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Erschienen 1907 im »März«
»Wohl dir, steht ein Berater an deinem Bette«
Die Alchimisten im Mittelalter zerbrachen sich den Kopf, wie man aus dem trüben Blei des Erdendaseins die Tinktur des ewigen Lebens gewinnen könne, – die Heutigen sind über so etwas längst hinaus. – Die trachten, das Gold der Unsterblichkeit in schmierige Banknoten zu verwandeln.
In den Schaufenstern der Buchläden und den Annoncen der Tagesblätter prangen bereits als Wahrzeichen die Anleitungen, wie man in fünf Minuten für nur eine Mark – auf okkultem Wege ein vollendeter Verbrecher werden könne.
Wie lange noch, und die Herren Lebensversicherungsagenten werden die heiligen Schriften des Vedanta studieren, um kraft magischer Atemübungen die werte Kundschaft besser hineinlegen zu können.
Ist man also endlich doch so weit, und hat den Yogis, Fakiren und Derwischen ihr Zauberwissen abgelauscht?
O nein. Heute weniger als je! Das fehlte gerade noch!
Wohl stehen in unseren Zeitläuften die Sterne günstig für Kunz und Stoffel, Kohl und Kraut werden zärtlich begossen, dieweil die Edelrauten verdursten, und ein Kubikkilometer faules Manna in Form theosophischer Literatur ist vom Himmel gefallen. – Und alles steht in diesen »mystischen« modernen Büchern: – wo die verschwundenen Weltteile Lemuria und Atlantis liegen, aus wieviel Seelenprinzipien der Mensch besteht (wenn er sich's gefallen läßt), auch die frohe Botschaft, daß sich in Deutschland endlich unter dem geistigen Schutze einiger semmelblonder Adepten eine ganz selbständige reformierte vaterländisch-theosophische Riege gebildet habe, dringt ans Ohr – bloß über den Anfang des wirklichen Weges, der, wie es im Märchen von der Prinzessin Parisade heißt, zum redenden Vogel, zum singenden Baum und zur Quelle der Auferstehung führen soll, gibt keiner wahre Kunde.
Mehr Wahrheit als in diesen – »Erkenntnis«schriften liegt, weiß Gott, in jedem Volksmärchen. Nur glauben die Leute, sie müßten tief nach Wasser graben in solchen Sagen, und sehen darum das Geheimnis des glitzernden Taues nicht, der obenauf liegt.
Wohl gibt die viele tausend Jahre alte indische Lehre vom Yoga mit kalten dürren Worten scheinbar Aufschluß über die Methoden, die wunderbaren Kräfte der Fakire (siehe den vorhergehenden Artikel: »Fakire«) sich zu eigen zu machen, aber man versuche einmal, sie zu befolgen!
Lauter asketische Übungen!: »Lebe in der Einsamkeit. Iß nur fünf Bissen täglich. Nimm gewisse Körperstellungen ein, die bloß ein Schlangenmensch erzwingen kann. Halte den Atem an, erst fünf Minuten lang, dann zehn, zwanzig, dreißig und so fort bis zu zwei Stunden, und wenn du all das gelernt hast und außerdem noch deine Gedanken auf die Zauberworte Bhur und Hamsa zu konzentrieren, bis jede Zelle deines Körpers mitschreit, so kannst du nach weiteren Spezialübungen zur Herrschaft über die Siddhis (Wunderkräfte) gelangen.«
Diese Vorschriften sind nun für jedermann vollständig dunkel, wenn man nicht weiß – und unsere theosophischen und mystischen Herren Lehrer wissen es nicht –, daß alle diese körperlichen Vorgänge (Mudras, Asanas) usw. Wirkungen und nicht Ursachen sind, – daß ihnen ein ganz bestimmter Zustand vorhergehen muß, in dem diese Atemeinstellungen, Herzstillstand usw. ganz von selbst auftreten, – (ähnlich wie bei Epilepsie) – nämlich eine Art Scheintod.
Kann man nun diesen Zustand, der zur Pforte des Yoga führt, selber herbeiführen? Etwa durch Konzentration der Gedanken auf einen Punkt?
