Theodor Mügge
Erich Randal
Theodor Mügge

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Vierzehntes Kapitel.

Die Festung Abohus ist ein altes Gemäuer. Erich der Heilige hatte zuerst hier ein mittelalterliches Schloß erbaut, das während der Kriege des sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderts mehrmals erobert, niedergebrannt und wieder aufgebaut wurde. Auch die Russen hatten es öfter schon in ihrer Gewalt, doch niemals war es eine Veste von besonderer Wichtigkeit. Dicke Mauern und ein paar runde Thürme unterstützten einige alterthümliche enge Bastionen, die ein unregelmäßiges Viereck einschlossen, in welchem verschiedene Häuser standen. Auf diesem Hofe hatte der Commandant des Schlosses den Freiherrn erwartet und ihn dann in dem südlichen Thurm einschließen lassen, wohin er ihn begleitete und sich selbst davon überzeugte, daß sein Gefangener sicher verwahrt sei. In der That würde selbst ein verwegener Mann den Muth verloren haben, an seine Befreiung zu denken. Eine schmale Wendeltreppe, deren Eingang mit Schloß und Riegel versehen und von einem Wachtposten behütet war, führte zu einem hohen Thurmgewölbe, das abermals starke Thüren versperrten. Ein stark vergittertes, kleines Fenster ließ Licht herein und gestattete dabei die unbegrenzte Aussicht auf das Meer.

Der Commandant besichtigte die Schlösser, Riegel, Thüren und Gitter und ehe er ging richtete er einige Fragen an Erich Randal. Er war noch jung, aber er hatte den rechten Arm bis an die Schulter verloren und über sein mageres Gesicht lief eine breite, dunkelrothe Narbe. Gleich bei dem Empfange des Gefangenen zeigte er sich abschreckend rauh, sein ganzes Benehmen war mitleidlos, wie es Kerkermeistern solcher Art oft eigen ist.

Jetzt blieb er vor Erich stehen und fragte französisch: Kennen Sie mich?

696 Der Freiherr dachte nach und erwiederte: Nein.

Ich dächte, wir müßten uns schon gesehen haben, fuhr der Offizier mit höhnender Miene fort.

Ich weiß in der That nicht wo, war die Antwort.

Gut, so denken Sie nach; wir werden uns kennen lernen. Damit wandte er sich um und ging hinaus.

Erich hatte an Anderes zu denken. Er blickte aus dem engen Fenster über die blaue See hinaus und über den Kranz der Inseln, die bis in die weiteste Ferne sichtbar waren. Ein Schiff mit hohen Decken und gewaltigen Segeln kreuzte auf dem Meere, näher am Ufer aber flog eine der kleine Kanonenschaluppen vorüber und seine Hand nach ihr ausstreckend, murmelte Erich: Wenn der ehrliche Gustav es wüßte, er würde sein Leben vergebens zu opfern suchen. Sie haben mich an einen sicheren Ort gebracht. Der Thurm ist so hoch, der Fels so steil, und sie wissen nicht, setzte er mit einem melancholischen Lächeln hinzu, daß sie weder Thürme noch Riegel nöthig hätten, um mich fest zu halten.

Die Stunden liefen hin, dem Tage folgte die Nacht, ein neuer Morgen kam und ein zweiter Sonnenwechsel. Die Zeit verging dem Gefangenen eintönig, langsam, durch nichts belebt, als durch bange Erinnerungen an vergangenes Leben und verlorenes Glück, mit denen sich ernste Gedanken über die Zukunft und ihre Schrecken vermischten. Mit diesen jedoch hatte Erich Randal sich besser abgefunden, als die meisten Gefangenen es zu thun pflegen. Es war nichts von der fieberhaften Aufregung in ihm, mit der ein Angeklagter den Gang vor seine Richter erwartet und mit steigender Seelenpein sich immer von neuem wiederholt, was er antworten, was er bekennen, wie er seine Unschuld behaupten will. Von der Gerechtigkeit seiner Handlungen überzeugt, hatte Erich nur die einfache Wahrheit zu erzählen und ohne sich Hoffnungen zu überlassen, war er überzeugt, daß wenn der Gerichtshof nur aus ehrlichen Männern bestehe, diese ihn freisprechen müßten. Auf jeden Fall aber sah er dem Ausgang seines Prozesses mit der milden Selbstbeherrschung entgegen, die der Grundzug seines Wesens war. Keine zornige Beschuldigung verdammte seine Feinde, keine Verwünschung kam über seine Lippen. Die Menschen reifen 697 langsam zum Guten auf, sagte er. Es wird eine Zeit kommen, wo sie gerechter und besser sein werden, es hat Zeiten gegeben, wo sie weit grausamer und ungerechter waren als sie es jetzt sind. Hätte ich damals gelebt, wo die wilden Schaaren Peter's des Großen über Finnland sich ergossen, so würde ich unter entsetzlichen Martern geendet haben. Damals genügte ja der leiseste Widerspruch dazu, lebendig verbrannt, oder von Pferden in Stücke gerissen zu werden; jetzt stellt man mich doch vor ein Gericht, erlaubt mir, mich zu vertheidigen, und wenn mich ein Todesurtheil trifft, werden meine Leiden rasch vorüber sein. Ich klage nicht. Die Zeit, in der ich lebe, verurtheilt mich nach ihrer Erkenntniß, willig unterwerfe ich mich, gestärkt durch meinen Glauben. Einst, du großer Weltenschöpfer, werden deine Wesen milder und gerechter sein, einst werden sie ohne Mord und Blutvergießen, ohne Knechtschaft und Gewalt friedlicher bei einander wohnen, menschlicher ihr Erdenloos theilen, gemeinsam besser und geduldiger, in Freude und Leid sich näher sein.

