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Valère. Elise.
Valère. Wie, meine teure Elise, ich sehe Euch nachdenklich und sorgenvoll, nachdem Ihr eben die Großmut hattet, mich Eurer Treue zu versichern? Muß ich Euch, – ach! – mitten in meiner Freude seufzen sehn? Ist's Euch leid, mich glücklich gemacht zu haben? Und bereut Ihr das Versprechen, zu dem meine Leidenschaft euch überredet hat? –
Elise. Nein, Valère, ich kann nichts bereuen, was ich für Euch gethan habe; ich fühle mich durch eine zu sanfte Gewalt dazu hingezogen, und kann nicht einmal wünschen, daß dies alles nicht geschehen wäre. Aber wenn ich Euch die Wahrheit gestehn soll, unser bisheriger Erfolg beunruhigt mich, und ich fürchte zuweilen, ich liebe Euch mehr als ich sollte.
Valère. Aber, geliebte Elise, was könnt Ihr von Eurer Güte gegen mich besorgen? –
Elise. Ach, hunderterlei: den Zorn meines Vaters, die Vorwürfe der Familie, das Urteil der Welt: mehr aber als dies alles, Valère, die Wandelbarkeit Eures Herzens, und die schnöde Kälte, mit der ihr Männer so oft die zu warmen Äußerungen einer unschuldigen Neigung vergeltet.
Valère. Um alles in der Welt, thut mir nicht das Unrecht an, mich nach andern zu beurteilen. Traut mir alles Mögliche zu, teure Elise, nur nicht, daß ich meine Pflicht gegen Euch vergessen könnte. Dazu liebe ich Euch zu sehr, und meine Liebe wird nur mit meinem Leben erlöschen! –
Elise. Ach, Valère, das sagt jeder. Alle Männer gleichen sich in ihren Reden, und nur ihre Thaten unterscheiden sie.
Valère. Wenn wir denn nur an unsern Thaten erkannt werden, so wartet wenigstens, bis Ihr mein Herz nach meinem Thun beurteilen könnt, und laßt Eure ungerechte Furcht, die nur auf einer melancholischen Voraussicht beruht, mir nicht Verbrechen andichten, die meiner Seele fern liegen. Erspart mir, ich bitte Euch, die tödlichen Dolchstiche eines kränkenden Verdachts, und gönnt mir Zeit, Euch durch tausend und aber tausend Beweise von der Aufrichtigkeit meiner Liebe zu überzeugen.
Elise. Wie leicht läßt man sich überreden, wenn man liebt! Ja, Valère, ich halte Euch für unfähig, mich zu betrügen; ich glaube, daß Ihr mich wirklich liebt, und mir treu bleiben werdet, ich will nicht länger zweifeln, und meinen Kummer auf die Furcht vor dem Tadel beschränken, der mich treffen wird.
Valère. Was aber habt Ihr zu fürchten? –
Elise. Nichts, Valère, wenn die ganze Welt Euch mit meinen Augen ansähe; und ich finde in Eurem Wesen die beste Berechtigung für mich, zu handeln, wie ich's thue. Meine Herzenswahl wird gerechtfertigt durch Euer Verdienst, und stützt sich überdem auf eine Dankbarkeit, zu der der Himmel selbst mich gegen Euch verpflichtet hat. Jede Stunde denke ich an die entsetzliche Gefahr, in der wir uns zuerst einander begegneten; an die bewunderungswürdige Großmut, mit der Ihr Euer Leben wagtet, um das meinige den tobenden Wellen zu entreißen; an die zärtliche Sorgfalt, die Ihr mir erwies't, nachdem Ihr mich aus den Fluten gerettet, und an die fortdauernd dargebrachte Huldigung Eurer Liebe, die weder Zeit noch Schwierigkeiten erschüttern konnten, und die Euch dazu gebracht hat, Eltern und Heimat zu verlassen, und hier zu verweilen. Seid Ihr doch, um mich sehn zu können, so weit gegangen, einen Dienst im Hause meines Vaters anzunehmen! Das alles mußte einen unwiderstehlichen Eindruck auf mich machen, und ist in meinen Augen mehr als hinreichend, um das Versprechen zu rechtfertigen, das ich gestern eingegangen bin: aber es genügt vielleicht nicht für die übrige Welt, und ich bin nicht sicher, ob diese meine Gesinnungen billigen wird.
Valère. Von allem, was Ihr eben angeführt habt, ist es nur meine Liebe, durch die ich hoffe etwas bei Euch zu gelten; und was Eure sonstigen Zweifel betrifft, sorgt leider Euer Vater selbst am besten dafür, Euch vor der ganzen Welt zu rechtfertigen; denn sein übertriebener Geiz und die Strenge, mit der er seine Kinder behandelt, könnten noch ganz andre Dinge entschuldigen. Verzeiht mir, geliebte Elise, wenn ich so vor seiner Tochter spreche; Ihr wißt, man kann ihn in dieser Beziehung nicht loben. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, meine Eltern wieder zu finden, und wenn mir das gelingt, wird es nicht schwer sein, ihn für uns zu gewinnen. Ich erwarte mit Ungeduld Nachrichten von ihnen, und will, wenn diese nicht bald eintreffen, mich selbst aufmachen, um sie mir zu holen.
