Schutt- und Aschenhaufen verwandelt und jede Spur des Christenthums vertilgt, so weit die wendischen Horden vordrangen.

Solche Gräuel - und Mordauftritte fürchtete auch der Markgraf für das berennte Brandenburg und nicht zureichend schienen ihm die Mittel, sie abzuwenden.

Ehe der tapfere und besonnene Luther, der nie übermüthig wagte, wo er nicht einen sicheren Boden fand, auf dem er zu siegen glauben konnte, in Brandenburg mit seiner Schaar erscheinen konnte, hatte der Kaiser bereits den Erzbischof von Magdeburg, Gieseler, mit seiner Mannschaft dahin beordert, der die leichteren Stürme, welche die Wenden gegen die Stadt thun möchten, abhalten sollte. Der Termin bis zur Ankunft des Markgrafen war ihm bestimmt und er durfte, vor der gesetzten Frist, seinen Posten nicht verlassen.

Die Wenden erfuhren es durch ihre ausgesandten Kundschafter, daß der Markgraf mit einem Heer im Anzuge sey. Die Ankunft eines so erfahrnen und klugen Anführers und beherzter Truppen, die sich mit ihnen messen konnten, wollten sie nicht abwarten und gedachten entweder die Stadt zu überrumpeln, oder sie mit List einzunehmen. Das letztere wäre ihnen fast gelungen.

Borlach, ein Wende von ungeheurer Größe, furchtbar gerüstet, mit einem langen, bis auf die Brust herabhangenden Barte, geschickt und klug zum Unterhandeln, der Ersten einer, kam, mit einem kleinen Gefolge, bis zu den ersten erzbischöflichen Wachposten mit dem Gesuch: er wolle, eines gütlichen Vergleichs wegen, den Erzbischof sprechen. Der Erzbischof ließ ihm das Stadtthor öffnen und er wurde, ohne sein Gefolge, eingelassen. Über die riesenmäßige Gestalt und das Schwert, über das Roß von noch ungesehener Höhe, staunten und zitterten die Bürger, die den furchtbaren Wenden sahn.

Der Krieger, als er vor dem Erzbischof stand, sprach in tiefem Baßton die Worte:

»Nicht hat mich Mistewoi abgesandt, von Euch den Frieden zu erbetteln. Unsere Macht ist so stark, daß es ein Geringes ist, Euer Häuflein niederzutreten und täglich strömen neue Männer herbei. Menschenblut soll aber geschont werden, darum komme ich zu Euch. Ihr werdet nicht wollen, daß Brandenburg, wie einst Havelberg, unserm Grimm erliege. Kommt zu Mistewoi ins Lager, ehrenvollen Frieden hat er Euch zugedacht und Unbilliges fordert er nicht.«

»Versucht's,« erwiederte der Erzbischof, dem die Sendung sehr willkommen war, »mein Häuflein niederzutreten, wie's Euch dabei ergehen wird. Rache, Arme und Schwerter stehn auch mir zu Gebote. Wie Havelberg, soll Brandenburg nimmer fallen. Wenn der angebotene Friede ein ehrenvoller ist, so bin ich bereit, ihn zu schließen. Morgen, bei Sonnenaufgang, soll mich Euer Fürst, zwischen Brandenburg und seinem Lager finden. Kein Bewaffneter darf ihn begleiten, wir sprechen uns ohne Zeugen.«

Froh, seinen Zweck erreicht und den geistlichen Herrn überredet zu haben, jagte der Wende nach dem Hauptlager zurück.

Aus Vorsicht ließ der Erzbischof einen Knecht mitreiten, der für ihn ein flüchtiges Roß am Zügel führte, um, wenn für ihn Gefahr entstände, sich durch die Flucht zu retten. Mistewoi hatte in einem Gebüsch Reiter versteckt, welche auf ein gegebenes Zeichen hervorbrechen, Gieselern umringen und gefangen nehmen sollten, dann wollte er mit ihm unterhandeln.

Zum Glück für den Erzbischof kamen die Reiter, vielleicht durch ein falsches Zeichen getäuscht, hervorgesprengt, nahmen den Weg nach seinem Wagen, er ahnete Verrätherei, schwang sich auf sein Roß, floh davon, rettete seine Freiheit, indeß seine Begleiter niedergehauen wurden.

Dieser Vorfall stimmte ihn so kleinmüthig, daß er mit peinlicher Sehnsucht die ihm verheißene Ankunft der markgräflichen Truppen und die Ablösung von einem Posten erwartete, den er einem andern gern überließ, wenn auch Ehre und Sieg dabei zu gewinnen war. Ohne die Hülfstruppen Luthers gesehn zu haben, verließ er an dem Tage, der ihm bestimmt war, Brandenburg, und eilte auf Magdeburg zu. Der Markgraf begegnete ihm unterwegs, er übergab demselben seine bisher geführte Aufsicht und setzt seine Reise fort.

Eine Rauchsäule, die von der Stadt aufstieg, verkündete es dem Markgrafen in der Ferne, daß die Wenden in die Stadt eingebrochen waren und ihr grausames Spiel in derselben trieben. Eine Schaar kam ihm, zum Kampf gerüstet, entgegen. Er hielt es nicht für rathsam, sich mit ihr zu messen, ergriff die Flucht und ersparte sich so eine sichere Niederlage.

Grimmig und von Zorn entrüstet, zerbrach Werner sein Schwert, wie eine Ruthe, warf's auf die Erde und sprach:

»Lieber Tod, Gefangenschaft, als Schande!«

»Narr,« entgegnete der Markgraf, »wenn Du das für eine Ehre hältst, von den Schwertern der Heiden zu fallen, oder in Gefangenschaft zu gerathen, so kannst Du dir diese erwerben. Der Weg zum Ruhme nach Brandenburg steht Dir offen. Wer sich in einen Schlund stürzt, von dem den Verständigen die Vernunft zurückzieht, der hat wahrlich einen rasenden Sinn. Von Ehre und Schande hast Du sonderbare Begriffe!«

Ein Schreiben von Luitgard, der Geliebten Werners, brachte ihn schnell auf andere Gedanken. Ein reitender Bote kam an und überreichte es ihm auf dem Marsche.

»Durch einen Zufall mußt' ich's erfahren, daß Du mit Deinem Vater gegen die verhaßten Wenden ausgezogen seyst. Und das hast Du mir nicht selbst gemeldet? Der Graf Dedo von Wettin hatte eine Unterredung mit meinem Vater, und als er beim Abschiede mir vorüberging, sagte er; wißt ihr's, der Markgraf Luther ist mit seinem Werner ausgezogen, um dem Reiche der Wenden ein Ende zu machen. Wie aber das gelingen wird? Er machte dabei ein so freundlich-hämisches Gesicht, als ob er mir einen Pfeil ins Herz drücken wollte, der mich schmerzen sollte. War das seine Absicht, so hat er seinen Zweck völlig erreicht. Seit diesem Augenblick bin ich Deinetwegen in einer Unruhe, die kein Trost stillen kann. Ach, Werner, wenn ich Dich verlieren müßte! Im Traume sah ich Dich verwundet, mit dem Tode ringend. Den Boten, den meine Mutter, ohne des Vaters Wissen, sendet, fertige eilig ab und laß mich's erfahren, daß meine Bekümmernisse um Dich eitel waren.«

In dem Antwortsschreiben entschuldigte sich Werner, daß er Luitgard nicht seinen Kriegszug meldete; er dankte ihr für ihre besorgte, zärtliche Liebe und schrieb voll Mißmuth, wie tief es ihn kränke, daß er die Gelegenheit nicht fand, redende Beweise seines Muthes und seiner Tapferkeit abzulegen.

»Luitgard,« sagte er, »wenn ich mich prüfe, wie groß, meine Liebe gegen Dich ist, so gibt mir dieß allerdings die gegründetsten Ansprüche auf Deine Liebe; aber ich wollte mich auch zu einem Verdienst erheben, das Dich zwingen könnte, mich zu achten. Welchen Werth kann das meiner Person in Deinen Augen geben, daß ich ein Markgrafensohn bin, das konnte der gemeinste Sachse werden. -- Von Dedo von Wettin urtheilst Du viel zu hart, wenn Du glaubst, er wollte Dich in Kummer senken. So böse und schadenfroh ist er wahrlich nicht. Was er aber mit den andern Worten sagen wollte, die eine Art von Hohn zu enthalten scheinen, der zunächst meinen Vater betrifft, darüber will ich ihm gelegentlich eine Erklärung abfordern. Übrigens ist unsere Sache schlecht gelungen. Mit großen Hoffnungen zog ich aus, mit Schaam und Verdruß kehre ich zurück. Wir sehn uns bald in Meißen.«

Der Erzbischof, um eine geheime Rache an dem Markgraf zu kühlen, der ihn öffentlich einen Feigen nannte, welcher es durch seine Flucht verschuldete, daß die Wenden, ohne Schwertschlag, Brandenburg eroberten, schwärzte ihn bei dem Kaiser an und gab vor: Luther habe des Feindes Ankunft im Felde nicht abgewartet, zwanzig Wenden hätten ihn mit seinem Heere vor sich hergejagt, auf ihm allein ruhe das Verbrechen, daß die arme Stadt eine Beute der Feinde geworden sey.

Der Markgraf wurde zur Verantwortung gezogen und nur ein Reinigungseid konnte ihn gegen den Verlust seine Würde sichern. Als er späterhin seinen Ankläger kennen lernte, schwor er, da, wo sich ihm die Gelegenheit dazu zeigte, ihm dafür den verdienten Lohn zu zahlen.

 

Der Markgraf Eckard von Thüringen und Meißen, war in der damaligen Zeit ein mächtiger Fürst, der mit den Herzogen von Böhmen und Polen in dem innigsten Freundschaftsbunde stand. Schwanehild, seine Gattin, war eine Schwester des Herzogs von Weimar, von dem er die kräftigste Unterstützung erwarten konnte. In dieser Ehe wurde nur die einzige Tochter, Luitgard, erzeugt. Sie war schön, geistvoll, liebenswürdig, wie ihre Mutter.

Zwischen Eckard, Luther und ihren Frauen herrschte eine völlige Übereinstimmung der Gemüther und eine Liebe, die durch kein Ereigniß gestört werden zu können schien. Werner, der in den Elternherzen die frohsten Hoffnungen erregte, ein wirklich schöner Jüngling war, der große Anlagen verrieth, und, eine gewisse Leidenschaftliche Heftigkeit abgerechnet, das beste Gemüth zeigte, war auch der Liebling Eckards und Schwanehilds.

Ehe die beiderseitigen Eltern dieser Kinder den Entschluß faßten, wenn sie das rechte Alter erreicht haben würden, sie mit einander zu vermählen, hatten sie sich schon insgeheim das unverbrüchliche Wort der Treue gegeben.

Noch kannten Werner und Luitgard den geschlossenen Vertrag ihrer Eltern nicht, als ihrer Liebe die größte Gefahr drohte. Es war dem Markgraf unbegreiflich, daß Eckard seit mehrern Monaden nichts von sich hören ließ. Er schickte einen Boten an ihn ab, der ihm ein Schreiben aus Thüringen überbrachte, in dem ihm Eckard auf eine höfliche Weise zu sich lud, um eine Sache von Wichtigkeit mit ihm abzuhandeln. Der Bote brachte überdieß den mündlichen Bescheid, es herrsche große Freude an des Markgrafen Hofe. Man spreche, zwar noch insgeheim, von einer Verheirathung des Kaisers mit der jungen Prinzessin.

»Klatscherei,« so fuhr der Markgraf den Berichtsteller an, »das Mährchen ist erlogen, das muß ich besser wissen. Rede hier kein Wort davor, wenn Deine Plauderei nicht aufs härteste bestraft werden soll.«

Der Markgraf fand die Sache nicht unmöglich, er hielt sie sogar für wahrscheinlich, da ihm das Betragen Eckards eine unzweideutige Erklärung dazu zu geben schien. Das stolze Gemüth Eckards, der immer nach höhern Dingen strebte, fand, nach seiner Meinung, auch darin Nahrung seine Tochter zu einer Kaiserin erhoben zu sehn.

Hätte er's bei der Heirathsangelegenheit mit Eckard nur allein zu thun gehabt, so würde er ihn, mit Verachtung, seines gegebenen Worts entlassen haben; aber Werner hatte es ihm schon gestanden, wie unaussprechlich er seine Luitgard liebte und der Vater verschwieg es ihm nicht, daß ihm von Seiten ihrer Eltern kein Hinderniß im Wege stehe. Noch verschwieg er dem Sohne, der so leicht in leidenschaftliches Loben gerieth, ein Geheimniß, das ihn vom Gipfel seines höchsten Erdenglücks hinabstürzte. Daß sich Werner, selbst nicht von einem Kaiser, die Braut rauben ließ, wenn sie mit unwandelbarer Liebe an ihm festhielt, deß war er gewiß. Eine Reihe von Unfällen sah er voraus, wenn Eckard sich wirklich hätte so schwach finden lassen, daß er Otto'n sein Wort zur Vermählung gab und seine Tochter überredete, einen Kaiser bei ihrer Verheirathung einem Markgrafensohn vorzuziehn. Vor einem Monat war Werner in Thüringen gewesen und nichts schien er zu ahnen, was ihm den Verlust seiner Braut drohte.

Der Markgraf theilte seiner Godila die Sage des Boten mit, an welche diese ebenfalls nicht glauben wollte, aber sie entschloß sich aus guten Gründen, ihren Gemahl nach Thüringen zu begleiten. Das, was sie sich von einem Freunde, von einem Manne nicht denken konnten, dem ein in einer wichtigen Angelegenheit gegebenes Wort heilig seyn muß, der es wohl wußte, daß Luitgards Herz an Werner hing, war dennoch, zu ihrem Erstaunen, zu ihrer größten Verwunderung, geschehen.

Der jugendliche Kaiser, welcher noch nicht das zweiundzwanzigste Jahr erreicht hatte, sah bei einer festlichen Gelegenheit, wozu mehrere Fürsten mit ihren Töchtern geladen waren, auch die reizende Luitgard. Sie war es von allen Jungfrauen, die beim ersten Erblicken seine Liebe entzündete und sein Herz bewegte. Er wandte sich zuerst mit der Frage an den Herzog Bernhard von Weimar, wer diese Jungfrau sey, die sich durch körperliche Schönheit, durch Liebreiz, wie die kostbarste Perl, von allen andern Fürstentöchtern so auszeichne. Als ihm der Herzog die Antwort gegeben hatte, daß sie die Tochter seiner Schwester, der Markgräfin von Thüringen und Meißen, sey, setzte er noch hinzu:

»Wenn ihre körperlichen Reize Euch schon gefallen, so würdet Ihr sie Eurer Werthschätzung würdig finden, wenn Ihr wüßtet, welch ein heller Geist in ihr glänzt und welch ein gütiges Gemüth sie regiert. Sie ist die einzige Tochter, aber ein Schatz, der mehr werth ist, als viele Kinder.«

Bernhard bemerkte es nach einer Weile, daß der Kaiser mit Schwanehild sich unterhielt, neben der die blühende Tochter stand. Er sah's, wie sie den Blick zur Erde niedersenkte, als der Kaiser mit einer verbindlichen Verbeugung von ihr ging:

Am andern Morgen, auf der Reise nach Weimar, wo Eckard mit Bernhard in einem Wagen fuhr, fand dieser den Markgraf sehr wohl gelaunt.

»Es ist doch sonderbar,« fing der Markgraf an, »wie uns das so wohl gefällt, wenn ein Kaiser mit uns freundlich spricht. Ist's doch, als ob wir uns plötzlich auf höhere Stufen der Achtung gehoben fühlten: Er ist mit seiner hohen Würde doch auch nur ein Mensch, der kommt und geht, wie wir. Dem Kaiser Otto ist es wahrlich ein Leichtes, mit seiner herablassenden Freundlichkeit und Milde die Herzen zu erobern. Viel hat er mit mir vom deutschen Reiche gesprochen und sagte mir die Artigkeit: hätten wir in Deutschland mehrere Fürsten, wie ihr einer seyd, es würde von der Geißel der Wenden bald befreit seyn. Meine ganze Macht, diese Feinde zu vertilgen, hab' ich ihm angeboten. Er drückte mir die Hand und sprach mit freundlichem Lächeln: ›Markgraf, wenn sich die Gelegenheit zeigt, nehme ich euer Anerbieten, dem ich ganz vertraue, in Anspruch.‹ Auch mit meiner Schwanehild redete er so gütig. Ein herrlicher Jüngling, der uns zu großen Hoffnungen berechtigt!«

Kalt und ernst entgegnete Bernhard:

»Darum also, weil er mit Dir freundlich sprach und artige Worte mit Dir wechselte? An diese Hoffnungen, mit denen Du dich täuschest, wollte ich auch glauben, wenn er ein deutsches und nicht ein italienisches Herz hätte. Nach Italien fühlt er sich im Innern hingezogen, die Sitte jenes Landes ehrt er nur, wir, wir sind ihm Fremde, Barbaren. Wir wissen dem selten Dank, der einen süßen Wahn zerstört, mit dem wir uns betrügen, aber ich will's mit Dir doch wagen, da ich den Grund zu kennen glaube, weshalb er, wie Du glaubst, sich Dir mit der gepriesenen Güte nahte.«

»Na, und der wäre?«

»Der Zufall führte im großen Wirrwarr von Höflingen die Majestät mir näher und, kaum hatte sie einige artige, luftige Worte mit mir gewechselt, als sie mich fragte, wer dort die schöne Jungfrau sey. Die ist meines Schwagers Tochter, Luitgard, gab ich zur Antwort. Sie schien das Herz des Jünglings zu rühren und den Dank dafür trug er an Dich und meine Schwester ab. Man rechnet sich so Manches als verdienstlich an, was man doch nicht verdient und traut der Freundlichkeit der Großen, und ahnet die geheimen Gründe nicht, weshalb sie den Affen unserer Eitelkeit, die süße Nahrung reichen. Dabei wird's bei dem Kaiser, hoff' ich, wohl bleiben, dem man täglich neue Bilder vorgaukelt, mit dem seine Sinnlichkeit spielen kann.«

»Und,« sagte Eckard, »wenn's dabei nicht bliebe, wenn Luitgard sein Herz gefesselt hätte, wenn er … Eine Kleinigkeit ist's doch nicht, wenn eine Markgrafentochter eine Kaiserin würde. Sollte ich den Glanz der Hoheit, der von ihr auf mich strahlte, verschmähn?«

»O, der eiteln Thorheit, die sich so gern mit fremden Federn schmückt! Hast Du nicht eigenen Ruhm genug, daß Du mehr davon von Deiner Tochter borgen willst? Du bist sehr zerstreut, ich sehe, daß ich Deinem Gedächtniß zu Hilfe kommen muß. Wie Du mir's selbst gesagt hart, so ist zwischen Dir und dem Markgraf Luther das Abkommen getroffen, daß Du Deine Tochter mit seinem Sohne vermählst. Und, wenn ein zehnfach größerer Herr, als dieser Kaiser, käme und um Luitgard's Hand würbe, Deine Tochter dürftest Du ihm nicht geben. Wer darf dann sein Ehrenwort noch halten, wenn es ein Markgraf, der Hochmuth treiben will, bricht. Du kennst Luther von Walbeck, ungerochen ließe er das nicht hingehn. Werner selbst würde sein Leben wagen, die schöne Beute dem Kaiser zu rauben. Er ist ein stürmischer Jüngling, der, wenn seine Leidenschaft erglüht, wie ein Löwe toben kann. Wird Luitgard den Geliebten gegen einen Kaiser vertauschen? Ach, es gibt der Beispiele, daß eine Ritterfrau oft viel glücklicher ist, als eine Kaiserin. Sie geht im stillen Weh, weint in der Einsamkeit und muß bei Hofe, wie ein freundlicher Engel, erscheinen.«

»Luther ist ein verständiger Mann, er wird's nicht wollen, daß Luitgard, um seines Sohnes willen, auf ein höheres Glück verzichte,« sagte Eckard.

»Das wird er, er muß es, eben weil er ein verständiger und weil er ein gerechter, treuer Mann ist. Doch laß uns nicht von leeren Dingen plaudern, die nie statt finden werden. Aber, Eckard, das muß ich Dir eingestehn, Deine Gesinnung hat sich mir nicht auf eine für Dich ehrenvolle Art verrathen. Nicht der nichtige Glanz, den der Zufall um eines Fürsten Haupt verbreitet, kann ihn geachtet machen, die Tugend sey sein Schmuck und seine Krone, durch die er sich, als Vorbild über sein Volk, erhebt.«

 

Eckard hielt sich mit den Seinen mehrere Tage in dem gastfreundlichen Weimar auf, und der Herzog mit seiner Gemahlin ließen sich's recht angelegen seyn, die lieben Gäste aufs Beste zu bewirthen und ihnen angenehme Unterhaltung zu gewähren. Die Eitelkeit Schwanehildens konnte es der Schwiegerin doch nicht verschweigen, wie herablassend und freundlich der Kaiser mit ihr geredet hätte.

»Vielleicht,« entgegnete diese, »nahte er sich Dir darum, damit er das blühende Gesicht Deiner Tochter in der Nähe sähe. Frauen in unsern Jahren, verdanken oft den schönen Töchtern die Huldigungen der jungen Männer, die sie uns spenden. Durch unser Herz bahnen sie sich den Weg zur Tochter. Bernhard hat mir's gesagt, Luitgards schöne Gestalt fiel dem Kaiser auf. Vielleicht gleicht sie einer Italienerin, die er liebt. Sag' ihr kein Wort davon, sie möchte eitler werden und von einer Kaiserin träumen.«

»Die, nie, nie! Meinst Du, daß sie einen andern, als ihren Werner lieben könnte? Mein Gemahl scheint zu glauben, daß sie sich durch die Herrlichkeit des Kaisers blenden ließe. Als ich ihm entgegnete, daß ich das nicht glaubte, da zürnte er mir. Träte je der Fall ein, den ich doch nicht fürchte, daß Luitgard in der Treue zu dem edeln Werner wankte, so werd' ich's seyn, die ihr die feste, unerschütterliche Haltung gibt und soll's deshalb zwischen mir und Eckard zu einer Spaltung kommen. Recht und Jugend verkauft' ich nie um einen eiteln Preis. Was wär' das für mich für ein Glück, meine Tochter, als Kaiserin vermählt und sie von mir getrennt zu sehn. Otto sieht ja Deutschland an wie eine Herberge; und Italien wie sein Vaterland. Der Baiern Herzog Heinrich, die Äbtissin Mathilde, werden das auflodernde Feuer der Liebe, wenn's in Otto's Herzen aufgeflammt wäre, schon löschen.«

 

Am achten Tage war's, als Eckard sich zur Abreise von Weimar anschickte, da kam ein Herold an und brachte ein großes Schreiben vom Kaiser an den Markgraf. Er wollte es Eckard selbst und ohne Zeugen überreichen.