In solchen Gedanken vergaß er seine Einsamkeit und während der drei Tage, die er in dem Thurmgewölbe verlebte, ohne einen Menschen zu sehen als den alten Soldaten, der kein Wort sprach und auf keine Frage antwortete, war er niemals von Niedergeschlagenheit heimgesucht, nie von seiner männlichen Festigkeit verlassen. Kaum drang je ein Ton durch die dicken Mauern vom Meere herauf, nur die Glocken der Stadt hörte er läuten und die Kanonen abfeuern, als dem Kaiser von dem versammelten Adel und der Geistlichkeit der Eid geleistet wurde.

Hätte er sich nicht zu diesen zahlreichen und mit Ehren begabten Leuten gesellen können? Hätte er nicht thun können, was sie thaten? Mit diesen Dienern Gottes, mit dem hochwürdigen Propst von Halljala, mit seinen stattlichen Verwandten, mit so manchen, welche berühmtere Namen führten, als der seine war. Wer hätte ihm fluchen, wer ihn verachten können? Was schadete es ihm, wenn auf der langen Liste derer, die man jenseits des Meeres Verräther an Vaterland und Ehre schalt, auch sein Name stand? Was hatte er dafür von sich gestoßen und wohin hatte ihn diese Schwärmerei geführt. Er, der das Leben so kalt betrachtete, der jeden Menschen in seinen Schwächen entschuldigte, er 698 hatte unbeugsam dem, was er Recht und Gewissen nannte, Alles geopfert, was das Glück ihm unverhofft zum letzten Male bot. Und noch jetzt war er ohne Reue, noch jetzt kam kein banger Wunsch nach Umkehr, keine Sehnsucht nach dem Verlornen, kein Seufzer über seine fanatische Selbstvernichtung in seine Brust. Sanft und traurig dachte er an das, was geschehen, an die, welche er liebte, aber wäre auch die Stunde noch einmal aus der Vergangenheit zurückgekehrt, die nichts wiedergibt, er würde doch nicht anders gehandelt haben. Ohne einen Freund, ohne Hoffnung saß er hier und sagte sich, daß er auf keines Menschen Hilfe rechnen dürfe, doch diese Gewißheit hatte nichts Erschreckendes. Sie vermehrte seine ruhige Entschlossenheit, nur auf sich und auf die Macht der Wahrheit und des Rechts zu vertrauen.

Und mit dieser Kraft ausgerüstet, hörte er endlich auf der Treppe vor seinem Gefängniß das Klirren der Gewehre und die harten Schritte mehrerer Männer. Ein Commando Soldaten stand in der Vorhalle, ihr Offizier benachrichtigte den Gefangenen, daß er den Befehl erhalten habe, ihn vor das versammelte Kriegsgericht zu führen.

Nach einigen Minuten stieg Erich in den Hof hinab. Ein Theil der Besatzung stand dort unter Waffen, vielleicht dazu bestimmt, das gefällte Urtheil sogleich zu vollstrecken. Als er das Haus des Commandanten erreicht hatte, sah er die Thüren eines großen Gemaches geöffnet, das durch Schranken getheilt war. Außerhalb derselben standen Soldaten als Zuschauer, innerhalb saßen um einen Tisch sieben Männer. An ihrer Spitze befand sich ein Oberst, neben ihm sechs Beisitzer verschiedener Grade, der letzte ein Grenadier.

Der Eintritt des Gefangenen bewirkte ein allgemeines Schweigen. Die Wachen stellten sich in einer Linie vor dem Gitter auf, aber die Thüren blieben geöffnet. Der Präsident winkte dem Gefangenen näher und ihm gegenüber zu traten, dann richtete er einige Fragen an ihn in russischer Sprache, die von einem anderen Offizier ins Schwedische übersetzt wurden, welcher die Antworten hierauf wieder ins Russische übertrug, so daß sie jedem der Anwesenden verständlich wurden.

Wie heißen Sie? fragte der Präsident.

Erich Randal.

Sie sind der Baron von Halljala?

699 Der bin ich.

Sie sind des Hochverraths gegen Ihren Herrn und Kaiser angeklagt.

Der Kaiser ist mein Herr nicht, antwortete der Freiherr mit fester, voller Stimme.

Der Oberst blickte ihn düster an. Sie sind ein Unterthan Sr. Majestät, wie alle Bewohner dieses Landes, sagte er. Hören Sie jetzt die Anklage, welche ich in russischer und schwedischer Sprache laut vorlesen lassen werde; bringen Sie dann vor, was Sie zu Ihrer Vertheidigung sagen können.