Elise. Ach, Valère, ich bitte Euch, verlaßt mich nicht und denkt nur darauf, Euch bei meinem Vater in Gunst zu erhalten.
Valère. Ihr seht ja, wie mir's bisher gelungen ist, und durch welche geschickte Nachgiebigkeit ich es durchgesetzt habe, in seinen Dienst zu kommen; wie ich unter der Maske gleicher Neigungen und Gesinnungen es dahin gebracht habe, ihm zu gefallen, und welche Rolle ich täglich spiele, um mir seine Gewogenheit zu sichern. Ich habe auch schon die überraschendsten Fortschritte in seiner Gunst gemacht und überzeuge mich, daß es kein besseres Mittel giebt sich bei den Menschen beliebt zu machen, als mit ihren eignen Ansichten vor ihnen schön zu thun, ihre Grundsätze zu verteidigen, ihren Fehlern zu huldigen und alles zu bewundern, was Sie thun. Man braucht nicht zu fürchten, diese Geschmeidigkeit könnte ihnen übertrieben erscheinen; die Art, wie man sie zum besten hat, mag noch so augenscheinlich sein, – selbst die Klügsten sind einem Schmeichler gegenüber die Allerverblendetsten, und es giebt nichts so Widersinniges und Abgeschmacktes, das sie nicht verschlucken, wenn man es mit Lob zu würzen versteht. Freilich kommt die Ehrlichkeit ein wenig zu kurz bei dem Handwerk, das ich jetzt treibe; aber wenn man die Leute braucht, muß man sich schon nach ihnen richten; und da man sie nur auf diese Weise gewinnen kann, sind nicht die Schmeichler die Schuldigen sondern sie selbst, die geschmeichelt sein wollen.
Elise. Warum bemüht ihr Euch aber nicht auch um den Beistand meines Bruders für den Fall, daß Frau Claude unser Geheimnis verraten sollte?
Valère. Das läßt sich nicht vereinigen; Vater und Sohn sind in ihrer Gesinnung so gründlich verschieden, daß es mir unmöglich scheint, sich mit beiden gut zu stehn. Ihr aber, teure Elise, thut das Eurige bei Eurem Bruder, und benutzt seine Freundschaft für Euch, um ihn in unser Interesse zu ziehn. Er kommt und ich entferne mich. Der Augenblick ist günstig; sprecht mit ihm, und entdeckt ihm von unserm Verhältnis so viel Euch ratsam scheint.
Elise. Ich weiß noch nicht, ob ich den Mut haben werde, mich ihm anzuvertrauen.
Cléanthe. Elise.
Cléanthe. Es ist mir lieb dich allein zu treffen, Schwester, denn ich konnte es nicht erwarten mit dir zu sprechen, um dir ein Geheimnis mitzuteilen.
Elise. Ich bin ganz Ohr, lieber Bruder. Was hast du mir zu sagen? –
Cléanthe. Sehr viel, Schwester. Und doch umschließt das alles ein einziges Wort: ich liebe.
Elise. Du liebst? –
Cléanthe. Ja, ich liebe. Ehe ich aber fortfahre – ich weiß, daß ich einen Vater habe, von dem ich abhänge, und daß der Name Sohn mich seinem Willen unterwirft; daß wir unser Herz nicht ohne die Einwilligung uns'rer Eltern verschenken dürfen; daß der Himmel sie als Gebieter über uns're Wünsche eingesetzt hat, und daß es uns're Pflicht ist, uns ihrer Führung zu überlassen; daß sie, von seiner thörichten Leidenschaft beherrscht, in der Lage sind, sich weit weniger als wir selbst zu täuschen, und viel besser zu beurteilen, was uns frommt; daß wir uns sicherer auf ihre Einsicht und ihr Urteil verlassen können, als auf uns're Leidenschaft, und daß die stürmische Heftigkeit der Tugend uns nur zu oft in die gefährlichsten Abgründe stürzt. Das alles sage ich dir, meine gute Schwester, damit ich dir die Mühe erspare, es mir zu sagen, – denn meine Liebe will nichts hören, und ich bitte dich, mich mit allen Gegenvorstellungen zu verschonen.
Elise. Hast du dich schon mit deiner Geliebten verlobt, Bruder?
Cléanthe. Nein, aber ich bin dazu entschlossen, und ich beschwöre dich noch einmal, komme mir nicht mit Gründen, um mir's auszureden.
Elise. Hältst du mich denn für so wunderlich?
Cléanthe. Nein, Schwester; aber du liebst nicht; du weißt nichts von der süßen Gewalt, die eine zärtliche Neigung über unser Herz hat, und ich fürchte dein besonnenes Urteil.
Elise. Ach, Bruder, sprechen wir nicht von meiner Besonnenheit; es giebt niemand, den sie nicht einmal im Stich ließe, und wenn ich dir mein Herz eröffnen wollte, würde ich dir vielleicht sehr viel unbesonnener vorkommen als du dir selbst.
