Prosper Mérimée
Lokis
Prosper Mérimée

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

I.

Als in London die erste Bibelübertragung in lithauischer Sprache erschien, veröffentlichte ich in der Königsbergischen Zeitschrift für Literatur und Wissenschaften einen Aufsatz, in welchem ich, den Bemühungen des gelehrten Vermittlers und den gottesgefälligen Absichten der Bibelgesellschaft volle Gerechtigkeit zubilligend, auf einige kleine Versehen glaubte hinweisen zu müssen; und außerdem machte ich darauf aufmerksam, daß diese Übersetzung nur einem verschwindend kleinen Teile der Bevölkerung dienlich sein könne. Tatsächlich ist der angewendete Dialekt nur schwer verständlich für die Bewohner der Gegenden, wo man die schamaitische, gewöhnlich shmudisch genannte Sprache, redet, will sagen in der Woiwodschaft Samogitien. Es ist das eine Sprache, die dem Sanskrit etwa noch näherkommt als dem Hochlithauischen. Trotz der wütenden Kritiken seitens eines gewissen, an der Universität Dorpat wohlbekannten Professors, die sie mir eintrug, klärte sie die ehrenwerten Mitglieder des Verwaltungsrates der Bibelgesellschaft auf, und sie säumte nicht, mir das schmeichelhafte Angebot zu machen, die Herausgabe des Matthaeusevangeliums in Samogitisch zu überwachen. Damals war ich zu sehr mit meinen Studien über die transuralischen Sprachen beschäftigt, um eine weitläufigere Aufgabe, welche die vier Evangelien umfassen sollte, zu übernehmen. Meine Hochzeit mit Fräulein Gertrude Weber also verschiebend, begab ich mich mit der Absicht nach Kowno (Kaunas), alle gedruckten oder handschriftlichen Sprachdenkmäler der shmudischen Sprache, die ich mir verschaffen konnte, zu sammeln, ohne natürlich die Volkslieder, die Dainos, die Erzählungen und Legenden, die Pasakos dabei zu vergessen, die mir Belege für ein schamaitisches Wörterbuch, eine Arbeit, die der Übersetzung notwendigerweise vorausgehen mußte, liefern konnten.

Man hatte mir einen Brief für den jungen Grafen Michael Szemioth mitgegeben, dessen Vater, wie man mir versicherte, den berühmten Katechismus Samogiticus des Paters Lawicki besessen hatte, der so selten ist, daß sein Vorhandensein besonders von dem eben erwähnten Dorpater Professor bestritten wird. In seiner Bibliothek befand sich, mir gegebenen Auskünften gemäß, eine alte Sammlung Dainos, sowie Dichtungen in der alten Preußensprache. Ich hatte an den Grafen Szemioth geschrieben, um ihm meinen Besuchszweck mitzuteilen, und erhielt die liebenswürdigste Einladung, all die für meine Nachforschungen erforderliche Zeit in seinem Schlosse Medintiltas zu verbringen. Er schloß seinen Brief mit der in liebenswürdigster Weise abgegebenen Erklärung: da er sich schmeichle, fast so gut wie seine Bauern shmudisch zu sprechen, würde es ihm Freude machen, seine Bemühungen mit meinen für eine Aufgabe zu vereinen, die er groß und interessant nannte. Wie einige der reichsten Grundbesitzer Lithauens bekannte er sich zur evangelischen Religion, deren Geistlicher zu sein ich die Ehre habe. Vorher mitgeteilt hatte man mir, der Graf sei nicht frei von einer gewissen Sonderbarkeit des Charakters, übrigens sehr gastfrei, ein Freund von Litteratur und Wissenschaft, und besonders wohlwollend denen gegenüber, die sie pflegten. Ich reiste also nach Medintiltas.

Auf der Freitreppe des Schlosses wurde ich von des Grafen Intendanten empfangen, der mich sofort in die für meine Aufnahme bereitgestellten Räume führte.

»Dem Herrn Grafen,« sagte er, »tut es unendlich leid, heute mit dem Herrn Professor nicht speisen zu können. Er wird von Migräne geplagt, einer Krankheit, der er leider öfters ausgesetzt ist. Wenn Herr Professor sich nicht in seinem Zimmer auftragen lassen wollen, wird er mit Herrn Doktor Fröber, dem Arzte der Frau Gräfin, speisen. Man ißt in einer Stunde. Eines besonderen Anzuges bedarf es nicht, wenn Herr Professor Befehle zu geben haben, hier ist die Klingel.«

Mit einer tiefen Verbeugung zog er sich zurück.