Dem Herzog Bernhard wurde die Erscheinung des kaiserlichen Herolds zuerst gemeldet, der mit einem so reichen Glanze erschien, wie man bisher zu sehn nicht gewohnt war. Er ging zum Markgraf und sagte mit ernster Miene:

»Du wirst sehr auf Deiner Hut seyn müssen, wenn Dich die kaiserliche Gnade nicht zu einem Fehltritt verlocken soll. Die Liebe zu Deiner Tochter scheint in Otto's Herzen bis auf den Grund gedrungen zu seyn und gewiß will er um Dein Jawort bitten, indem er Dir die Ehre anthut, Dein Eidam werden zu wollen. Aber wie sich das von selbst versteht, eine andere, als eine abschlägliche Antwort kannst Du ihm nicht geben. Entflamme Wernern nicht zur Wuth. Gekränkte Liebe war oft in der Rache schrecklich.«

»Warum Du mir die Predigt hältst,« sagte Eckard mit finsterm Gesicht. »Was plauderst Du von kaiserlicher Gnade, von Ehre anthun und Eidam werden?«

»Geh nur hinab vor die Schloßthür, da harret Deiner in verschwendrischem Gepränge ein Herold, mit Knappen in glänzender Rüstung, daß ich anfangs glaubte, er wäre der Kaiser selbst, der seinen Einzug in eine Stadt halten wollte, die er mit dem Schwerte erobert hat.«

Ohne weiter zu hören, was Bernhard noch sagte, eilte Eckard die Treppe hinab, und als er mit klopfendem Herzen in der Schloßthür stand, verneigte sich der Herold tief und sagte dann:

»Der Kaiser läßt Euch durch mich einen Gruß vermelden und übersendet Euch von seiner Hand ein Schreiben, das ich Euch, ohne Zeugen, überreichen sollte.«

Neugierig und freundlich entgegnete der Markgraf:

»Ihr kommt vom Kaiser, darum seyd mir willkommen. Steigt vom Rosse, folgt mir, Ihr könnt mich allein sprechen.«

Als sie Beide in dem Zimmer des Markgrafen waren, zog der Herold das Schreiben hervor, überreichte es und sprach:

»Leset es durch, gebt mir dann Bescheid und erlaubet, daß ich mich zuvor einer mündlichen Bestellung entledigen darf, die der Kaiser mir selber aufgetragen hat. Er läßt Euch bitten, in kurzer Frist nach Aachen zu ihm zu kommen, weil er dort Wichtigeres, was er dem Papier nicht anvertrauen wollte, mit Euch verhandeln will.«

Der Markgraf trat seitwärts ins Fenster, hieß den Herold sich niedersetzen, entsiegelte den Brief und las sie kaiserlichen Worte:

 

Erlauchter Markgraf!

Für eine besondere und gnädige Fügung der Vorsehung muß ich's achten, die Eure schöne und fromme Tochter Luitgard in meine Nähe führte. Dem Vater kann ich's nicht verbergen, daß mein Herz in Liebe gegen sie entbrannte und daß dieses Feuer einer zärtlichen Neigung in mir nie erlöschen wird. Wenn sich von ihrer Seite keine Hindernisse finden, und das fürch ich nicht, da sie mir noch so zart und jung erschien, so hoffe ich gewiß, Ihr werdet dem Nachkommen des großen Otto Eure Zustimmung nicht verweigern. Entnehmt daraus, wie hoch ich Euch ehre. Das Rühmliche, was mir der Herzog Bernhard von Eurer Tochter sagte, steht mit unauslöschlichen Zügen in meiner Seele geschrieben und, da ich der Wahrheit des wackern Herzogs fest vertraue, hat sein Urtheil meine Wahl nur fester noch begründet &c.

 

In einer Art von froher Geisteszerstreuung, da ihm glänzende Bilder der Zukunft vorüber schwebten, bei deren Anblick sein Geist sich weidete, sagte der Markgraf zum Herold:

»Euer Kaiser ist sehr gnädig! Laßt Euch die Zeit nicht lang werden, ich komme wieder. Schwerlich möchtet Ihr heute die Rückkreise antreten. Es ist mir in dem Schreiben eine Frage aufgegeben, die ich allein nicht beantworten kann.«

Er fand seine Schwanehild allein auf ihrem Zimmer, die aber von ihrem Bruder schon gehört hatte, daß ein kaiserlicher Herold mit einem Schreiben an ihren Gemahl angekommen sey, der ihn ohne Zeugen sprechen wolle. Der Herzog setzte hinzu:

»Ich vermuthe es, der Kaiser wirbt um Luitgards Hand. Ein sinnliches Gefühl hat sein Herz ergriffen. Du kennst Eckards Ehrsucht, der er, um sie zu befriedigen, die wahre Ehre selbst aufopfert. Ein schwerer Kampf mit ihm steht Dir bevor, daß Du ihn fest und treu bei seinem Worte hältst, was er dem Brandenburger Markgraf gab. Luitgard läßt sich gewiß nicht so leicht, die Wernern liebt, an einen Kaiser vertauschen. Dem liebenden Mädchen gilt der Auserkohrne mehr, als eine Kaiserkrone. Wie leicht könnt's auch geschehen, wenn Otto nach Italien reist, daß des Südens laue Luft seine zärtlichsten Gefühle verwehte. Du mußt ein starkes Weib seyn, wenn Eckard von der Schwäche befallen wird, ohne die so viele Männer nicht sind.«

Die Herzogin war mit Luitgard und ihren Kindern an dem Tage nach Erfurt gefahren, um ihnen das glänzende Schauspiel des Frohnleichnamsfestes zu zeigen, das sie zu sehen wünschten. Als sie im großen Dom die prunkvolle Herrlichkeit des Gottesdienstes gesehn und angestaunt hatten und die Stufen herab nach dem schönen Gretenplatz stiegen, wo unten der Wagen hielt, der sie nach ihrem Quartier fahren sollte, da rief's hinter ihnen: »Luitgard!« Sie sah sich neugierig um, und -- welch ein freudiger Schreck -- Werner stand in köstlicher Rüstung vor ihr. Höflich verbeugte er sich vor der Herzogin, küßte Luitgard die Hand und sprach:

»Ich komme von Meißen. Dort sucht' ich Euch und als ich Euch nicht fand, bin ich hieher geritten. In Weimar, wenn Ihr mir, erlauchte Herzogin, das verstattet, will ich übernachten. Es kann Euch kein Geheimniß seyn, daß ich Luitgard liebe.«

Wirklich war die Herzogin um eine Antwort verlegen, da sie Wernern nicht den besten Empfang bei Eckard versprechen konnte, der sich mit dem Traume ergötzte, seine Tochter, als eine gekrönte Kaiserin zu sehn. Unartig durfte sie nicht seyn und sagte:

»Wohlan, wir sehn uns in Weimar.«

»Sollt ich mich hier in Erfurt von Wernern trennen?« fragte Luitgard die Base mit einem Trauergesicht.

Es standen auf den Stufen mehrere Menschen still, die theils den schönen, reichgekleideten Ritter, theils die reizende Luitgard mit innerer Lust betrachteten. Die Herzogin verneigte sich gegen Werner, ging weiter, Luitgard mußte ihr folgen, sie drückte seine Hand fest in der ihren und sprach leise:

»Die Herzogin wohnt auf dem Anger und ist leicht zu erfragen.«

Schnell rollte der Wagen davon und gedankenvoll stand Werner da, blickte ihm nach, und ein bitteres Gefühl war in ihm aufgeweckt. Die Herzogin war so kalt, so zurückstoßend. Es schien ihm so, als ob in ihren Höflichen Worte der Sinn lag, daß er in Weimar kein willkommner Gast sey. Er fühlte es selbst, daß ihn die Überraschung, als er, was er nicht glaubte, Luitgard erblickte, zu einem Geständnisse geführt hatte, was er noch hätte verschweigen müssen. Selbst Luitgard ließ sich durch ihr Gefühl überwältigen und vergaß alle Vorsicht. Er wollte also zur Herzogin gehn und, so gut, als das möglich war, den begangenen Fehler wieder gut machen und, insbesondere, unter einem schicklichen Vorwande seinen Besuch, zu dem er sich die Erlaubniß erbat, absagen.

Die Herzogin sagte zu Luitgard im Wagen:

»Da habe ich ja ein Geheimniß erfahren, um das ich noch nicht wußte, was mir selbst Deine Eltern verschwiegen. Du, noch ein Kind, wärst dieses Werners Braut? Kennst Du den Willen Deiner Eltern? O, es gehört mehr Erfahrung dazu, den rechten Gatten zu wählen, als Du dir zuschreiben kannst. Nicht, wie mit Spielzeug, kann man mit dem Bräutigam wechseln.«

Luitgard entgegnete:

»Wär es denn ein Unrecht, wenn ich Wernern liebte? Muß auf meine Liebe zu ihm die Heirath folgen? Lieben sich nicht Geschwister und Jugendfreunde auch? Wie sehr mein Herz ihm ergeben ist, das weiß die Mutter auch und hat mir nicht geboten, daß ich ihn hassen soll.«

 

Der feierliche Umgang der versammelten Menschen hatte noch nicht seinen Anfang genommen, als die Herzogin, die aus dem Fenster sah, Werner in der Ferne erblickte, der sich mit eiligen Schritten nahte. Sie wollte seinen Gruß vermeiden, trat vom Fenster zurück und erwartete es mit zweifelhafter Ängstlichkeit, ob er vorübergehn, oder zu ihr kommen werde. Da klopfte es an die Thür und der junge Markgraf trat ein.

»Um Euch, verehrte Herzogin,« fing Werner an, »nicht wortbrüchig zu erscheinen, mußt' ich Euch abermals mit meiner Gegenwart beschweren. Eben begegnet mir der Graf Dedo von Wettin und meldet mir, es schwärme ein Räuberhaufe, angeführt von dem berüchtigten Günzel von Kuhberg, in der Gardeleber Heide umher, welcher seine Plünderungen und Streifereien immer weiter ausbreite, dessen Unfug gedämpft werden solle. Ich werde abreisen, meine Tapfern zusammenrufen und den wilden Haufen zerstreuen. Da die Pflicht mich ruft, kann ich nach Weimar nicht kommen. Wer weiß auch, ob ich ein angenehmer Gast gewesen wäre.«

»Das wolltet Ihr bezweifeln?« sagte die Herzogin. »Doch eins ist mir von Euch aufgefallen, daß Ihr so frei und traulich mit Luitgard umgeht, als ob sie Eure erklärte Braut wäre. Ist sie das? Ich weiß es nicht.«

»So werdet Ihr's erfahren. Ist die Braut, mit der man frei und traulich umgeht? Der Schluß kann nicht immer richtig seyn. Die Liebe unserer Eltern hat sich auch unsern Seelen eingedrückt. Und, wär' es denn ein so großes Unglück, wenn Luitgard meine Gattin würde? Bin ich nicht eines Markgrafen Sohn? Doch meines Bleibens ist hier nicht länger.«

Er verneigte sich gegen die Herzogin und sagte dann zu Luitgard:

»Grüßt Eure Eltern, wenn Ihr wollt und sagt ihnen, daß wir ihren Besuch erwarten.«

Er gab ihr seine Hand, und sah es, daß ihr in den Augen Thränen glänzten. Nach einer halben Stunde sah sie ihn mit einem kleinen Gefolge über den Anger reiten. Er wehte ihr mit seinem Taschentuch zu, sie aber sank in tiefe Trauer.

 

Während dieses unerwarteten Ereignisses in Erfurt, das für die Herzogin kein erwünschtes war, trug sich in Weimar Wichtiges zu, was mit Luitgards Liebe in feindlichem Widerstreite stand. Eckard kam, in einer Art von Freude, aber nicht ohne Besorgniß, wie Schwanehild entscheiden werde, mit dem offenen Briefe des Kaisers zu seiner Gattin und sagte:

»Noch kann kein Markgraf sich rühmen, daß er von einem Kaiser solch einen Brief empfangen hat, als ich. Gönne mir Deine Aufmerksamkeit, sein Inhalt ist sehr wichtig, auch Deine Entscheidung will ich hören.«

Als er den Brief gelesen hatte, fragte er:

»Welche Antwort würdest Du dem Kaiser geben?«

»Nach einer Antwort auf den Brief solltest Du mich nicht fragen; ich dachte, sie läge Dir klar vor Augen und im Herzen. Du hast keine zweite Tochter, die Du an den Kaiser verheirathen kannst und die Einzige hast Du dem Sohne Luthers zugesagt. Könnte ein Kaiser Dich zum wortbrüchigen Manne machen, so hätte er die Gewalt eines bösen Geistes über Dich, die Dich überwinden könnte. Überdies muß ich Dir's gestehn, daß Werners und Luitgards Herz Ein Herz sind, mit allen Banden der Liebe fest verbunden. Wer mag sie scheiden! Sie liebt die Person, nicht Hoheit, Glanz und Titel. Und, du lieber Himmel, ist denn eine Kaiserin in dem Grade glücklicher, als sie über eine Markgräfin erhaben ist? Dem Kaiser gieb eine ehrliche, aufrichtige Antwort und damit wird er sich zufrieden stellen lassen.«

»Schwanehild, das ist keine Antwort, wie ich sie von Dir erwartete: Fühlst Du in Dir nicht das Verlangen, Dich zum Höhern zu erheben? Klingt das nicht Deinen Ohren süß, wenn man Dich Mutter der Kaiserin nennt? Gibt es keine höhere Pflicht, die uns von einem gegebenen Versprechen entbindet?«

»Nach meinem Dafürhalten, in diesem Punkte wenigstens nicht und Luther wird es auch nicht glauben. Welchen Verdruß wirst Du dir bereiten, in welche Verlegenheiten Dich setzen; welchen Kummer anrichten und welche Thränen auspressen, wenn Du dem Kaiser schreibst, Du wolltest seiner Neigung folgen und Luitgard mit ihm vermählen!«

Aufgebracht entgegnete Eckard:

»Und eben das werd' ich ihm schreiben und mich an kein Geschwätz kehren.«

»Warum also verlangtest Du von mir eine Antwort? Eine andere, als die ist, die Dich so empört, kann ich Dir nie geben. Die That, zu der die Ehrsucht Manchen schon verleitete, hat ihn in bittere Reue gestürzt, Eckard, das bedenke.«

Der Markgraf blitzte seine Gattin zornig an und ging eilig von ihr. Sogleich ließ er durch seinen Geheimschreiber diese Antwort aufsetzen, da er selbst des Schreibens wenig mächtig war:

Eure Kaiserliche Majestät thun mir eine Ehre an, die ich höher schätze, als Alles. Hätte ich ein Theureres Gut auf Erden, als meine einzige Tochter, und Ew. Majestät forderten es, so würd' ich's geben. Luitgard ist mit der Herzogin in Erfurt und erst bei ihrer Wiederkehr kann ich ihr die frohe Botschaft melden. Sie wird eine Ehre, ein Glück nicht von sich weisen, das unter Millionen nur einer Einzigen geboten wird. In Aachen sollt Ihr aus meinem Munde die Antwort vernehmen &c.

Eckard wollte es nicht, daß der Herold noch auf dem Schlosse wäre, wenn Luitgard von Erfurt käme, darum fertigte er ihn noch in derselben Stunde ab. Überhaupt wäre er lieber sogleich nach Meißen abgereist, als daß er die Nacht noch in Weimar blieb, da er von allen Seiten bestürmt wurde, dem Kaiser eine abschlägliche Antwort zu ertheilen.

Luitgard erzählte es ihrer Mutter am Abend noch, daß sie Wernern in Erfurt, auf wenige Augenblicke, sah, und daß die Herzogin so kalt und unhöflich gegen ihn gewesen sey, daß er den versprochenen Besuch, nach Weimar zu kommen, aufgekündigt hätte.

»Das hat die Herzogin klug gemacht,« sagte die Mutter, »da sie es nicht wußte, ob die Erscheinung Werners Deinem Vater oder dem Herzog willkommen war. Ich selber hätt' ihn hier nicht gern gesehn.«

»Mutter, Mutter,« fragte Luitgard ängstlich, »warum denn nicht? Hat er Euch beleidigt, weshalb Ihr ihm zürnt? Ein Unrecht begangen, daß er verachtet zu werden verdient? Sonst hattet Ihr ihn so lieb!«

»Soll's die Welt schon wissen, daß er Dich liebt? Weiß er's schon gewiß, ob der Vater Dich mit ihm verbinden will? Könnte ein zu früh entdecktes Geheimniß nicht schaden? Kennst Du des Vaters Sinn?«

»Mutter, es ist mir nicht schwer geworden, ihn zu errathen, wenn er Wernern über die Wange strich und sagte: ich wünsche mir solch einen Sohn! Nicht wandelbar ist des Vaters Beschluß und wenn er das wäre, könnte er meine Neigung ändern? Unglücklich will er seine eigne Tochter nicht machen.«

»Und wenn er Dich auf eine andere Weise glücklicher zu machen gedächte, als Du es glaubst, könntest Du ihn tadeln?«

»Nicht tadeln, aber ihm beweisen, daß ich nur mit Werner glücklich werden kann.«

 

Freundlich, wie Luitgard immer den Vater zu sehen gewohnt war, trat er ins Zimmer. Er fragte sie nach dem Vergnügen der heutigen Reise, und sie sagte, recht absichtlich, um seine Gesinnung gegen Werner zu erforschen, die ihr die Rede der Mutter zweifelhaft gemacht hatte:

»Denkt Euch, Werner wollte uns in Meißen besuchen, dort mußte er erfahren haben, daß wir in Weimar wären. Er scheut die Weite des Wegs nicht und reitet bis Erfurt. Da traf ich mit ihm auf den Stufen des Doms zusammen. Groß war unsere Freude. Eine Räuberrotte, die unter Günzel von Kuhberg in der Altmark ihr böses Wesen treibt, rief ihn schnell zurück, sonst wär' er nach Weimar gekommen und hätte uns nach Meißen begleitet.«

Mit ernster Miene sagte Eckard:

»Auch ohne seine Begleitung, denke ich, werden wir gesund nach Meißen kommen. Fast treibt er's mit seiner Liebe zu weit, es ist Zeit, daß man den Beweisen derselben Einhalt thut. Die Welt sollte wohl gar glauben, daß …«

»Vater, um der Welt willen wolltet Ihr den Beweisen seiner Liebe Einhalt thun? Was kümmert Euch die Welt!«

»Luitgard, es gab eine Zeit, als Du noch in Kinderschuhen gingst und Werner ein Knabe war, da konntet ihr, wie's Kinder pflegen, mit einander spielen; jetzt bist Du eine Jungfrau geworden, die mit dem Markgrafensohn, der im einundzwanzigsten Jahre steht, das Spiel nicht forttreiben darf.«

»So laßt's zum Ernst mit uns kommen, Vater. Wie damals, als Kinder, so lieben wir uns noch und das Gegentheil, ihn zu hassen, könnt Ihr nicht gebieten. Sagt mir's, hat er's verschuldet, daß sich Euer Herz von ihm abgekehrt hat? Auch die Mutter scheint Wernern zu zürnen. Geschähe es darum nur, daß er mich liebt, so müßt' ich ihn bedauern, daß er so unverdient leidet.«

»Stille, stille, Luitgard, hier ist der Ort nicht, weiter über die Sache zu reden, wir verschieben es, bis zu einer andern Gelegenheit.«

Luitgard sank in tiefe Trauer, als sich der Vater entfernt hatte und rief klagend aus:

»Welch eine Verwandlung ist hier vorgegangen und welches ist der Grund davon! Will man mir das Herz zerreißen und mich von meinem Werner scheiden? Man sage mir's, warum man mich von ihm entfernen will? Hätte man den langen Umgang, der unter uns stattfand, darum so lange geduldet, daß man die Gewohnheit, die uns immer inniger verband, zu einem Dolche machte, den man in unser Leben stößt? Soll ich mein Daseyn verwünschen und jede Wohlthat für ein Übel achten, die mich bisher genährt und zum Verstande gebildet hat?«

»Luitgard, Luitgard« sagte die Mutter, »versündige Dich nicht weiter mit solchen Worten! Hat Dein Vater ein Band zwischen Werner und Dir geknüpft, daß Du ihn des Unrechts zeihen könntest, wenn er es, zerrisse?«

Mit den Worten: »Das Band hat Gott geknüpft und Menschen sollen es nicht zerreißen, sie möchten denn mein Herz zerreißen!« ging sie zu Mathilden, ihrer Zofe.

 

Die ganze Nacht kam kein Schlaf in ihre Augen. Verwirrte Gedanken gingen durch ihren Kopf und quälende Gefühle marterten ihr Inneres. Mit der Liebe zu Werner und ihrem Vater gerieth sie in einen peinigenden Streit; aber die Liebe zum Erstern siegte. Der Entschluß stand in ihr fest, Alles aufzuopfern und zu verlassen, ehe sie sich von ihm trennen ließe. Völlig unentdeckt blieb es ihr aber, was die Umwandlung des bisher bestehenden Verhältnisses herbeiführte. Sie wollte, sobald sich die Gelegenheit dazu fand, ihren Vater um eine Erklärung und um Aufschluß bitten, er mußte ihr den geben können.

Traurig schied sie von Weimar. Als sie die Herzogin umarmte, sagte ihr die leise ins Ohr:

»Luitgard, Du wirft einen schweren Kampf zu bestehn haben. Der Fromme erhält die Kraft vom Himmel und die Jugend führt zum Überwinden. Bleibe fest und unerschütterlich.« …

Wehmüthig blickte Luitgard die edle Herzogin an, sie ahnete es, was sie mit den Worten sagen wollte und sagte eben so leise zu ihr:

»Gott ist mächtig in den Schwachen!«

 

Der Markgraf sprach unterwegs von gleichgültigen Dingen, schien guter Laune zu seyn, aber er hielt sich nicht viel im Wagen auf und saß, wider seine sonstige Gewohnheit, den größern Theil der Reise zu Pferde, als ob er die Nähe seiner Tochter und Gattin scheute. Am ersten Morgen, nach seiner Ankunft in Meißen, kam er in das Zimmer seiner Gattin und fand auch die Tochter bei der Mutter.

»Mir steht eine weite Reise bevor,« sagte er, »die mich auf längere Zeit von Euch entfernen wird, im Fall Ihr mich nicht begleiten wollt. Der Kaiser, der mich durch seine Güte so auszeichnet, hat mich zu sich nach Aachen eingeladen, wo er Wichtiges mit mir verhandeln wird. Nur Gutes kann er von mir wollen. Welch ein schöner Jüngling ist dieser Otto, von der Natur zur Majestät gebildet. Wie überglänzt sein Geist doch Alle, die seines Alters sind! Menschlich und herablassend, milde und freundlich ist sein Gemüth. Kein rauher Fleck erscheint in seinem ganzen Wesen. Mit wem er sprach, der fühlt sich zu ihm hingezogen. Ja, wir Deutschen sind doch ungeschickte Bären gegen die feinen Italiener. Er wird die ruhmvollen Zeiten seines erlauchten Ahnen, des großen Heinrichs, wieder zurückführen! Schwanehilde, Du hast ihm das verdiente Lob gezollt. Ich muß es eingestehn, daß ich ungern in langer Trennung von Euch lebe. Seyd Ihr nicht in meiner Nähe, so ist mir nicht wohl und eines geheimen Sehnens, was mich verstimmt, kann ich mich nicht enthalten. Ihr könntet mich gegen dieses unfreundliche Gefühl schützen, wenn Ihr mich nach Aachen hin begleitet. Scheut Ihr auch der Reise Beschwerden, Eure Liebe zu mir wird sie überwinden. Und Du, theure Luitgard, die Thüringens güldene Aue, das bunte Harzgebirge und das liebliche Elbthal bei Meißen so entzückt, daß Du dich nicht daran satt sehen kannst, welche unerschöpfliche Genüsse wird Dir das Anschauen einer schönern, mit tausend Abwechslungen geschmückten Natur gewähren. Auch folgt die gute Tochter gern, wohin die Mutter mit dem Vater geht. Nun, Schwanehilde, was meinst Du zu dem Vorschlage, zu der Bitte, die nur aus Liebe kommt?«

Zwar zweifelte die Markgräfin daran nicht, daß es reine, aufrichtige Liebe war, die ihn bitten ließ, daß sie ihm mit Luitgard nach Aachen folgen sollte, aber sie ahnete es auch, daß er im Hintergrunde eine andere Absicht hatte, die er verschwieg, weshalb er die Reise in Vorschlag brachte. Es lag für sie in dem Gedanken Widriges, da sie Luitgards Liebe zu Wernern kannte, daß sie die Tochter dem Kaiser zuführen sollte. Sie scheute auch das Urtheil ihrer Freunde, wenn sie mit ihrem Gatten in diesem Einverständniß, das ihr das tadelnswertheste war, handelte. Wie wollte sie sich gegen die schwesterlich gesinnte Markgräfin Godila von dem Verdachte reinigen, daß sie Antheil an der Wortbrüchigkeit ihres Gatten nahm, wenn diese sie mit Vorwürfen bestürmte? Das Eine mußte sie auch der Herzogin beim Abschiede geloben, wenn es ihr nicht möglich sey, Eckarden von dem sündlichen Vornehmen, das seine Ruhmsucht erzeugte, abzulenken, daß sie wenigstens ihre Hand nicht bieten wollte, es zu befördern.