In der Lehre heißt es ausdrücklich, ein Guru oder »Führer« sei unerläßlich, und in diesen Worten liegt der Schlüssel zum Verständnis. –
Seit dieser unverstandene Satz in unsere Öffentlichkeit gedrungen ist, wimmelt es bei uns von Gurus, Geheimlehrern und »Führern«, – absichtlichen und unabsichtlichen Betrügern.
Alle Augenblicke taucht inner- oder außerhalb der theosophischen, »talmirosenkreuzerischen« und anderen okkulten Brüderschaften ein neuer Fatzke auf und gibt sich für einen Initiierten aus, der im »Astralreich« lesen kann und Übungen zum Erwecken magischer Fähigkeiten zu vergeben hat.
Der wahre Guru, der gemeint ist, kann nun aber kein gewöhnlicher Mensch sein, der ißt, trinkt und verdaut und einen Beruf hat, – etwa der Herr Emil Kulike aus Kyritz an der Knatter oder sonst wer, – es ist darunter vielmehr ein ganz Anderer zu verstehen, und selbst die indischen Schriften sind in diesem Punkt eher verwirrend als offenherzig.
Auch wäre ein Ratschlag, eine Anweisung selbst eines echten Guru völlig unnütz und unzulänglich, denn es kommt darauf an, daß die ersten Male der Schüler in den erwähnten Scheintod direkt vom »Führer« versetzt werden muß, indem dieser durch Willensfernwirkung und auf eine nur dem vollendeten Yogi bekannte und mögliche Weise, – ungefähr nach der Idee der antiken böotischen »Psychagogen« – den Zustand so oft und so lange einleitet, bis ihn der Schüler von selber an sich hervorrufen kann.
Nach und nach wird dann die Dauer des Scheintodes immer kürzer (bis zum Bruchteil einer Sekunde), und für den Beobachter ist der Vorgang schließlich nicht mehr wahrzunehmen. Dann fallen auch die äußerlich sichtbaren Asanas und Mudras und anderen Yoga»übungen« weg.
Eine Abart dieses Scheintodes, die sogenannte Trance, tritt bei den (wenigen echten) spiritistischen Medien auf. – Auch diese besitzen alle einen »Führer« – einen Kontrollgeist, wie es in der Fachsprache heißt – aber ihre »Trance« beruht nicht auf Yoga, sondern verhält sich dazu wie Geisteskrankheit zu Genie, – ist auch nicht die Folge sorgfältiger Erziehung, sondern eine angeborene rein körperliche Disposition.
Ein weiterer Unterschied ist, daß das Medium in tiefe Bewußtlosigkeit verfällt und immer der Trance bedarf, um die psychischen Phänomene zu ermöglichen, wogegen der Yogaschüler den Scheintod mit seinen Begleiterscheinungen (genannte Atemhemmungen usw.) nur anfangs und nur so lange durchzumachen hat, bis ihm die Kräfte und ihre Handhabung vom Guru endgültig übertragen worden sind. – Und selbst während dieses Beginnens geht nie das Bewußtsein verloren; das Gegenteil – selbst wenn es bei einem Fakir oder einem Derwisch auftritt – ist stets das Merkmal des Mediumismus und als solches das Zeichen, daß die psychischen Fähigkeiten nicht bleibender Natur und überdies an eine Reihe von Vorbedingungen, die beim Yogi wegfallen, geknüpft sind.
Die Technik der Kunst ist konform der Lehre nun folgendermaßen zu denken:
Durch den »Scheintod« wie durch die Trance wird der Mensch quasi in zwei Teile zerlegt, in einen rein körperlichen Organismus und eine gestaltlose Kraft. –
Der gewöhnliche Mensch ist immerwährend von einer Kette (unsichtbarer) typischer Wesen, – die im Laufe seines Lebens teils absterben, teils neu hinzukommen, umgeben oder behaftet. Irrtümlich werden sie meist für »Seelen Verstorbener« gehalten. – Wird nun die gewisse Kraft oder ein Teil davon auf irgendeine Art frei, so werden diese Wesen von ihr seltsam belebt und selbständig – in ähnlicher nur weit komplizierterer Weise wie der bekannte tote Frosch Galvanis unter dem Einfluß der Elektrizität. – Die »spiritistischen Kundgebungen« in ihrer vollen die Naturgesetze scheinbar umstoßenden Seltsamkeit sind die notwendige Folge.