Auf seinen Wink erhob sich der Offizier und las die vor ihm liegenden Actenstücke, aus welchen kurz und bestimmt hervorging, daß Erich Randal, Baron von Halljala, in der Nacht vom 9. März, als ein Detachement des Heeres Sr. Majestät, befehligt von dem Obersten Serbinoff, Adjutanten des Oberbefehlshabers, das Schloß Halljala besetzte, einen verrätherischen Angriff auf die Truppen des Kaisers ausführte. Versteckt gehaltene schwedische Soldaten vereinigten sich dazu mit einer Bande bewaffneter Bauern, welche seit längerer Zeit in den Waffen geübt wurden, trotz der Proclamation des kaiserlichen Feldherrn, die bei den härtesten Strafen jede Zusammenrottung und jede Widersetzlichkeit verbot. Als einer der Anführer dieser Bande, ein Schulmeister mit Namen Lars Normark, der als Unruhestifter bekannt war, von dem Obersten Serbinoff verhaftet werden sollte, wurde derselbe von seinen Genossen mit Gewalt befreit. Zu gleicher Zeit entzog sich der Baron Randal seiner Verhaftung, welche durch sein Betragen vollkommen gerechtfertigt war, indem er den damit beauftragten Offizier tödtlich verwundete. Eine Anzahl Soldaten des Kaisers wurden auf den Fluren und in den Höfen des Schlosses ermordet, bis dies nach einem verzweifelten Kampfe in Brand gerieth und von den Aufrührern verlassen werden mußte. An der Spitze derselben, das Schwert in der Hand, fiel der besagte Baron über die Abtheilungen der kaiserlichen Truppen her, welche ihm den Weg versperrten, und abermals wurden viele getreue Krieger Sr. Majestät dabei getödtet und verwundet. Den Aufrührern gelang es zum Theil, in die Wälder zu entkommen, doch gerieth der Baron Erich Randal in Gefangenschaft und befindet sich, nachdem er von seinen Wunden genesen, vor diesem 700 Kriegsgericht, dem Se. Excellenz der Generalgouverneur von Finnland Graf Buxthövden aufgetragen hat, über seine Schuld oder Unschuld das Urtheil zu sprechen.

Angeklagter, sagte der Präsident, als der Offizier geendet hatte, gestehen Sie ein, daß diese Schrift die Wahrheit enthält.

Ich gestehe ein, erwiderte Erich, daß die Thatsachen richtig sind, allein die Ursachen, welche sie herbeiführten, sind falsch. Ohne Grund wurde ich in meinem Hause gewaltthätig mißhandelt, und obwohl ich betheuerte, mich friedlich allen Forderungen zu fügen, welche die Proclamation des Grafen Buxthövden enthielt, sollte ich gezwungen werden zu thun, was mein Gewissen mir nicht erlaubte.

Wozu sollten Sie gezwungen werden?

Mein Herr, versetzte Erich, ich muß über Vieles schweigen, was allein mich betrifft, doch im Zusammenhang mit dem an mich gestellten Verlangen steht. Es ist jedoch der Wahrheit gemäß, daß ich gezwungen werden sollte, mich zu dem Grafen Buxthövden zu begeben, um ihm zu versichern, daß ich ein treuer Anhänger Rußlands sei.

Das wollten Sie nicht?

Nein. Würden Sie, mein Herr, wenn ein schwedisches Heer in Rußland einfiele, zu dem schwedischen General eilen, um Ihr Vaterland abzuschwören?

Der Präsident unterbrach ihn, er bemerkte, daß diese Antwort Eindruck machte. Sie kannten die Proclamationen des Obergenerals? fragte er.

In derselben Stunde, wo Oberst Serbinoff bei mir erschien, wurden sie mir bekannt.

Und Sie wußten, daß schwedische Soldaten in Ihrem Hause versteckt waren?

Seit länger als einer Woche waren diese Soldaten in Halljala. Sie wußten nicht, wohin sie sich wenden sollten; Niemand ahnte, daß eine russische Abtheilung in unserer Nähe sei.

Aber Sie sagten dem Obersten Serbinoff nichts davon.

Sollte ich ein Verräther an meinen Landsleuten werden? Ich bin ein Schwede, mein Herr! Würde ein Russe seine Freunde, die Kinder seines Landes, die Soldaten seines Kaisers den Feinden seines Volkes 701 verrathen? Ich rief diese Soldaten jedoch nicht herbei, auch waren sie nicht versteckt. Ich hoffte, daß sie entflohen sein würden, Beistand konnte ich ihnen nicht leisten.

Allein Sie griffen selbst zu den Waffen, befreiten sich gewaltsam und wurden der Anführer dieser Räuber.

