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Mit schwer bedrängtem Herzen und von innerer Unruhe getrieben, eilte die Müllerin auf einem Fußsteige fort, der zuerst durch üppigen Wiesengrund, dann durch die hohen Aehren eines Kornfeldes lief. Am Ende des Ackers bog der Weg im rechten Winkel ab; ein schmutzig grüner Bach, von dem nächsten Moorgrunde hergeleitet, begrenzte hier das Feld. Eine Strecke weit neben dem Bache fortgehend, erreichte die Achmüllerin bald das alte Brücklein mit dem Steingeländer, das sie überschreiten mußte. Doch hatte sie es kaum betreten, als sie wie unschlüssig stehen blieb. Sie hatte einen alten Mann und einen jungen Burschen erblickt, die von der andern Seite auch auf das Brücklein zukamen und mit denen sie, wie es schien, nicht gern zusammentreffen mochte. Ein Ausweichen war aber hier nicht möglich. Wie sehr auch die Frau, die sich an das rechte Geländer drückte und düstern Blickes in das trübe Wasser hinabschaute, die Begegnung scheuen mochte, sie mußte doch überrascht den Kopf wenden, als ihr der Entgegenkommende mit biederer Herzlichkeit zurief: »Grüß Gott, Achmüllerin!« Während sie, eben so rasch wieder abgekehrt, zwischen ihm und dem Geländer durchzuschlüpfen versuchte, hielt er ihr seine Hand entgegen.
»Dürft's mir die Hand schon geben, Müllerin; hab's ja nie bös mit euch im Sinn gehabt,« sagte der Mann, eine breite, behäbige Gestalt mit gutmüthig schlauem Gesichtsausdruck.
»Grüß Gott, Leitenmüller!« murmelte sie ohne aufzuschauen und wollte ihres Weges weiter. Doch der Leitenmüller hatte ihre Hand gefaßt und hielt sie daran fest. Halb unmuthig richtete sie den Blick auf ihn. Da sie aber einmal fest in das ehrliche, kluge Gesicht geschaut, fiel's ihr wie ein Alp von der Brust; das Herz ging ihr auf, sie mußte unwillkürlich Vertrauen fassen zu dem alten Manne. Sie sträubte sich nicht länger, als er sie neben sich niederzog auf das Steingeländer, während er dem noch ganz jungen Burschen ein Zeichen gab, sich abseits zu halten.
»Da ist grad ein Platzl zum Rasten, Müllerin; der Juni macht schon tüchtig warm,« sagte er, indem er den Hut abnahm und sich mit dem Schnupftuch, das er darin geborgen, die Tropfen von der Stirne trocknete. »Jetzt sagt's mir einmal, Müllerin,« begann er nach einem ausdrucksvollen Räuspern, und man hörte ihm die Befriedigung an, endlich einmal Gelegenheit zu haben, sich offen auszusprechen. »Sagt's mir einmal, könnt denn Ihr gar nichts richten bei Euerm Mann wegen dem verwünschten Proceßhandel? Ich will ja alles dazu thun, was ich nur kann. Hab' zwar schon oft auf einen Vergleich angetragen; jetzt will ich auch noch mit einem Stück Geld die ganze Pachtgeschicht' ablösen. Aber von einem festen Vertrag ist mir nichts bekannt; das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Was mein Vater mit dem seinigen abgemacht hat, weiß ich nicht; geht mich auch nichts an, so lang sich der Achmüller nicht darüber ausweisen kann. Ich weiß bloß, daß der Pacht von Rechts wegen aufgehört hat seit der Achmüller nichts mehr hat richten lassen. Ich will aber die Sach' im Guten schlichten. Aufrichtig gestanden, mir thut's in der Seel' drin weh, wenn ich denk, Ihr seid grad eine halbe Stund' von mir weg, seid's mein nächster Nachbar, und mit dem soll ich, vielleicht auch noch meine Buben, wegen dem Proceß in Feindschaft und Unfrieden leben.«