Sie gab dem Markgraf die Antwort:

»Ich denke, wenn Du allein nach Aachen reisest, daß Du Deine Rückkehr um so mehr beschleunigst. Das Geräusch, was in der Nähe eines Kaisers herrscht, verträgt sich nicht mit meinem Sinn, der nur die Stille liebt. Unzartes find' ich auch darin, unsere Tochter, die in der Abgeschiedenheit von der großen Welt erzogen wurde, den Augen vieler Gaffer bloßzustellen. Seit einem Mond fast sind wir umhergeschwärmt, von einem Gelag zum andern, ich sehnte mich nach Ruhe und bin sehr glücklich, daß ich sie wieder gewonnen habe. Mich in ein neues Meer von prunkendem Getöse stürzen, das fordere nicht von mir. Luitgard ist noch jung, sie hat Zeit genug, das schöne Rheingefilde zu sehen und auch die Schweiz, mit ihren Bergen, Thälern und Seen; laß uns hier.«

»Das ist die Weise,« sagte Eckard mit erzürntem Gesicht und stärkerm Ton der Stimme, »wie die Weiber die Gebieterinnen der Männer sind. Ich bitte Dich und Du schlägst mir die Bitte ab. Könnt' ich nicht befehlen?«

»Wenn Dir mit scheuem, unterthänigem Gehorsam gedient ist, so kannst Du befehlen und ich muß Dir, als eine gehorsame Sclavin, folgen. Eckard, Eckard, in Frühling sind es achtzehn Jahr, seit wir im ehelichen Verein so glücklich leben, doch eine solche Sprache hast Du gegen mich noch nie geführt. Ach, daß Luitgard Zeuge dieses Gesprächs seyn muß, das von einer Härte zeigt, die ich bisher noch nicht kannte. Seit wann ist dieser Geist in Dich gefahren? Seit der kaiserliche Herold in Weimar Dir erschien? Sollte der den Zunder der Zwietracht unter uns geworfen haben, vor dem das Feuer der Liebe erlöscht? Ach, folge nicht dem eiteln Blendwerk einer Leidenschaft, an dem des Lebens schönste Güter scheitern, der Friede, die Liebe! Setze ein Daseyn, was Dir bisher so theuer war, nicht auf ein gewagtes Spiel! Ein jedes Herz hat seine Rechte und es gibt sie nur dann erst auf, wenn man es selbst zerstört hat.«

»Luitgard,« fragte sie der Vater, »willst Du mich begleiten?«

»Ich allein? Die Mutter hier in Kummer und Thränen lassen? Das nur fordert nicht. Eine lange Gewohnheit hat mich an ihre leitende Hand gewöhnt und ihre Nähe könnt ich nicht entbehren. Was müßte sie von einer Tochter denken, die sie verließe! Ohne sie hätte ich keine Sinne für Gegenden, die in paradiesischer Herrlichkeit vor meinen Augen lägen.«

»Von mir also willst Du dich trennen? Bin ich nicht Dein Vater? Habe ich nicht gleiche Ansprüche an Deine dankbare Neigung?«

»Vater, die hab' ich Euch noch nie versagt. Aber bedenkt doch mein Geschlecht! Hält nicht die Tochter immer fester an der durch Geist und Herz mit ihr inniger verwandten Mutter? So will es Gott, die Natur und das eigene Gemüth. Wär' ich 'ein Sohn, dann hielte mich kein Band, Euch nachzufolgen, und wenn Ihr bis zum heiligen Grabe reistet. Aber, Vater, die Mutter habt Ihr tief verwundet! Fühlt Ihr nicht Mitleid, wenn Ihr in ihren Zügen Thränen seht? Kein Unrecht hat sie ja gethan. Versündigt Euch nicht mehr an ihr.«

Der Markgraf fühlte den Verweis, der in Luitgards Worten lag, er konnte nichts darauf erwiedern und entfernte sich.

»Aber,« fragte Luitgard die Mutter, »warum wendet der Vater fast Gewalt an, Euch zur Reise nach Aachen zu zwingen? Meint er, daß Eure Gegenwart ihm bei dem Kaiser gute Dienste thun kann? Was erwartet er denn von dem jugendlichen Manne? Vielleicht trägt er mit eiteln Hoffnungen sich und wähnt, daß dieser ihm neue Länder schenken und ihn zu größern Würden erheben werde. Hat die gütige Vorsehung ihn nicht vor Tausenden ausgezeichnet? Ach, es gibt wenige Menschen, die man zufrieden nennen kann!«

»Er muß wohl einen besondern Grund haben, weshalb er's so dringend wünscht, daß wir mit ihm nach Aachen gehn,« sagte die Mutter, »sonst bestünde er nicht so fest darauf, vielleicht wird es uns offenbar. Ach, es wird mir sehr schwer, ihm die Bitte abzuschlagen. Warum ich sie nicht erfüllen kann, das hab' ich ihm gesagt. Verkenne nur Deinen Vater nicht, daß er so zornig aufbrausen konnte. Mit mehr als einer Schwäche ist der Mensch geboren und erst am Grabe scheidet sie von ihm. An seine Liebe und Güte wollen wir denken und das wird uns geneigt machen, ihm das kleine Unrecht gern zu verzeihn. Hüte Dich, je wieder ein Wort gegen ihn auszustoßen, was den Schein eines Vorwurfs hat. Es geziemt Kindern nicht, die Eltern belehren zu wollen, das entfernt nur ihre liebevollen Herzen und macht sie kalt.«

»Mutter,« sagte Luitgard eine Weile nachher, »Ihr habt räthselhafte Worte gesprochen, die ich nicht deuten kann, Ihr könnt sie mir erklären. Was liegt in der Rede für ein Sinn: ein jedes Herz hat seine Rechte, und es gibt sie nur dann erst auf, wenn man es selbst zerstört hat! Soll sie auf meine Liebe zu Werner zielen? Wißt Ihr's gewiß, daß der Vater diese Liebe nicht billigt? O ja, wenn das ist, so habt Ihr wahr gesprochen; dies Herz muß erst zerstört werden, ehe es sein Recht, Wernern ewig lieben zu dürfen, aufgibt.«

In demselben Augenblicke trat der Markgraf, völlig reisefertig, in die halbgeöffnete Thür und sagte die Worte:

»Ich reife nach Aachen und wünsche, daß Eure Ruhe nicht durch Besuche unterbrochen wird. Ob und wann ich Euch wieder sehe, das weiß Gott. Anders aber hoff' ich Euch zu finden.«

Er drückte die Thür zu, schwang sich auf sein Roß und war schon vom Schloßhofe entfernt, als Schwanehilde und Luitgard ihm nachfolgen wollten, um in seine Arme zu eilen. Ein herber Schmerz drückte ihre Herzen zusammen.

»Ach,« sagte die Markgräfin, »ob ich wohl recht that, daß ich ihn allein reisen ließ? Und mit welch einem feindlichen Gemüth ging er von mir, wie noch nie! Wie wird er wieder kommen! Was soll ihn versöhnen! Sind's nicht die Kinder oft, die den Saamen des Zwistes unter die Eltern streuen und jenen süßen Frieden stören, der unerschütterlich unter ihnen bestand, als die Kinder noch mit bunten Puppen spielten? Bei Gott sey's geschworen, was es auch kosten mag, ich darf seine Liebe nicht verscherzen, wenn mein Leben nicht untergehen soll. Die heiligsten Pflichten hab' ich ihm geschworen, sie will ich nicht verlegen! Kann ich nicht Mutter bleiben, wie ich's will, so will und muß ich mich dem Berufe der Gattin ganz hingeben. O, welch ein Sturm und Kampf in diesem Herzen!«

Die Markgräfin schwieg eine Weile, indeß ihr Thränen von den Wangen flossen und Luitgard, in eine ängstliche, gedankenvolle Stille vergraben, wagte es nicht, einen Laut zu reden.

»Einen Boten will ich ihm nachschicken,« sagte die Markgräfin jetzt, »und ihm melden, daß ich ihm nach Aachen mit Dir folge. Jedes Opfer bringe ich ihm und wenn es selbst mein Leben wäre. Allein kannst Du nicht hier bleiben, schicke Dich zur Reise an.«

»Liebe, gute Mutter, o laßt mich hier,« flehte Luitgard, »was soll ich einfaches Mädchen mich dort am Hofe eines Kaisers zur Schau stellen. Der Blick so mancher Männer dringt mir, wie ein verwundender Pfeil, ins Herz. Sie lügen mir so süße Worte vor, die mich beschämen und ich, ich kann sie nicht erwiedern. Ihr habt mich an die Ruhe gewöhnt, zum Abscheu dient mir das glänzende Getöse. O, laßt mich still und unbemerkt hier blühn, wie eine Blume in abgelegenem Thale. Mögen Andere nach Lustbarkeiten trachten, die nur die Sinne benebeln und, wenn sie genossen sind, eine öde Leere, oft den Stachel der Reue in der Seele zurücklassen, mir können sie keine Freude machen. Könnt Ihr euch losreißen von der Tochter, so laßt allein mich hier, ich will Eure liebevolle Nähe, so schmerzlich mir's auch fällt, entbehren. Kein Unglück kann mir hier begegnen, Herzen, Augen und Arme bewachen mich. Nur zieht mich nicht nach Aachen. Ist's mir doch so bang um die Seele, als ob mir dort ein größeres Unglück zubereitet würde, als ich ertragen kann. O, Mutter, mit Thränen bitt' ich's, laßt mich hier!«

Eine bestimmte Antwort gab die Markgräfin ihrer Tochter nicht, aber sie traf alle Anstalten zur Abreise für den folgenden Tag. Dieß blieb Luitgard nicht verborgen und sie fragte am Abend die Mutter:

»Wollt Ihr wirklich reisen und mich hier lassen?«

»Fragst Du doch, als ob's mein Vorsatz wäre, von Dir zu reisen! Ich denke, der Gehorsam gehört zu den ersten Pflichten eines Kindes und er wird nur dann uns schwer, wenn wir ihn mit einem Widerwillen und nicht aus Liebe leisten. Doch, Luitgard, gar Vieles wirst Du im Leben noch thun müssen, wozu die innere Lust Dir fehlt; drum ist es gut, wenn Du frühzeitig gewöhnt wirst, Dich Deiner Neigung zuwider, in einen fremden Willen zu fügen.«

»Ach, Mutter, als solch eine strenge Lehrmeisterin erschient Ihr mir noch nie. Seit wenn glaubt Ihr denn, daß ich dieser eisernen Zucht bedarf?«

»Seit Du mir nicht nach Aachen folgen willst, wohin ich selbst mit widerstrebendem Herzen gehe. Sieh, wie ich Deinen Vater und seine Liebe ehre! Ach, meine Tochter, Du stehst bei mir in großer Schuld, die Wohlthaten, die Dir die Mutterliebe erwies, will ich Dir nicht vorrechnen; aber solltest Du denn so schwach seyn, daß Du mir dagegen keinen Dienst erweisen könntest? Befehlen kann ich, aber ich bitte Dich. Was würde Dein Vater zu mir sagen, wenn ich ohne Dich käme? Du kennst sein Wort, das er oft wiederholt: die Mutter muß der Schutzgeist ihrer Tochter seyn, bis sie der Arm des Mannes vertheidigt. Welche Lüge muß ich erdichten, weßhalb ich Dich in Meißen ließ! Wäre ihm meine Erscheinung ohne Dich willkommen? Könnt' er nicht sagen: so wenig liebt die Tochter ihren Vater? Glaubt sie ihm keinen kindlichen Dank schuldig zu seyn? Kurz, ich muß abreisen und reise nicht ohne Dich!«

Weinend sagte Luitgard:

»O, du arme Fürstentochter, welche Thoren nur, ob des eiteln Glanzes, für glücklich achten, fürwahr, du bist nicht zu beneiden! Wie glücklich wärest du allein in einem engen Kämmerlein! Auch das Gut, was die gemeinste Magd noch hat, daß sie bleiben und gehn kann, ist dir genommen! Ob ich gesund, krank, todt, nach Aachen komme, das weiß Gott. Wie eine Tiefgebeugte werde ich sicher dort erscheinen, daß Jedermann den innern Schmerz mir von der Stirn lesen kann. Mutter, an solchem Herzen kann sich die Kindesliebe nicht erwärmen.«

Nach einer Stunde fand sie die Tochter schon im Bette.

»Luitgard, Luitgard, Du machst es mir schwer, Dich mit gewohnter Zärtlichkeit zu lieben,« sagte die Markgräfin voll Wehmuth. »Mein Herz nennst Du ein kaltes Herz? Ach, wie unrecht thust Du mir! Ein kleines Übel ist schon groß genug, Dich von mir zu scheuchen? Auf Deine Neigung zu mir glaubte ich fester bauen zu können. Wie hast Du dich mir verrathen! Willst Du die Ordnung der Dinge verkehren, die Gott selbst gestiftet hat, daß die Kinder ihren Eltern folgen? Hättest Du das vierte Gebot gelernt, um es zu übertreten? Warum legst Du dich schon nieder, da die Sonne noch am Himmel scheint? Bist Du krank, so will ich den Arzt rufen lassen, bist Du aber gesund und …«

»Mutter, ich bin krank, ich konnte mich nicht aufrecht halten, darum mußt' ich mich niederlegen. Es ist, als ob ein centnerschweres Gewicht auf meiner Brust lastete, daß ich kaum athmen kann. Vor Hitze möchte mir der Kopf zerspringen und in jeder Ader klopft's, als ob ich tausend Pulse hätte. Laßt den Arzt nur kommen, er wird's Euch sagen, daß ich keine Kranke bin, die mit einem erlogenen Übel Verstellung und Trotz treibt. Vielleicht genes' ich bald und …«

 

Der Arzt erklärte: daß Luitgard an innerer Krankheit litte und verordnete ihr Arznei, so gut er's konnte. Nach zwei Tagen war es mit ihr besser. Dieses kurzdauernde Übelbefinden war nur der Vorbote einer schwerern Krankheit, die Luitgard bis an den Rand des Grabes führte, welche durch eine Botschaft veranlaßt wurde, die sie in den ersten Augenblicken ihrer Sinne beraubte und in eine lange, gefährliche Ohnmacht stürzte.

An eine Reise nach Aachen war gar nicht zu denken. Die Markgräfin fertigte, als Luitgard schon acht Tage hart darnieder lag, einen Boten an ihren Gemahl ab und schrieb umständlich an ihn, weshalb sie mit Luitgard ihm nicht nachgekommen sey; wie nahe die leidende Tochter der Todesgefahr gewesen wäre, und daß der Markgraf Luther, seines Sohnes wegen, große schmerzliche Sorgen trage. Sie bat inständig, daß er seine Abreise beschleunigen, ihr ein versöhntes, freundliches Herz mitbringen und sie in ihrer Niedergeschlagenheit durch seine Liebe aufrichten möchte. Sie würde ihm den Boten früher zugeschickt haben, wenn sie es in ihrer angstvollen Lage vermocht hätte.


Die Sorge der Eltern Werners war eine gegründete, sie mußten für seine Freiheit und sein Leben Alles fürchten, und alle Anstalten, die gemacht wurden, um zur Gewißheit über sein Schicksal zu gelangen, verfehlten die gehoffte Wirkung. Ehe wir aber die Geschichte des Markgrafen von Meißen fortsetzen können, müssen wir ein abentheuerliches Ereigniß einschalten, welches gewiß nicht ohne Interesse war.

Wir erinnern uns des Grafen Dedo von Wettin, welcher Wernern von Erfurt abrief, daß er eine Räuberbande zerstreuen helfen sollte, die sich zunächst in den undurchdringlichen Dickichten und Urwäldern zwischen Gardeleben und Salzwedel eingefunden hatte und heillose Gräuel anrichtete. Man glaubte, daß das Gesindel zu der Bande gehöre, deren Oberhaupt ein Wende, der große Teufel genannt, war, welcher sich in ein furchtbares Ansehn gesetzt hatte. Er gebot, wie man von einigen gefangenen Mitgliedern seiner Rotte erfuhr, wie ein uns eingeschränkter Despot, und seine Untergebenen mußten unbedingten Gehorsam leisten. Einen hohen Grad von Gerechtigkeitsliebe, mit der er herrschte, konnte man ihm nicht absprechen. Seine Gattin und mehrere Kinder hatte er bei sich und eine neunzehnjährige Tochter Boja Dole, die man als ein Bild der schönsten und gutmüthigsten Jungfrauen schilderte. Vieles machte sie mit ihrer weiblichen Mühe gut, was der Vater böse machen wollte, dessen Liebling sie war.

In weiter Umgegend wurde der schwarze Teufel gefürchtet. Ohne eine militairische Bedeckung konnten die Kaufmannswaaren nicht durch die Gegend gebracht werden, die er mit seiner Horde beherrschte. Hatte man sich aber mit ihm abgefunden und überreichte ihm ein bestimmtes Geschenk, so hätte man Goldgülden vor sich öffentlich hertragen können, und keiner seiner Räuber würde einen angerührt haben. Ja, er gab vielen Reisenden gewaffnete Beschützer mit, um sie sicher von einem Orte zum andern zu bringen. Viele Dörfer, um gegen seine Gewaltthätigkeiten verschont zu bleiben, zahlten an ihn einen Jahrstribut und dann wurde ihnen auch nicht die kleinste Kleinigkeit von der Rotte des großen Teufels entwendet. Es verbanden sich mit ihm heimlich sogar Ritter, denen er, um einen gewissen Sold, eine beliebige Zahl streitbarer Männer überließ, wenn sie einander befehdeten, oder ein anderes Bubenstück ausüben wollten und der Sieg entschied sich gewöhnlich für den, der eine Anzahl Räuber auf seiner Seite hatte. Oft zechte und schmauste er mit seinen Häuptlingen auf dieser und jener Burg und es wagte es Niemand, seine Freiheit und sein Leben anzutasten, denn in diesem Falle war man gewiß, daß Schwert und Flamme das Vergehn rächte, was man an dem großen Teufel beging.

Seine Gattin und Töchter, reicher geputzt, als manche Ritterfrau, nahm er mit zu den Gelagen seiner Freunde. Boja Dole fand man reitzend, liebenswürdig, nicht ohne Geistes- und Sittenbildung und ein junger Ritter, Hans von Gerken, hatte ihr sogar, ohne Wissen seiner Eltern, die Ehe versprochen. Als der große Teufel durch seine Tochter selbst zur Entdeckung dieses Liebesverständnisses kam, wollte er gewiß seyn, ob es der Rittersohn mit seiner Tochter treu und redlich meine und ihn durch einen Eid an sein Versprechen binden.

Er ließ den von Gerken einfangen, vor sich bringen und sagte:

»Boja hat mir ihre Liebe zu Dir offenbart. Du hast es ihr gestanden, daß Du nur sie zu Deiner Gattin haben willst. Jüngling, treibe mit dem Mädchen kein lüsternes Spiel, sie ist die Krone, die Freude meines Lebens. Für den kleinsten Schimpf, den Du ihr anthust, mußt Du mit Deinem Blute bezahlen. Reicher, als Dein Vater ist, kann ich Dich durch die Mitgift machen. Ist es Dir mit der Liebe zu meiner Boja kein Ernst, so bekenne es hier vor Deinem Gotte aufrichtig, es soll Dir deshalb kein Haar gekrümmt werden; bist Du aber fest in Deinem Gemüthe, daß sie Deine Gattin werden soll, so mußt Du das vor diesen Zeugen mit einem Eide betheuern.«

Hans blickte seine schöne Boja an und sagte mit festem Tone der Stimme:

»Welchen Eid Du mir vorlegst, ich schwöre ihn mit gutem Gewissen.«

Der große Teufel befahl, da erschien ein Wendenpriester in seiner Amtstracht und ließ den Ritter schwören.

»Um die Zustimmung Deiner Eltern, mit meiner Tochter Dich zu verheirathen, darfst Du Dich nicht bemühn,« sagte der Räuber, »das ist meine Sache und ich rathe es Dir, daß Du davon schweigst. Nach einem Jahre bin ich ein Herr von großen Gütern, Du machst dann einen Zug, der Zufall führt Dich zu mir, Du lernst meine Boja von ohngefähr kennen und das Andere findet sich leicht, das ist dann Deine Sorge.«

Der Ritter, um unzertrennlich bei der Geliebten zu leben, hielt sich oft wochenlang unter der Bande auf und überzeugte sich fest, welch ein reines, züchtiges Wesen der Schmuck der schönen Jungfrau war.

Aus Thüringen zog sich der schwarze Teufel nach der Nordmark hin, um die Gegend in Contribution zu sehen. In dem Lande, wo er anfangs unbekannt war, hauste er ohne alle Schonung. waren militairische Truppen, von Gardeleben aus, wider ihn ausgezogen, aber sie wurden zurück geschlagen. Der Ritter von der Isernschnibbe, welcher sich besonders feindlich gegen ihn zeigte, war von seiner Burg verschwunden und man suchte ihn vergebens. Er drohte größeres Verderben, wenn man nicht schonender gegen ihn verführe.

Dedo von Wettin war, wie es der vertrauungsvolle Werner glaubte, sein treuer, ihm ergebener Freund. Der Graf war ein listiger, schlauer Kopf, der die Kunst verstand, sich Freunde unter den Großen zu erwerben, die er nach ihrer Laune zu behandeln verstand. Man lernte ihn leicht als einen Mann kennen, der sich vortrefflich zu geheimen Geschäften gebrauchen ließ, die man gern verschleiert hält. Er wußte den Glauben in Andern zu begründen, daß er's redlich und aufrichtig mit dem meinte, dem er diente. Alles aber, seine besten Freunde nicht abgerechnet, galt ihm als Mittel, seine versteckten Zwecke zu erreichen. Er fühlte den Beruf in sich, einen höhern Rang in der Welt behaupten zu können und suchte sich einen sichern Weg dazu zu bahnen. Sein Gewissen wurde dadurch nicht beschwert, daß er oft zweien Partheien, die einander befehdeten, zugleich diente, wenn er dadurch gewisse Vortheile erzielen konnte. Vorkehrungen wußte er immer zu treffen, daß man nie zur Entdeckung des doppelsinnigen, falschen Mannes kam. Seine Klugheit, seine Redlichkeit, die weiter nichts, als das trügerische Spiel der Verstellung war, wurde allgemein und rühmlich anerkannt.

Er wußte es durch Albert von Buchner, dem er in einem Liebeshandel ritterlich gegen die Eltern seiner Braut beistand, dahin zu bringen, daß ihn dieser dem Herzog von Baiern, Heinrichen, dem Mitvormunde des nachherigen Kaisers Otto III., als einen klugen unternehmenden Kopf, als einen Jüngling von unerschrockenem Muthe, seltener Anhänglichkeit und Treue empfahl. In Frankfurt am Main lernte Heinrich den Graf zuerst kennen, der durch seine Gestalt, durch die Kraft in seinem ganzen Wesen, durch die Sittenfeinheit, die bei den Deutschen eine Seltenheit war, welche er in seinem Betragen zeigte, nicht allein auf den Herzog, sondern selbst auf den anwesenden jungen Kaiser einen tiefen, für ihn vortheilhaften Eindruck machte. Zu welchen Ehren konnten diese ihn erheben! Er nahm nun Alles in Anspruch, sich in der Gunst des damals mächtigen Heinrichs immer fester zu setzen. Selten war er von jetzt an in Wettin und hielt sich in der Nähe seines Gönners auf, der es ihm nur zu deutlich bewies, daß er der Liebling desselben sey. Diese neue Verbindung, in die er getreten war, verleitete ihn zu einem Verbrechen, dass er an der Tochter des Ritters Bodo von Alsleben beging, der er die Ehe versprochen hatte. Er sah die Jungfrau, die sich ihm mit liebevoller Neigung hingegeben hatte, tief unter seinem Range, und ihn blendete der Wahn, daß nur eine Fürstentochter würdig sey, seine Gattin zu werden. Unter einem nichtigen Vorwande, der aber einen ärgerlichen Verdacht auf die schuldlose Braut warf, der ihre Ehre befleckte, sagte er ihr die gelobte Verbindung auf. Der Gram zerstörte ihr Leben, und als er von ihrem Tode erfuhr, freute er sich, daß dieser Vorwurf für ihn aus der Wirklichkeit verschwunden sey.