Ich wurde der Anführer meiner Freunde, als man mich gewaltsam aus meinem Hause fortschleppen wollte; ich vertheidigte mich gegen tyrannische Willkür. Vergebens betheuerte ich meine Friedensliebe, vergebens gelobte ich, die Proclamation getreulich zu halten. Kein Mann konnte geduldiger sein, allein es war darauf berechnet, mich zu verderben. Plötzlich fielen Schüsse um mich her. Der Greis, den man gefangen hatte, wurde befreit, doch auch jetzt wollte man mich nicht freigeben. Wer von Ihnen Allen, meine Herren, hätte sich nicht solcher Gewalt widersetzt, wer hätte nicht, mißhandelt und verhöhnt, wie ich es war, lieber den Entschluß gefaßt, wie ein freier Mann zu sterben? Ich that es, es war gerechte Nothwehr. Wo sind die Zeugen, welche anders sagen können! Ich vertheidigte mich, mein Haus, mein Leben und meine Freiheit. Ich bekenne, daß ich an der Spitze meiner Diener und meiner Freunde mich gegen gewaltthätige Angreifer wehrte, die mit Feuer und Schwert mich aus meinem Eigenthum trieben. Ich bekenne, daß ich so lange focht, bis ich bewußtlos in meinem Blute lag und jetzt stehe ich hier, meine Herren, vertrauend auf Ihre Gerechtigkeit. Prüfen Sie, was geschehen ist, erwägen Sie, was mir widerfuhr, und ich werde nicht Ankläger, ich werde Vertheidiger finden.

Die ruhige Besonnenheit und Würde, mit welcher Erich sprach, und der kühne Schluß seiner Rede wären vielleicht im Stande gewesen, seine Hoffnung zu rechtfertigen, wenn eine Freisprechung überhaupt möglich sein konnte. Wie hätte jedoch ein russisches Kriegsgericht einen Mann freisprechen dürfen, der nicht allein noch jetzt offen bekannte, daß er kein Anhänger des Kaisers sei und sich weigerte, diesem Treue zu schwören, sondern der auch nichts Factisches an der Anklage leugnete. Aus welchem Grunde er die Waffen ergriff und sein Schloß vertheidigte, machte auf dies Gericht geringen Eindruck, zum 702 Überfluß aber trat ein Umstand ein, der die milderen Meinungen, wenn solche vorhanden waren, völlig vernichten mußte.

Auf einen Wink des Präsidenten trat der Commandant der kleinen Festung an den Tisch und stellte sich dem Angeklagten entgegen.

Capitän Annenkoff, sagte der Präsident, Sie sind der einzige Zeuge, der hier zur Stelle ist, und bei dem Blutbade in Halljala gegenwärtig war; ich fordere Sie hiermit bei Ihrer Ehre auf, die Wahrheit zu sagen. Theilen Sie dem Gericht mit, was Sie davon wissen.

Der Capitän hob sein narbiges Gesicht auf und stierte den Gefangenen an. Sie kennen mich also noch nicht? fragte er.

Nein. Ich kenne Sie nicht, antwortete Erich Randal.

Weil ich damals, als wir uns sahen, meinen Arm noch hatte und diese Narbe mir fehlte. Auf meine Ehre! mein Oberst, ich erkenne diesen Mann genau wieder und rede die Wahrheit! Als wir das Schloß Halljala besetzt hatten, wurde ich von Oberst Serbinoff beauftragt, einen alten Schurken von Bauer in Gewahrsam zu bringen, allein kaum waren wir mit ihm hinaus, als es Kugeln regnete und seine Genossen hinter allen Büschen vorsprangen und ihn befreiten. Wir zogen uns zurück und Oberst Serbinoff befahl mir, diesen Herrn hier festzunehmen. Ich lud ihn ein, mir zu folgen, that ihm dabei aber keinerlei Gewalt an; doch ehe ich es hindern konnte, packte er mich beim Arm, entriß mir den Degen und stieß ihn mir durch Schulter und Brust. Der Schmerz machte, daß ich zu Boden stürzte, und ich wagte nicht, mich zu rühren, denn er stand über mich hingebeugt, horchend, ob ich noch lebe. Gleich darauf stürzten Bauern und Soldaten in den Saal. Einer der Kerle, der voran war, schrie den Andern etwas zu und deutete dabei auf mich und auf diesen Gefangenen, den sie frohlockend umringten. Er forderte sie auf, ihm in ein Nebenzimmer zu folgen, und ich sah, wie er Waffen und Pulver vertheilte, meinen Degen schwang und sie zum Widerstand ermunterte. Mehr habe ich nicht zu berichten, denn eben jener wilde Kerl stach mit seinem Bajonnet nach mir, da ich mich ein wenig aufrichtete und bemühte, meinen Körper unter einem Tisch zu verbergen. Dieser Stich riß mir das Gesicht auf, daß ich in meinem Blute sinnlos gefunden wurde, als endlich meine 703 Kameraden eindrangen. So ist es geschehen, und bei dem heiligen Namen des Erlösers schwöre ich, daß dieser Mann derjenige ist, der über mich herfiel wie ein wildes Thier. Ich schwöre, daß ich es gesehen habe, wie er die Mörder aufreizte, ihm zu folgen. Seht hier meinen verstümmelten Körper, das ist sein Werk. Gebt ihm Gerechtigkeit, fragt ihn, ob er leugnen könne. Gerechtigkeit, mein Oberst, im Namen Gottes! auch für mich und für mehr als hundert unserer Brüder, welche dort ermordet wurden!