Cléanthe. O, wollte doch Gott, deine Seele, wie die meinige, wäre …
Elise. Sprechen wir nur zuerst von deinen Angelegenheiten, und sage mir, wen du liebst? –
Cléanthe. Ein junges Mädchen, das erst seit kurzem in dieser Gegend wohnt und ganz dazu geschaffen scheint, jedem, der sie erblickt, Liebe einzuflößen. Nie hat die Natur etwas Reizenderes hervorgebracht und ich war vom ersten Augenblick an bezaubert von ihrer Schönheit. Sie heißt Marianne und lebt unter der Obhut einer guten ehrlichen Mutter, die fast immer krank ist, und für welche das liebe Mädchen die rührende Sorgfalt an den Tag legt. Sie pflegt sie, tröstet sie, und bemitleidet sie in einer Weise, die dein ganzes Herz gewinnen würde. Alles, was sie thut, ist anmutig, jeder Bewegung leiht sie einen neuen Reiz, und zeigt eine so liebenswürdige Sanftmut, eine so unwiderstehliche Güte, eine so entzückende Sittsamkeit, ein … Ach, Schwester, ich wünschte nur, du könntest sie sehn! –
Elise. Ich sehe schon genug, Bruder, aus allem, was du mir von ihr sagst; und um ihren Wert zu erkennen, brauche ich nur zu wissen, daß du sie liebst.
Cléanthe. Ich habe unter der Hand erfahren, daß sie nicht wohlhabend sind, und daß sie trotz ihrer Eingezogenheit Mühe haben, ihre wenigen Ausgaben zu bestreiten. Denke nur, Schwester, welche Freude es sein müßte, die Lage eines geliebten Wesens zu verbessern, auf seine Weise dem bescheidnen Bedarf einer tugendhaften Familie zu Hilfe zu kommen, und du wirst einsehn, wie schmerzlich es für mich sein muß, mich durch den Geiz uns'res Vaters außer stande zu sehn, mir dies Glück zu verschaffen, und meiner Geliebten irgend einen Beweis meiner Zärtlichkeit zu geben.
Elise. Ja, ich begreife ganz, Bruder, welchen Kummer du dabei empfinden mußt.
Cléanthe. Ach, Schwester, er ist größer als du ihn dir vorstellen kannst. Sag selbst, kann man sich etwas Grausameres denken als die harte Sparsamkeit, die man gegen uns ausübt, und die unerhörte Dürftigkeit, in der wir schmachten müssen? – Wozu hilft uns unser Vermögen, wenn es uns erst in einer Zeit zufällt, wo wir nicht mehr in den schönen Jahren sind, es genießen zu können? wenn ich jetzt, um nur zu bestehn, nach allen Seiten Schulden machen muß und so wie du gezwungen bin, täglich die Gefälligkeit der Kaufleute in Anspruch zu nehmen, um mir nur einigermaßen anständige Kleider zu verschaffen? – Ich habe dich bitten wollen, liebste Schwester, mir unsern Vater über meine Neigung ausforschen zu helfen; und wenn ich sehe, daß er taub für meine Wünsche bleibt, bin ich entschlossen, mir eine andere Heimat zu suchen, und mit dem geliebten Mädchen mein Schicksal dem Himmel anheimzustellen. Ich bemühe mich deshalb wo ich kann Geld aufzunehmen, und wenn deine Lage, liebste Schwester, der meinigen gleichen sollte, und unser Vater sich dir ebenso widersetzt wie mir, so laß uns ihm beide entfliehen und uns von der Tyrannei frei machen, in der sein unerträglicher Geiz uns schon so lange gekettet hält.
Elise. Es ist wahr, daß er uns täglich mehr und mehr Ursache giebt, den Tod uns'rer Mutter aufs neue zu beweinen.
Cléanthe. Ich höre seine Stimme: laß uns in dein Zimmer gehn, um unsere Geständnisse weiter auszutauschen, und dann mit vereinten Kräften einen Angriff auf seinen harten Sinn versuchen.
Harpagon. La Fléche.
Harpagon. Hinaus, sage ich! Mir aus den Augen, du Erztagedieb! den Augenblick aus meinem Hause, du Galgenstrick! –
La Fléche. (Beiseite). Habe ich je einen so boshaften alten Kerl gesehn! Ich glaube meiner Treu, er hat den Teufel im Leibe.
Harpagon. Du murrst noch? –
La Fléche. Warum jagt Ihr mich denn fort? –
Harpagon. Als ob dir's zukäme, du Schlingel, mich noch nach Gründen zu fragen! Drum marsch fort, sonst werfe ich dich hinaus.
La Fléche. Was habe ich Euch nur gethan? –
Harpagon. Grade genug, damit ich dich los sein will.
La Fléche. Mein junger Herr hat mir befohlen, ihn hier zu erwarten.
Harpagon. So geh und erwarte deinen jungen Herrn auf der Straße, und stehe mir nicht so kerzengerade wie eine Schildwache da, um alles auszukundschaften, was vorgeht, und dir an allem deinen Profit zu machen. Ich will nicht ewig einen Aufpasser zur Seite haben, einen Spürhund, dessen verdammte Augen alles bewachen, was ich thue, alles verschlingen, was ich besitze, und in alle Ecken umherspähen, um zu sehn, ob's nichts zu mausen giebt.