Der Leitenmüller strich sich mit der Hand das kurz geschorene graue Haar glatt, dann fuhr er, unverrückt in seinen Hut blickend, den er zwischen den Knieen hielt, in herzlichem Tone fort: »Das wär' also meine Gesinnung. Aber in Euern bockbeinigen Mann ist der leibhaftige Proceßteufel gefahren, und wenn er den Handel mit mir nicht hätt', müßt' er was anders aufgabeln. Ohne Proceß kann er nicht leben, sonst wär' ja die Sach' schon lang auseinander. Er will nichts hören, geht auf nichts ein und kennt's auch nicht, daß ihn der Advocat bloß zum Narren hat. Zehn Jahr' lebt er so schon von der Achmühl, der nichtsnutzige Schreiber; und paßt's auf, wenn ihr einmal nichts mehr habt, wird er auch nichts mehr zu thun haben wollen mit euch.«
»O mein Gott, Brenzlmayr,« seufzte die Frau, die fast jedes Wort des Leitenmüllers wehmüthig nickend bestätigt hatte, »so weit ist's jetzt schon bei uns.«
»Ja freilich, wenn man's so macht,« gab der alte Brenzlmayr zu, und sein Auge streifte mitleidig die ärmliche Kleidung und die ganze verkümmerte Erscheinung der Achmüllerin; »auf die Weis' kann's nicht wohl anders sein. Ueberall schreit er umeinander von seinem Recht; in jedem Wirthshaus ist er ihnen schon zuwider. Bald ist er am Landgericht, bald in der Stadt, bald beim Advocaten, läßt die Oekonomie den Ehehalten über, die Schneidsäg' dem Holzknecht; bei keiner Versteigerung, bei keinem Accord, wo er mich weiß, laßt er sich sehen … da muß man freilich herunterkommen, wenn's auf zwei Wegen abwärts geht.
»Müllerin, jetzt gebt's Obacht,« betonte er mit kräftigem Nachdruck und wiegte bedächtig das Haupt, »redet Ihr einmal mit Euerm Mann ein richtiges Wort. Ich laß mir viel gefallen, bloß um den Handel vom Hals zu haben. Und geht mir ja nimmer aus dem Weg. Ihr könnt zu jeder Stund, Tag und Nacht kommen, so steht Euch Thür und Thor offen auf der Leitenmühl … Und, was ich gehört hab',« unterbrach er sich plötzlich und heftete den klugen Blick prüfend auf die Frau, »soll er gar mit dem Tirolerwastl angebandelt haben. Mit dem ist er erst recht aufgericht; der hilft ihm noch gar vom Hof – freilich, der könnt' die Achmühl gut brauchen zu seinem Paschen, hätt' grad die rechte Lag'.«
»Ich dank Euch, Brenzlmayr, für Eure guten Wort',« erwiderte die Achmüllerin, gerührt von dem Entgegenkommen und der versöhnlichen Gesinnung des so irrig beurtheilten Mannes. »Hab's ja alleweil gesagt, Ihr könnt so garstig nicht sein, wie mein Mann Euch macht, Ihr wißt aber auch nicht, wie's bei uns ausschaut und wie weit es schon kommen ist … O mein Gott, mein Gott,« brach sie, von einem plötzlichen Gedanken durchzuckt, in bitterm Jammer aus und schlug die Hände zusammen, »alles will ich gern verschmerzen: aber daß er mir das Diendl auch noch verhandeln will, das bricht mir das Herz ab und druckt mich noch hinunter in die Gruben! Denkt's Euch, Brenzlmayr: der Tirolerwastl will's heirathen; dafür gibt er dem Müller das Geld zum Weiterprocessiren … Grad will ich hinaus zu der Rosel auf die Flintsbacheralm und will sie fußfällig bitten, sie soll mir nur das nicht anthun.«
»Schau' den alten Lumpen nicht an,« rief der Leitenmüller verwundert und lachte hell auf, »spitzt der gar auf das frische junge Diendl! Heikelich ist er nicht, der Hallunk. Aber wegen dem, Müllerin, braucht Ihr so hoch nicht hinaufzusteigen am Mitterberg bei der Hitz',« wandte er sich wohlmeinend wieder an die Frau. »Heut trefft Ihr die Rosel doch nicht droben in ihrer Hütte. Ich komm' grab herunter von der Grindlalm mit meinem Buben dort und hab' gesehen, wie die Sennerinnen alle auf die Metzgeralm hinüber sind mit der Milch, da ist heut der Käser Der den Käse bereitende Senne. drüben. Und wegen dem Diendl, macht