Beim Yogaschüler steht die Sache aber anders. In seiner Psyche sind keine solchen »Wesen« mehr; durch einen langen Abtötungsprozeß sind sie zugrunde gegangen, vernichtet wie von Herkules die tausend Köpfe der Hydra, und umgeben ihren Herrn als leblose Körper und zu seiner Verwendung stehende geheimnisvolle Instrumente, kreisen um ihn wie der ausgebrannte Mond um die lebendige Erde kreist.
Die im Yogascheintod freiwerdende Kraft bleibt auch nicht formlos wie beim Medium, sondern gerinnt allmählich zu einer Gestalt = dem ewig unzerstörbaren Träger des immerwachen Bewußtseins des Yogis über Schlaf, Ohnmacht und Tod hinaus – zu einem Doppelgänger, der nicht mehr verwesen kann.
Über die Beschaffenheit dieser Kraft, die in sich alles aufzulösen vermag – des »philosophischen Merkurius« der hermetischen Alchimisten –, über ihre Wirkungen, die Gesetze, die sie schafft und von denen sie gehemmt wird, läßt sich hier nicht reden, es muß genügen, zu sagen, daß vermittels ihrer das trivialste wie das sublimste ausgedachte, das heißt gedanklich geformte Vorhaben mit allen jenen äußeren Eigenschaften ausgestattet und umkleidet werden kann, die wir Greifbarkeit, Sichtbarkeit, Wägbarkeit usw. nennen und über deren »Realität« oder »Unrealität« unsere moderne Wissenschaft bereits zu unumstößlich präzisen Sätzen gekommen ist. Ernst Mach, zum Beispiel.
Erst wenn in der Psyche die gewissen »Begleitwesen« abgestorben sind, kann der Mensch Yoga betreiben oder richtiger: erleben, und in diesem Zeitpunkt erst kommt der »Guru« zu ihm, – gleichgültig, ob am Nordpol, im Himalaja, im Gefängnis oder wie bei Sankt Hubertus inmitten der Hirschjagd.
Der Prozeß, die »Begleitwesen« auszubrennen, kann Jahrtausende dauern (nach der Lehre verkörpert sich die Psyche immer wieder) und darf mit »Yoga« nicht verwechselt werden. Bei wem er einmal einzusetzen begonnen hat, – wen die Uräusschlange des Paradieses einmal gebissen, dessen Wege biegen scharf ab von denen seiner Brüder, und mag er auch scheinbar mitten unter ihnen weilen, in Wahrheit ist er ihnen viel, viel weiter entrückt, als räumliche Strecken zu trennen vermögen. –
Menschen aller Völker und Jahrhunderte tragen die Wunde vom Biß dieser Schlange, und aus ihren Scharen – die unabsehbar geworden sind im Lauf der Zeiten – ist jene vom Durste nach dem Metaphysischen gefolterte Armee angewachsen, die sich dunklen Zielen, – den übrigen eine unfaßbares Rätsel – zuwälzt.
»Entartete« nennt Max Nordau jene Gebissenen, Jesus Christus nennt sie das Salz der Erde.
Bei dem einen zeigt sich das Gift der Schlange in seiner Wirkung als dunkler, unbegreiflicher Trieb zur Selbstqual und Askese, bei dem anderen als verzehrende Sehnsucht nach überirdischer Macht, nach Wissen und metaphysischer Erkenntnis oder als religiöser Durst nach der Gottheit.
»Wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit, so rufet meine Seele, Gott, nach dir,« heißt es in der Bibel.