La Fléche. Wie zum Teufel sollte man's denn wohl anfangen, um Euch zu bestehlen? – Seid Ihr ein bestehlbarer Mensch, Ihr, der alles einschließt und Tag und Nacht Wache steht? –
Harpagon. Ich will verschließen, was mir beliebt, und Schildwache stehn, wie mir's gefällt. Du bist mir auch so ein Spion, der auf alles acht giebt. (Leise für sich). Wenn er nur nichts von meinem Gelde gemerkt hat! (Laut). Du wärst wahrhaftig im Stande und sprengtest aus, ich hätte Geld bei mir versteckt? –
La Fléche. Ihr habt Geld bei Euch versteckt?
Harpagon. Nein, du Spitzbube, das sage ich nicht. (Leise). Er bringt mich noch außer mir! – (Laut). Ich frage, ob du nicht boshaft genug wärst, mir's nachzusagen?
La Fléche. Uns kann's am Ende ganz einerlei sein, ob Ihr welches habt oder ob Ihr keins habt; wir bekommen doch nichts davon zu sehn! –
Harpagon. (Hebt die Hand auf, um ihm eine Ohrfeige zu geben). Du raisonnierst noch? Ich will dir meine Antwort hinters Ohr schreiben. Und nun noch einmal, mach, daß du fortkommst! –
La Fléche. Nun gut, ich gehe.
Harpagon. Warte noch! Hast du nichts mitgenommen? –
La Fléche. Was könnte ich denn nur mitnehmen? –
Harpagon. Gleich komm her, laß mich einmal nachsehn. Zeig mir deine Hände.
La Fléche. Da sind sie.
Harpagon. Die andern! –
La Fléche. Die andern? –
Harpagon. Ja.
La Fléche. Da sind sie.
Harpagon. (Zeigt auf die Taschen seiner Beinkleider). Hast du nichts dahineingesteckt?
La Fléche. Seht selbst nach!
Harpagon. Diese großen Pluderhosen sind wahre Diebshöhlen, und ich wollte nur, man hängte einmal eine an den Galgen.
La Fléche. (Beiseite). Na! Wenn der nicht verdient, daß ihm geschähe, was er fürchtet, so weiß ich's nicht. Welch ein Vergnügen müßte es sein, den zu bestehlen! –
Harpagon. He? –
La Fléche. Was? –
Harpagon. Was sprichst du da von stehlen?
La Fléche. Ich sage, visitiert nur recht genau, um zu sehn, ob ich Euch bestohlen habe.
Harpagon. Das will ich auch. (Er greift in seine Taschen).
La Fléche. (Beiseite). Wenn doch der Teufel den Geiz holte, und die Geizhälse dazu! –
Harpagon. Was? Was sagst du? –
La Fléche. Was ich sage? –
Harpagon. Ja; was sagst du vom Geiz und von den Geizigen? –
La Fléche. Ich sage: wenn doch der Teufel den Geiz und alle Geizhälse holte!
Harpagon. Wen meinst du damit? –
La Fléche. Die Geizhälse.
Harpagon. Und wer sind denn die Geizhälse?
La Fléche. Die schmutzigen Knicker und schäbigen Filze.
Harpagon. Aber auf wen geht das alles?
La Fléche. Was kümmert das Euch?
Harpagon. Ich kümmere mich um was mir gut dünkt.
La Fléche. Glaubt ihr etwa, ich rede von Euch?
Harpagon. Ich glaube was ich glaube, aber du sollst mir sagen, zu wem du das alles sprichst?
La Fléche. Ich spreche … ich spreche mit meiner Mütze.
Harpagon. Nimm dich in acht! oder ich werde mit deinen Ohren sprechen.
La Fléche. Wollt Ihr mir wehren, die Geizhälse zu verwünschen?
Harpagon. Nein; aber ich werde dir's wehren, unverschämtes Zeug zu schwatzen! Schweig!
La Fléche. Ich nenne ja niemand! –
Harpagon. Ich haue dich, wenn du noch ein Wort sprichst.
La Fléche. Wen es juckt, der kratze sich.
Harpagon. Wirst du schweigen?
La Fléche. Ich muß wohl! –
Harpagon. Endlich! –
La Fléche. (Zeigt auf noch eine Tasche in seinem Wams). Seht, hier ist noch eine Tasche. Seid Ihr nun zufrieden?
Harpagon. Komm, gieb mir's heraus, ohne daß ich visitiere.
La Fléche. Was?
Harpagon. Was du mir gestohlen hast.
La Fléche. Ich habe Euch ganz und gar nichts gestohlen!
Harpagon. Gewiß nicht?
La Fléche. Wahrhaftig nicht!
Harpagon. So geh zum Teufel!
La Fléche. (Beiseite). Schöne Empfehlung! –
Harpagon. Ich lege dir's auf dein Gewissen! –
Harpagon. Der Schlingel ist mir immer im Wege, und ich kann den nichtsnutzigen hinkenden Taugenichts nicht mehr ersehn. Es ist wahrhaftig keine kleine Sache, eine so große Summe in seinem Hause zu hüten, und der ist ein glücklicher Mann, der sein ganzes Vermögen sicher untergebracht und nur so viel behalten hat, als er zu seinen täglichen Ausgaben braucht! – Man hat wahrhaftig rechte Not, im ganzen Hause einen sichern Winkel zu finden. Von den eisernen Geldkisten will ich nichts wissen und traue ihnen nicht; denn die sind der wahre Köder für die Spitzbuben; an die machen sie sich immer zuerst.