Die Stimme des Capitäns zitterte in heftiger Aufregung; seine Augen hefteten sich so rachedürstig auf den Gefangenen, als wollte er ihn mit seinen Blicken tödten.

Leugnen Sie, was Capitän Annenkoff aussagt? fragte der Präsident des Kriegsgerichts.

Ich leugne nichts, erwiederte Erich Randal mit derselben Unerschütterlichkeit; denn ich weiß, daß das, was ich leugnen würde, nichts an Ihren Beschlüssen ändern kann.

Haben Sie zu Ihrer Vertheidigung noch etwas hinzuzufügen?

Der Gefangene verbeugte sich und sagte nein.

Auf dies Wort erhob sich der Präsident und mit ihm gingen die sieben Richter in ein anstoßendes Gemach. Erich blieb vor den Schranken stehen. Niemand war dort, der ihm Theilnahme bezeigte, in keinem Gesicht konnte er Mitleid entdecken. Die Zuschauer vor den Schranken blickten ihn mit Haß und Abscheu an und murmelten Verwünschungen über ihn. Traurig senkte er seinen Kopf. Er, der alle Menschen liebte, dessen ganzes Leben vergangen war, um Gutes zu thun, jeden Klagenden zu trösten, jeden Mühseligen aufzurichten, er sah überall die Gier nach seinem Blute. Wie eine Rotte Wölfe würden diese Männer ihn zerrissen haben, wenn ihre Herren es gestattet hätten. Ein sehnsüchtiges Verlangen nach einem raschen Ende, nach Vergessenheit, füllte seine Brust.

Das Gericht ließ ihn nicht lange warten. Schon nach wenigen Minuten kehrte es zurück, ein Beweis, daß die Einigung der Stimmen keine Schwierigkeit gemacht hatte.

Angeklagter, sagte der Präsident, treten Sie vor. Das Kriegsgericht erklärt Sie aller Ihnen zur Last gelegten Verbrechen für überführt und verurtheilt Sie zum Tode des Erschießens. Dies Urtheil 704 soll ohne Aufschub sofort nach Bestätigung des Generalgouverneurs vollzogen werden.

Ein freudiges Gemurmel lief durch den Zuschauerraum und rief ein mitleidiges Lächeln des Verurtheilten hervor.

Wollen Sie die Gnade des Generalgouverneurs anrufen? fragte der Präsident.

Nein! erwiederte Erich.

Berufen Sie sich, wie dies in gewissen Fällen gestattet ist, auf die Gnade des Kaisers, indem Sie vielleicht wichtige Entdeckungen zu machen haben oder andere wichtige Dienste zu leisten vermögen?

Ich danke Ihnen, mein Herr, für Ihre Güte, sagte Erich Randal, allein ich verzichte auf jede Gnade, die Menschen geben können.

Dann bereiten Sie sich auf den Tod, sagte der Oberst, indem er aufstand. In wenigen Stunden werden Sie vor einem höheren Richter stehen. Führt den Gefangenen fort!

Es dunkelte bereits, als dies geschah. Der Himmel hatte sich mit schwarzen Wolken bedeckt, die abendwärts von den schwedischen Küsten her sich über Finnland wälzten. Unbeweglich lag das Meer wie unter dem Druck riesenhafter Hände, die es zusammenpreßten. Ein schwüler Luftzug wehte zuweilen darüber hin und brachte ein phosphorisches Leuchten mit, das an den Wolkensäumen hinlief, die schwer geballten Massen deutlich machte und mit mattem Schimmer über die Berge und Thäler der Küste leuchtete.

In den hölzernen Häusern der Stadt wurden sorgfältig die Fenster geschlossen, nach Feuer und Licht gesehen und die Hausgenossen zusammengerufen, um bei einem Ungewitter zur Hilfe bereit zu sein; aus dem Regierungsgebäude aber, wo die Stadt dem versammelten Adel ein Fest gegeben hatte, bei dem es sehr fröhlich hergegangen, entfernten sich früher, als es sonst wohl geschehen wäre, die Gäste und eben war es zehn Uhr, als Sam Halset mit seiner Tochter nach Haus fuhr. Der Staatsrath war äußerst munter gestimmt, er hatte gegen seine Gewohnheit viel trinken müssen, darum erzählte und scherzte er ohne Aufhören und war in der besten Laune, als er Mary endlich die Stufen hinauf führte, oder vielmehr sich von ihr führen ließ, 705 denn er schwankte bedenklich und streckte sich sogleich in einem der großen Lehnstühle aus.

Ist mir seit meiner Jugendzeit nicht wieder passirt, lachte Sam, daß meine Beine klüger sein wollen, als mein Kopf, und mein Kopf nicht recht weiß, wie er die Beine in Respect hält. Thut aber nichts, Mary. Sitze jetzt hier und stelle die Ordnung wieder her. Setz' dich an meine Seite, Kind, habe noch ein Wort mit dir zu sprechen.