Werner, der arglose Jüngling, der sich so fest auf die Verschwiegenheit und Treue Dedo's verließ, machte ihn zum Vertrauten des Geheimnisses, daß er die junge Markgräfin liebe. Dedo wünschte ihm Glück zu dem Besitz einer Jungfrau, wie sie das ganze römische Reich nicht reizender, liebenswürdiger aufzuweisen hätte. Der Markgraf selbst und feine Gemahlin hatten ihr Wohlgefallen an dem Graf von Wettin und sahen es gern, wenn er sich wochenlang an ihrem Hofe aufhielt. So lange er da war, schien in Wernern ein neues, frisches Leben eingekehrt zu seyn, der bisweilen mißmüthige, trübe Stunden hatte, die durch die weite Ferne von seiner Luitgard veranlaßt wurden.

Nur von der Zeit an, wo es bekannt wurde, daß Dedo sich an die Nähe des Herzogs Heinrich und an Otto band, sank er in der Gunst und Achtung des Markgrafen, welcher sagte:

»Wer sich so nach den Großen der Erde drängt, wie der Graf von Wettin, der verräth ein hochmüthiges Herz, das nach ehrenvollen Auszeichnungen trachtet; er hat Absichten, die er, ohne Erröthen, dem redlichen Manne nicht zu gestehen wagt. Er schmiegt und biegt sich, um eitle Zwecke zu erreichen. Das Hofleben verträgt sich nicht mit einem Gemüthe, das Wahrheit und Recht mit fester Treue liebt. Werner, Du mußt vorsichtiger mit Dedo umgehn, er kann Dir schaden.«

Der kluge Rath des Vaters konnte aber den Sohn nicht warnen und ihm Mißtrauen gegen Dedo einflößen, er setzte seine Freundschaft ungeschwächt mit ihm fort, da er keine Veranlassung fand, sich von ihm zu entfernen. Einst kam Dedo von Regensburg, er sprach von dem Herzog Heinrich und Otto und hielt Beiden eine Lobrede. Der Markgraf konnte sich nicht enthalten, zu sagen:

»Sprecht Ihr doch von den großen Herrn, als ob sie Heilige und Götter wären! Meint Ihr's denn im Ernst wirklich so? Von dem Otto will ich nichts sagen, wenig hab' ich von ihm gehört, er soll ein Jüngling sein, der gute Hoffnung gibt. Aber, von einer griechischen Mutter erzogen, die ihn hoch und weichlich gebildet hat, hält er uns Deutsche für halbe Wilde und unser Land für eine rauhe Wüste. Aber gegen den Herzog hätt' ich das Eine doch einzuwenden, daß er die Lust nicht unterdrücken kann, ob er auch nur ein Vormund ist, den Kaiser zu spielen. Nehmt Euch in Acht, es schläft sich bei den Löwen nicht so sicher, als man's glaubt. Ein Augenblick, wo Ihr nicht nach ihrer Laune handelt, und hättet Ihr auch einen Himmel erbaut, stellt Euer Verdienst in Schatten und, was früher Euch zum Lobe gereichte, verwandelt sich in Strafe. Wär' ich, wie Ihr es seyd, ein Graf von Wettin, der Diener eines Herzogs würd' ich nicht seyn. Gilt Euch Ruhe und Freiheit nicht mehr, als die luftigen Gespinnste eines eiteln Ruhms? Bewahrt ja die Güte Eures Herzens; das Hofleben ist eine Klippe, an der die beste Jugend schon Schiffbruch gelitten hat. Gegenbeweise nehm' ich nicht an, da ich aus Erfahrung rede. Laßt's Eure Sorge seyn, daß Ihr sie nicht vermehrt.«

Dedo entgegnete:

»Mir scheint's, Ihr seyd kein Freund vom Herzog, und ich will es nicht versuchen, Euch eine bessere Meinung von ihm einzuflößen. Ich denke nur, wer die Kraft hat, sich in der Welt zu höhern Ehrenstufen zu erheben, hat auch das Recht dazu. Warum sollte ich die Gunst des Herzogs von mir stoßen, der so gütig mir gewogen ist! Der jugendliche Otto naht sich mir so gnädig, als ob er brüderliche Liebe für mich fühlte. Soll mein Herz ein steinernes seyn? Wenn übrigens das Hofleben meine Jugend verderben kann, das Ihr euch wie eine Lasterhöhle fälschlich denkt, so hat ihr Licht mein Gemüth noch nie erwärmt. Was ich mir selbst bin und meinen Freunden war, das werd' ich ewig bleiben. Wißt, Markgraf, die Gunst eines Fürsten zieht uns ein Heer von Neidern zu.«

»Nun, das mag seyn, doch, wahrlich, ich beneid' Euch nicht.«

 

Als Otto ganz berauscht von Luitgards Schönheit war, trug er, als ein mächtiger Herr, der mit seinen Gefühlen nicht so geheim ist, als eine Privatperson von niederm Range, durchaus kein Bedenken, die Liebe, die er für die reizende Markgräfin in seinem Innersten empfand, seiner Mutter und Adelheid, seiner Großmutter, zu offenbaren. Die klugen Frauen wußten es wohl, daß sie nur Öl ins Feuer gegossen, die Leidenschaft des jungen Mannes noch mehr erhitzt haben würden, wenn sie ihre Mißbilligung ihm verriethen, daß er sich mit einer Markgrafentochter, und mit einer Deutschen noch dazu, in eine eheliche Verbindung einlassen wollte. Schon längst waren sie darüber einstimmig, daß Otto keine Andere, als eine griechische Prinzessin, ihre nahe Verwandte, die schön und zart gebildet war, heirathen sollte. Daß er sich mit einer deutschen Prinzessin, bei der Erziehung, wie er sie unter dem südlichen Himmel erhielt, für die Länge der Zeit nicht glücklich fühlen werde, wenn der Firniß ihrer Reize verbleicht und seine leidenschaftliche Verehrung derselben abgekühlt war, das berechneten und erwogen sie.

Als Otto die Vorzüge rühmte, die er an dieser Luitgard, vor allen ihres Geschlechts, wahrgenommen hatte, stimmten die Frauen mit ein, da sie es noch nicht ahneten, wohin dieses Rühmen zielen sollte. Die ältere Adelheid machte aber dennoch die Seitenbemerkung:

»Es mag sich manche deutsche Fürstentochter finden, die die Natur mit allen Reizen einer jugendlichen Vollkommenheit ausgestattet hat, aber was den Geist ergötzt, das Herz vergnügt, das ist ihnen versagt. Ein Mädchen aber im vollsten Schmucke der Schönheit, ohne innere Verfeinerung, ohne Reichthum an Gedanken und veredelten Gefühlen, kann doch nur für ein Bild ohne Leben gelten. Rauh sind die Deutschen alle und ahnen nicht die griechische Abgeschliffenheit.«

»Gebildeten Geist und feine Sitte,« sagte Otto, »ersetzt das fromme, klare und sanfte Gemüth, und, was ist alles Erlernte, als ein leeres, eitles Prunkwerk, wenn ihm dieses nicht Farben, Schmuck und Wahrheit leiht? Geistlos und roh könnt Ihr diese Luitgard doch nicht nennen, dazu kennt Ihr sie zu wenig und habt sie nur Einmal gesehn.«

Nach einer kurzen Weite fuhr er also fort:

»Wenn ich mein Inneres prüfe, so sagt mir's Alles, diese Luitgard ist der Engel, den mir die Vorsehung zuführt, welcher mich auf meiner fernern Lebensbahn begleiten soll.«

»Ihr seyd, wie alle Jünglinge,« sagte Adelheid, die bei einer ehelichen Verbindung das Herz und nicht den Verstand reden lassen und das ist natürlich.«

»Kaiserin, ich dächte, das wäre kein Fehler, wenn wir uns in der Liebe dem Herzen, als dem sicherern Führer anvertrauten, wir lieben ja mit ihm und nicht mit dem Kopfe.«

»Aber, da wo das Herz allein nur wählt, da sind Mißgriffe oft unvermeidlich!«

»Wohl möglich, doch wer hat es berechnet, ob sich der Verstand öfter, oder ob sich das Herz öfter irrt. Wären denn die Ehen die glücklichsten, wo dem Verstande die Wahl und die Entscheidung allein überlassen blieb? Frage ich mein Herz, so wird's mit nie empfundener Liebe zu dieser Luitgard hingezogen, und fürwahr, mein Verstand macht keine Einwendung dagegen. Ist sie nur fromm und gut und kann sie mich treu und zärtlich lieben, so verzichte ich gern auf den äußern Glanz, der oft nur täuscht. Und gesetzt auch, es fänden sich in ihrem Wesen noch Spuren von rauher Deutschheit, wie leicht werden sich diese verwischen, wenn sie in Eure Schule kommt, und nur gelehrig ist.«

Durch diese und andere Äußerungen verrieth es Otto deutlich genug, daß er den festen Entschluß gefaßt hatte, sich mit Luitgard zu vermählen. Nicht mit Gewalt, sanft, mit Klugheit und List, wollte man die Neigung in ihm schwächen. Er hatte seine Liebe zu der Markgräfin auch seinem Vormunde, dem Herzog Heinrich, entdeckt, der sie zu billigen schien. Er verschwieg es dem Baier in seiner Offenherzigkeit und, durch einen Verdruß gereitzt, nicht, daß seine Mutter und Großmutter für die Verbindung nicht stimmten, wahrscheinlich, weil sie ihn als das Werkzeug betrachteten, durch das sie eine griechische Prinzessin, Teophania, auf den einstigen Kaiserthron erheben wollten. Das aber sollte nie geschehen, in der wichtigsten Angelegenheit seines Lebens werde er der Weiberleitung nicht folgen und nur auf die freie Wahl seines Herzens achten.

Der kluge Heinrich billigte nicht allein die Neigung seines Mündels zu der schönen Luitgard, sondern rühmte auch seinen festen Entschluß, der von Selbstständigkeit, dem Fundamente jeder Jugend, zeige. Er entwarf von den sittlichen Vollkommenheiten Luitgards, von der frommen Erziehung, die sie genossen hätte, von der Milde und Zartheit ihres Charakters ein so einnehmendes Bild, daß er dadurch die Neigung des Jünglings nur noch mehr entzündete.

»Zwar,« sagte er, »ist sie nur die Tochter eines Markgrafen, aber welch eines Vaters, der ein Kaiser seyn könnte, wenn er die Macht dazu hätte.«

»Aber,« fragte Otto, »wie werd' ich's erfahren, ob Luitgard mich liebt? Nach Meißen oder Merseburg reisen und dann mit einer abschläglichen Antwort abzuziehn, den Schimpf könnt ich nicht ertragen.«

»Schickt einen Herold an den Markgraf, meldet ihm Euer Vornehmen, er muß sich durch Euern Antrag geehrt fühlen und wird Euch seine Tochter nicht verweigern. Welch eine Freude wird im deutschen Reiche entstehn, wie werdet Ihr die Herzen von Millionen erobern, wenn Ihr Euch nicht mit einer griechischen Jungfrau, wie Euer Vater, sondern mit einer deutschen vermählt! Sie wird Euch mit ihrer Liebe mehr an Deutschland fesseln und die Landesbewohner werden sich nicht mehr wie Stiefkinder ihrer Kaiser betrachten müssen. Aber, das muß ich Euch rathen, umhüllt die Geschichte Eurer Liebe mit einem geheimnisvollen Schleier und laßt ihn erst dann verschwinden, wenn es der menschlichen Macht unmöglich ist, das Glück, was Ihr sucht, zu zerstören. Ihr habt, wie Ihr das selbst erkanntet, mächtige Frauen wider Euch, die, was sie mit Gewalt nicht vereiteln können, mit feiner List zerstören. Welche Bilder könnten sie Euch vorgaukeln, welche Märchen erdichten, welche Hindernisse aufthürmen, um Euer Herz, von der Markgräfin zu entfernen, Eure Neigung gegen sie auszulöschen! Wie würden sie sich dann ihres Sieges freuen und Ihr, wie Ihr das selber sagtet, müßtet ihnen zum Werkzeuge dienen. Ihr wißt's, gewogen sind sie mir nicht. Aus Wahrheit und Recht, aus Liebe zu Euch, mußte ich schon oft Parthei wider sie nehmen und ihre Anschläge vereiteln. Verriethet Ihr es, daß ich auch in dieser Angelegenheit auf Eurer Seite stehe, sie würden mich hassen und es mit feiner italienischer Rache zu vergelten suchen, daß ich auf Eurer Seite stehe.«

 

Der Herold wurde, wie wir gemeldet haben, insgeheim nach Meißen abgeschickt und eilte nach Weimar, als er erfuhr, daß sich der Markgraf dort bei seinem Schwager, dem Herzog Bernhard, aufhalte.

Es war Otto'n nicht lieb, daß er zu dem Heroldsgeschäft nicht den Graf Dedo von Wettin, diesen klugen, verschlagenen Kopf, gebrauchen konnte, welcher von dem Herzog Heinrich in einer Privatangelegenheit nach Frankfurt geschickt war und erst nach zwei Tagen von dort zurück erwartet wurde. Bis dahin wollte Otto nicht warten, weil ihm an einer schleunigen Entscheidung gelegen war.

Am Abend desselben Tages, da der Herold in dunkler Frühe abgegangen war, ließ die Kaiserin Adelheid den Herzog zu sich laden und ihm den Wunsch zu erkennen geben, diesmal ihrer Bitte zu folgen, da sie ihn in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen wünsche. Er ahnete die Ursache, da er zur ungewöhnlichen Zeit und so dringend genöthigt wurde und bereitete sich auf die Unterredung mit aller Klugheit vor. Er fand sonst Niemand bei ihr, als die Mutter Otto's. Mit großer Freundlichkeit und achtungsvoll, wie immer, so, daß Niemand das feindliche Verhältniß bemerken konnte, in welchem die Partheien mit einander standen, wurde er empfangen. Nach den gewöhnlichen, nichtssagenden Gesprächen, der höfischen Artigkeit, sagte Adelheid:

»Wie mir's scheint, so muß eine besondere Veränderung mit Otto vorgegangen seyn, die ich mir nicht erklären kann. Er scheint mir verstimmt zu seyn. Das deutsche Clima, so rauh und kalt, paßt für ihn nicht. Will er sein Leben verlängern, so muß er nach Italien ziehn. Wir sind um ihn besorgt. Es ist ihm doch sonst nichts Widriges begegnet? Ihr seyd ja sein vertrauter Freund, er ist mit Euch, wie der Sohn mit dem Vater, könnt Ihr uns nicht Aufschluß geben und unsere Besorgnisse zerstreun?«

»Was er der Mutter und Großmutter nicht gesteht, das sollt' er mir offenbaren? Euch gehört sein Herz. Es ist die Frage, ob meine Nähe ihm nicht drückend ist und ob er die Zeit nicht herbeiwünscht, wo er sich meines Dienstes entledigen kann. Ein Vormund erntet selten den rechten wohlverdienten Dank. Verändert find' ich ihn auch nicht. Es hat ein Jeder seine Launen, das sind die Wolken, die den heitern Himmel seiner Seele überziehn und bald wieder verschwinden. Wohl kann es seyn, daß er Gedanken und Gefühle verbirgt, die er nicht durch Worte jetzt verrathen will, vielleicht, wenn er sie nicht länger verschließen kann, treten sie dann ans Licht. Von Geheimnissen aber, die er mir entdeckt, kann ich wenig sagen.«

»Sagt,« fing die verwittwete Kaiserin Adelheid an, »kennt Ihr den Markgraf von Meißen genauer? Was ist das für ein Mann?«

»Wie fallt Ihr doch auf diesen Markgraf und wollt über ihn ein Urtheil von mir hören! Dazu müßt Ihr besondere Gründe haben. Er ist ein Fürst, wie's andere sind, der Mächtigste fast in Deutschland seines Ranges. Manche Tugend könnte ich von ihm rühmen, und ausgezeichnet würde ich ihn nennen, wenn ich ihn von dem Fehler der Ruhmbegierde frei wüßte. Er möchte gern ein Kaiser seyn, wenn er's nur werden könnte. Die Ehrsucht ist für ihn ein Stachel, der ihn stets verwundet. Höhere Verbindungen knüpft er gern an, weil er sie als Stufen zu gebrauchen denkt, um höhere Würden zu ersteigen.«

»Aber das oft ein großer Fehler, der in den Reichen schon unsägliches Unrecht angerichtet hat.«

»Das ist er, aber wie wollt Ihr ihn ausrotten! Diese Sucht, selbst auf fremde Unkosten mehr zu werden, herrscht auch unter dem gemeinsten Pöbel, wo sie doch wenig Nahrung findet.«

»Kennt Ihr auch seine Gattin, seine Tochter?« fragte die Kaiserin.

»Ich denke, Ihr habt sie selbst gesehen und mit ihr gesprochen.«

»Die flüchtige Unterhaltung in der großen Gesellschaft, wo fast ein Jeder eine angenommene Rolle spielt und vorzüglicher erscheinen will, als er, nach seinem Urtheil ist, konnte mich weder zu ihrer, noch zur Kenntniß ihrer Tochter führen.«

»Die Familie des Markgrafen scheint Euch sehr zu interessiren! Warum, das mögt Ihr selbst am besten wissen.«

»Ich leugne es nicht, die Mutter und die Tochter fielen mir, ob ihrer Schönheit und besonderen Reize, vor allen Frauen auf. Sagt mir, ich bitte Euch darum, was Ihr von Beiden wißt.«

»Da ich nur Gutes von ihnen zu sagen weiß, bin ich dazu gern erbötig, so weit meine Kenntniß reicht.

Schwanehilde, die Gemahlin des Markgrafen, des Herzogs Bernhard von Weimar Schwester, ist eine Fürstin von der Gleichen. Der Stamm, von dem sie entsprossen ist, konnte nur die edelsten Früchte tragen. Es lebt in ihr eint hoher Geist, von Irrthum unverblendet, ein Sinn, dem höchsten Gute zugewandt und ein Herz, von Sünden rein. Was andere Frauen Liebes, Zartes, Treues für den Gatten nur zu beweisen scheinen, wenn sie mit listiger Täuschung den Gläubigen betrügen, das beweist sie in der Wirklichkeit. Sie ist eine wahrhaft fürstliche Mutter und ein schönes Vorbild ihrer Tochter. Kein Hochmuth bläht ihre Brust auf, sie ist herablassend gegen den Niedrigen. Sie hat schon manchen Schmerz gestillt und Freude da verbreitet, wo der bittere Kummer weinte. O, möchten alle Frauen der Großen, wie diese Schwanehild seyn! Was aber soll ich von Luitgard sagen? Die ist ein Kind, eine Knospe, die sich noch nicht entfaltet hat. Doch, wenn die Mutter so gut ist, so wird die Tochter auch gerathen.«

»Fürwahr,« sagte Otto's Mutter, »wäre diese Markgräfin noch unvermählt, man sollte glauben, sie hätte Euch bezaubert. Nur Licht und Glanz seht Ihr an ihr. Die ganze Frauenwelt stellt Ihr gegen sie in Schatten. Nichts weiter wißt Ihr von der Tochter? Auch das nicht, daß sie meinem Otto so gefiel?«

»Ein Jüngling nennt nicht immer die Schönen, die ihm bald hier, bald dort gefallen und nur auf flücht'ge Zeit ihn fesseln, bis es endlich Einer glückt, ihn im Netze einer zarten Neigung zu verwickeln.«

»Wäre dies dieser Luitgard nicht gelungen,« fragte die Kaiserin Adelheid, »und wär' Euch davon auch nichts zu Ohren gekommen?«

»Das wird einer Deutschen schwerlich glücken. Die deutsche Luft behagt ihm nicht, er fühlt sich fremd unter unserm Himmel. Findet er auch eine Jungfrau, die durch körperlichen Reiz ihn entzückt, so wird der gute Eindruck, den sie auf ihn machte, durch ihre Sprache, durch den Geist, der sich in ihr offenbart und ihre ungelenken Sitten zerstört. Die feinern Griechinnen lassen ihn an Vollkommneres denken. Wem Wahrheit, Redlichkeit und Treue nicht die höchsten Güter sind, wie könnte der ein deutsches Mädchen zur Gattin sich erkiesen?«

»Meint Ihr, daß Otto diese Tugenden nicht ehrt und daß sie den Griechinnen fehlen? Nur sanfter, weicher, anmuthiger treten sie in Griechenland ans Licht. Ein jedes Land hat seine Farbe, seine Weise.«

Kurz, die Unterredung endigte sich in der Art, daß die Frauen es von ihm nicht erfuhren, ob Otto ernste Anstalten treffen wollte, um mit Luitgard in eine eheliche Verbindung zu treten. Mit einer andern Lockspeise wollten sie den Herzog kirren, um ihn gegen die Heirath einzunehmen, ihn auf ihre Seite zu ziehn, daß er sie zu hintertreiben suchte, damit es nicht dazu kam.