Harpagon. Elise und Cléanthe (im Gespräch mit einander im Hintergrunde der Bühne).
Harpagon. (Für sich). Und doch weiß ich nicht, ob es klug war, daß ich die dreißigtausend Livres, die man mir gestern brachte, im Garten vergraben habe. Dreißigtausend Livres in blankem Golde sind wahrhaftig ein hübsches Kapital … (Er bemerkt Elise und Cléanthe; beiseite). O Himmel! – da werde ich mich selbst verraten haben! – Der Eifer hat mich hingerissen und ich glaube, ich habe laut vor ihnen gesprochen! – (Zu Elise und Cléanthe). Was giebt's? –
Cléanthe. Nichts, Vater! –
Harpagon. Seid Ihr schon lange da? –
Elise. Wir kommen erst eben.
Harpagon. Ihr habt gewiß gehört …
Cléanthe. Was denn, Vater?
Harpagon. Jetzt eben! –
Elise. Was? –
Harpagon. Was ich zu mir selbst sprach.
Cléanthe. Nein! –
Harpagon. Doch! doch! –
Elise. Gewiß nicht, Vater.
Harpagon. Ich sehe es euch an, ihr müßt etwas gehört haben. Ich überlegte mir, wie schwer es heutzutage ist, Geld aufzutreiben, und sagte, das wäre ein glücklicher Mann, der dreißigtausend Livres im Hause liegen hätte.
Cléanthe. Wir fürchteten euch zu stören, und wollten Euch nicht zuerst anreden.
Harpagon. Ich wiederhole euch das mit Fleiß, damit ihr die Sache nicht falsch versteht und euch etwa einbildet, ich hätte selbst die dreißigtausend Livres.
Cléanthe. Wir kümmern uns nicht um Eure Angelegenheiten.
Harpagon. Wollte Gott, ich hätte sie, die dreißigtausend Livres. –
Cléanthe. Ich glaube nicht …
Harpagon. Die wären mir recht gelegen! –
Elise. Das sind Dinge …
Harpagon. Ich könnte sie recht gut brauchen! –
Cléanthe. Ich denke, …
Harpagon. Da wäre ich aus aller Verlegenheit! –
Elise. Ihr seid …
Harpagon. Und hätte nicht nötig, über die schlechten Zeiten zu klagen! –
Cléanthe. Mein Gott, Vater, Ihr habt auch keine Ursache zu klagen; man weiß ja, daß Ihr vermögend genug seid.
Harpagon. Was, ich wäre vermögend genug? Daran ist kein wahres Wort, und wer so etwas unter die Leute bringt ist ein Schelm.
Elise. Ereifert Euch doch darüber nicht! –
Harpagon. Es ist unerhört! Meine eigenen Kinder verraten mich, und werden meine Feinde! –
Cléanthe. Muß man denn Euer Feind sein, wenn man Euch wohlhabend nennt? –
Harpagon. Ja, freilich! – Solche Rede und deine unsinnigen Ausgaben werden noch zur Folge haben, daß man allernächtens bei mir einbrechen und mir den Hals abschneiden wird, weil man denkt, ich schwimme in Gold.
Cléanthe. Was für große Ausgaben mache ich denn? –
Harpagon. Was für Ausgaben? Ist es denn nicht eine wahre Schande, sich in einem so kostbaren Anzuge in der Stadt herumzutreiben? Ich zankte gestern mit deiner Schwester; aber du bist noch zehnmal schlimmer. Das schreit ja zum Himmel; und wie du da gehst und stehst, ließe sich ein ganz hübscher Rentenvertrag aus dem unnützen Plunder formulieren. Ich habe dir's zwanzigmal gesagt, Herr Sohn, alle deine Manieren mißfallen mir im höchsten Grade. Es ist ja ganz erschrecklich, wie du den Marquis spielst! – Um dir solche Kleider anschaffen zu können, mußt du mich bestehlen.
Cléanthe. Wie? Ich Euch bestehlen? –
Harpagon. Was weiß ich! Woher nimmst du sonst das Geld für all den Flitterstaat?
Cléanthe. Ich, Vater? – Ich spiele; und da ich Glück im Spiel habe, verwende ich den Gewinn auf meinen Anzug.
Harpagon. Daran thust du sehr unrecht. Wenn du Glück im Spiel hast, solltest du's benutzen, und das gewonnene Geld auf gute Interessen anlegen; dann hättest du etwas, wenn du's brauchst. Ich möchte doch wissen, abgesehen von allem andern, wozu die Unmasse von Bändern nützt, mit denen du vom Kopf bis zu den Füßen gespickt bist, und ob ein halb Dutzend Resteln nicht genug wäre, um deine Pluderhosen an das Wams zu heften. Es ist wahrhaftig wohl nötig, Geld für Perücken auszugeben, wenn man sein eigenes Haar tragen kann, das nichts kostet! Ich will wetten, in deiner Perücke und deinen Bändern stecken allerwenigstens zwanzig Pistolen, und zwanzig Pistolen bringen im Jahr achtzehn Livres acht Sous und acht Deniers, wenn man sie auch nur zum zwölften Pfennig ausleiht.
