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8.

Beinahe eine Woche verging, ehe Simon Lariviere aus Banique zurückkehrte, denn an diese Versammlung hatte sich eine andere geschlossen, die in Mirebalais ausgeschrieben war und noch viel mehr besucht wurde, als jene erste. Eine Begeisterung, die ganz zu dem kreolischen Ungestüm paßte, hatte sich bei der Nachricht von der Berufung der Nationalversammlung über die ganze Kolonie verbreitet; aber in diesen Versammlungen, in welchen der Freiheit, den Rechten des Volks und den Ideen des Jahrhunderts flammende Reden gehalten wurden, fehlte es nicht an den schreiendsten Gegensätzen dazu.

Mit größter Eifersucht wurden die Thüren bewacht, nicht etwa damit man vor Spionen und Verräthern sicher sein möchte, sondern auf daß nicht Leute von zweifelhaftem Blut sich etwa eindrängten, um Theil zu nehmen und die Adresse an den General-Gouverneur zu unterzeichnen. Ein paar reiche Pflanzer, die vergebens Verwandte und Freunde abschworen, um ihre weiße Geburt zu behaupten, wurden mit Schimpf und Schmach hinausgeworfen und die schrecklichsten Drohungen gegen alle Farbigen ausgestoßen, die es wagen würden, irgend eine Demonstration vorzunehmen.

Wenn die heißen, stolzen Kreolen nicht vor Fanatismus blind und toll gewesen wären, hätten sie merken müssen, daß die farbige Bevölkerung trotz aller erzwungenen Demuth und Stille doch voller Bewegung und Thätigkeit war. Heimliche Zusammenkünfte wurden von jetzt ab an allen Orten eingerichtet, Geld wurde gesammelt, Verbindungen eingeleitet, und da es auf allen Pflanzungen auch farbige Sklaven gab, wurde damals zuerst der Grund zu dem Aufstande gelegt, der zwei Jahre später mit der großen Mordnacht vom 23. August begann.

Wie aber die Pflanzer bis zum letzten Augenblicke keine Ahnung hatten, daß die Beile, die sie am Abend überall schleifen sahen, für ihre Schädel bestimmt waren, sahen sie auch jetzt nicht den geheimen Triumph der Gelben über die Heftigkeit ihrer Angriffe auf den General-Gouverneur und über ihr ganzes Unterfangen, in Paris als Freiheitshelden erscheinen zu wollen. Lange ehe die Kreolendeputation in Frankreich landete, hatten der Abbé Gregoire, Barnave und die Männer des Clubs die genauesten Berichte, was sich in Domingo zugetragen, und ein Empfang wurde diesen reichen, übermüthigen Kreolen bereitet, der Petions Vorhersagung noch bei Weitem übertraf.

An dem Tage, wo Lariviere sein Pferd mit Sehnsucht heimwärts trieb, hatten Eugenie und Melanie schon die Jalousieen häufig geöffnet, um auf die Straße am Seeufer hinauszuschauen. Simon hatte einen Brief gesandt, und von dort her mußte er zurückkommen. Sein Schreiben bestand aus wenigen Worten, allein diese waren inhaltsvoll.

Alles ist erreicht, schrieb er; bereite Dich zur Reise, theure Eugenie. Delville kommt mit mir, er ist verlangungsvoll, wie ein Bräutigam.

Und wenn er nun kommt, sagte Frau von Lariviere zu ihrer Schwester, wozu bist Du entschlossen?

Entschlossen, niemals einzuwilligen, antwortete sie.

O Melanie, seufzte Eugenie, ich fürchte für uns alle.

Und was ist denn das Fürchterliche, das mich treffen kann? rief das Fräulein muthig. Ich werde Zeit zu gewinnen suchen; ich will so höflich sein, wie ich kann, aber man wird mir doch erlauben, wie ein freier Mensch zu handeln, da ich glücklicher Weise nicht als Sklave geboren wurde. Ach, meine arme Eugenie, fuhr sie fort, ich betrübe Dich, aber ich kann nicht anders. Simon wird mit Dir zürnen. Suche ihn zu versöhnen, wirf alle Schuld auf mich; ich will Deine Hand dafür küssen und Dich noch mehr lieben. Sind wir nur erst in Frankreich, so ist Alles gut; dann mag dieser grimmige Baron mich hassen und verachten, so viel ihm beliebt, ich lache dazu. Er soll mich kennen lernen; er soll erfahren, daß ich auch für Freiheit und Menschenrechte schwärmen kann.