 

Dedo von Wettin war unterdeß in Aachen angekommen, er ging zum Herzog und meldete ihm den glücklichen Erfolg seines Auftrags. Als der Herzog ihm für den Eifer und die Klugheit gedankt hatte, die er zur Erreichung seines Zwecks anwandte, sagte er:

»Um Eures Besten willen, hätte ich's wohl gewünscht, daß ihr einen Tag früher angekommen wäret, das hätte Euch gewiß viel eingebracht. Die großen Herrn sind gegen ihre Diener nie dankbarer, als wenn diese ihnen behülflich sind, daß ihren Neigungen ein Genüge geschieht, und gewiß hättet Ihr das Geschäft besser ausgerichtet, da Euch die Person, an welche die Gesandtschaft gerichtet ist, bekannt ist. Laßt Euch ein Geheimniß offenbaren, das so lange verschwiegen bleiben muß, bis es die ganze Welt wissen kann, wie die Frucht noch zur Reife kommt. Denkt Euch, der heilige Otto, der vor den Bildern niederkniet und am Morgen seine Betereien und Bußübungen nicht enden kann, der täglich zehnmal in die Messe ging, stellt uns doch den Beweis, daß er, wie andere Adamskinder, Fleisch und Blut, Lust und Sinnlichkeit hat. Die Markgräfin Luitgard hat durch ihre Schönheit sein Herz so eingenommen, daß kein Raum für ein anderes Gefühl mehr in demselben ist. Für Deutschland wär' es besser, wenn er sich mit einer Deutschen verbände. Er denkt nur an die Schöne, er redet nur von ihr. Ich weiß es wohl, die Weiber, die ihn zu beherrschen suchen, mit denen er in ewigem Kampfe liegen muß, suchen mit Emsigkeit die mögliche Verbindung zu hintertreiben. Wenn Otto in seiner Neigung bleibt, ich selbst will ihn in ihr bestärken, so werden alle Weiberränke in Nichts zerstieben. Eine kleine Rache möchte ich wohl an ihnen nehmen, die haben sie zehnfach verdient. Vielleicht wißt Ihr von dieser Luitgard mir Rühmliches zu erzählen, was ich so im Gespräch gebrauchen kann, um Otto's feurige Liebe noch mehr zu entzünden. Seyd aufrichtig, an Eurer Willfährigkeit darf ich nicht zweifeln.«

»Herzog,« entgegnete Dedo, »wozu würde es dienen, wenn ich Luitgard die größte Lobrede hielte, denn Niemand kennt das fromme, liebevolle Kind wohl besser, als ich. Ihr dürftet, wenn Ihr nicht großes Unheil anrichten wollet, mit Otto davon nicht reden. Eine entflammte Leidenschaft, die keine Befriedigung findet, ist uns zur Höllenmarter in die Brust gegeben.«

»Ihr sprecht ja in räthselhaften Worten und ich kann ihren Sinn nicht deuten.«

»Der Sinn meiner Rede ist Euch mit den wenigen Worten aufgeschlossen: Otto kommt mit seiner Werbung zu spät; Werner, der einzige Sohn des Markgrafen Luther von Brandenburg, und Luitgard sind mit einander verlobt: Ihre Verbindung ist die Frucht einer frühern Kindesliebe. Schwerlich hat Otto, und wenn er schon der Kaiser wäre, so viele Gewalt über Luitgard, daß er sie von dem Herzen des Geliebten reißen und sie zur Wortbrüchigkeit verleiten könnte. Sie ist nicht, wie flatterhafte Dirnen, die mit Jünglingen spielen und wenn der Vornehmste, Reichste und Schönste kommt, sich dem in die Arme werfen. Ihr Inneres ist ein Tempel der Religion, und wo diese leuchtet und erwärmt, da ruht die Liebe auf festem Grunde. Gewiß, es mag ihr jeder Preis geboten werden, sie läßt von Wernern nicht, und Werner läßt nicht von ihr. Wehe dem, der ihm die Geliebte abspenstig machen und sie ihm rauben will! Er verfolgt ihn mit dem Dolche der Rache bis an die Enden der Erde, und weicht nicht eher, bis er den zornigen Muth gekühlt hat. Ihr kennet diesen Werner nicht, wie ein Löwe kann er wüthen. Von seinem Rechte läßt er sich nichts, auch nicht von einem Kaiser, abdingen. Sein Leben ist mit Luitgard aufs innigste verwachsen, und hat er die nicht mehr, so wird's langsam verwelken, oder in einem Sturme plötzlich untergehn.«

»Schlechte Aussichten« sagte der Herzog und zuckte die Schultern. »Nein, nein, ich kenne auch Otto, so leicht läßt er sich nicht abschrecken. Ihr wißt's, er ist vom religiösen Wahn befallen und schwärmt wie seine Mutter. Fest steht in ihm der Glaube, die Vorsehung hat Luitgard ihm erkohren. Keine Mittel wird er scheuen, diesen Rath des Himmels ins Werk zu richten und thut er Böses auch, so meint er doch, daß er Gott einen Dienst erwiesen habe. Der Markgraf trägt die Nase hoch und sieht voll Hochmuth nach den Sternen, gewiß, der Lockspeise, seine Tochter einst als Kaiserin gekrönt zu sehn, vermag er nicht zu widerstehn, Luitgard wird sich anfangs sträuben, dann nachgeben und endlich glauben, es sey in der Welt auch ehrenvoller, eine Kaiserin, als eine Markgräfin zu seyn. Mag Werner toben, will er sich nicht beruhigen, so wird er sich den Kopf zerbrechen. Doch wartet, bis ich von dem verliebten Otto wieder komme, vielleicht wünscht er Euch auch zu sprechen, oder hat Aufträge an Euch, die sich auf eine glänzende Weise bezahlt machen. Es wird mir doch schwer, ihm das Geheimniß zu entdecken, was seinen Liebesplan, auf eine Weile wenigstens, erschüttert. Ich bitt' Euch, daß Ihr wartet.«

Der Graf von Wettin wälzte in der Zeit, wo er allein war, verschiedenartige Gedanken umher, die von Klugheit, List, Ruhmsucht und Eigennutz, aber nicht von einem redlichen, Recht und Wahrheit liebenden Gemüthe zeigten. Um ehrsüchtige Zwecke zu erreichen, nahm er's mit seinem Gewissen so genau nicht, wenn er das Unerlaubte nur so bemänteln konnte, daß es ihm nicht öffentlich zum Vorwurf und zur Unehre gereichte. Menschen seiner Art meinen es auch mit ihren Freunden nicht gut, sie halten sie sich nur zum Schein, wie Diener, die sie als Werkzeuge brauchen, gewisse Vortheile durch sie zu erreichen, sind die erlangt, bedürfen sie derselben nicht mehr, so verlassen sie sie und knüpfen mit Andern ein Freundschaftsband, bei denen sie eine neu Ernte zu halten glauben. Aufopferungen für den Freund kennen sie nicht.

Mit der Liebe Otto's gegen Luitgard, die mit der innigsten Zärtlichkeit an Werner hing, war es doch eine besondere Sache. Er war zweifelhaft, welche Parthei er ergreifen, was er in der kritischen Sache thun sollte, wenn ihm eine Rolle zu spielen aufgetragen wurde. Daß er von Otto einen nicht kleinen Preis erwarten konnte, wenn er das Haupthinderniß seiner Liebe zu der Jungfrau hinwegräumte, das lag ihm klar vor Augen, wie das aber zu bewirken war, um nicht Strafe, anstatt Belohnung zu empfangen, das, das war die schwere Aufgabe, die er noch nicht zu lösen vermochte. Indeß ein Kopf seiner Art ist reich an Erfindungen und weiß sich durch die Irrgänge verschlungener Plane hindurch zu finden. Aber, wenn er Otto'n hülfreich beistand und die Hauptmacht war, daß Wernern die Braut vom Herzen gerissen wurde, was mußte er von diesem grimmigen Löwen fürchten, wenn er ihm, als der Zerstörer seines höchsten Erdenglücks, verrathen wurde? Die That selbst fand er so strafbar nicht, da Werner noch nicht die Zustimmung der Eltern, zur Verheirathung mit Luitgard, erhalten hatte, da er, bei seiner Kenntniß, die er von dem ruhmsüchtigen Eckard hatte, sicher glaubte, daß dieser einen zukünftigen Kaiser einem Markgrafensohn, als Eidam, weit vorziehn werde. Die Aufgabe war jetzt also die, wenn er sich dem Dienste Otto's wider seinen Freund hingab, daß es diesem nie kund wurde, wie feindlich er gegen ihr verfuhr und daß ihm die Möglichkeit genommen wurde, Strafe und Rache an ihm üben zu können.

Als Heinrich Otto'n sprechen und ihm melden wollte, daß es sehr zweifelhaft sey, ob er seinen Zweck erreichen und eine eheliche Verbindung mit Luitgard knüpfen werde, erhielt er den Bescheid: Der Kaiser sey seit einer Stunde schon in der Kapelle und beschäftige sich mit Andachtsübungen. Otto, so jung er war, äußerte einen großen Hang zur Schwärmerei; er war von dem Aberglauben seines Zeitalters nicht frei; ehrte die Heiligen; betete die Märtyrer an und hatte eine fast sclavische Ehrfurcht für die Priester. Im Geiste hatte er dem Clerus große Schenkungen bestimmt, wollte Klöster und Kirchen erbauen, um sich die Seligkeit des Himmels zu erkaufen. Wie weit er's mit diesem Heiligendienst trieb, das wird uns in der Folge eine höchst auffallende Begebenheit lehren.

Endlich kam Otto und der Herzog ließ sich bei ihm melden.

»Leider, so muß ich fürchten,« fing Heinrich an, daß Ihr keine erwünschte Antwort von dem Markgraf erhalten werdet.«

»Und,« fragte Otto mit Heftigkeit, »warum fürchtet Ihr das?«

»Ganz in der Ferne sprach ich mit dem Graf von Wettin über eine bevorstehende Verbindung Luitgards. So, so, fiel er mir in die Rede, wird Werner sie für Trau führen? Daß dieß so nahe sey, hätt' ich nicht geahnet.«

»Wer ist dieser Werner?« fragte Otto mit Eil.

»Der einzige Sohn des Markgrafen Luther von Brandenburg.«

»Der, der sollte mir die Braut rauben?«

»Hört nur, was der Graf weiter sagte: die Eltern hätten öffentlich ihre Zustimmung noch nicht gegeben. Wartet es also ruhig ab, was Euch der Markgraf durch den Herold meldet, dann mögt Ihr entscheiden.«

»Der Werner also wäre Luitgards Geliebter? Den laßt greifen, einsperren, daß er mir nicht hindernd im Wege steht. Mit einem solchen Nebenbuhler sollt' ich streiten und er trüge endlich doch, zu meiner Schmach, den Sieg davon?«

Otto befahl, daß Dedo zu ihm kommen mußte, mit dem er selber sprechen wollte. Als der vor ihm stand, sagte Otto:

»Erzähle mir doch die Liebesgeschichte, die zwischen Werner und Luitgard besteht.«

Der Graf sagte davon, was er wußte.

»Hört, Graf,« fing Otto an und faßte ihn bei der Hand, »ein großer Preis, eine Grafschaft vielleicht, ein hoher Posten an meinem Kaiserhofe, meine Liebe und Gunst ist zu verdienen, wenn Ihr Sorge tragt, daß dieser Werner meiner Liebe nicht mehr hindernd im Wege steht. Geheim müßt Ihr die Sache treiben, daß sie nicht offenkundig werde, das heischt meine Ehre und Euer Vortheil.«

»Ihr tragt mir ein schweres Wagestück auf, bei dem ich mein Leben einbüßen kann; doch, der treue Knecht soll seinem Herrn auch mit dem Leben dienen. Wohlan, ich wage den Versuch. Ihr aber gehört nicht zu den Großen, die treue Dienste mit Undank lohnen, Eurer Güte, Euern Versprechungen darf ich trauen. Fruchtlos waren meine Bestrebungen nie, aber laßt Euch die Zeit nicht lang werden, es giebt Dinge, die sich in einem Tage nicht vollenden lassen.«

Der Herzog Heinrich entfernte sich mit dem Grafen und Otto dachte: Du Judas, verräthst den Freund um Silberlinge? Daß er es aber war, der ihn um den gelobten Preis zum Verräther machte und die Frucht der Verrätherei ernten wollte, das bedachte er nicht, seine Leidenschaft ließ ihn das nicht sehn.

 

Am folgenden Zage reiste Dedo nach der Nordmark ab und glaubte Wernern bei seinen Eltern zu finden. In Gardeleben fand er die Stadtbewohner in vollem Aufstande, die sich gegen die Räuberbande des großen Teufels gewaffnet hielten, um Angriffe, die er auf die Stadt machen möchte, abzuschlagen, da er ihnen noch keinen Vergleich angeboten hatte. Als Dedo von den Räubern hörte, da war der Plan, wie er Otto'n von einem gefährlichen Nebenbuhler befreien sollte, augenblicklich vollendet und er wähnte den verdienten Preis schon in den Händen zu haben.

So sehr er von den Garbelebern auch gewarnt wurde, den Weg nicht durch das Holz zu nehmen, er sagte:

»Wann ist es Sitte worden, daß ein Ritter sich vor Räubern fürchtet? Ihr Memmen mögt euch vor dem großen Teufel scheuen, ich will ihm den Kopf zurechtsetzen, wo er stehn soll.«

Vielleicht war er mit seinem Gefolge auf dem Wege von Gardeleben nach Salzwedel, eine Stunde geritten, als der Wald immer finsterer wurde und er einen Menschen erblickte, der rasch über den Fahrweg hinlief und sich im undurchdringlichen Dickicht verlor. Plötzlich erscholl ein gellendes Pfeifen und ein lauteres Gelärm.

»Die Schwerter zieht!« befahl Dedo, es wird hier eine blutige Hochzeit geben.«

»Wir kehren um,« sagte einer von den Knechten, »und laufen den Räubern nicht in den offnen Rachen. Für eine bessere Sache laßt uns unser Leben wagen. Ihr seyd gewarnt, die Gardeleber müssen solche übermüthige Keckheit verlachen.«

»Wer's von euch mit mir nicht wagen will,« sagte Dedo, »der fliehe zurück und sehe zu, ob der Rückweg nicht gefährlicher für ihn wird; ich aber fliehe nicht, wie ein Knabe vor einem Gespenste.«

Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, als die drei Knechte den Weg, den sie gekommen waren, sogleich zurück jagten und nur Conrad, ein alter getreuer Diener, schwor, sich mit seinem Herrn in offenbare Todesgefahr zu stürzen.

Als sie, im Fortreiten, um eine Ecke biegen wollten, da fanden sie, von etwa acht Räubern, die bis ans Knie verpanzert waren, den Weg verrennt. Sie hatten Schwerter und dicke aufgehobene Keulen.

»Na,« sagte Dedo trotzig, »macht Platz, versperrt die Straße nicht, ihr habt kein Recht dazu, sonst muß ich mir Bahn mit Gewalt machen.«

»Versucht's,« sagte der eine Räuber, »es wird Euch schlecht bekommen. So lange wir in diesem Walde hausen, sind wir die Herrn desselben und wer ihn durchzieht, muß sich verzollen. Leert Euern Beutel, gebt uns, was uns von Euch ansteht und dann mögt Ihr in Frieden weiter ziehn.«

»Nichts geb' ich Euch gutwillig; könnt Ihr etwas mit Gewalt erpressen, so muß ich's Euch überlassen. Wie schändlich ist das Handwerk, was Ihr treibt!«

»Nicht schändlicher, als es die Ritter treiben, die unsere Brüder sind. Doch wir pflegen nicht lange zu capituliren, entschließt Euch kurz, wir haben heute mehr zu thun. Ein Ungefähr führt Euch in unsere Schlinge.«

»So bringt mich zu Euerm Oberhaupte, ich muß ihn selber sprechen, Wichtiges kann ich ihm anvertraun, was vielleicht Euch selbst sehr nützlich ist.«

»So steigt von Euern Rossen. Hütet Euch uns zu betrügen, wir möchten die Lüge hart rächen.«

Vier von den Räubern gingen weiter, die andern begleiteten Dedo. Er mußte ihnen sein Schwert geben und es gestatten, daß sie die Rosse führten. Conrad war ruhig in seinem Herzen geworden, weil er der ihm wohlbekannten List seines Herrn vertraute, der sich immer einen Weg aus augenscheinlichen Gefahren zu bahnen wußte.

An drei Stunden waren sie gegangen, als sie nach einem offenen Plage im Walde hinkamen, wo die stärksten Bäume gefällt waren und eine Art von undurchdringlichem Verhau gemacht war. Der Eingang war mit einer Wache besetzt. Hinter dem Verhau war ein tiefer breiter Graben, den kein Roß überspringen konnte. Mehrere Lauben, so dicht, daß der Sonnenstrahl und der Regen nicht durchdringen konnten, standen, wie ein kleines Dorf, neben einander. Es herrschte ein munteres Leben auf dem Platze und Dedo zählte mehr als funfzig Menschen, unter denen Frauen, Jungfrauen und sogar kleine Kinder waren. Mehrere reitfertige Rosse, zum Theil kostbar gesattelt, standen an errichteten Krippen, und vor der größten Laube hielt ein bespannter Wagen. Neugierig sah man die Gefangenen an und erwartete höflich ihre Grüße.

»Da ist unser Oberhaupt,« sagte der eine Räuber, »das Ihr sprechen wollt.«

Es war ein großer, schöner Mann, noch in den besten Jahren, gekleidet wie ein stattlicher Ritter. Sein Auge war feurig, seine Miene ernst. Ihm zur Seite erblickte der Graf eine jugendliche Schöne, kostbar geschmückt; Boja war's, wie er keine Jungfrau noch reizender sah. Ein freundliches Lächeln spielte um ihre Lippen.

»Dieser Ritter, der uns seinen Namen nicht nennen wollte, sagte, er habe Euch Wichtiges mitzutheilen,« sagte der Räuber, »darum führten wir ihn zu Euch. Er mag's Euch selber sagen.«

»Und,« fragte der große Teufel, »das Wichtige wäre? Mit Euch Rittern hab' ich viel zu schaffen, aber Viele von Euch sind schlechte Bezahler, wenn man ihnen den Lohn nicht mit Gewalt abpreßt. Faßt Euch kurz, Ihr seht, mein Roß ist gesattelt, nicht lange kann ich mich verweilen. Was wollt Ihr? Habt Ihr mir annehmliche Bedingungen zu machen? Vor allen Dingen nennt mir Euern Namen.«

Dedo sagte dem Räuberhaupte leise ins Ohr:

»Ich bin der Graf von Wettin und gelobe Euch für eine kleine Gefälligkeit eine große Belohnung.«

»Laßt uns auf die Seite gehen, daß nicht alle Ohren unser Gespräch hören.«

Der Räuber faßte den Graf bei der Hand, ging funfzig Schritte mit ihm weiter, bis sie vor eine Thüre kamen, die zu einer geräumigen Höhle führte, in der, die Zierlichkeit der Wände abgerechnet, ein Glanz, ein Reichthum von kostbaren Sachen herrschte, wie sie ein begüterter Graf nicht aufweisen konnte.

»Ihr seyd also der Graf von Wettin? Womit könnt Ihr mir das beweisen? Ich bin gegen die Herrn Eures Standes sehr mißtrauisch geworden, denn Niemand auf Erden hat mich mehr betrogen, als Grafen und Ritter. Welchen kleinen Gefallen soll ich Euch thun, für den Ihr mir eine so große Belohnung anbietet? Kirrt mich nicht mit eiteln Versprechungen; schon manchen Adlichen habe ich schwer bestraft, der mir nicht Wort hielt. Nun sprecht von Eurer Sache in aller Kürze, den Bescheid kann ich Euch leicht geben. Ich hab's eilig; der Burgherr von der Isernschnibbe will sich mit einem Häuflein Bewaffneter die Lehre holen, daß man mit mir in Frieden leben muß, wenn man's gut haben will, so lange ich in einer Gegend hause.«

Der Graf fing also an:

»Ihr sollt's zur rechten Zeit erfahren, wenn ich, in Gesellschaft Werners, des Sohnes des Markgrafen Luther, einen Zug wider Euch unternehme, um Eure Bande aus dieser Gegend zu vertreiben. Mit Wernern reite ich voran, Ihr nehmt uns dann Beide zugleich gefangen. Sagt mir's im Voraus, welch Lösegeld ich Euch zahlen soll und welche Belohnung Ihr dafür wünscht, daß Ihr diesen Werner auf mehrere Wochen bei Euch gefangen haltet.«

»Ihr also wollt ein Bubenstück begehen und ich soll mich als Werkzeug dazu gebrauchen lassen? Um einen kleinen Preis, das sage ich Euch, thu ich das nicht. Einen Markgraf sich zum Feinde machen, das ist keine kleine Sache. Der bratete mich bei langsamem Feuer, wenn er meiner habhaft würde. Aber sagt mir doch, warum wollt Ihr denn diesen Werner der Gefangenschaft überliefern?«

»Er liebt heimlich Luitgard, die einzige Tochter des Markgrafen Eckard. Der Vater will sie ihm nicht zur Gattin geben, seit der Kaiser Otto sich um sie, als seine Braut, bewirbt. So lange Werner auf freien Füßen geht, wär's wohl möglich, daß er Unheil anrichtete, was diese Verbindung stören könnte. Seht also, kein Bubenstück will ich begehen, nur Böses, denk' ich zu verhüten und dazu sprech' ich Euch um Euern Beistand an, den Ihr mir nur leisten könnt.«

»Das ist ja eine Sache ganz besonderer Art,« sagte der Räuber lächelnd. »Gewiß werdet Ihr für Euern Dienst sehr gut bezahlt, und da ich bei dem Abentheuer die Hauptperson bin, müßt Ihr mich gut bezahlen. Das Geld kommt aus einer Kasse, in die das Gold aus allen Himmelsgegenden strömt.«

»Nun so fordert.«

»Tausend Gülden sind nicht zu viel. Es kann bei dem Kampfe Menschenleben kosten und ob ich mich selbst nicht einer großen Gefahr das bei aussetze, das könnt Ihr nicht wissen. Das muß theuer bezahlt werden. Wohlan, geht Ihr diese Forderung ein, so will ich Euch den Gefallen thun.«

Der Graf ging den Handel ein, erklärte aber, daß er die Summe erst dann zahlen könne, wenn Werner eingefangen sey und er in Aachen seine Gefangennehmung gemeldet hätte.

»Auch damit bin ich zufrieden,« sagte der Räuber. »Aber, wenn Ihr des Schreibens nicht kundig seyd, setzt Euch hier nieder und bekennt Euch zu meinem Schuldner mit tausend Goldgülden.«

Der Graf that's und der Handel war geschlossen.

»Nun aber,« sprach der große Teufel, »schwört einen Eid, daß Ihr's nicht verrathen wollt, daß Ihr mich hier fandet.«

Als dieser Eid geschworen war, sagte der Räuber:

»Umsonst aber kann ich Euch nicht entlassen. Wer in meine Gewalt geräth, der muß Tribut und Zoll an mich entrichten, so ist es alter Brauch. Ihr kommt von Aachen, von dem Kaiser, und seyd gewiß mit einem vollen Geldbeutel versehen, den müßt Ihr leeren. Wo Ihr ihn wieder füllt, das ist nicht meine Sache. Von hier bis Salzwedel ist ein kurzer Weg, bis dahin braucht Ihr keine Zehrungskosten.«

Der Graf weigerte sich nicht, dem großen Teufel seinen Beutel hinzugeben, der ihn sogleich auf die Seite legte und dann sagte:

»Nun, laßt mich's zur rechten Zeit wissen, wenn ich Otto's Nebenbuhler auf eine Weile in meinem Verwahrsam behalten soll. Aber nur betrügt mich nicht, wahrlich dann, und wenn Schwerter und Mauern Euch umringen, seyd Ihr der Strafe gewiß.«

Der Räuber ging mit ihm nach der großen Laube zurück, und indem er sich auf sein Roß schwang, sagte er zu seiner Gattin und Tochter:

»Reicht dem Graf, was ihm mundet und gebt ihm dann einen Führer mit, der ihn bis zur Straße nach Salzwedel begleitet. Als Freunde scheiden wir, macht's nicht so, daß wir uns als Feinde wieder sehen. Gütig und gefällig kann ich seyn, aber, wo's seyn muß, auch gerecht und unerbittlich strenge.«

Von zwei Räubern zu Roß begleitet, ritt der große Teufel davon.

Nach einem Aufenthalt von einer Stunde, wo der Graf auf's glänzendste bewirthet wurde, die angenehmste Unterhaltung fand und sich an den Reizen der liebenswürdigen Boja weidete, verließ er die Laube und wurde bis zur Heerstraße von einem Räuber hingeführt. Er gebot seinem Conrad die heiligste Verschwiegenheit, kein Wort zu verlauten, daß sie hier gewesen wären, und sagte:

»Alles Geld hat mir der Räuber abgepreßt.«

 

Mit Höflichkeit wurde er von dem Markgraf Luther und seiner Gemahlin aufgenommen, erfuhr aber auch zu gleicher Zeit, daß Werner zum Markgraf Eckard abgereist sey. Er sprach von der Unruhe und Furcht, die er in Gardeleben, der Räuber wegen, fand, daß er selbst von ihnen überfallen und seines Geldes beraubt sey, weshalb er den Markgraf bitten müsse, ihn mit einer Summe, zur Fortsetzung seiner Reise zu unterstützen, die er ihm bei der ersten Gelegenheit wieder bezahlen wolle. Sogleich wurde ihm die verlangte Summe gereicht. Da es hieß, man vermuthe, daß Werner in Merseburg sey, so richtete er seinen Weg dahin.