Cléanthe. Das ist richtig.
Harpagon. Aber jetzt von etwas anderm. (Er bemerkt, daß Cléanthe und Elise sich Zeichen machen). He! – (Beiseite). Ich glaube, sie machen sich einander Zeichen, um mir meine Börse zu stehlen. (Laut). Was bedeuten alle die Winke?
Elise. Wir verhandeln eben, mein Bruder und ich, wer zuerst mit Euch sprechen soll, denn wir haben Euch beide etwas zu sagen.
Harpagon. Und ich habe euch beiden gleichfalls etwas zu sagen.
Cléanthe. Wir wünschten, Vater, mit Euch vom Heiraten zu sprechen.
Harpagon. Und über eine Heirat wollt' ich grade eben auch mit euch reden.
Elise. Ach, Vater! –
Harpagon. Was erschrickst du denn so? Ist's das Wort oder die Sache, die dir bange macht? –
Cléanthe. Nach der Art, wie Ihr wahrscheinlich die Sache auffaßt, kann eine Heirat uns beide wohl erschrecken, und wir sind in der Besorgnis, daß unsere Gefühle nicht mit Eurer Wahl übereinstimmen werden.
Harpagon. Nur ein wenig Geduld, und macht euch keine Unruhe. Ich weiß, was sich für euch beide schickt, und ihr sollt weder der eine, noch die andere die mindeste Ursache haben, euch über meine Pläne zu beklagen. Um also die Sache vom einen Ende anzufangen – (Zu Cléanthe) sage mir doch, hast du eine junge Person gesehen, die Marianne heißt, und nicht weit von hier wohnt? –
Cléanthe. Ja, Vater.
Harpagon. Und du?
Elise. Ich habe von ihr gehört.
Harpagon. Nun, mein Sohn, wie gefällt dir das Mädchen?
Cléanthe. Ich finde sie außerordentlich hübsch.
Harpagon. Ihre Physiognomie?
Cléanthe. Ganz Güte und Verstand.
Harpagon. Ihre Haltung und ihr Benehmen?
Cléanthe. Durchaus liebenswürdig, ohne Frage.
Harpagon. Scheint dir nicht, ein solches Mädchen verdiene schon, daß man an sie denke?
Cléanthe. Ja freilich, lieber Vater.
Harpagon. Daß es eine wünschenswerte Partie sein würde?
Cléanthe. Im höchsten Grade wünschenswert.
Harpagon. Daß sie ganz danach aussieht, als würde sie eine gute Hausfrau abgeben?
Cléanthe. Ohne allen Zweifel.
Harpagon. Und daß ein Mann schon mit ihr zufrieden sein könnte? –
Cléanthe. Ganz gewiß! –
Harpagon. Es ist allerdings eine kleine Schwierigkeit dabei: ich fürchte, sie wird nicht so viel Vermögen haben, als man wohl verlangen könnte.
Cléanthe. Ach, Vater, auf das Vermögen muß man nicht sehen, wenn sich's darum handelt, ein so vortreffliches Mädchen zu heiraten.
Harpagon. Erlaube, mein Sohn, erlaube! Indes, wenn sich denn auch nicht so viel Kapital vorfindet als zu wünschen wäre, so läßt sich das immer auf andere Weise wieder einbringen.
Cléanthe. Das versteht sich! –
Harpagon. Nun, es ist mir recht lieb zu sehen, daß du einer Meinung mit mir bist, denn ihr sittsames Wesen und ihre Sanftmut haben mich für sie eingenommen, und ich habe beschlossen, sie zur Frau zu nehmen, wenn sie nur irgend etwas Geld hat.
Cléanthe. Was? –
Harpagon. Nun? –
Cléanthe. Ihr seid entschlossen, sagt Ihr …
Harpagon. Marianne zu heiraten.
Cléanthe. Wer? Ihr? – Ihr? –
Harpagon. Ja doch! Ich! Ich! – Was soll das heißen? –
Cléanthe. Mir ist nicht ganz wohl; ich will an die Luft gehn.
Harpagon. Das wird weiter nichts sein. Laß dir gleich in der Küche ein Glas kaltes Wasser geben! –
Harpagon. Elise.
Harpagon. Da haben wir unsere Modeherrchen, unsere zarten, schmächtigen Stutzer, die nicht mehr Saft und Kraft in den Gliedern haben als ein junges Huhn. Das war also, meine Tochter, was ich für mich ausgesucht habe. Was deinen Bruder anbelangt, so bestimme ich dem eine Witwe, von der man mir heut morgen gesprochen hat; und du, mein Kind, sollst den Herrn Anselmé heiraten.
Elise. Den Herrn Anselmé? –
Harpagon. Ja; ein gesetzter, vorsichtiger und verständiger Mann, der nicht über fünfzig Jahre alt ist, und, wie man mir rühmt, ein schönes Vermögen besitzt.