Griffe man etliche heraus aus den Scharen jener – »Pilger« will ich sie nennen, ob sie nun nackt und einsam in Wäldern wie indische Sannyassins oder kultiviert, als europäische Mystiker, unter den Menschen leben, und forschte nach ihrem Sinnen und Trachten, nach dem Ziel ihres Weges und was ihres Fußes Leuchte ist, man stieße auf unendliche Widersprüche.
Die Wunderkräfte, die der eine erstrebt, erscheinen dem anderen wie giftige Beeren am Wege, – die Wonnen und Verzückungen jenes, diesem als Laster! Swedenborg schüttelt den Kopf über Gautama Buddhas Wahnversiegung und sehnt sich nach dem Himmel, und der chinesische Asket Hu-tzu verlängert sein physisches Leben um tausend Jahre.
Und wem es nicht gelingt, tiefer in das Chaos zu blicken, der glaubt, vor einem Kapitel der Geschichte menschlicher Narrheit zu stehen.
Und doch liegt die Geschichte menschlicher Narrheit auf einem ganz anderen Gebiete! Man betrachte doch einmal in einem Museum zum Beispiel eine Sammlung von Schuhen und Stiefeln aus den verschiedenen Jahrhunderten oder lese die Annalen – – – der internationalen Ruhmesgeschichte!
Erst klärt sich der Blick, wenn man versteht, daß jeder »Pilger« zum Ziele seiner – – Sehnsucht geht, und daß der mystische »Weg« zur Pforte des Yoga – das Ausbrennen der Hydraköpfe, – nichts als die Opfer sind, die er dieser Sehnsucht darzubringen versteht. – – – – – – – –
Von jenen, die dem königlichen Pfade zustreben, dem Pfade der Macht und Allwissenheit, den die chinesischen Übermenschen Hu-tzu und Chuang-tzu gegangen sein mögen, vernimmt die Öffentlichkeit wohl nie, – nur von jenen, deren Sehnsucht nach der Glückseligkeit »immerwährender Anschauung Gottes« und innerer Erleuchtung steht und die die (Wunderkräfte) Siddhis und alles, was zur Außenwelt in Beziehung, für Schranken auf ihrem Wege halten.
Jakob Böhme, Jane Leade, Mothe-Guyon sind von Europäern mit die bekanntesten unter ihnen, von Indern unserer Zeit Bhaskarananda aus der Sekte der Sannhassins, besonders aber Sri Ramakrishna Paramahamsa.
Einige Worte hier über deren Leben!
Bhaskarananda, 1833 in einer vornehmen Brahmanenfamilie geboren, studierte mit glühendem Eifer vom achten Jahre an Sanskrit und die Philosophie der Veden. – Als ihm in seinem achtzehnten Jahre ein Sohn geboren wurde, betrachtete er gemäß der Gesetzvorschriften des Manu seine Beziehungen zu den Menschen für erfüllt und wurde, um seine bisher nur theoretisch empfundene Anschauung von der »Unwirklichkeit der Außenwelt zur Tat zu machen« (das heißt den geheimen Prozeß des Abtötens der gewissen »Begleitwesen« praktisch vorzunehmen) zuvörderst ein wandernder Asket.
Immer mehr vertiefte er seine Studien des Vedânta, und um zur Fähigkeit des inneren Schauens zu gelangen, trat er der Sekte der Sannyassins bei.
Nach und nach erlebte er jene Bewußtseinsverschiebungen und polarischen Veränderungen des Körpers, die die Grundlage bilden zu der praktischen (nicht nur theoretischen) Erkenntnis: »daß die Außenwelt nichts Reales ist, niemals in Wirklichkeit existierte, nicht existiert, noch auch jemals existieren wird.« »So, wie wir im Schlafe träumen, das Geträumte für wirklich halten, beim Erwachen aber über jeden Zweifel erhaben einsehen müssen, daß wir uns geirrt, – so können wir eine andere Art Erwachen erlangen, in der auch die Außenwelt mit all ihren gegenseitigen Beziehungen und relativen Gesetzen als substanzlos, als Schatten und Traumgebild durchschaut und erkannt wird.«
Nach dreizehnjähriger Askese hatte Bhaskarananda diejenige Erkenntnis erlangt, die er ersehnt, und blieb für den Rest seines Lebens in der Nähe von Benares. Er war den Hindus Gegenstand höchster Verehrung, und selbst Europäer, die ihn aufsuchten, waren der Bewunderung über die enorme Tiefe seines Wissens voll.