Mary ging durch das Zimmer, nahm einen Stuhl und kehrte damit zurück. Wohlgefällig blickte er sie an. Ist wahrlich nicht umsonst, daß manche Augen dir nachschauen! rief er. Siehst so frisch und herrlich aus, wie ein junger Wald, wie die Finnen sagen. Hast mir Freude gemacht, Mädchen, hast Körper und Geist aufgerichtet, trotz alles Kummers, der dich getroffen hat.

Wir müssen tragen, was wir nicht ändern können, Vater, erwiederte sie.

Recht, Kind! Müssen tragen, aber von uns werfen, was eine Last ist, nicht werth, daß wir darunter seufzen. Bin erfreut gewesen darum, daß du es konntest, und habe es gern gesehen, daß Frau von Gurschin sich deiner in diesen Tagen annahm. Hast Freundschaft mit ihr geschlossen, Mary?

Ja, Vater, soweit dies zwischen uns möglich ist. Ich glaube, sie ist eine Frau von großer Weltklugheit und starkem Willen.

Sam Halset machte ein Satyrgesicht. Nuh, rief er, man könnte es wohl auch anders nennen, doch gleichviel! Lerne Weltklugheit von ihr, Mary. Denke, an Willen fehlt es dir nicht. Lerne, wie man das Regiment über Männer führt. Wird dir gut thun, meine ich, denn Herr Arwed Bungen hat eine weltkluge Frau nöthig, um ein zärtlicher Eheherr zu sein.

Die Augen des Vaters begegneten den Augen der Tochter. Sam Halset lachte listig auf. Mary lächelte. Du hast an ihn geschrieben? fragte sie.

Heute, antwortete er, habe ihm Alles geschrieben, was hier vorgefallen, und Bischof Ridderstern hat den Brief in die Tasche gesteckt und mitgenommen. Hast doch nichts dagegen einzuwenden, Kind?

Nein, Vater.

706 Bravo! schrie Halset, indem er sie umarmte, mußt einen Kuß dafür haben, mein kluges Kind. Sehe, denkst nicht mehr an den Mann, der deine Liebe so schlecht vergolten hat.

Ich denke oft an ihn! antwortete sie mit starker, harter Stimme.

Bah! mußt dich nicht erhitzen, nicht ärgern. Wind wird aus Süden bei Blitz und Donner plötzlich Nordwind. Mach' es wie ich, Kind. Habe weder Zorn noch Liebe für einen Narren. Betrachte ihn als eine Sache, die werthlos geworden ist. Wenn sie ihn morgen todt schießen, will ich beitragen, daß er im Dom in seiner Väter Gruft neben Hompus Randal eingesenkt wird.

Ist es gewiß, daß er nicht begnadigt wird? fragte sie und es klang fast, als freue sie sich.

Wir sind alle Christen, Mary, sagte Halset scheinheilig ernsthaft und seine Augen zukneifend, dürfen unseren Mitmenschen nichts Böses wünschen, war aber seine Sache, um Gnade zu bitten. Hat's abgeschlagen, wie es zu denken war, der Narr! Ich stand beim Generalgouverneur als Oberst Konsky den Bericht brachte. Hat sich standhaft benommen, und meinte der Oberst, er hätte niemals solche Ruhe und ernstes Wesen gesehen, ohne Trotz und ohne Schwäche. Kennen ihn Beide, Mary. Sieht biegsam aus wie ein Rohr, ist aber kein Eichbaum so zäh und knorrig.

Hat der Generalgouverneur das Urtheil unterschrieben, Vater? fiel Mary ein.

Sorge nicht, Kind, ist nichts daran zu ändern, erwiederte Halset. Er thut es ungern, möchte lieber an einem Gnadenact den Finnen beweisen, wie mild das russische Regiment ist. Sind aber zu schwere Aussagen gemacht worden. Er muß sterben; und sein Vermögen wird eingezogen.

So mag ihm nach seinem Willen geschehen.

Recht, Kind! er hat es verdient. Fort mit ihm. Er hat das Kissen gewählt, das sein Bett sein soll. Geh schlafen, Mary denke an Halljala, ist jetzt dein Eigenthum. Denke an eine frohe Zukunft, Mary. Laß eine Woche vergehen, wird dann Niemand mehr von ihm sprechen. Arwed wird kommen, sowie er meinen Brief erhalten hat, wollen frohe Tage beisammen leben. Machst ein freundlich Gesicht und läßt deine Augen glänzen.

Ich denke an die frohen Tage, Vater.

Eh! sehe sie kommen, Kind und will sie mit dir genießen. Wollen im neuen Schloß zu Halljala wohnen. Bist ja mein einzig Kind, habe dich allein.

Ich kann auch von dir genommen werden, Vater.

Halset hob seinen Kopf hastig auf und fing dann an zu lachen. Es wäre eine verkehrte Welt! rief er, möchte es aber nimmer erleben. Siehst aus wie ewiger Frühling, Mary. Bist doch nicht krank?

Nein, Vater.

Nicht betrübt?

Auch das nicht, Vater.

Blickst froh in deine Zukunft?

Mit Zufriedenheit, denn ich bin ohne Vorwurf.

Recht, Kind! hast gethan, wie es sich schickt und wirst immer so thun.

Das ist mein fester Wille.