»Statt, daß Ihr jungen Leute in der Welt umher reitet,« sagte der Markgraf, als der Graf so eilig Abschied nahm, »auf Abentheuer ausgeht und, Eurer Lust wegen, die Rosse müde reitet, solltet Ihr Euch das Verdienst erwerben und Euch an die Spitze einer bewaffneten Schaar stellen, um den schwarzen Teufel mit seiner Rotte aus der Gegend zu verbannen. Er treibt sein böses Spiel, frei und ungehindert, wie ein regierender Herr. Genug hab' ich mit den Wenden zu thun und kann meine Bewaffneten von Räubern nicht erschlagen lassen. Fordert Städte und Dörfer auf, die gemißhandelt und gebrandschatzt werden; sie folgen Euch und straft die Ritter, die mit den Räubern gemeinschaftliche Sache machen! So hab' ich's Wernern auch gesagt, er hat dafür kein Ohr.«

»Nun,« sagte der Graf, dem der Vorschlag des Markgrafen der erwünschteste war, so sollt Ihr sehn, was ich thun und wagen kann, um das Verderben, was diese Räuber anrichten, von der Gegend abzuwenden. Meine Wettiner selbst sollen mir helfen. Und Werner, den ich zu dem Zuge bereden will, da ich des Vaters Wunsch für mich habe, wird mir gern folgen.«

 

Zu seinem Leidwesen erfuhr es Dedo in Merseburg, daß Werner nach Weimar geeilt sey, weil sich dort die Markgräfliche Familie auf eine ungewisse Zeit aufhalte. Als er langsam in Erfurt über den Gradenmarkt ritt und das zahlreiche Getümmel der Menschen sah, die sich hier versammelt hatten, um das Frohleichnamsfest zu begehn, rief's laut hinter ihm:

»Dedo! Dedo!«

Er sah sich um, erkannte Wernern und Beide begrüßten sich, Werner mit der Herzlichkeit eines Freundes und Dedo, wie etwa Judas der Verräther.

»Steigt vom Rosse,« bat Werner, »und laßt uns zusammen bleiben.«

Als Dedo vom Rosse gestiegen war, fragte Werner:

»Aber, wie kommt Ihr nach Erfurt, da Ihr doch kein Frommer seyd, daß Ihr bey dem Feste beiwohnen möchtet?«:

Dedo erwiederte mit freundlicher Miene:

»Die Sehnsucht, nach allzulanger Trennung, Euch zu sehen, trieb mich hieher. Warum Ihr aber hier seyd, das kann ich eben so wenig begreifen. In Weimar glaubt' ich Euch zu finden.«

»Wie, in Weimar? Wer zeigte Euch den Weg hieher zu mir?«

»In Salzwedel erfuhr ich, ihr wäret in Merseburg, da sagte man mir, Ihr seyet in Weimar und ein glücklicher Zufall ist's, der uns hier zusammen führt.«

Werner drückte ihm die Hand und sprach:

»Habt Dank für Eure Liebe, ich weiß es wohl, daß Ihr mein Freund seyd. Doch, was stehn wir hier auf der Straße, wo uns die Leute angaffen und uns jedes Wort von der Lippe lesen wollen, kommt mit in mein Quartier, laßt dort die Rosse futtern, wir plaudern dann weiter.«

Im Quartier erzählte Werner, daß ihn der Zufall mit seiner Luitgard, die er bei der Herzogin von Weimar hier fand, zusammengeführt habe. Die Frau habe ihm ein so befremdendes Gesicht gemacht, als ob sie seine Nähe ungern gesehn hätte. Auf seine Bitte, ihm die Erlaubniß zu verstatten, sie nach Weimar begleiten zu dürfen, hätte sie ihm eine höfliche Antwort gegeben, die ihm wie eine Verweigerung, vorgekommen sey. So glücklich es ihn machen werde, in Luitgard's Gesellschaft einige Lage zuzubringen, so vertrage sich's doch nicht mit seinem Ehrgefühl, als ein ungebetener Gast Andern lästig zu fallen.

»Noch fehlt mir's an einem passenden Vorwande, der Herzogin meinen versprochenen, oder erbetenen Besuch abzusagen,« sagte Werner. »Die edle Frau möcht' ich doch nicht erzürnen. O, dieses Wiedersehn und Trennen von Luitgard, es ist ein trauriger Wechsel! Zur Ruh' komm ich nicht eher, bis ich mit ihr verbunden bin. Alle Kräfte und Mittel werde ich aufbieten, daß sich mein Geschick entscheide. Die sichere Hoffnung, daß es für mich günstig ausfalle, ist's, an der ich mich halte. Welche Macht wäre es denn, die Luitgard von mir trennen könnte!«

»Keine, keine!« sagte der Graf. »Aber, wenn Euch mit meinem Vorwande gedient ist, um nicht nach Weimar zu reisen und dort ein lästiger Gast zu seyn, den kann ich Euch geben und zwar einen gegründeten, sehr wichtigen.«

»Und der wäre?«

Der Graf fing also an:

»Als ich auf meiner Reise nach Salzwedel durch Stendal kam, hörte ich schon von dem Räuber Günzel von Kuhberg allerlei Gräuel erzählen, die er verübte. In Gardeleben war alles in Furcht und Angst, daß er die Stadt mit seiner Rotte überfallen werde und die Bürger des nöthigen Widerstand nicht leisten könnten. So sehr ich gewarnt wurde, den Weg durch den Wald zu nehmen, ich wagt es doch; aber theuer genug mußt ich für meine Keckheit büßen. Ich wurde überfallen, mußte dem Räuber meine volle Börse geben und hatte vom Glück zu sagen, daß ich mit heiler Haut davon kam. Beim Abschiede in Salzwedel sagte Euer Vater: ›Ihr jungen Leute schwärmt umher und treibt nur Possen, geht hin, schlagt den Günzel von Kuhberg mit seiner Rotte nieder, daß Euch die schwer bedrückte Gegend danke.‹ Werner, er sagte das mit einem Zorn-Gesicht und donnerte die Worte. Ich hab's ihm versprochen. Seht, das ist Eure Entschuldigung bei der Herzogin.«

»Sie ist's, ja, sie ist's! Gegen Räuber also kämpfen, statt bei der Braut leben, ein närrischer Wechsel, aber, wie mein Gemüth jetzt ist, so gefällt er mir. Wehe dir Günzel und den Rittern, die deine Freunde sind und mit dir den Raub theilen.«

 

Als Werner von der Herzogin zurückgekommen war, sagte er mißvergnügt:

»Nun laßt uns aus diesem Neste eilen, es ist mir in ihm schrecklich, da ich meine Luitgard hier weiß und sie nicht sehen kann. Nun, das verwünschte Spiel, das sie mit mir treiben, soll bald zu Ende kommen.«

Mit Vorsatz nahm er den Weg über den Anger und in der Hoffnung, seine liebe Luitgard noch einmal zu sehen und sie zu überzeugen, daß sie ihn in Erfurt nicht wieder schauen werde.

Die beiden ritterlichen Jünglinge setzten ihre Reise mit aller Schnelligkeit fort und kamen, ohne sonderlich zu rasten, am andern Morgen in Wettin an. Sie wollten einen Tag ausruhn und dann dem Kampfe mit der Räuberbande entgegen gehn. Ingeheim hatte Dedo seinen Vertrauten mit einem Schreiben an Günzel von Kuhberg abgefertigt und die Zeit wahrscheinlich bestimmt, wann er im Walde mit Werner erscheinen werde.

Als der Räuber den Brief las, sagte er bei sich selbst:

»Welch ein verbrecherischer Mensch ist dieser Graf von Wettin! Ein Räuber bin ich zwar, der die Gesetze, welche Achtung gegen fremdes Eigenthum gebieten, nicht respektirt; aber so verrätherisch hab' ich an einem Freunde nie gehandelt. Nun, du falsche Seele, der Strafe wirst du nicht entrinnen und wenn du hier von ihr frei bleibst, so gibt's für Geister deiner Art eine Hölle.«

Dedo von Wettin gebot vierundzwanzig wohlgerüstete Dienstleute auf, die ihn in den Kampf gegen die Räuber begleiteten. Er machte ihnen damit Lust zu dem Zuge, daß er log, die Rotte wäre leicht zu überwältigen und ihre Mühe würde durch die Beute, die sie machen könnten, reichlich bezahlt werden.

Als sich Werner in Gardeleben zeigte, und es kund thun ließ, daß er sich, als ihren Erlöser von den Diebereien und Gewaltthätigkeiten der Räuberbande, eingefunden habe, da sammelten sich um ihn mehr als zweihundert rüstige Männer und Jünglinge, mit Spießen, Keulen, Hellebarden, Bogen und spitzen Waffen.

Dedo von Wettin zog an einem Morgen in aller Frühe mit seinen Leuten voran und Werner folgte in einem zweiten Zuge mit dem Gardelebern. Jedermann wunderte sich über den kühnen Muth des Grafen. Er schickte rechts und links einige Bewaffnete aus, welche den Hauptsitz der Räuber auskundschaften sollten. Sie fielen in Günzels Gefangenschaft und dienten nur dazu, daß er gewiß erfuhr, das betrügerische Spiel sollte nun beginnen.

Vielleicht war Dedo im Walde eine Meile vorwärts geritten und Werner folgte ihm in einer Entfernung von tausend Schritten da nach, wo das buschigte Dickicht am undurchdringlichsten war. Von allen Seiten stürzten plötzlich Räuberschaaren hervor und drangen auf ihre Feinde ein. Erschrocken flohn die Wettiner ohne ihren Anführer zurück, von dem sie weiter nichts wußten, als daß er in die Gefangenschaft der Räuber fiel. Als sie sich mit ihren Rossen auf die Gardeleber stürzten, da sie sich durch die Flucht retten wollten, richteten sie unter ihnen, die schon den Rücken gewandt hatten und mit Geschrei entwichen, nur größere Unordnung an. Die Räuber hieben mit flachen Klingen auf ihre Feinde und sprachen:

»Sagt euren Kameraden, das ist das Botenlohn, was wir denen bezahlen, die uns im Walde besuchen.«

Mit Schwielen kamen sie davon, einige wurden gefangen genommen, Niemand aber verlor dabei das Leben. Aber den härtesten Kampf mußte Werner mit vier Räubern bestehn, die völlig geharnischt auf ihn eindrangen und, nach einem gewaltigen Ringen, wobei er völlig erschöpft vom Rosse sank, sich seiner bemächtigten. Er wurde zu Günzel geführt und fand dort auch den Graf von Wettin.

Als sich Werner von seinem ohnmächtigen Zustande erholt hatte, fuhr er zornig also den Räuberhauptmann an:

»Wißt, ich bin des Markgrafen Sohn, in dessen Lande Ihr Eure Schande treibet. Thut Ihr mir Gewalt an, ober gebt Ihr mir heute nicht die Freiheit wieder, so fürchtet alle Martern. Es ist meinem Vater ein Kleines, Euch mit Eurer Rotte zu vertilgen.«

»Junger Mensch,« entgegnete Günzel, »mäßigt Euern Zorn und macht Euch mit Drohworten nicht lächerlich. Wißt, ich bin jetzt Euer Herr und kann gebieten. Zeigt, daß Ihr ein Mann seyd, der sich in sein Schicksal zu finden weiß. Ihr geltet mir nur darum mehr, weil Ihr mehr Lösegeld bezahlen könnt, als ein gemeiner Mann, sonst aber nicht. Auch ich gebe Gesetze und gehorsam werden sie befolgt. Die Rache Eures Vaters fürcht' ich nicht, ist sie so gewaltig, daß ich ihr mit meiner Schaar, die größer ist, als Ihr es denkt, nicht widerstehn könnte, so zieh' ich weiter. So weit die Sonne scheint, da ist mein Land und die Priegnitz und Mecklenburg, die ich noch nicht besuchte, liegen mir am nächsten. Das Leben wird Euch nicht geraubt, Gefangener sollt Ihr nicht bleiben und die Gerichte, die auf Eurer Markgrafentafel stehn, sollen Euch auch gereicht werden. Ich dächte das Leben bei mir müßte Euch manche Unterhaltung gewähren. Viel Neues werdet Ihr erfahren und könnt lernen, daß Ordnung, Gehorsam, pünktlicher Dienst das Fundament ist, auf dem unsere Verbindung beruht. Ob Ihr's aber während Eurer Gefangenschaft hier gut ober übel haben wollt, das hängt lediglich von Euch ab.«

 

Wenige Tage nach Werners Gefangenschaft händigte dem Markgrafen ein Diener folgende Schrift mit den Worten ein:

»Ein Ritter hat sie überreicht, der im schnellen Galopp wieder davon eilte.«

Der Markgraf erbrach die Schrift und las, zu seinem Schreck, darin die Worte:

 

»Euer Sohn und der Graf von Wettin wollten mich und die Meinen vertilgen, aber Gott hat's anders gemacht und sie Beide, als Gefangene, in meine Hände gegeben. Kein Leid soll ihnen geschehen wenn Ihr nicht Anstalten macht, Rache an mir zu nehmen. Was Ihr mir Böses thut, will ich an Euerm Sohne bestrafen. Geduldet Euch nur einen Mond, dann ist er wieder frei. Welche Achtung ich für Euch habe, das will ich Euch auch damit beweisen, daß ich kein Lösegeld von Euch verlange. Für Euer Land aber wird es am besten seyn, wenn es unter uns nicht zum Kriege kommt.

Günzel von Kuhberg,
genannt der große Teufel.«

 

Als sich der Markgraf von der ersten schreckhaften Überraschung gesammelt hatte, sah er's wohl ein, daß er gegen den Räuber nicht hart verfahren dürfte. Für ein Unglück, das nicht zu verschmerzen ist, hielt er's auch nicht, daß Werner einen Mond mit Dedo von Wettin in der Gefangenschaft leben mußte. Wäre er aber wieder frei, so wollte er zur Ausrottung und Bestrafung der Räuber, die selbst einem Fürsten Trotz boten, seine ganze Macht aufbieten.

Godila, als er ruhiger geworden war, rieth ihrem Gemahl, daß er einen Boten an den Markgraf von Meißen abfertigte und ihm den Vorfall mit Wernern melden sollte.

»Denn,« sagte sie, »die Lüge verfälscht die Wahrheit, und das Gerücht könnte leicht nach Meißen dringen, unser Sohn sey von den Räubern erschlagen. Eine solche Botschaft wäre dem Leben der guten Luitgard nur zu gefährlich.«

Als der Bote die wahre Nachricht, nebst dem Briefe des Räubers Günzel von Kuhberg überbrachte und er Luitgard zuerst eingehändigt wurde, da bat sie inständig ihre Mutter, daß Schreiben zu erbrechen. Als die Markgräfin mit bebender Stimme und innerer Angst, ihrer Tochter wegen, einige Zeilen gelesen hatte, da wurde sie ohnmächtig und der Ohnmacht folgte eine Krankheit, die an vierzehn Tage sehr gefährlich war.


Während aller dieser Ereignisse wat der Markgraf Eckard in Aachen angekommen. Er ließ sich bei Otto melden, und zugleich wurde ihm durch einen Herold gemeldet, daß er die für ihn zubereiteten Zimmer beziehen sollte. Das schmeichelte seinem Hochmuth. Otto und der Herzog Heinrich empfingen ihn mit allen Ehrenbezeugungen und führten ihn nach dem für ihn bestimmten Prachtgemache. Zuerst wurde von weniger wichtigen Dingen gesprochen, dann aber sagte Otto:

»Markgraf, ihr wißt, warum ich Euch nach Aachen lud, und ich muß Euch danken, daß Ihr Euch selber herbemühtet. Der Herold hat mir Euer Schreiben überbracht, es verräth Eure gütige und väterliche Gesinnung gegen mich. Das Wichtigste, ob ich's wagen darf zu hoffen, ob mir Luitgard, der ich ein Herz voll Liebe entgegentrage, mit gleicher Liebe gewogen seyn wird, werdet Ihr mir mündlich berichten.«

»Da verlangt Ihr zu viel von mir,« entgegnete Eckard. »Nur flüchtige Augenblicke waren es, wo sie Euch sah, und nicht in jedem Herzen siedelt sich sogleich die Liebe an, sie ist bisweilen auch die Frucht eines längern Umgangs. Und, wie hätten sich die Wünsche meiner Tochter bis zu dem Besitz Eurer Person erheben können! Wenn Ihr ihr näher kommt und sie Euch öfter sieht, und sie es wahrnimmt, was Ihr von ihr begehret, dann dürft Ihr sicher hoffen, der erste Eurer Wünsche wird gekrönt. So wär' es wirklich denn Euer Ernst, Euch mit meiner Tochter ehelich zu verbinden?«

»So ist's. In wichtiger Ungelegenheit soll Niemand Scherz und Unfug treiben.«

»Prüft Euch, ob Eure Neigung nicht vorübergehend ist, das würde mich kränken und meine Tochter unglücklich machen.«

»Wenn das Herz von Neigung und Liebe überwallt, wer kann da prüfen! Markgraf, Ihr habt es nicht mit einem Flattergeist zu thun, der für sich selbst nicht stehen kann, der das Spiel seiner veränderlichen Laune ist, der in einer Stunde liebt und haßt. Meine Religion und die Eure gebieten uns dieselben Pflichten, daß wir heilig halten sollen das gegebene Wort und es nicht sündlich brechen. Warum soll ich Euch kränken, Ihr habt mir nie Übles gethan, und Eure Tochter, von der ich das Glück meiner künftigen Jahre hoffte, bis in den Tod betrüben. Wie kommt Ihr auf solchen Verdacht, auf solchen Argwohn? Ich dachte, die Deutschen gehen so treu und ehrlich mit einander um, daß Niemand in Furcht ist, von dem Andern hintergangen zu werden.«

»Ja,« fiel der Herzog Otto'n ins Wort, »das könnt Ihr sicher glauben, treu und ehrlich sind die Deutschen im Allgemeinen, aber unter dem besten Volke giebt's unwürdige Buben, die noch umherlaufen, Arges über die, die schon längst die Todesstrafe verdient hatten. Wer einmal angeführt ist, der wird scheu. Und, wer eine Tochter zu verheirathen hat, wie dieser Markgraf, und nur die Einzige, dem ist's wohl zu verzeihen, wenn er sorgsam prüft und überlegt, daß er ihr eine gute Stätte bereite und einen Schwiegersohn gewinne, von dem er, zum Glücke seiner Tochter, lauter Gutes hofft. Und giebt es nicht Jünglinge, die, dem Scheine nach, so rein und klar um eine Jungfrau warben, die sich vermaßen und verschworen, ihr das Wort der Treue ewig zu halten und, unter welch einem luftigen, schimpflichen Vorwande haben sie's gebrochen! Solche Beispiele machen den Vater, der seine Tochter, ihre Ehre und Ruhe liebt, scheu und das ist ihm nicht zu verargen.«

»Aber, Herzog,« sagte Otto mit ernster Miene, »Ihr kennt mich doch von zarter Jugend an, Ihr wißt's, wie fest ich in meinem Sinne bin und daß ich stets das ausführte, was ich beschlossen hatte. Mit der Ehre und Ruhe einer Jungfrau hab' ich schändliches Spiel nie getrieben, das verbeut mir das Wort des Gottes, der die Sünde straft, mein eigenes Gewissen und die Liebe zu Luitgard, die in mir wunderbar aufflammte und nie erlöschen wird, und die Achtung vor der Welt, ohne die ich, wenn ich auch ein Kaiser wäre, nicht geehrt und geliebt leben könnte.«

»Markgraf, ich bin von ächtem, altem deutschen Stamme entsprossen. War Der herrliche Heinrich nicht mein Ahne, und traut mir's zu, daß ich, wie Eure Deutschen, treu und ehrlich handeln kann. Ich werd' Euch nie betrüben. Glaubt Ihr diesem Versprechen, so thu' ich die Frag' an Euch, in des Herzogs Gegenwart, der mir als Zeuge dienen muß, wenn ich dessen ja bedürfte; ist's Euer ernster Wille, daß Ihr mir Eure Tochter zur Gemahlin geben wollt!«

»Der ist's, das will ich Euch zehnmal noch betheuern.«

»Des Vaters Jawort,« fuhr Otto fort, »hätt' ich gewonnen, doch, es wird mir schwerer werden, das der Tochter zu erlangen.«

»Am besten ist's, wenn Ihr es meiner Luitgard selbst abfordert. Kommt nur nach Meißen, bringt den Herzog, und wen Ihr sonst noch wollt, mit, ich denke an den Ufern der Elbe, in dem schönen Meißen soll's Euch auch gefallen. Und, wo die Braut ist, ist unser Herz.«

»Diese gütige Einladung möcht' ich wohl annehmen, wenn ich mir von meiner Reise einen glücklichen Erfolg versprechen könnte; aber Ihr selbst könnt ihn mir nicht verbürgen. Eine abschlägliche Antwort wäre ein harter Schlag für mich, den ich mehr, als ein Anderer, scheuen muß. Prüft die Gesinnung Eurer Tochter, ihre Neigung und Abneigung wird sich Euch leicht verrathen. Nicht so vorsichtig und bedächtig würde ich mit der liebsten Angelegenheit meines Herzens zu Werke gehn, wenn mich eine Sage nicht warnte, die vielleicht Euch selbst ein Geheimniß ist; denn die Töchter machen in ihrer Liebe die Eltern nicht immer zu ihren ersten Vertrauten, das Geheimnis wird ihnen erst dann offenbart, wenn sie's nicht mehr verbergen können.«

»Und die Sage wäre?«

»Laßt sie den Herzog Euch kund thun, nur oberflächlich habe ich davon reden hören.«

»Es ist eine Sage,« sprach der Herzog, »von der man doch nicht weiß, ob sie die Wahrheit zum Grunde hat. Die Leute plaudern manchmal viel und es ist lauter Wind. Ja, es ist uns zu Ohren gekommen, daß der junge Werner, des Markgrafen Luthers Sohn, der Verlobte Eurer Tochter wäre.«

»Das ist er nicht,« entgegnete Eckard,« hitzig, »das ist tausendmal eine Lüge. Daß ich nach Aachen kam und hier vor Euch steh', jedes Wort was ich über die Sache redete, kann Euch die Sage als erlogen darstellen. Für unklug müßte man den Vater achten, der in derselben Zeit seine Tochter zwei Männern verhieße. Die Rederei und Schwatzlust ist immer geschäftig, Unwahres zu verbreiten und bricht die Gelegenheit dazu vom dürren Zaun. Hört, wie's damit gekommen seyn kann. Werner und Luitgard waren von Jugend an viel bei einander. Später, als sie anfing zur Jungfrau zu reifen, verlor sich ihr Umgang immer mehr und mehr. Daß eine Art von Neigung noch in ihren Herzen waltet, die mit ihren Wurzeln ins Jugendleben eingreift, das will ich nicht bestreiten. Von einer förmlichen Verlobung aber war die Rede nie. Luitgards Hand ist frei. So ist's.«

»Die Hand ist frei,« sagte Otto, »ob auch das Herz? Wie, wenn Werner und Luitgard sich ohne Euer Wissen verlobten? Wenn sie einander ewige Treue schwuren, könntet Ihr sie zwingen, den Eid zu brechen?«

»Das könnt' ich, denn es ist ein unerlaubter Eid.«

»Aber könntet Ihr, auch in ihrem Herzen die Neigung gegen Werner vertilgen? Als den Stifter ihres Unglücks soll sie mich nie betrachten.«

»Dürft Ihr auch darauf Rücksicht nehmen, wenn Werner, der Jüngling, das junge, funfzehnjährige Mädchen sie, wider den Willen ihrer Eltern, zum Unerlaubten verführte? Für vernünftige Vorstellungen hat Luitgard einen offenen Sinn und für die Überzeugung, was das Beste für sie ist, hält sie ihren Verstand nicht verschlossen. Sie, wenn sie getäuscht in Irrthum ginge, auf andere Gedanken zu bringen, das laßt meine Sache seyn. Und, Otto, zieht nach Norden und nach Süden hin, Ihr werdet nirgends eine Jungfrau finden, die rein und frei von jeder frühern Neigung ist. Es kommt auf Euch dann an, die Farben des frühern Geliebten aus dem Gedächtniß zu verwischen und durch zarte Liebe es zu bewirken, daß Euer Bild im hellern Glanze in ihrem Herzen steht.«

Vieles wurde an dem Abend noch über die Liebe gesprochen, und Otto erklärte, daß er, ohne Luitgard, auch als Kaiser, nicht glücklich seyn könne. Was es auch kosten möge, er werde alle Hindernisse, die seiner Verbindung mit ihr im Wege stünden, standhaft besiegen. Die Beweise seiner Zuneigung müßten ihm endlich Luitgards Herz gewinnen, und dann wäre es seine Sache, sich vor ihr geliebt zu machen.