Still, flüsterte Eugenie, da kommt das alte Gespenst und belauert uns mit unheimlichen Blicken.

Es war Dama Lätitia, die über die Verandah ging, den See und die Landstraße betrachtete, die Hand vor ihre Augen hielt und ihre Ohren spannte, um von der Unterhaltung hinter ihrem Rücken, etwas zu vernehmen.

Nach einem Weilchen drehte sie sich um und ihre ausgedörrte Haut zog sich in tausend Falten zusammen bei dem Versuche freundlich zu thun und zu lächeln; denn Dama Lätitia war seit einiger Zeit ganz anders geworden, als früher; mild und bescheiden wie ein Negermädchen, das sechs Wochen unter ihren Händen war, und eben so dienstfertig und auf jeden Wink passend.

Es ist doch schön, meine gute Cousine, sagte sie, wenn die Liebe zu einem geliebten Mann das Herz sehnsüchtig macht und, wenn er entfernt ist, bei jedem auffliegenden Staub alle Pulse schlagen.

Wo haben Sie diese Erfahrungen gesammelt, theure Mademoiselle Cadusch? fragte Melanie muthwillig lachend.

Ich, antwortete Lätitia mit einem rachsüchtigen Blick auf ihre Feindin, den jedoch ein holdseliges Lächeln versüßte, ich weiß davon freilich nur das, was Dichter und Schriftsteller erzählen; allein die Wahrheit liegt ja vor meinen Augen. Ich sehe, wie die sehnsüchtige Unruhe bei der lieben Cousine Eugenie mit jeder Stunde wächst, und was das schöne Fräulein von Aubrisson betrifft, so sollte man beinahe seit einiger Zeit von ihr dasselbe glauben.

Meine Sehnsucht ist von der Art, liebe Dama Lätitia, sagte Melanie, daß sie nur gestillt werden kann, wenn ich Frankreichs Küsten wieder sehe.

Ist es möglich! rief die Haushälterin, also zurück nach Frankreich, aber doch begleitet von einem süßen Gegenstande?

Begleitet von allen meinen Erinnerungen an meine liebe Freundin Lätitia, lachte Melanie.

Danke schön! Danke schön! antwortete die Cousine mit einer solchen gewaltsamen Anstrengung vergnügt zu scheinen, daß ihr Gesicht sich krampfhaft verzerrte. Es ist aber doch gut, fuhr sie fort, daß Simon Lariviere heut wiederkommt und Delville mit ihm. So viel Geist und Witz, wie sich in Fräulein Melanie vereint, will einen würdigen Zielpunkt und würdige Erwiderung.

Der Eine hält es mit dem Geist, der Andere mit den Geistern, sagte Melanie. Haben Sie zeither nichts wieder von diesen gehört und gesehen?

Lätitia schnappte nach Athem; ihre Lippen nahmen die blauschwarze Farbe an, die sie bei höchstem Aerger oder Leidenschaft hatten. Nein, murmelte sie, aber nehme sich Jeder, der da höhnt, in Acht, daß ihm kein Schaden geschieht, und ihren Stuhl zurückstoßend sprang sie auf und entfernte sich.

Du treibst es arg mit ihr, sagte Eugenie. Sie wird uns abermals verklagen.

Die alte, gräuliche Hexe! rief Melanie; sie hat die Krallen eingezogen, um uns durch ihre Liebenswürdigkeit zu bezaubern. Gott sei Dank! daß ich sie bald und für immer nicht mehr sehen werde. Seit uns Alexander erzählte –

Eugenie legte ihr die Hand auf den Mund, in demselben Augenblick aber sprang sie auf und rief laut jubelnd:

Da kommt Simon! das ist sein Pferd. Jetzt erkenne ich ihn deutlich, ich sehe, wie er den Arm aufhebt und herüberwinkt.

Und hinter ihm folgt Delville, sagte Melanie. Er hat es nicht ganz so eilig, wie mein ungestümer Schwager; allein er kommt doch immer noch schnell genug, um sein heißes Blut hier abzukühlen.