Elise. (Macht ihm eine Reverenz). Mit Eurer Erlaubnis, mein Herr Vater, ich will mich nicht verheiraten.
Harpagon. (Spottet Elisen nach). Und ich, Fräulein Naseweis, mein Schatz, ich bestehe darauf, mit deiner Erlaubnis, daß du dich verheiratest.
Elise. (Sich abermals verneigend). Ich bitte um Verzeihung, mein Vater.
Harpagon. (Ihr nachsprechend). Ich bitte um Verzeihung, meine Tochter.
Elise. Ich bin des Herrn Anselmé unterthänigste Dienerin; aber (verneigt sich abermals) mit Eurer Erlaubnis, heiraten werde ich ihn nicht.
Harpagon. Ich bin dein unterthänigster Diener, aber (spricht Elisen nach) heiraten wirst du ihn noch heut Abend.
Elise. Heut Abend, sagt Ihr?
Harpagon. Heut Abend, sag ich.
Elise. (Macht noch einmal eine Reverenz). Das wird nicht geschehen, mein Vater.
Harpagon. Das wird doch geschehen, meine Tochter.
Elise. Nein!
Harpagon. Doch!
Elise. Nein, sage ich Euch.
Harpagon. Doch, sage ich dir.
Elise. Ihr werdet mich nie dazu zwingen.
Harpagon. Ich werde dich schon dazu zwingen.
Elise. Lieber, als einen solchen Mann zu heiraten, bringe ich mich um.
Harpagon. Du wirst dich nicht umbringen, und wirst ihn heiraten. Aber sehe mir einer den Trotz! – Hat man je eine Tochter so mit ihrem Vater sprechen hören? –
Elise. Hat man aber auch je einen Vater seine Tochter so verheiraten sehen? –
Harpagon. Gegen die Heirat ist nichts einzuwenden, und ich wette, daß alle Welt meine Wahl billigen wird.
Elise. Und ich wette, kein vernünftiger Mensch wird sie gutheißen.
Harpagon. Da kommt Valère. Willst du, daß wir ihn zum Schiedsrichter zwischen uns beiden machen?
Elise. Ich bin's zufrieden.
Harpagon. Wirst du dich seinem Ausspruch unterwerfen?
Elise. Ja; was er sagt, will ich thun.
Harpagon. Abgemacht!
Valère. Harpagon. Elise.
Harpagon. Hierher, Valère! Wir haben ausgemacht, meine Tochter und ich, daß du entscheiden sollst, wer von uns beiden recht hat.
Valère. Ohne Zweifel Ihr, gnädiger Herr.
Harpagon. Weißt du denn, um was sich's handelt?
Valère. Nein. Aber Ihr könnt ein für allemal nicht unrecht haben; denn Ihr seid die Weisheit selbst.
Harpagon. Ich will sie heut abend mit einem wackern und reichen Manne verheiraten, und der Grasaffe sagt mir ins Gesicht, daraus könne nichts werden. Was sagst du dazu?
Valère. Was ich dazu sage?
Harpagon. Ja.
Valère. Hm! hm! –
Harpagon. Nun?
Valère. Ich sage, daß ich im Grunde Eurer Meinung bin, denn Ihr könnt nicht anders als recht haben; aber sie hat ihrerseits auch nicht völlig unrecht.
Harpagon. Was! Der Herr Anselmé ist eine höchst vorteilhafte Partie; er ist ein Edelmann von wirklichem Adel, ein stiller, gesetzter, verständiger und sehr reicher Mann, dessen Kinder alle gestorben sind. Kann sie es denn besser verlangen? –
Valère. Das ist wahr. Aber sie könnte Euch vielleicht einwenden, daß Ihr die Sache etwas übereilt, und daß man wenigstens noch einige Zeit warten sollte, um zu sehen, ob ihre Neigung …
Harpagon. Ei was! Solch eine Gelegenheit muß man beim Schopf fassen. Es wird mir hier ein Vorteil geboten, den ich anderswo nie wieder finden würde; er verpflichtet sich, sie ohne Mitgift zu nehmen.
Valère. Ohne Mitgift?
Harpagon. Ja.
Valère. Ah, dann sage ich nichts mehr. Ja, seht, das entscheidet ohne weiteres; da muß man die Segel streichen.
Harpagon. Das ist für mich eine große Ersparnis.
Valère. Natürlich; dagegen ist nicht zu streiten. Freilich könnte Eure Tochter Euch vorstellen, daß die Heirat für sie eine hochwichtige Sache ist; daß sich's um das Glück oder Unglück ihres ganzen Lebens handelt; und daß eine Verbindung, die nur der Tod trennen kann, mit der größten Vorsicht geschlossen werden muß.