Euch nur da nicht viel Kümmerniß. Auf allen Almen umeinander ist kein so frisches und lustiges und auch kein so sauberes Diendl, als wie Euer' Rosel. Es ist ein Prachtmadel, hab' mir's heut wieder denkt; und eine Stimm' hat's grad wie ein Glöckerl: man muß lachen, und wenn man noch so kreuzfuchtig wär', wie sie so lustig jodelt und hantirt da droben. Die hängt sich an keinen so alten Krakler, der schon den Vierziger am Buckel hat; glaubt mir's, Müllerin. Die hat nicht auf den gewartet; ich wett', daß die schon lang einen Buben auf der Seiten hat … daß's halt wir Zwei nicht wissen, geht uns auch nichts an.«
Mit einem eigenen drolligen Zug in dem lebhaft gefärbten vollen Gesichte schmunzelte der dicke Alte der Müllerin in das blasse ernste Antlitz, über das kaum der Schimmer eines Lächelns glitt. Dann pfiff er seinem Buben, setzte den Hut wieder auf, erhob sich von seinem Sitze und schritt langsam über das Brücklein. Mit erleichtertem Herzen folgte ihm die Frau, die wirklich ihre Absicht, die Tochter unverzüglich in ihrer Sennhütte aufzusuchen, aufgegeben hatte. Die Unterredung mit dem Leitenmüller hatte ihr wohlgethan, es löste sich ein wenig der Druck von ihrer Seele. Sie trat, noch einige Minuten in seiner Begleitung, um vieles ruhiger den Rückweg nach der Achmühle an.
Die beiden hatten keine Ahnung, daß ihr Gespräch einen Lauscher gehabt. Als dem hoch aufgeschossenen, etwa vierzehnjährigen Burschen von seinem Vater bedeutet worden, sich in einiger Entfernung zu halten, schlenderte er in die Mooswiese neben dem Bache, wo die kleine Schafheerde von der Leitenmühle auf der Weide war. Nachdem er den Thieren, die ihn zu kennen schienen und sich zutraulich an ihn herandrängten, etwas Salz aus seiner Tasche gereicht, gesellte er sich dem Schafdiendl bei, das dicht unter dem Brücklein im Schatten saß und zum Zeitvertreib mit einem Fichtenzweige in's Wasser schlug, daß es hoch auf und ihr in's Gesicht spritzte.
»Faul Nandl, du,« sagte mißbilligend der hübsche Bub, »warum thust denn wieder nichts?«
»Weil's mich nicht g'freut,« erwiderte sorglos die schwarzbraune kleine Dirne. Bloßfüßig und in Hemdärmeln, steckte sie in einem ausgefransten rothen Zwilchkittel, der kaum bis über das Knie reichte; auf dem zerrissenen Strohhut aber nickte ein prachtvoller riesiger Feldblumenstrauß. »Und warum gehst denn du nicht weiter mit deinem Vater?« fragte sie entgegen und wies lachend die schneeweißen Zähne. Zugleich stieß sie mit dem Fuße das im Grase liegende grobe Strickzeug von sich, daß es beinahe in den Bach rollte.
»Weil er mit der Achmüllerin was auszumachen hat. Siehst es nicht, wie sie droben sitzen am Brückl, blinde Bremsen?«
Mit vor Staunen offenem Munde starrte das Schafdiendl in die Höhe, wo sie ihren Brodherrn neben der Achmüllerin von rückwärts erblickte.
»Die haben ja einen Handel mit einander,« bemerkte sie flüsternd und riß die muthwilligen schwarzen Augen so weit als möglich auf.
»Wird dich wenig bekümmern,« fertigte sie kurz angebunden der Bub ab. »Sag mir lieber, hat die Schwarzmayr-Mirl ihre scheckige Kuh wieder 'kriegt?«
»Kann's wohl nicht sagen,« erklärte eben so kurz das Schafdiendl, das von diesem Momente an dem jüngsten Sohne des Leitenmüllers, der plaudernd vor ihr stehen blieb, kaum mehr ein halbes Ohr lieh. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf die Unterhaltung der beiden oben ihr, von der sie von ihrem Platze aus fast jedes Wort vernehmen konnte. Dabei war sie schon schlau genug, es den jungen Burschen nicht merken zu lassen.