Alles, was der Markgraf nur wünschen konnte, was ihn als den willkommensten Gast auszeichnete, wurde veranstaltet.

Es war Otto ein unangenehmer Gang, den er zur Adelheid und seiner Mutter gehen mußte, um ihnen theils die Ankunft des Markgrafen zu melden, theils, ihnen auch bestimmt zu sagen, daß er sich mit Luitgard feierlich vermählen würde. Er ließ sich bei ihnen melden und erfuhr: die alte Kaiserin sey bei seiner Mutter. Er fand sie Beide mit ernstem Gesicht und verwundert, daß er zur ungewöhnlichen Zeit zu ihnen kam.

»Wie, so früh?« fragte Adelheid, »ich glaubte Euch jetzt noch im Bette. Ihr habt bis tief in die Nacht gewacht, so sagte man mir, als ich mich nach Euerm Wohlseyn erkundigte.«

»Dank für Eure Theilnahme. Ja wohl war die Mitternachtsstunde schon vorüber, als ich mich niederlegte. Der Markgraf von Meißen ist in Aachen angekommen, ich ließ ihm eine Wohnung im Schlosse anweisen; er erbittet von Euch die Erlaubniß, Euch persönlich seine Ehrfurcht bezeugen zu können.«

»Wir können diesen Beweis seiner achtungsvollen Gesinnung nicht annehmen, wir danken ihm dafür, da wir im Begriff sind, nach Quedlinburg abzureisen. Eben sollte Euch dies ein Diener melden. Die Äbtissin Mathilde (sie war die leibliche Tochter Otto des Großen) liegt an einer schweren Krankheit hart darnieder, sie verlangt uns noch einmal zu sprechen, weil ihr Leben höchst ungewiß sey. Unsere Seele ist nicht so gestimmt, die Zeit erlaubt es nicht, daß wir einen Besuch annehmen. Das sagt dem Markgraf, es wird und muß uns bei ihm entschuldigen. Aber welche Bande der Freundschaft denkt dieser Markgraf mit Euch anzuknüpfen, der Euch bisher ein unbekannter Mann war. Will er Euch eine Schlinge legen? Er soll klug und eitler Ehre geizig seyn. Umsonst macht man die Reise von Meißen nach Aachen nicht.«

»Nein, die macht man nicht umsonst. Ich selber lud ihn ein, mich zu besuchen und muß es ihn danken, daß er meine Bitte stattfinden ließ. Er ist kein Zudringlicher. Mein Herz hab' ich ihm aufgeschlossen, ihn um Zustimmung zu meiner Verheirathung mit seiner einzigen Tochter gebeten und abschläglichen Bescheid hat er mir nicht ertheilt.«

»Wahrlich, handelt Ihr doch, als ob keine Mutter und Großmutter mehr in der Welt wären! Thut, was Ihr wollt, Ihr müßt es verantworten, die Reue wird der That folgen.«

»Nun, dann werd' ich allein dafür büßen müssen, und auf Theilnahme darf ich nicht rechnen. Eine Deutsche, nicht eine Griechin, wird, soll und muß meine Gemahlin werden.«

»Sie werde es,« entgegnete die Mutter, »aber meine Tochter wird sie nimmer werden.«

Ohne weiter ein Wort zu sagen, verließ Otto das Zimmer.

 

Nach einer halben Stunde rollte der Wagen mit den Kaiserinnen aus dem Thore von Aachen. Sie glaubten, da die Äbtissin Mathilde Alles über Otto vermochte, die er über Alles liebte, an ihr eine mächtige Hülfe zu finden, um seinen Heirathsplan umzustoßen. Die unerwarteten Gäste wurden von der Äbtissin mit der ihnen gebührenden Achtung empfangen. Sie wußte es selbst nicht, wie sie zu dieser besondern Ehre kam und konnte den wahren Grund des Besuchs nicht errathen. Aufs angelegentlichste erkundigte sie sich nach dem geliebten Otto, und wunderte sich, daß er ihre Freude durch seine Mitankunft nicht vermehrt hätte.

»Die wichtigste Entschuldigung seines Außenbleibens,« sagte Adelheid, »ist wohl die Ankunft des Markgrafen Eckard in Aachen. Wenn's ihm übrigens nicht zu Sinne gewesen wäre, mit uns zu reisen, auf unsere Bitten hätte er's nicht gethan.«

»So starrsinnig wäre Otto? Mild und nachgebend habe ich ihn mir immer gedacht.«

»So war er als Kind, aber als Jüngling ist er anders.«

»Je nun, ein gewisser Trotz, eine gewisse Selbstständigkeit kleidet den Mann nicht übel, und, wer ein Kaiser werden will, der muß nicht jedem Winde folgen. Zur Mündigkeit, dächt' ich, wär' er auch gekommen. Warum ich ihn bat, das hat er, wie ein folgsamer Sohn, gethan.«

 

Mehrere Tage blieben die Fürstinnen in Quedlinburg, so wenig es ihnen auch da gefiel, da es Mathilde sie nur zu oft fühlen ließ, daß sie die Tochter Otto des (sogenannten) Großen sey. Am Abend vor der Abreise, wurde erst das wichtige Kapitel, was die beabsichtigte Heirath Otto's mit Luitgard betraf, zur Sprache gebracht.

Teophania sagte:

»Plötzlich hat unsern Otto die Neigung ergriffen, sich vermählen zu wollen.«

»Nun,« entgegnete Mathilde, »ein Jüngling, der über das einundzwanzigste Jahr hinaus ist, pflegt sich wohl mit geheimen Wünschen nach den Schönen des Landes umzusehn. Ist seine Neigung schon auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet, oder sucht er mit seinem Gefühl noch in der Irre umher?«

»Zum Gegenstande seiner Liebe hat er Luitgard, die Tochter des Markgrafen Eckard von Meißen gewählt.«

»Luitgard ist ein herrliches Geschöpf, die lieblichste Blume ihres Geschlechts, ich habe sie vor etlichen Jahren in Merseburg gesprochen. Das liebliche Kind verrieth freundlichen Geist und zartes Gefühl. Fürwahr, nicht schlecht hat Otto gewählt; aber ich fürchte, daß ihm ein unüberwindliches Hinderniß im Wege steht. Des Markgrafen Luthers Sohn von Brandenburg, ein ritterlicher Jüngling von deutscher Art, groß, schön, wild und wacker, soll ihr Geliebter seyn. Den möchte Luitgard wohl nimmermehr vergessen.«

»Möchte dies Hinderniß sich seiner Wahl auf immer entgegenstellen! Nie werd' ich diese Wahl billigen, weil sie zu keiner glücklichen Ehe führt.«

»Kaiserin, das könnt Ihr eigentlich nicht wissen. Welche Gründe habt Ihr denn, warum Ihr das glaubt?«

»Otto's feine Sitte, seine Kenntniß der Kunst und Wissenschaft, sein besseres, menschliches Gefühl verträgt sich mit der deutschen Rohheit nicht.«

»Eine junge Gattin, die nicht ohne Geist ist, könnt Ihr erziehn, als ob sie Eure Tochter wäre. Mag's aber seyn, daß man an den deutschen Töchtern Glattheit, Biegsamkeit, feine Lüge und listige Verstellung nicht findet; mags seyn, daß sie durch gelernte Zierlichkeit die Augen nicht zu blenden und das Gefühl nicht zu täuschen vermögen, ihre Redlichkeit und Treue, ihre Unschuld und Jugend, wiegt den Flitter anderer Länder auf, und wenn's auch Italien und Griechenland selbst wäre. Nehmt's nur nicht übel, daß ich, nach deutscher Sitte, die Ihr grob nennen möget, die Wahrheit rede.«

»Äbtissin,« sagte Adelheid, glaubt's, und die Folge wird es lehren; den größten Dienst erwieset Ihr Otto, wenn Ihr sein Herz von dieser Jungfrau ablenktet, Ihr könnt, Ihr müßt es, er folgt Euren Stimme.«

»Ob ich's könnte, das ist noch die Frage. In Herzensangelegenheiten erkennt man keinen Herrn über sich und wählt nach eigenem Willen; daß ich's aber müßte, das begreif' ich nicht. Nur Eins befremdet mich, daß mir Otto, der mir sein ganzes Vertrauen geschenkt hat, von seiner Liebe noch kein Wort offenbarte, er muß es also damit doch nicht so ernstlich meinen, als Ihr's denkt.«

»So ernstlich, daß es nicht mehr zu bezweifeln ist. Also, Ihr wollet nichts mehr für Otto thun und ihm diese Heirath verleiden, die ihm nie zum Segen dienen wird?«

»Es wäre ja möglich, daß ich seinem Glücke entgegen handelte, wenn ich mich für Eure Absichten gebrauchen ließe, und das kann ich nicht, er müßte mich für seine Feindin halten und ich liebe ihn wie einen Sohn.«

Theophania vergaß sich voll Verdruß und sagte:

»So war also unsere Reise eine vergebliche, und wir waren nur die Boten, die einer Äbtissin eine Neuigkeit meldeten.«

Diese Worte verdrossen die hochmüthige Mathilde gar sehr, sie warf sich in die Brust, wurde um mehrere Zolle größer, blickte mit dem Auge der Majestät auf die beiden Fürstinnen herab und sprach mit gehobener Stimme die Worte:

»Ja, wenn Ihr glaubtet, mich zu Eurem Werkzeuge zu machen, wozu ich mich nie hergeben werde, so war die Reise, durch die Ihr dieß erzielen wolltet, vergebens. Ihr legtet auf meinen Titel Äbtissin einen besondern Ton, als ob dies ein Name, tief unter Eurer Würde, wäre. Wißt, durch die Person wird auch der Stand geehrt. Ihr seyd des Zimisces, eines kleinen Königs, Tochter, Otto der Große war mein Vater. Wenn Rath und That für Deutschlands Wohlfahrt nöthig ist, so wird man dieß einst nicht von Euch, von mir wird man es fordern. Meinen Glanz halte ich bescheiden verborgen, will man ihn aber verdunkeln, dann bricht er hell hervor.«

Der Abschied der Frauen bestand in höflichen Verbeugungen und nichtssagenden Redensarten, und der Aufenthalt in Quedlinburg hatte nur dazu gedient, die schon herrschende Spannung unter den Frauen noch zu vergrößern.

Ein Bote wurde nach Aachen vorausgeschickt, welcher sich erkundigen mußte, ob der Markgraf Eckard noch dort sey, und erst dann, als er die Nachricht brachte, der Markgraf sey in aller Eile abgereist, kehrten sie dahin zurück. Otto ging sogleich zu seiner Mutter und erkundigte sich nach dem Befinden der von ihm verehrten Äbtissin. Später erfuhr er, daß sie nicht krank gewesen sey.

 

Während Eckard in Aachen war, folgte eine Lust, ein Fest auf das andere, um ihn angenehm zu zerstreuen. Der Gedanke, daß er in einer Art von Unfrieden von den Seinen schied, kam in ihm nicht zu einer reu- und schmerzvollen Lebendigkeit. Größere Sorge aber machte es ihm, wie er seine Tochter von ihrem geliebten Werner trennen wollte. Gleichgültig war's ihm auch nicht, wenn er mit dem Markgraf Luther in ein feindliches Verhältniß gerieth. So fehlte es dem freudiger Gedanken, seine Tochter einst als gekrönte Kaiserin zu sehen, nicht ohne bittere Beimischung.

Um Morgen eines Tages, wo ein großes Hirschjagen mit königlicher Pracht veranstaltet war, erhielt Eckard den Boten von Meißen, der ihm die Krankheit seiner Tochter meldete. Die Markgräfin bat dringend um die Beschleunigung seiner Rückkehr.

Um Otto nicht zu erschrecken und es zu verhüten, daß er sich ängstigte, wenn er von der Nothwendigkeit seiner plötzlichen Abreise mit ihm sprach, sagte Eckard: ein Bote aus Meißen habe ihm gemeldet, daß seine Schwanhilde in eine harte Krankheit gefallen sey und ihn mit schmerzlicher Sehnsucht zu sprechen verlange. Liebe und Besorgniß gestatteten es nicht, daß er an dem Orte, wo ihm so große Ehren und Freuden begegnet wären, länger verweilen könne. Nach einer kurzen Frist müsse er abreisen.

Otto bezeigte seine Theilnahme, wechselte einige Worte mit ihm und sprach von einer Zusammenkunft bei der Äbtissin in Quedlinburg, die man geheim halten wollte, wo er Luitgard sehen und sprechen wolle. Der Markgraf solle ihm nur melden, wenn seine Gemahlin wieder gesund sey, dann könne man den Termin zur Reise genau bestimmen. Es wurden herzliche Grüße an die Braut bestellt. Der Markgraf nahm auch Abschied von dem Herzog Heinrich, der ihn mit vieler Freundschaftsversicherung von sich ließ.

Nicht weit von dem Thore war Eckard entfernt, als ihm ein Diener des Kaisers nachgeeilt kam, der ihm ein versiegeltes Päckchen überreichte, auf dem die Worte geschrieben standen: Der geliebten Luitgard übergeben von Otto. Es war schwer und der Markgraf ahnete es wohl, welch ein kostbarer Schmuck darin sey.

Früher, als es Schwanehilde geahnet hatte, kam der Markgraf an. Bei seinem ersten Erscheinen merkte sie es schon, daß er allen Zorn vergessen hatte und lauter Liebe und Güte war. Liebevoller, herzlicher bewies er sich sogar gegen sie, als er es sonst nicht pflegte. Sie sprach von Luitgard's Krankheit, aber auch davon, daß sie auf dem Wege der Genesung sey und schon im Zimmer auf und niedergehe. Als sie die Nachricht, welche die plötzliche Krankheit der Tochter veranlaßte, ihm mittheilte, daß Werner in die Hände des Räubers Günzel von Kuhberg gefallen sey, wurde es dem Markgrafen schwer, eine in ihm plötzlich aufwallende Freude zu verbergen und zum Schein sein Erstaunen und seine Theilnahme sehn zu lassen. Diese Gefangennehmung schien ihm eine Hülfe der gütigen Vorsehung zu seyn, um das Haupthinderniß der Verheirathung Luitgards an Otto zu beseitigen.

Als er die kranke Tochter selbst gesehen und gesprochen hatte, sagte reine Gemahlin zu ihm:

»Sie wird nicht eher völlig genesen, bis sie weiß, daß Werner nicht mehr in den Händen der Räuber ist und daß Ihr ihrer Verbindung mit dem Bräutigam nicht abgeneigt seyd. Ich glaube, wir müssen auf die Erhaltung und das Leben unseres Kindes Rücksicht nehmen. Haben wir Eltern es uns doch auch gelobt, daß die Beiden ein Paar werden sollen. Welcher Jüngling in der Welt kann sie glücklicher machen! Daß sie für einander passen, das wissen wir. Ein Kaiserthron wird's niemals seyn, der Luitgard das ersetzen könnte, was sie verliert, wenn Werner ihr entrissen würde. Sie selber glaubt, der Vater wird aus Mitleid und aus Liebe den heißesten ihrer Wünsche, mit dessen Erfüllung ihr Leben verschlungen ist, sicher krönen. Ich selber muß dafür stimmen, daß …«

»Wär' ich nur darum Vater, um ja zu sagen, wenn's die Tochter will? Es wird im Leben uns so manches Gut entrissen, wir weinen darüber auch, wie Kinder, aber wir mußten es verlieren, wenn wir ein größeres empfangen sollen. Ob Luitgard so glücklich mit Werner wird, als sie sich's einbildet und Du es glaubst, das glaub' ich nicht. Wie sanft, wie mild ist sie, und er, wie zornig und wie ungestüm. Ein Gatte, mag er der beste Mensch auch seyn, bei dem die Frau keinen Augenblick sicher ist, daß er aufbraust in zorniger Hitze, in der er sie vertilgen möchte, ist bei ihm ihres Glücks nie sicher. Und was ist denn vor der Welt der Sohn eines Markgrafen, in dessen Adern kein Fürstenblut wallt, den die Wenden bedrängen, der nicht einmal aus Räuberhänden sich befreien kann. Da solltest Du den Otto sehn, der Geist und mildes Leben ist ein Zweig des großen Heinrichs und seines Sohnes, voll Liebe und Güte zu Luitgard. Und ist es denn gleichviel, ob meine Tochter in der Nordmark in den dunkeln Schatten der Unberühmtheit verblüht, oder ob sie die Mutter des künftigen deutschen Kaiser ist? Durch sanftes Zureden solltest Du der verblendeten Tochter die Augen öffnen, sie nach meinem Willen ziehn und so die Stifterin des Glücks, der Ehre Deines Kindes werden. Laß in Dir nicht das Gefühl, den Verstand laß reden, er ist der sichere Leiter. Schwanehilde, so viele Beweise der schönsten Liebe hast Du mir gegeben, nur diesen bleibe mir nicht schuldig. Deiner Stimme folgt die Tochter, wenn gegen mein Wort ihr Herz verschlossen ist. Was ich Otto versprach, das muß ich halten.«

»Wenn das frühere Versprechen durch das später gegebene aufgehoben wird, so müßt Ihr Wort halten. Übrigens, ist Luitgard von ihrer Krankheit noch nicht so weit wieder hergestellt, um die Gründe zu hören, weshalb sie sich von Werner trennen soll, weil der die Hoffnung nicht hat, einst Kaiser zu werden. Wie sauer und schwer mir aber die Arbeit werden muß, die Ihr mir aufgetragen habt, das werdet Ihr erkennen, wenn Ihr Euer Gefühl fragt. Eine Gattin und Mutter, die so im Gedränge zwischen dem Vater und der Tochter steht, ist wahrlich nicht zu beneiden, sie steht unter einer Wolke, aus der es von allen Seiten auf sie hinblitzt. Ihr dürftet nur den schimmernden Gedanken aufgeben, Luitgard, als Kaiserin zu sehn, so ist um uns alles Freude, Ruh' und Friede.«

»Und,« sagte der Markgraf, »den gebe ich nicht auf.« …

Schwanehilde verließ das Zimmer.


Unvernuthet kam Dedo von Wettin in Salzwedel an. Als ihn der Markgraf ansichtig wurde, sagte er:

»Ihr kommt so allein? Euren Freund konntet Ihr verlassen? Seyd Ihr ein Todesbote?«

Darauf erzählte der Graf folgende Begebenheit:

»Wir hatten die vergangene Nacht dazu bestimmt, aus unserer Gefangenschaft zu entfliehn, weil wir das Ende derselben nicht abwarten wollten. Als wir wähnten, daß die Räuber um uns schliefen, schlichen wir aus einer der Lauben und liefen, so leise, als es geschehen konnte, in den Forst hinein. Kaum hatten wir den Saum desselben betreten, als ein lautes Hundegebell entstand. Die Bestien verfolgten uns. Im Räuberlager wurde es wach. Werner lief weiter und wollte nicht, wie ich es that, eine Eiche erklettern. Sicher ist er gefangen. Als das Getöse vorüber war, stieg ich von der Eiche herab, um Euch die Nachricht zu bringen, daß Euer Sohn lebt, gesund ist und sich so übel in seiner Gefangenschaft nicht befindet.«

»Aber wird er nicht für das Verbrechen, daß er entfliehn wollte, büßen müssen?«

»Gewiß nicht. Günzel ist in seiner Art ein guter Mensch, der ihm den Versuch, sich frei machen zu wollen, sicher nicht übel anrechnet. Überdies hat er eine Gattin und Tochter, Beide lieben Wernern mit der zärtlichsten Neigung. Von ihrer Fürbitte kann er alles erwarten und Günzel thut in solchen Stücken, was sie wollen.«

Das Herz des Markgrafen und seiner Gemahlin war beruhigt, da ihnen Dedo die Versicherung gab, daß Werner bestimmt in vierzehn Tagen der Verhaft entlassen werde. Auf seine Bitte erhielt er ein Roß, Reisegeld und bis Wettin mehrere Männer zu seiner Begleitung. Er eilte von da nach Aachen, um den Verrätherlohn zu ernten. Fürs erste mußte er sich mit Versprechungen abfinden lassen. Später kam seine schwarze That ans Licht und entzündete in Werners Herzen eine Feindschaft, die, wie wir umständlicher hören werden, nur mit seinem Blute gelöscht werden konnte.

Die Zwischenzeit, wo Werner noch ein Gefangener Günzels war, sollte benutzt werden, um dem Ziele der Verheirathung Otto's mit Luitgard sich zu nahn. In dieser Absicht kam ein Herold in Merseburg bei dem Markgraf Eckard mit einer Einladung von Otto an, die ihr nach Quedlinburg zur Äbtissin Mathilde mit seiner Tochter hinbeschied. Otto sagte ausdrücklich in seinem Schreiben:

»Ihr werdet mich nicht umsonst warten lassen, daß ich der Äbtissin und meiner Mutter zum Spotte werde. Liebe und Freude bewegt mein Herz und schöne Hoffnungen umglänzen mich. Am Tage des heil. Dominicus, so Gott es will, treff' ich in Quedlinburg ein und am folgenden Tage komm ich Euch entgegen.«

Diese Einladung, die fast einem Befehle glich, war dem Markgraf sehr zuwieder. Er hatte wenig Vorbereitungen zu einer Zusammenkunft seiner Tochter mit Otto getroffen. Das Geschenk von ihm, was er ihr überreichte, welches in einem goldnen Halsband mit kostbaren Edelsteinen bestand, nahm sie an, weil es ihr von dem Vater auf eine Weise gegeben wurde, daß sie es nicht zurückweisen konnte, ohne ihn zu erzürnen. Treu aber und fest, so viel Schönes und Süßes ihr auch von Otto vorgesagt wurde, bewahrte sie die Liebe zu Werner in ihrem Herzen. In der Gegenwart des Vaters wagte sie es zwar nicht, von ihm zu reden, aber der Gedanke an ihn beschäftigte sie immer. Sie trug große Sorge um ihn und sehnte sich nach seinem Wiedersehn. Da keine ungünstigen Nachrichten über ihn von seinen Eltern einliefen, beruhigte sie sich einigermaßen. Nur schmerzte es sie gar sehr, daß sie auch an der Mutter ein leises Bestreben wahrnahm, sein Bild in Schatten zu stellen, wenn sie auch nichts zu Otto's Empfehlung sagte.

Die Markgräfin sah den Herold, von Otto abgeschickt, durchs Schloßthor kommen. Als Eckard ihm das Schreiben abgenommen und gelesen hatte, fragte sie nicht nach dem Inhalte desselben.