Frau von Lariviere eilte den Nahenden durch die Gartenumgebungen entgegen, Melanie aber blieb auf der Verandah stehen, und erst als sie ihren Namen rufen hörte und Lariviere mit Eugenien und Delville den Jasmingang herauf kommen sah, that sie einige Schritte die Stufen hinab und erwiderte die Bewillkommnungen.

Heda! rief Simon in der besten Laune, was ist das für ein Empfang? Wir reiten durch den glühenden Sag wie Curiere, lassen und durch nichts aufhalten, um unsere schönen Nachrichten frisch zu überbringen, doch statt uns entgegen zu fliegen, scheinen wir diesem ernsthaften Fräulein zu früh zu kommen.

Fräulein Melanie hat sich mit anderen Dingen beschäftigt, sagte Delville.

Nein, seien Sie sicher, gnädiger Herr, fiel sie ein, ich habe viel und oft an Sie gedacht.

Das ist ein Bekenntniß, wie Du es gern hören wirst, lachte Lariviere. Nun, in Gottes Namen! kein Streiten mehr. Theure Eugenie, ich bin von Herzen froh, daß ich wieder hier bin, und noch zehnmal froher, daß ich nicht wieder fort muß. Alles ist abgethan, fuhr er fort, der Gouverneur hat sich schneller gefügt, wie wir glaubten, er hat nicht einmal Umstände gemacht, die General-Assemblée zu berufen. Am Montag kommt sie in St. Marc zusammen, die Deputation aber ist im Voraus schon bestimmt. Delville steht an der Spitze, ich mit ihm, und so bereite Dich denn zur Reise, in einer Woche werden wir die Anker lichten.

Während Lariviere seine Gattin unter diesen Mittheilungen in den Salon zurückführte, folgte Delville mit Melanie, und als er unter den Limonien vor dem Hause still stand, sagte er lächelnd:

Ich bin nun endlich hier, theure Melanie, und will keinen Schritt weiter gehen, bis meine sehnsüchtigen Hoffnungen sich in Gewißheit verwandelt haben. Hier stört und überrascht uns nichts mehr. Lariviere nickt uns zu und Ihrer Schwester Gesicht ist voll Freudigkeit. Ich habe schon zu viel Zeit verloren. Geben Sie mir ihre Hand, daß ich Sie hinaufführe und mein Glück laut ausspreche.

Herr von Delville, antwortete die junge Dame, indem sie mit liebenswürdiger Koketterie ihre Finger zurückzog, ich fordere zunächst ein Versprechen von Ihnen.

Was begehren Sie? fragte er.

Schwören Sie zuerst, sagte sie.

Ich kann nichts beschwören, was ich nicht kenne.

Ist das Ihre Huldigung! rief sie drohend. Sie widersetzen sich gegen meinen Willen?

Nun gut, sagte er lachend, ich schwöre! Was legen Sie mir auf?

Ich habe beschlossen, fuhr sie fort, nicht eher Ihnen eine Antwort zu geben, bis wir in Frankreich sind. Ich lege Ihnen daher Schweigen auf und erwarte, daß Sie Ihren Eid getreulich halten.

Delville's Gesicht verfinsterte sich.

Aber mein Gott! rief er zweifelnd und mißtrauisch, welche Caprice treibt Sie zu solcher Grausamkeit?

Ich bin eine Pariserin, sagte sie, die Capricen sind unser besonderes Eigenthum. Denken Sie ein wenig nach und Sie werden doch allerlei triftige Gründe finden. Ein Anbeter, mein Herr Baron, ist auf einem Schiffe der wünschenswertheste Gefährte bei einer Seereise, die möglicher Weise sehr lange dauern kann. Auch für Sie, glaube ich, wird es in diesem Falle so am wünschenswerthesten sein, wie ich es ordne.

Und meine Liebe, meine Sehnsucht, meine innigsten Wünsche gelten Ihnen nichts?! rief Delville. Lassen Sie ab, Melanie, ich bitte und beschwöre Sie!

Nichts da! rief sie lachend. Ich will mich nicht in die Kirche führen und dann in ein Schiff stecken lassen. Nirgend sind Vorbereitungen möglich, Alles würde übereilt werden und Niemand haßt Uebereilungen mehr wie ich.