Harpagon. Ohne Mitgift! –
Valère. Ihr habt recht; damit ist alles gesagt, das versteht sich. Es giebt zwar Leute, die Euch bemerken könnten, daß in solchen Fällen die Zuneigung eines Mädchens berücksichtigt werden sollte, und daß eine so große Ungleichheit des Alters, des Naturells und Gefühls eine Ehe den verdrießlichsten Zufällen aussetzen kann, …
Harpagon. Ohne Mitgift! –
Valère. Freilich, darauf läßt sich nichts erwidern, das sehe ich wohl ein. Wer Teufel kann dagegen aufkommen? Es giebt allerdings Väter, denen die Zufriedenheit ihrer Töchter lieber ist als das Geld, das sie ihnen mitzugeben hätten; die nicht daran denken, sie ihrem Interesse zu opfern, und die vor allen Dingen danach streben, eine Ehe auf die schöne Harmonie zu gründen, die allein imstande ist, ihre Ehre, Ruhe und Glück zu sichern, …
Harpagon. Ohne Mitgift! –
Valère. Ja, da liegt's; da muß jeder verstummen. Ohne Mitgift! Wer kann solch einem Grunde widerstehn? –
Harpagon. (Beiseite; sieht nach dem Garten). Still, was war das? Ich glaube, der Hund hat gebellt. Gewiß sind Diebe bei meinem Gelde. (Zu Valère). Geh nicht fort, ich bin gleich wieder da.
Elise. Valère.
Elise. Seid Ihr von Sinnen, Valère, daß Ihr so zu ihm sprecht?
Valère. Das muß ich, um ihn nicht zu erbittern, und um desto eher zu meinem Ziele zu gelangen. Ihm geradezu widersprechen, wäre das Mittel, alles zu verderben; es giebt Charaktere, denen man nur durch Nachgiebigkeit beikommen kann, – Temperamente, die keinen Widerspruch ertragen; störrische Naturen, die sich gegen die Wahrheit aufbäumen, vom graden Wege der Vernunft nichts wissen wollen, und sich nur durch Wendungen dahin führen lassen, wohin man sie haben will. Stellt Euch nur, als fügtet Ihr Euch in seinen Willen, so werdet Ihr Euren Zweck viel leichter erreichen …
Elise. Aber diese Heirat, Valère! –
Valère. Wir müssen Ausflüchte suchen, sie zu hintertreiben.
Elise. Was läßt sich denn aber ersinnen, wenn der Contract heut Abend unterschrieben werden soll? –
Valère. Ihr verlangt einen Aufschub, gebt vor, Ihr seid krank.
Elise. Wenn aber ein Arzt geholt wird, kommt die Wahrheit an den Tag!
Valère. Glaubt Ihr das im Ernst? Was verstehen denn die Ärzte davon! – Geht, geht; wegen deren könnt Ihr von Krankheiten nennen, was Euch einfällt; sie werden Euch gewiß Gründe finden, um Euch zu deduzieren, woher das Übel entstanden sei.
Harpagon. Elise. Valère.
Harpagon. (Beiseite, im Hintergrunde). Es war nichts, Gott sei Dank! –
Valère. (Ohne Harpagon zu sehen). Und dann haben wir ja noch das letzte Mittel, das uns gegen alles schützt, – die Flucht. Wenn Eure Liebe, meine teure Elise, Festigkeit genug besitzt, – (Er sieht Harpagon) … Ja, eine Tochter muß Ihrem Vater gehorchen. Wie der ihr bestimmte Mann aussieht, das muß ihr einerlei sein; und wenn das große Argument "ohne Mitgift" ins Spiel kommt, muß sie sich jeden gefallen lassen, den man ihr vorschlägt.
Harpagon. Bravo! – Vortrefflich gesprochen!
Valère. Gnädiger Herr, Ihr müßt entschuldigen, daß ich so in Eifer kam, und mir's herausnahm, so resolut mit ihr zu sprechen.
Harpagon. Ei, das macht mir ja die größte Freude, und ich räume dir die unbedingteste Gewalt über sie ein. ( Zu Elisen). Ja, laufe nur davon; ich erteile ihm alle Gewalt, die mir der Himmel über dich verliehen hat, und verlange, daß du alles thust, was er dir sagen wird.
Valère. (Zu Elise). Werdet Ihr Euch meinen Vorstellungen jetzt noch widersetzen? –
Harpagon. Valère.
Valère. Gnädiger Herr, ich werde ihr nachgehen, und in meinen Ermahnungen weiter fortfahren.
Harpagon. Das soll mir ganz lieb sein; denn wahrhaftig …
Valère. Man muß ihr den Zügel ein wenig straff halten, …
Harpagon. Ja, das muß man. Es wird gut sein, …
Valère. Seid unbesorgt. Ich glaube, ich werde mit ihr fertig werden! –
Harpagon. Nur immer zu! Ich mache nur einen kleinen Gang durch die Stadt, und komme gleich wieder zurück.
Valère. (Spricht im Abgehen in die Coulisse, durch welche Elise sich entfernt hatte). Ja, das Geld ist kostbarer als alles übrige in der Welt, und Ihr müßt dem Himmel dankbar dafür sein, daß er Euch einen so braven Vater gegeben hat. Der weiß, was zum Leben gehört. Wenn sich jemand erbietet, ein Mädchen ohne Mitgift nehmen zu wollen, da darf man weder rechts noch links sehen; in dem Wort liegt alles. Ohne Mitgift; das ersetzt Schönheit, Jugend, Geburt, Ehre, Verstand und Rechtschaffenheit.
Harpagon. Der brave Junge! Spricht er nicht wahrhaftig wie ein Orakel! – Glücklich, wer einen solchen Diener gefunden hat!