»Schau, Donysl,« sagte sie rasch mit wichtiger Miene, »in dem Bach'l sind die schönsten Gründling', da mußt einmal zum Fischen kommen,« und während, wie sie vorausgesehen, der Bub begierig in's Wasser spähte, horchte sie wieder scharf auf, und wenn die Achmüllerin sprach, hielt sie den Athem an, um ja kein Wort zu verlieren. Was sie von der ganzen Unterredung am meisten interessirte, daß die Achmüller-Rosel den Tirolerwastl nehmen sollte, hatte sie besonders genau verstanden, weil der Donysl zu ihrer Freude am Wasser niedergekniet war und versuchte, mit der Hand einen Gründling zu erhaschen. Im nächsten Augenblick störte er sie aber wieder, indem er zu ihrem Verdruß um dies und jenes fragte. Dann vernahm er den Pfiff des Leitenmüllers, und mit der Bemerkung: »Heut bist zu faul zum Reden, Nandl; schlaf nicht gar ein!« sprang er auf und seinem Vater nach.
Die Nandl wurde aber jetzt erst recht wach. In ihrem Köpfchen spukte das Gehörte den ganzen Tag über fort, und das lachlustige Gesicht zeigte einen nachdenklichen Ausdruck. Hundert Mal wiederholte sie sich die eigenen Worte der Achmüllerin, und eben so oft schaute sie sehnsüchtig nach dem Riesenkopf. Sie kann es heute kaum erwarten, bis es Abend wird, und dort oben ist ihr Zeitmesser: berührt die untergehende Sonne die letzten Zinken des Berges, dann ist es Zeit, die Heerde heimzutreiben. Doch heute schimmern die hohen Firnen ringsum noch in hellster Beleuchtung, bis zur letzten zackigen Spitze erglänzt der Riesenkopf noch unter den goldenen Strahlen, als das Schafdiendl schon die Geißel schwingt und die Stimme erhebt, um die kleine Heerde zusammen zu treiben.
Ein paar tüchtige Schweine, die sie auch zu ihren Anvertrauten zählte und die der Stolz der Leitenmüllerin waren, erhoben wohl die borstigen Köpfe und protestirten laut sammt ihrer ganzen Nachkommenschaft, daß sie ihr weiches Schlammbett in der sumpfigen Wiese sobald verlassen mußten. Aber rühriger als je trieb die kleine Dirne heute zur Eile, und kräftig knallte sie noch mit ihrer Peitsche, als sie, den prächtigen Widder mit den zierlich geringelten Hörnern an der Spitze, hinter ihrer halb grunzenden, halb blökenden Schaar in den Hof trat.
In einen Waldwinkel eingezwängt, der fast jede Aussicht hemmte, hatte die Leitenmühle nicht die anmuthige Lage der Achmühle, doch vom stattlichen Wohngebäude bis zum rastlos klappernden Mühlrad in der schäumenden Achen, von den hoch aufgethürmten Schnittbäumen bis zu den gewaltigen Bretterstößen im Hofe deutete alles auf Wohlstand und musterhafte Bewirthschaftung des Gütchens.
Nandl hatte ihre Pflegebefohlenen in ihrem Nachtquartier kaum untergebracht, als sie in der offenen Stallthüre mit Falkenaugen schon den ganzen Hof abspähte.
»Wo er nur sein muß, der Martl?« sagte sie für sich, indem sie den breiten Strohhut abnahm und die losgegangenen schwarzen Zöpfe aus dem sonnenverbrannten Gesichte schüttelte. »Viel Freud' wird er nicht haben, wenn ich ihm die Botschaft bring'; aber schauen wird er doch recht. Richtig, dort steht er ja; aber der Alte ist auch dabei.«
In der Richtung, in der sie blickte, ging der dicke Brenzlmayr eben musternd um die Schnittbäume herum. Nicht weit von ihm stand sein Sohn Martl, des Hauses Aeltester. Er schien harte Arbeit gehabt zu haben; denn ohne Jacke und Weste, die Hemdärmel hoch aufgestülpt, stützte er sich auf den langen Stiel einer schweren Holzaxt. Schlank und von kräftiger Bildung, wie die Tannen, die vom Mitterberg herabschauten, war der etwa fünfundzwanzigjährige junge Bursche ein Bild der vollsten Lebensfrische. Das weiße Hemd ward von dem leichtgeschürzten Knoten eines schwarzen Tuches am Halse zusammen gehalten; und die breite Brust hob und senkte sich noch von der anstrengenden Arbeit. Unwillig schleuderte er seinen alten Filzhut zur Erde und fuhr sich durch das dichte braune Haar.