Hüten Sie sich davor! sagte er, seinen Unwillen mühsam beherrschend, und in seinen Augen, die ihre Gedanken zu erforschen suchten, loderte eine solche Glut, daß Melanie davor bebte.

Mein Fräulein d'Aubrisson, fuhr der Kreole fort, Sie haben mein Wort, daß ich warten will, und bestehen Sie darauf, so werde ich mich fügen; bei alledem aber glaube ich von Ihnen, daß, wenn Sie meine Ergebenheit auf solche Probe stellen, Sie Gründe haben müssen, die weit entfernt davon sind, mich zum Gegenstand einer Laune zu machen.

Meine Gründe sind mein Eigenthum, sagte sie mit einer Verbeugung, wie ich selbst das einzige Eigenthum bin, das ich besitze, und mir mein Recht darüber nicht streitig machen lasse, bis ich es für Zeit halte, mich dessen zu entäußern.

So kommen Sie denn, liebenswürdige Tyrannin! erwiederte er lächelnd. Ich muß mich vor Ihnen beugen, doch ich erwarte Nachsicht und Güte.

Er führte sie in den Salon, wo Lariviere ihnen mit vorgestreckten Händen entgegenkam. Nun? schrie er lustig auf, so nehmt denn meinen väterlichen Segen!

Gnädiger, gütiger Papa, sagte Delville munter, warte noch ein wenig damit. Ein Ritter soll seine Dame verdienen, auch mir ist eine Prüfung auferlegt worden und bei dem Feuer dieser schönen Augen! ich will mich unterwerfen.

Mit Aufbietung aller seiner Gewandtheit suchte der Baron seinem Geschick die beste Seite abzugewinnen, den Humor hinein zu mischen und seine Klagen in Scherze zu kleiden. Als Lariviere sich unmuthig zeigte und zu schelten begann, übernahm er Melanie's Vertheidigung, die scharfsinnig und belustigend Alles hervorsuchte, was sich möglicher und unmöglicher Weise für ihren Willen sagen ließ. Die Verstimmung verschwand daher bald, die Besorgnisse hörten auf, fröhliches Gelächter schallte durch den Saal und bis zur späten Stunde blieben sie alle um den Acajoutisch versammelt, und leerten die Ananasbowle, die duftend in der Mitte stand.

Morgen, rief Delville endlich aufstehend, muß ich in aller Frühe fort und werde weit sein, ehe meine grausame Herrin die schönen Augen aufmacht. Ob ich Sie nochmals wiedersehe, ehe wir die große Reise antreten, ist zweifelhaft; ich weiß nicht, ob ich mich betrüben darf, denn meine Entschlüsse würden wankend werden. So leben Sie denn wohl, theure Melanie: Es lebe die Liebe und das Vertrauen! Wahrhaftig, ich glaube nie ein größeres Opfer mit größerer Selbstverleugnung gebracht zu haben, aber ich bin stolz darauf. –

Er nahm Abschied und die Scherze und witzigen Wendungen seiner Worte hörten nicht eher auf, bis die Sklaven, welche ihm die Lichter vortrugen, endlich die Zimmerthür schlossen. Als Alles ruhig im Hause war, knisterte die Treppe unter einem leisen Tritt, und unten in der Biegung, wo ein Gang zu dem Anbau führte, der Küche und Nebenräume enthielt, stand Dama Lätitia, ein rothes langes Netz auf dem Kopf, in welchem ihre aufgelösten Haare lagen. Sie leuchtete die Stufen hinauf und als sie Delville erblickte, winkte sie ihm, ohne ein Wort zu sprechen.

Nun, Cousine Lätitia, sagte der Kreole mit gedämpfter Stimme, als er bei ihr in der Stube saß, Du hast mir einen Zettel in die Hand gedrückt, darin stand, daß Du mich heut noch sprechen willst. Was hast Du mir zu sagen?

Lätitia beugte sich zu ihm und flüsterte ihm hohl und dumpf ins Ohr: daß Du betrogen bist, Reginald Delville!

So! antwortete der Kreole die Füße kreuzend. Erzähle, wer betrügt mich?