Glaub's! schrie Halset, hast die Kraft dazu. Halt dich an die Gurschin, laß dir von ihr rathen, wo es zu rathen gibt.

Meinst du, daß ich das dürfte.

Darfst es, mußt es thun! Befehl's dir, Mary!

Dann will ich deinen Befehl befolgen, und jetzt gute Nacht, Vater!

Sie beugte sich über ihn, er streichelte und küßte ihre Wangen. Bist mein Herzenskind, Mary sagte er zu ihr aufschauend, und ist Alles so am besten, wie es ist. Schreib' morgen selbst ein paar Worte an Arwed, lade ihn ein.

Ich will es thun, aber ich fürchte, er kommt nicht zu mir.

Kommt zu dir, lachte Halset, sucht dich, wo es sein mag.

So wollen wir sehen, ob er es wagt! antwortete sie in frohem Tone, indem sie sich entfernte.

Ob er es wagt, murmelte Sam, was wagte er nicht um Halset's Tochter. Ist endlich also mein Weg klar, mein Ziel erreicht. Darf jetzt nur sagen: schlagt mir Halljala zu, und ich habe es. Morgen 708 wenn der Tag kommt gibt's keinen Freiherrn Randal mehr, steht aber ein neues Geschlecht auf, mein Geschlecht! Soll meinen Namen führen, sollen die Halset's von Halljala sein.

Stolz lachend streckte er sich auf seinem Lager aus und nur einmal noch öffnete er die Augen als ein blendender Blitz sein Schlafgemach erleuchtete. Ein Donnerschlag rollte nach, es war dem Schläfer, als schüttelte sich das Gebäude. Er zog die Nachtmütze über die Ohren und indem er seinen Kopf in die Kissen drückte, sagte er vor sich hin: Mein Haus steht fest, kein Wetter reißt es ein.

Derselbe Blitz war es, der Erich Randal aus seinen ersten und einsamen Betrachtungen aufweckte. Er saß auf dem harten Lager in seinem Kerker und richtete seine Augen auf den flammenden Himmel, der sich vor ihm aufthat. Durch das offene Fenster wehte ein Strom kühler Luft herein und als die Dunkelheit zurückgekehrt, brach sich der Schall des Donners an den öden Wänden wie Geisterstimmen, die darin umherirrten. – Zum letzten Male höre ich euch, sagte er, was wißt ihr von dem großen Geheimniß des Lebens? Wohin ruft ihr mich? Wohin in der Unermeßlichkeit dieses Raumes ohne Grenzen wird mein Geist fliehen? Zu Gott! setzte er mit einem tiefen Athemzuge hinzu; zurück zu seiner ewigen Werkstatt, zurück zu seinen Schöpferhänden, erlöst von allen Leiden, dankbar für all mein Glück, das mir in meiner menschlichen Gestalt geschenkt wurde. Und bin ich denn nicht glücklich gewesen, um dankbar zu sein? fuhr er mit sanfter Stimme fort; ja, glücklich im Erkennen des Guten, glücklich mit edlen mir innig verwandten Wesen, glücklich in meinem Streben, o! in Allem was ich that. Daß ich vorzeitig sterben muß, kann das mich zum Zittern bringen? Ist die Spanne Zeit, die uns zu leben vergönnt wird, denn ein so großes Gut, um nichts davon verlieren zu können? Wen hat der Tod jemals vergessen, wer von allen denen, die mich ausstreichen aus dem Buche des Lebens, wird nicht ausgestrichen? Ich scheide ohne Grauen, ohne Haß. Meine irdischen Wünsche liegen zerbrochen vor der Schwelle der Ewigkeit, nichts ist davon übrig geblieben als Segen für die, die ich zurücklasse, bis auch für sie die Stunde da ist, wo der Staub zum Staube geht!

Ein leises Rasseln an der Thür machte, daß er den Kopf dorthin wandte, und eben leuchtete ein neuer heller Blitz durch das 709 Gefängniß und zeigte ihm deutlich eine Gestalt, welche zu ihm hereintrat.

Er stand auf, die Gestalt näherte sich ihm und plötzlich ward er von dem Strahl einer Laterne beleuchtet. Er sah den Commandanten Annenkoff vor sich. Die düsteren Augen des Russen, mit demselben Grimm gefüllt wie vor dem Kriegsgericht, betrachteten ihn ingrimmig, ein hohnvolles Zucken lief über seine narbigen Lippen.

Sind Sie bereit? fragte er.

Ja, mein Herr, erwiederte Erich.

Auf Alles vorbereitet? fuhr der Kommandant fort.

Das Einzige, was mir übrig bleibt, sagte Erich, ist, Sie um Vergebung zu bitten. Möge mein Tod Ihren Haß versöhnen.

Still! murmelte Annenkoff. Folgen Sie mir.

Er ging voran, die schmale Treppe hinab; halb verborgen unter seinem Mantel hervor beleuchtete die Laterne die Stufen; plötzlich aber wandte er sich um den Pfeiler an der schweren Doppelthüre vorbei, welche den Ausgang des Thurmes in den Hofraum verschloß, und durchschritt das Gewölbe bis dahin, wo eine geöffnete Fallthür in die Souterrains des Thurmes führte.