Wundertaten aller Art, besonders Heilungen, werden über ihn berichtet. –
Sri Ramakrishnas Paramahamsa Lebensgeschichte – von dem Oxforder Professor Max Müller The life and sayings of Sri Rama Krishna« by Professor Max Müller, London, Longmans, Green & Co. als Denkmal für die Nachwelt niederlegt – ist das Ergreifendste, Merkwürdigste und zugleich Lehrreichste auf diesem Gebiet, das sich überhaupt finden läßt.
Ebenfalls im Jahre 1833 geboren, war Ramakrishna von Kindheit an von einem unaufhörlichen, verzweiflungsvollen Durste, die Gottheit (die er sich bildlich mit Vorliebe als die indische symbolische Göttin Kalî vergegenwärtigte) zu schauen und sich mit ihr zu vereinigen, geradezu besessen.
Eine ganze Reihe wunderbarer Zustände trat bei Ramakrishna auf, und keiner der europäischen Ärzte und Gelehrten, die zahlreich zu Ramakrishna wie zu einem medizinischen Kuriosum gezogen kamen, verstand sie zu deuten.
Oft verfiel er in tagelangen Scheintod, und immer zog gerade irgendein nackter, schweigsamer Sannyassin des Weges, wie von einer geheimen Macht gesandt, nahm sonderbare Manipulationen an ihm vor und brachte ihn dadurch wieder zum Leben zurück.
Später wieder befiel ihn eine zwölf volle Jahre dauernde Unfähigkeit, zu schlafen oder die Augen zu schließen, und viel Ähnliches der Art. Alles aus der verzweifelten Sehnsucht, Gott zu finden, heraus.
Ein grelles Streiflicht auf diese Art physischer Begleiterscheinungen wirft der Umstand, daß dieselben Vorgänge in gleicher Intensität und Reihenfolge laut den heiligen Büchern der »Vaishnava«-sekte schon einmal – vor vierhundert Jahren – bei dem religiösen Reformator von Bengalen Srî Chaitanya stattfanden, also typisch sind.
Allmählich erloschen bei Ramakrishna diese stürmischen Absterbesymptome und machten einem seiner Schilderung nach unbeschreiblichen Glückseligkeits- und Wonnegefühle Platz, das ihn den Rest seines Lebens hindurch keine Stunde mehr verließ.
Und im selben Maße wuchs in ihm, ohne daß er je irgendwelche Studien betrieben hätte, wie aus dem Nichts heraus eine so profunde Weisheit und alles umfassende philosophische Erkenntnis, daß sich bald ein Kreis indischer (auch europäischer und amerikanischer) Gelehrter um ihn scharte und erschüttert seinen Lehren lauschte.
Zuweilen ging von ihm eine so starke »magnetische« Ausstrahlung aus, daß viele seiner Besucher in Bewußtlosigkeit und Starrsucht verfielen.
Wie gering er »Wunderkräfte« schätzte, geht aus einer Bemerkung hervor, die er machte, als ihm jemand von einem in der Nähe weilenden Jogi berichtete, der die Schwerkraft überwunden hatte und zuzeiten auf dem Wasser ging. – Er schüttelte nur mitleidig den Kopf und sagte: »Wie weit muß dieser Erbarmungswürdige noch in der wahren Erkenntnis zurückstehen!«
Mit Recht kann Ramakrishna als der bedeutendste indische Prophet der letzten Jahrhunderte gelten, und er ist der einzige der Weltgeschichte, der nicht nur die praktischen Mysterien seiner eigenen Religion, sondern auch die der anderen an sich erfuhr, wie die des Islams und des Christentums (wie Christus sagt: Es sei denn einer von neuem geboren, kann er das Reich Gottes nicht schauen).