Als Du fort warst, sagte Lätitia, Du und Simon, hörte ich einst in der Nacht ein Geräusch. Ich höre scharf auf, draußen knarren die Stufen; ich vernehme ein Gesumme, wie leises Sprechen, da öffne ich die Thür. Meine Augen sehen einen Schatten und es ächzt und wimmert aus der Ecke und eine grauenvolle Stimme ruft: Erbarmen, Dama, Erbarmen!

Ah, murmelte Delville, das sollte Ines sein, das spanische Negermädchen, die an dem etwas zu heißen Reiskuchen starb.

Verflucht, daß ich es glauben konnte! rief Lätitia. Ich warf mich nieder, wie vom Satan angefaßt, allein am anderen Tage kam mir die Ueberlegung. Ich erzählte den beiden Französinnen von dem Lärm im Hause und merkte bald, daß sie darum wußten. Nun paßte ich auf, doch sie waren klüger geworden. Ins Haus kam der Spuk nicht mehr, er trieb sich draußen in dem Gebüsch herum, und wer war es, den ich entdeckte? Wer war es, der nächtlich die Treppen herunter kam, leise ächzend an meiner Thür still stand und dann durch den Saal verschwand?

Es war Melanie, antwortete der Kreole lächelnd, doch wer war der Andere?

Ein Hund, ein Wurm, ein elender Maki! sagte die Dama mit unermeßlichem Hohn.

Wer? fragte Delville lebhafter, indem er den Kopf nach ihr hinwandte.

Alexander Petion! der Sohn des gemeinen Kerls, der einmal hier am See einen Limoniengarten hatte.

Der also, sagte er. Weißt Du es gewiß?

So gewiß, wie ich Dich sehe.

Und kam er jede Nacht?

Jede Nacht, gerade um die zwölfte Stunde.

Glaubst Du, daß auch heut dieser Geist erscheint?

Ich denke wohl.

Delville schwieg. Sein schwarzes Haar fiel auf die gelbe hohe Stirn. Die kleine Leuchte warf ihren glimmenden Schein auf seine scharfen Züge und Dama Lätitia starrte mit wildem Lächeln hinein, aber sie konnte nichts erkennen. Die broncene Haut des Barons war so unbeweglich, wie Eisen, und sein Gesicht so ruhig, um seine Lippen ein feines Lächeln, seine Augen still vor sich hinschauend, als mache Alles, was er gehört hatte, nur den Eindruck ironischer Selbstverläugnung.

Nach einem Weilchen voll Nachsinnen sagte er:

Ich will mit meinen eigenen Ohren hören und mit meinen eigenen Augen sehen. Erwarte mich, liebe Cousine Lätitia, ich bin sogleich wieder hier.

Er ging und kam bald wieder zurück. In einer halben Stunde wird es Mitternacht schlagen, sagte er. ist bequem hier im Hause für solche verliebte Gespenster, daß sämmtliche Schlafzimmer nach der anderen Seite liegen, wo man nicht von ihren nächtlichen 3rrfahrten vernimmt. Lösche das Licht ganz aus.

Lätitia befolgte diese Weisung.

Du kannst von hier aus in die Küche, fragte er und von dort ins Freie.

Diese Thür führt hinaus, antwortete sie.

Sie blieben eine Zeit lang im Finstern. Es war eine schöne wunderholde Nacht. Dann und wann wehte der Wind durch die Gacen und brachte Blumen- und Orangendüfte herein; das Gefunkel der großen Sterne dämmerte durch die reine Luft und die Zweige der Granaten klopften an die Jalousieen.

Plötzlich knarrten die Stufen und Lätitia faßte Delville's Arm. Er machte keine Bewegung. Ein Seufzer schien durch die Thür zu kommen und durch das öde Zimmer zu ziehen, wie der Seufzer einer Sterbenden. Lätitia's Finger drückten sich krampfhaft zitternd zusammen, dann war Alles still, sie hörte nichts mehr.

Das Gespenst ist in den Saal verschwunden, sagte Delville, und nun ist es Zeit für uns aufzuwachen. Geh hinauf, Lätitia, wecke Simon, sage ihm was in seinem Haus vorgeht. Von mir sprich nichts, kein Wort soll mich verrathen. Treibe ihn an, seine Ehre zu bewahren, zur rechten Zeit will ich bei ihm sein.

Laß mich machen, flüsterte sie. Jetzt sehe ich, was Du willst.

Damit war sie auf dem Gange.



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