»Hast Du so wenig Neugierde,« sagte Eckard, »daß Du nicht fragst, woher der Herold kommt und was dies Schreiben mir berichtet?«

»Es gibt viel Unangenehmes in der Welt, was man nicht gern erfahren möchte. Neugierde war übrigens nie mein Fehler.«

»Unangenehmes enthält das Schreiben nicht. Von Otto kommt der Herold, er ladet uns ein zur Äbtissin nach Quedlinburg, dort wirst Du Deinen Bruder und Schwester mit ihren Kindern auch finden.«

»Die Lieben zu sehen, das lockt das Herz gewaltig; aber die Einladung von Otto, der Aufenthalt bei der Äbtissin, befremdet mich.«

»Hältst Du dich dieser ehrenvollen Auszeichnung nicht werth?«

»Nicht davon kann die Rede seyn; aber den Zweck dieser Zusammenkunft ahnde ich. Markgraf, werdet nicht zornig, wenn diese Reise die Frucht nicht trägt, die Ihr davon erwartet. Nicht jedes Herz nimmt wie Wachs die Form an, die man ihm geben will, es ist wie Eisen hart und springt, wenn man es biegen will. Doch zur Entscheidung muß es kommen, und wer sterben will, stirbt lieber plötzlich, als an einer langsamen, auszehrenden Krankheit.«

»Ja, ja,« sagte der Markgraf entrüstet, »Es soll und muß auch zur Entscheidung kommen, so fordert es das Vaterrecht, das ich üben kann und nichts lasse ich mir von ihm abdingen.«

»Ach, wer ohne Liebe Vaterrechte übt, der kann gegen seine Kinder ein Tyrann seyn.«

»Am Ende solltest Du mir wohl gar den Kopf verrücken und mir einreden, ich liebte Luitgard nicht, ich wäre ein Tyrann gegen sie, weil ich will, daß sie mit einem Kaiser glücklicher werden soll, als sie's nie mit dem Sohn eines Markgrafen werden kann. Kein Wort mehr, ich fordere Gehorsam! Nach Quedlinburg reisen wir.«

»Ja, nach Quedlinburg muß ich reisen,« seufzte die tiefgebeugte Schwanehilde und schwankte aus der Thür.

Sie war zu ihrer Tochter gegangen, um sie auf die Reise vorzubereiten und insbesonbere sie zu bitten, daß sie dem Willen des Vaters nicht widerstreben solle, da er diesmal unerläßlichen Gehorsam fordere, um ihn nicht noch mehr aufzubringen. Luitgard hatte auf die Rede ihrer Mutter noch keine Sylbe erwiedert, als man den Markgraf kommen hörte, der heftig die Thür aufriß, mit funkelnden Augen eintrat und sagte:

»Soll ich Dich etwa auch unterthänig bitten, ob Du mir die Gnade erzeigen und mit mir nach Quedlinburg reisen willst, wohin wir eingeladen sind? Die Ordnung scheint sich in der Welt verkehren zu wollen und die, welche gehorchen müssen, wollen befehlen. Ist Dir's gefällig, Deine Eltern zu begleiten?«

»Ach, Vater, welche Sprache redet Ihr mit Eurer Tochter! Eure lange Liebe hat mich nicht daran gewöhnt. Was hätt' ich Euch gethan, daß Ihr mir so zürnet! Kaum bin ich dem Tode entronnen, macht mir doch das Leben nicht so bitter, daß ich meine Wiedergenesung für ein Unglück achten muß. Ihr habt noch nicht gesagt, daß Ihr nach Quedlinburg reisen und daß Ihr mich mitnehmen wollt, und Euerm Befehl, hab' ich mich nicht widersetzt. Gehorchen will ich, das will ich Euch geloben und sollte mir das Herz zerspringen.«

»Je du mein Herr Gott, hältst Du's denn für eine so große Pein, eine Lustreise nach Quedlinburg zu machen? -- Für keine Pein würd' ich die Reise halten, wenn ich nicht fürchten müßte, daß sie in der Absicht von Euch unternommen wird, mich von Werner zu trennen, dem Freunde meiner Jugend, und mich mit Otto, dem Unbekannten, zu verbinden.«

»Bist Du denn mit Wernern durch ein unauflösliches Band verbunden? Dem Umgange soll und muß ein Ende gemacht werden. Luitgard, verbittere Dein Gemüth nicht gegen Otto. Ist das ein Verbrechen, daß er Dich über Alles liebt?«

»Mich über Alles lieben. Vater, da er nur die Hülle meiner Seele kennt, die seine Sinne verführt hat.«

»Tadelst Du sein Vertrauen, daß er Dich für eine edle Jungfrau hält?«

»Aber er ist mir ein Fremder, wie kann ich Neigung für ihn fühlen!«

»In seiner Nähe wird sie sich in Dir entspinnen. Wie liebreich, wie gütig kann er seyn und ach, wie fromm ist er!«

»Wäre Werner, den ihr so oft Sohn nanntet, lasterhaft? Nein, Vater, das ist er nicht. Dies Herz, das für ihn allein nur schlägt, kann sich einem Andern nicht ergeben, Ihr selbst könnt es dazu nicht zwingen, ich kann es nicht«.

»Luitgard, mein Entschluß steht fest, Du wirst des Kaisers Braut, und denk an mich, es kommt im Leben einst die Zeit, wo Dir die scheinbare Härte des Vaters, als weise Güte sichtbar werden wird.«

Hier faltete Luitgard die Hände, richtete ihr bethräntes Auge gen Himmel und sprach:

»Gott, stärke in mir den Glauben an meines Vaters weise Güte, er ist sehr schwach in mir. Wenn ich nicht Wunder und Zeichen sehe, so, glaub' ich nicht. Herr, strafe mich nicht, wenn ich der Macht des Schicksals folge! Heilige Pflichten, deren Verbindlichkeit mit mir geboren wurde, will ich nicht verletzen. Aber ihr, des Himmels gütige Mächte, mein Geschick leg? ich in eure Hände, ihr werdet es wunderbar lenken und euer Rath wird doch geschehen. Werner, Werner, ich muß von dir scheiden, aber der Gedanke an dich, die Liebe zu dir, wird mich bis zum letzten Athemzuge beherrschen, mein letztes Wort wird dein Name seyn! … Vater, nun bin ich bereit, wenn Ihr wollt, morgen mit Euch nach Quedlinburg zu reisen.«

Der Markgraf umfaßte seine Tochter mit beiden Armen, drückte sie an seine Brust und sprach:

»Herrlich hast Du den schweren Kampf bestanden, der Himmel wird Dich segnen. In die schmerzhaften Wunden gießt die Religion ihren heilenden Balsam, und auf die Trauer folgt die Freude. Nun, meine Schwanehild, sey Alles der Vergessenheit übergeben und verbannt, was sich, uns feindlich trennend, zwischen uns stellte. Liebe und Friede, wie in den frühern Tagen, müsse um uns wieder blühn. Laßt uns eine Seele seyn, die Gegenwart verheißt uns viel und einer schönern Zukunft gehen wir entgegen.«

Der Markgraf erwog es wohl, daß Luitgard ihre Neigung zu Wernern nicht so leicht ablegen werde, wie man am Abend ein Kleid auszieht, aber er hatte nun doch die Hoffnung, daß sie in sich ihm mehr entsagen und mit dem Gedanken, mit Otto verbunden zu werden, vertrauter werden würde. Er glaubte gewiß, daß man in Quedlinburg Alles aufbieten werde, um sie mit dem neuen Geliebten zu befreunden. Otto'n selbst fehlte nichts, um das freie, ungebundene Herz einer Jungfrau zu fesseln. Und welche, die er um ihre Hand bat, hätte sie ihm nicht gereicht In der Zeit, vor der Abreise nach Quedlinburg, ließ der Markgraf die schärfste Wache halten, daß kein Bote, keine Nachricht zum Markgraf Luther kommen konnte und er selbst war der erste Wächter. Im Schlosse herrschte eine sonderbare Stimmung, ein Gemisch von Freude, Hoffnung, Mißmuth und Traurigkeit. Einer bekannte dem Andern seine wahren Gefühle nicht. Luitgard wurde nur durch den Glauben aufrecht erhalten, daß ihr im Augenblicke der größten Noth eine wunderbare Hülfe erscheinen und daß der muthvolle Werner sie nicht verlassen werde. In diesem Glauben wurde sie nicht getäuscht.

In markgräflicher Pracht wurde an einem der schönsten Herbstmorgen die Reise nach Quedlinburg von Merseburg angetreten.

»Lacht uns nicht die ganze Natur!«, sagte der Markgraf, als sie aufs Freie kamen. »Ist's nicht, als ob der Himmel unser Vorhaben segnete?«

»Die Natur lacht,« sagte Luitgard für sich, »wenn tausend Herzen weinen! Was kümmert sie das Wimmern der Unglücklichen!«

 

Einige Tage früher, ehe der Markgraf mit seiner Familie in Quedlinburg ankam, war Otto schon bei der Äbtissin eingetroffen. Mit der zärtlichsten Liebe wurde er von der alten, aber noch geistesstarken Mathilde empfangen. Auf ihre Güte durfte er nach allen Graden sicher rechnen. Die charakterfeste Frau konnte sogar schwach handeln, wenn Otto sie dazu verleitete, den sie auch darum so hoch und theuer hielt, weil sie in ihm den Geist und das ganze Wesen ihres Vaters wieder zu finden glaubte, das sich in ihm gleichsam zu verjüngen schien.

Hier erfuhr es Otto zuerst, daß der Plan Adelheids und Teophania's dahin ging, ihn von Luitgard zu trennen. Er kannte die griechische Prinzessin, die ihm zugedacht war. Sie hatte früher ihn gefesselt, aber ihr Bild erblaßte in seiner Seele, als er Luitgard erblickte.

Die Äbtissin sagte weiter nichts, als er wie ein Begeisterter, von Luitgards Vollkommenheiten phantasirte:

»Glaubt nicht, daß Ihr das Ziel erreicht und jedes Hinderniß überwunden habt, ich fürchte, es setzt noch einen harten Kampf, ehe Euch der Preis der Liebe wird.«

»Und mag es diesen setzen, Äbtissin und Base, kein ottonisch Blut flösse in meinen Adern, wenn ich nicht an den Sieg glaubte. Der Mann mit kräftigem, ungebeugtem Willen kann Riesenschlösser bauen und sie niederreißen. Wovor der Feigling zagt, das greift er an. Eckard steht auf meiner Seite und in Luitgards Herzen sollte kein Raum für Liebe gegen mich seyn?«

Als er es der Äbtissin bekannt machte, daß er den Herzog Bernhard zu ihr geladen hätte und auch den Markgraf, Beide mit ihren Familien, da sagte sie:

»Ich muß Euch danken, daß Ihr mir ein Fest bereitet. Die Herzogin von Weimar ist eine Perl unter den Weibern und die Markgräfin so ihr gleichen. Indeß mit Eurer Mutter und der Kaiserin möchtet Ihr mich wohl durch alles, was Ihr hier veranstaltet, in ewigen Zwist gestellt haben. Der griechische Charakter übt Rache mit List und ist unversöhnlich. Wenn nur das, was hier Euer Vorhaben ist auch zu Eurem Glücke führt.«

»Base, der Mensch muß wagen und von der Güte des Himmels das Beste erwarten. In die Zukunft kann Niemand schauen, und ob der erste Schritt, den ich noch thue, der letzte im Leben ist, das könnt Ihr mir nicht voraussagen. Daß ich durch Luitgard glücklich werde, das glaub' ich ganz gewiß, wenn ich mein Herz frage, wenn das Alles wahr ist, was man von ihrer Tugend rühmt, und, werd ich's nicht, so muß ich's leiden, denn es nicht meine Schuld.«

 

Die Äbtissin hatte kaum Zeit, um die nöthigen Vorbereitungen zum Empfang der ihr von Otto angemeldeten Gäste zu treffen. Sie wollte sich so ganz in vollem Glanze einer berühmten Kaisertochter zeigen. Boten wurden in der größten Eile nach allen großen Städten, die nicht zu entfernt lagen, beordert, um Kostbarkeiten aller Art herbei zu holen. Die angesehensten Ritter in der Nähe wurden zu den Prachtfesten eingeladen, die in einer Reihe mehrere Tage gefeiert werden sollten.

An dem Abend, wo der Markgraf und Herzog erwartet wurde, kleidete sich die Äbtissin in einen Schmuck, wie ihn eine Kaiserin nie schöner und kostbarer aufzuweisen hatte, und hielt sich mit ihren vornehmsten Hofbedienten, die ebenfalls in ihrem festlichen Schmucke waren, in dem großen Saale. Alles hatte das Ansehen der Hoheit und einer verschwenderischen Pracht. Der junge Kaiser war mit einem zahlreichen Gefolge der schönen Luitgard entgegengeritten. Er ritt einen muthigen Zelter, dessen Zaum mit künstlicher Goldarbeit und Edelgestein belegt war. Glänzend blitzte seine Rüstung in der Sonne, und ein Federbusch vom schönsten Reihergefieder wirbelte sich auf seinem Helm, indem er in leichtem Galopp dahin flog. Eine prunkvolle Schaar zog ihm in einiger Entfernung nach. Jetzt kam der reitende Bote, der als Wache ausgestellt war, angesprengt und wehte mit einer Fahne, zum Zeichen, daß die ersehnten Gäste kamen. Bald sah man auf der Meerstraße einen mit Reitern umgebenen Wagen. Im fliegenden Galopp jagte Otto auf den Wagen zu, sah in ihm den Markgraf, seine schöne Luitgard neben ihrer Mutter sitzen. Nur für sie hatte er Augen und Sinn, grüßte ihre Eltern flüchtig, und sagte zu ihr:

»Dieser Augenblick, wo ich Euch jetzt begrüße, ist der festlichste meines Lebens! Seyd willkommen! Euch Alle erwartet die Äbtissin mit herzlichem Verlangen.«

Luitgard hatte den schönen und prachtvoll gekleideten Otto nur flüchtig angeblickt, da schlug sie ihre Augen nieder, ein sanftes Roth färbte ihre Wangen, ein kaum merkliches Lächeln spielte um ihre Lippen; aber mit keiner Sylbe konnte sie den Gruß Otto's erwiedern. Schmerzbafte Gefühle zogen ihr durch's Herz, Werners Bild stand vor ihrer Seele, es war ihr, als ob sie im Begriff war, ein Verbrechen an ihm zu begehen. Otto, den die feurige Liebe täuschte, glaubte, daß Luitgard in der Zwischenzeit, wo er sie nicht sah, nur schöner aufgeblüht sey. Es wurden andere freundliche Worte gewechselt. Eckard befahl jetzt, der Wagen mußte halten, er bestieg ein für ihn gesatteltes Streitroß, das an muthiger Kraft und Schönheit dem des Kaisers nichts nachgab, und ritt an der Seite des Jünglings nach Quedlinburg. Beide jagten voraus.

Als sie durch's Thor ritten, sahen sie's, daß der Herzog Bernhard mit den Seinen schon angekommen sey. Man begrüßte sich von beiden Seiten mit der Höflichkeit, wie sie damals Sitte war, und Otto ging in seiner Ehrfurchtsbezeugung gegen die Herzogin von Weimar so weit, daß er ihr, als einer von ihm hochverehrten Frau, wie er's mit ungemeiner Artigkeit sagte, die Hand küßte. Sie ließ es geschehn, und, so weit entfernt diese edle Frau von aller Eitelkeit war, die ausgezeichnete Ehre, die ihr widerfuhr, schmeichelte dennoch ihrem Selbstgefühl und bestach ihr Urtheil über den Jüngling.

Selbst, die Äbtissin, die es nie verleugnete, daß sie eine Sprosse des großen Otto war, die im Rufe des Stolzes stand, hatte sich den angekommenen Gästen mit herablassender Güte offenbart und erklärt:

»Wo die Herzen sich nahen und Feste der Freude gefeiert werden sollen, da müssen alle Hindernisse, welche die Seelen von einander fern halten, beseitigt werden.«

Otto drückte dem Herzog Bernhard mehr als einmal die Hand und sagte:

»Seit wir uns das Letztemal sahen, ist eine große Veränderung, mit mir vorgegangen. Wie mächtig ist die Liebe. Ihr hättet sie damals aus meinen Augen lesen können. Daß mich künftig auch andere Bande, als die der Achtung, an Euch ketten werden, wenn ein gutes Geschick es will, das ist mir werth.« --

»Ich hoffe,« sagte der ernste Bernhard, der geheim Bedenken in sich trug, »das Schicksal oder vielmehr Luitgards Neigung, wird Euch nicht entgegen seyn.« …

Als der Herzog einen Augenblick mit Eckard zusammen stand, sagte er ihm leise ins Ohr:

»Daß wir uns hier sehen würden, das konnte ich nicht ahnen. Du mußt doch, als Vater, viel über Deine Tochter vermögen, das vermöcht' ich über meine Kinder nicht und, ich glaube, ich halte sie in guter Zucht.« --

Fast verdrießlich entgegnete Eckard:

»Es hat ein jeder seine Weise, wie er die Kinder lenkt, die Deine will ich nicht tadeln.«

Jetzt, von einem glänzenden Gefolge begleitet, fuhr der Wagen, in dem die schöne Luitgard mit ihrer Mutter saß, durchs Schloßthor. Auf ein gegebenes Zeichen schmetterten Trompeten und wirbelten Pauken, die aber verstummten, als der Wagen auf dem großen Platze hielt.

Als Luitgard aus dem Wagen gestiegen war, bot ihr Otto, sie nochmals freundlich begrüßend, den Arm und führte sie nach dem großen Saale. Die Andern folgten Paarweise nach, wo die Äbtissin sie mit majestätischer, aber freundlicher Miene, auf einer Art von Throne sitzend, in wahrem kaiserlichen Gepränge, erwartete.

Als Otto mit Luitgard vor Mathilden stand, sagte er zu ihr:

»Das ist die Markgräfin, von der ich gesagt habe, was ich in ihrer Gegenwart nicht zu wiederholen wage.«

Die Äbtissin streckte ihr die Hand entgegen, zog sie sich näher, küßte ihr die Stirn und sprach:

»Daß ich in meinen alten Tagen die Freude noch erlebe, die Ihr mir bereiten wollt, da ich meinen Otto über Alles liebe und sein Glück, das stets mein Wunsch und mein Gebet war, nur von Euch kömmt, das hab' ich nie geahnet. Wißt, mit meiner Liebe, die der Mutterliebe gleicht, will ich Euch dafür danken.«

Mit gleicher Güte empfing die Äbtissin auch die Markgräfin und sagte ihr leiser Manches, was ihrem Muttergefühl zur süßen Nahrung diente.

Allen aber kam das Benehmen Otto's und der Äbtissin ganz sonderbar vor und besonders mußte es der Herzog mit seiner Gemahlin glauben, daß der Verbindung zwischen Otto und Luitgard gar kein Hinderniß weiter entgegenstehe. Alles wollten sie vermeiden, was an Luitgards frühere Liebe erinnern konnte, da sie in sich gewiß waren, daß sie sich in den Willen des Vaters, wenn auch mit widerstrebendem Gefühl, gefügt hätte.

Eben so sehr wunderte sich auch Schwanehilde, daß die Äbtissin und Otto eine Miene, ein Betragen annahmen, als ob auch der kleinste Zweifel, hinsichts der Heirath, nicht mehr stattfinde. War, ohne ihr Wissen, zwischen Eckard und Otto die Sache schon so weit ins Werk gerichtet? Hatte der Markgraf gar kein Verhältniß, keine Person und Neigung in Aachen berücksichtigt und wie ein Herr entschieden, dem selbst Gefühle und Triebe unterworfen sind, die er beherrschen kann?

Diese Ansicht empörte sie. Vor Allen aber wußte es Luitgard nicht, ob sie wache oder träume, sie hatte Worte gehört, als ob sie bereits das Jawort zur Verbindung mit Otto gegeben hätte und als ob sie seine verlobte Braut sey. Legte man so wenig Gewicht auf ihren Willen, achtete man so wenig auf ihre Freiheit und ihr Recht, ja und nein sagen zu können? Verstand sich denn das, ohne Frage von selbst, daß sie dem, der ihr seine Hand gab, ihre Hand geben mußte?

Sie wünschte sich Flügel, um aus diesem glänzenden Getümmel hinweg zu eilen und einen Plan zu vereiteln, der auf Unkosten ihrer Ruhe, des Glaubens an ihre Treue und feste Liebe, geschmiedet war und vollzogen werden sollte. Ihr innerstes Mißvergnügen offenbarte sie der Mutter und diese sagte:

»Luitgard, beuge Dich unter die Hand des mächtigen Geschicks und bedenke, daß Dir, ohne die Zulassung des Himmels nichts Böses begegnen kann, ob es Dir auch so scheinen mag.«

Alles bewegte sich schmeichelnd und liebend um Luitgard. Der Kaiser, bezaubert von ihren Reitzen, kam fast nicht von ihrer Seite. Wäre die Liebe zu Werner nicht ihrer Seele tief eingegraben gewesen, sie hätte Otto'n liebenswürdig finden müssen. Sie wurde mit den kostbarsten Geschenken überhäuft. Die Äbtissin widmete ihr die größte Aufmerksamkeit, und suchte ihr Herz durch alle Beweise der Mutterliebe sich näher zu ziehn. Fein wußte sie ihr Otto's Vorzüge zu schildern und mit den schönsten Farben spiegelte sie ihr eine glänzende Zukunft an seiner Seite vor. Endlich wurde ihr klarer, heller Sinn ganz betäubt.

 

An einem Tage, der zum glänzendsten Feste geweihet war, wo mehr als dreihundert Gäste zur Tafel saßen, wo Musikchöre das Mahl würzten, wo alle Pracht und Herrlichkeit aufgeboten war, um zu ergötzen, saß Otto neben Luitgard. Als die blinkenden, Pokale von einem Ende der Tafel zum andern kredenzt wurden, stand, wie das verabredet war, ein Graf auf und fragte mit lauter Stimme, als vorher allgemeines Schweigen geboten war:

»Kaiser, ich frage Euch, wollt Ihr die Markgräfin Luitgard, die Ihr zu Eurer Braut erkohren habt, wie's sich geziemt, lieben und ehren, so sprecht ja.«. --

»Ja!« antwortete Otto. --

»Luitgard, einzige Tochter des Markgrafen von Meißen, erkennt Ihr den Kaiser, der Euch zu seiner Braut erwählet hat, als den an, mit dem Euch des Priesters Hand durch den Ehesegen auf ewig verbinden soll, so sprechet ja.« …

Wie ein mattes Echo, das in der Ferne tönt, kam der Laut von Luitgards Lippe: »Ja.« … Sie wollte nein sagen, aber sie konnte es nicht. Auf der andern Seite saß die Äbtissin und ihr gegenüber der Vater. Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust, sie mußte ihn ersticken …

»Hoch lebe der Bräutigam; und die Braut!« rief im lauten Jubel der Graf … Die Musik rauschte, Alle riefen: »Hoch; hoch, hoch!!« Und ein Heer von Glückwünschen brach los. Otto küßte zum erstenmale seine schöne Luitgard, die Äbtissin küßte sie nach ihm. Eckard war so froh, als ob er zum Himmel erhoben sey, Schwanehilde schien heiter, aber ihre Seele trauerte.

Der Herzog Bernhard sagte:

»Nun will ich auch an alle Wunder glauben,« und seine Gemahlin entgegnete: »Das Spiel ist nur ein Spiel, es ist noch nicht vollendet, Werner hat seine Zustimmung nicht gegeben, er fordert die Braut zurück, denk an mich.« …

Ja, er forderte sie und …

 

Nach den festlichen Tagen machte Otto eine Reise nach Gnesen, es war eine Art von Wallfahrt, die seinen Dank enthalten sollte, daß der höchste seiner Wünsche gelungen war. Dort lag der heil. Adelbert begraben, den die heidnischen Preußen erschlagen hatten. Otto, als er die Stadt Gnesen erblickte, stieg vom Rosse, näherte sich dem Grabe des Märtyrers mit bloßen Füßen und flehte zu ihm mit Thränen. Darauf kehrte er nach Aachen zurück, wo während seiner Abwesenheit, Nachrichten aus Italien eingelaufen waren, die es unvermeidlich machten, vor seiner Vermählung, einen kriegerischen Zug dahin zu unternehmen.

Ende des ersten Theils.


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