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Gehören nun alle jene sonderbaren Heiligen, von denen wir hören, die heulenden oder kettenbeladenen wandernden Derwische, die Hindu-Asketen, die ihren Leib foltern, in die Sonne starren, sich an den Füßen aufhängen oder zwischen fünf Feuern sitzen, die bengalischen Aghorpantis, die menschliche Leichen ausscharren und verzehren, – alle in dieselbe Klasse wie Ramakrishna, Jakob Böhme oder Swedenborg? –
Sie sind dasselbe! – Nur auf verschiedenen Stufen, und die Prozesse des Absterbens der »Begleitwesen« äußern sich bei jedem anders oder werden bewußt nach den unzähligen geheimgehaltenen Vorschriften der diversen Orden, Brüderschaften und Sekten verschieden angestrebt.
Handeln manche auch bloß nach inneren Eingebungen, nach Winken und Befehlen, die sie im Traume erhalten, nach dem christlichen »inneren Wort« oder nur einem dunkeln Triebe folgend, das Resultat und das Ziel ist immer dasselbe: der Yoga, der Hochpfad des wahren Übermenschen.
Denn Yoga ist eben das Ende und nicht der Anfang des »Weges«, wie heute fast alle wähnen.
Wohl kommt es vor, daß bei dem »Pilger« plötzlich niedrigere Wunderkräfte ganz von selbst sich zeigen, wenn vorübergehend ein kleiner Teil der erwähnten »formlosen Ausstrahlung« frei wird, aber sie sind nicht von Bestand, sie sind wie die Fata morgana der Wüste, und nur der Schatten, den große Ereignisse vorauswerfen.
Besonders bei allen jenen treten sie ein, die die physischen Begleiterscheinungen bei den Heiligen und fast vollendeten Yogis, wie sie im Volksmunde überliefert oder in den Schriften des indischen sogenannten Hatha-Yoga-Pradipika als Mudras usw. aufgezeichnet sind, irrtümlich für Rezepte halten und sie nachzuahmen sich bemühen, Ursache und Wirkung verwechselnd. Statt bleibende Kräfte zu erwerben, bilden diese Unglücklichen sich aber nur zu Geschöpfen aus, die zwischen Mediumismus und wahrem Yogitum stehen, und gehen schließlich in Irrsinn (meist Verfolgungswahnsinn) unter. – – – –
Vor einigen Dezennien wurde die Bewegung des »Spiritismus« lebendig und gewann eine Ausdehnung, die noch heute niemand ahnt, und kurz darauf konnte es durch die herostratische Tat einer Russin namens H. P. Blavatsky geschehen, daß aus dem geistigen Spülwasser – angesammelt während Jahrhunderten – in den Ländern der Bleichgesichter die Schmutzwasserhose des heutigen theosophischen Okkultismus sich emporquirlen konnte.
Vielleicht wird es einmal unserer Wissenschaft gelingen, die beiden Salze, die in dieser ersten und der zweiten Bewegung gelöst enthalten sind, herauszufällen; dann wäre auch die Formel schnell gefunden, die den kürzesten Weg zum Yoga weist und die Umwege abschneidet. –
Die Erkenntnis eines klaren, allen Rankenwerkes entkleideten Prozesses – wie die erwähnten »Begleitwesen«, diese Schmarotzer an der menschlichen Psyche, von deren bloßen Existenz die heutige große Menschheit noch keine blasse Ahnung hat, auf die zweckmäßigste Art zum Absterben gebracht werden können, – wäre der Gewinn.
Vor dieser Springwurzel hielte kein Schloß mehr stand, auch das der Pforte nicht, die uns das Reich des Unsichtbaren, des »Fabellandes«, der »Trugbilder« und der – – »albernen Hirngespinste« verschließt.
Und wenn dann auch manches Bestehende seinem Untergang entgegenschritte, was nützte es, man müßte es hinnehmen, müßte es geduldig hinnehmen, und wenn es selbst – – – eine »Neuausgabe« von Häckels »Welträtseln« wesentlich erweitert und umgestaltet zur unangenehmen Folge hätte. –