»Vater, da hab' ich mich wieder verrechnet,« sagte er, und die schalkhaften, dunkeln Augen, aus denen sonst der helle Jugendübermuth so keck herausjubelte, blitzten fast zornig; »die schöne Eich' da drunten ist bis auf den Kern hinein faul.«
»Ja, Martl,« sagte der Alte, aufmerksam zuschauend, »hätt' sie nicht drum angeschaut, in's Gesicht war's ein Prachtstück von einer Eich'. Ist aber faul bis in's Herz hinein … so kann man sich halt irren.«
Dann ging der Leitenmüller, still vor sich hin brummend und mit dem Kopfe schüttelnd, dem Wohnhause zu. Er hatte dieses noch nicht erreicht, als die schwarze Nandl, die in weiten Sätzen über den Hof gesprungen kam, schon neben Martl stand.
»Hast denn heut schon eingetrieben, Nandl?« fragte der Sohn des Hauses.
»Ich hab' dir was zu sagen, Martl,« flüsterte das Schafdiendl. »Von der Rosel,« setzte sie bedeutsam bei, und ein stolzes Lächeln glitt über das lebendige Gesicht bei dem Gedanken, daß sie ein so wichtiges Geheimniß entdeckt und sicher die erste Ueberbringerin sei.
»Diendl, was ist's?« fragte der junge Bursche rasch. Aller Unmuth schwand aus seinen Zügen, und in heiterer Erwartung schaute er in das ihm treuherzig zugewandte Gesicht der Kleinen, die dem Sohne ihres Brodherrn mit überstürzenden Worten berichtete, was sie am Brücklein vernommen.
Immer erregter hörte der junge Bursche p, und als Nandl bei den Worten ankam: »Fußfällig,« hat sie gesagt, »will ich sie bitten, sie soll mir nur das nicht anthun,« umspannte er wie mit eiserner Faust plötzlich den Arm des kleinen Mädchens und stieß mit unsicherer Stimme die Frage hervor: »Nandl, hast aber auch richtig gehört?«
Erschrocken über sein jähes Erblassen und den wild flammenden Blick des Burschen, fuhr das Schafdiendl zurück und strebte sich von seiner Hand loszumachen.
»Thu' nur nicht gleich, als wenn der Welt der Boden aus wär',« stotterte sie bestürzt. »Es ist ja doch noch kein Unglück geschehen, und sagen hab' ich dir's müssen, weil's dich zunächst angeht.«
Der Bursche ließ das Kind los und lehnte sich mit tief auf die Brust gesenktem Kopf an die Eiche. Eine heiße Röthe schlug ihm in's Gesicht. Dann schrak er wie in sich zusammen; wie träumend starrte er die betroffene kleine Dirne an. Endlich murmelte er dumpf: »Ja, hätt' sie nicht drum angeschaut; ist aber faul bis in's Herz hinein … So kann man sich halt irren!« Die Worte des Vaters klangen mit bitterer Beziehung in ihm nach.
»O mei Muttergottes, glaub doch so was nicht,« warf das Schafdiendl, als ob sie seine Gedanken errathen hätte, ängstlich ein und schaute bekümmert zu ihm auf. »Es will's ja grad der Achmüller allein haben; die Rosel halt' gewiß zu dir. Wenn's dir recht ist, Martl: ich thu' ihr heut noch Post; sie soll sich nichts einreden lassen.« Und die Kleine schien nur auf einen Wink zu warten, so sprungfertig stand sie da, den weiten Weg zu unternehmen, obgleich die Sonne schon hinter den Bergen versunken war.
»Da muß ich selber hinauf,« sagte Martl gepreßt und stürmte geflügelten Schrittes in's Hans.
»Da hab ich zuletzt was angestift',« flüsterte das Schafdiendl und folgte ihm beklommen mit den Augen. »Und ich hab's so gut gemeint! Für den Martl thu' ich alles! Mich erbarmt der gute, brave Bub, drum hab' ich's ihm anvertraut … die Rosel ist sein Leben, und ich leid's nicht, daß sie's ihm nehmen!«