Sie führen mich nicht in den Hof? fragte Erich.

Nein. Eilen Sie!

Wohin führen Sie mich?

In den Graben.

Dort also soll mein Schicksal sich erfüllen?

Ja.

Der matte Laternenschein beleuchtete die schmale Gallerie einer Kasematte. Große Steine hatten sich aus dem Mauerwerk gelöst und bedeckten den Boden. Das Gewölbe war niedrig und voll Moderluft, der Gang senkte sich abwärts, zuweilen über eine Reihe zermürbter Stufen, dann machte er einen Winkel und zwischen zwei mächtigen Strebepfeilern hing eine schmale Eisenthür in rostigen Bändern.

Diese Thür war nur angelehnt, zwei große Riegel, die sie verschlossen hatten, sah Erich daran niederhängen. Annenkoff öffnete die Pforte. Ein Windstoß wehte herein, draußen rauschten Büsche und Ranken. Alles war finster und still.

710 Treten Sie hinaus, sagte der Commandant.

Wo hinaus? fragte Erich. Er blickte zögernd in die Dunkelheit.

Hier ist der Ort, wo man Sie erwartet. Fürchten Sie sich?

Er hob die Laterne ein wenig auf, plötzlich erlosch diese, statt dessen aber fuhr ein Blitz, der wie ein Bündel blauer und feuriger Schlangen aus dem Zenith des Himmels brach, nach allen Seiten durch das düstere Gewölbe und schmetternd folgte ein Donnerschlag nach, vor dem die Felsen zu zittern schienen. Erich fühlte sich hinausgeschoben; er hörte die Eisenthür hinter sich ächzen und zufallen und in dem Donner glaubte er ein Gelächter zu hören. Große Regentropfen schlugen in sein Gesicht und zerstäubten auf seiner glühenden Stirn; lautlos den Tod erwartend bewegte er sich nicht, überzeugt, daß er im nächsten Augenblicke, durchbohrt von Kugeln und Bajonneten, niedersinken würde.

Statt dessen aber hörte er ein Geräusch neben sich; eine Hand faßte seinen Arm und versuchte ihn fortzuführen.

Schnell! murmelte eine leise Stimme in schwedischer Sprache, bleibe dicht bei mir!

Was soll mit mir geschehen?

Frage nicht, still! Kein Wort! Am Grabenrand geht die Schildwacht, flüsterte der Führer.

Die Hand griff fester um Erich's Arm, es war als drückte sie diesen krampfhaft zusammen. Nach einem Weilchen führten Stufen aufwärts zu einem Pallisadenthor und durch dies über Felsboden und Gebüsch in ein steil abschüssiges Gerinn, wo der Regen plätscherte. Mehr als einmal schlug der Himmel seine glühenden Augen auf und Erich Randal sah dann seinen Begleiter in einen dunklen dicken Mantel gehüllt, eine Schifferkappe über seinen Kopf gezogen. Zuweilen war es, als folgten ihnen Schritte nach, zuweilen leuchtete ein weit zuckender Blitz und ließ die waldige Schlucht erkennen, aus deren Tiefe ein Brausen kam, als tobe und brande das Meer dort unten. Zuweilen auch fuhr ein flammender Pfeil vom Himmelsbogen und bohrte sich in schäumende Wogen ein, die in dichterer Finsterniß schnell wieder verschwanden. Mit dem Rollen des Donners mischte sich dann das Toben des Windes, der durch die Schlucht jagte, über ihr die 711 Waldbäume durchsauste und deren Äste brach. Ein Gefühl der Freiheit und neuer Lebenslust erwachte in Erich Randal; er zweifelte nicht daran, daß er dem Tode entronnen sei, wunderbare Ahndungen und Gedanken machten seine Schritte leicht. – Wer hat das für mich gewagt? rief er aus. Wie war das möglich?

Er erhielt keine Antwort, aber in einiger Entfernung leuchtete ein Licht, und bald sah er, daß es aus einer Fischerhütte kam, deren Thür offen stand. Jemand, der sich daran lehnte, rief den Nahenden entgegen: Sie sind da? Habt ihr ihn?

Ja, antwortete eine andere tiefe Stimme hinter Erich.

Herein mit ihm, herein! Wahrhaftig, Cousin Erich, ich hätte niemals geglaubt, daß ich Sie je so sehnsüchtig erwarten würde.

Constanze! rief er sie anstaunend. Sie haben mich befreit?

Ich? Behüt mich Gott davor! Ich befreie keinen Hochverräther.

Er wandte sich um. Lindström stand hinter ihm in seiner Seemannsjacke und neben ihm der schwarze Führer. Constanze Gurschin riß einen Feuerbrand vom Herde und hielt diesen hoch empor, mit der andern Hand nahm sie dem Fremden die Kappe ab, langes, dunkles Haar fiel auf dessen Nacken.

Mary! schrie Erich, meine Mary! und mit aller Liebe, die in seinem Herzen war, blickte er sie an.

Ein seliges Entzücken leuchtete aus ihren Augen. Mit ihren Küssen fiel ein Strom heißer Tropfen auf sein Gesicht.


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