Das Gemach war sehr groß, gut ausgestattet, mit Spiegeln und Vergoldungen geschmückt. Auf der einen Seite hatte ich den Blick in einen Garten, oder vielmehr den Schloßpark, auf der anderen in den großen Schloßhof. Trotz der Benachrichtigung: »Besonders zieht man sich nicht dazu an« glaubte ich meinen schwarzen Anzug doch aus dem Koffer nehmen zu müssen. Ich war hemdärmlig mit Auspacken meines kleinen Gepäcks beschäftigt, als ein Wagenlärm mich an das auf den Hof führende Fenster zog. Eine schöne Kutsche fuhr eben ein. In ihr saßen eine Dame in Schwarz, ein Herr und eine wie lithauische Bäuerinnen gekleidete Frau, die aber so groß und kräftig war, daß ich anfangs versucht war, sie für einen verkleideten Mann zu halten. Sie stieg zuerst aus; zwei andere, dem Aussehen nach nicht minder robuste Frauen, waren schon auf der Freitreppe.

Der Herr beugte sich zu der Dame in Schwarz und schnallte zu meiner höchsten Überraschung einen breiten Ledergurt los, der sie an ihren Wagenplatz fesselte. Die Dame hatte, wie ich bemerkte, lange, sehr wirre weiße Haare, und ihre weitaufgerissenen Augen schienen leblos: für eine Wachsfigur hätte man sie halten können.

Nachdem er sie losgemacht, richtete ihr Gefährte, den Hut in der Hand, sehr ehrerbietig das Wort an sie; doch sie schien nicht im mindesten Acht darauf zu geben. Dann wandte er sich an die Dienerinnen und machte ihnen ein leichtes Zeichen mit dem Kopfe. Sofort packten die drei Weiber die Dame in Schwarz, hoben sie trotz ihrer Bemühungen, sich an den Wagen zu klammern, wie eine Feder auf und trugen sie ins Schloßinnere. Dieser Auftritt hatte mehrere Diener des Hauses als Zeugen, die darin nur etwas allzu Gewohntes zu sehen schienen.

Der Mann, welcher den Vorgang geleitet hatte, zog seine Uhr und fragte, ob man bald speisen würde.

»In einer Viertelstunde, Herr Doktor,« antwortete man ihm.

Mühelos erriet ich, daß ich den Doktor Fröber sah, und daß die Dame in Schwarz die Gräfin war. Ihrem Alter nach mußte sie des Grafen Szemioth Mutter sein, und die ihr gegenüber angewandten Vorsichtsmaßregeln zeigten genugsam an, daß ihr Verstand nicht in Ordnung war.

Einige Minuten später trat der Doktor selber in mein Gemach.

»Da der Herr Graf leidend ist,« sagte er zu mir, »muß ich mich dem Herrn Professor selber vorstellen. Doktor Fröber, Ihnen zu dienen. Entzückt bin ich, die Bekanntschaft eines Gelehrten zu machen, der seinem Verdienste nach allen Lesern der Königsbergischen Zeitschrift für Literatur und Wissenschaften bekannt ist. Wäre es Ihnen angenehm, wenn man das Essen auftrüge?«

Nach bestem Vermögen erwiderte ich seine Verbindlichkeiten und sagte ihm, wenn es Zeit wäre, sich zu Tisch zu setzen, wäre ich gern bereit, ihm zu folgen.

Sobald wir in den Speisesaal traten, bot uns, dem Brauche des Nordens gemäß, ein Haushofmeister eine mit Schnäpsen und einigen appetitanreizenden gesalzenen und scharfgewürzten Speisen bestandene Silberplatte an.

»Erlauben Sie mir, Herr Professor,« sagte der Doktor, »Ihnen in meiner Eigenschaft als Arzt ein Glas von dem Starka hier zu empfehlen; veritabler Cognac ist's, seit vierzig Jahren im Faß. Der Vater der Schnäpse wahrlich. Nehmen Sie eine Drondhjemer Anchovis, nichts ist geeigneter, den Verdauungskanal, ein Organ von höchster Wichtigkeit, zu öffnen und vorzubereiten . . . Und nun zu Tisch! Warum sprechen wir nicht deutsch? Sie sind aus Königsberg, ich aus Memel; habe aber in Jena studiert. Dann sind wir ungezwungener, und die Diener, die nur polnisch und russisch können, werden uns nicht verstehn.«

Anfangs aßen wir schweigend; dann, nachdem ich mein erstes Glas Madeira getrunken, fragte ich den Doktor, ob der Graf häufig von dem Unwohlsein, das uns heute seiner Anwesenheit beraubte, heimgesucht würde.

»Ja und nein,« antwortete der Doktor; »das hängt von den Ausflügen ab, die er macht.«

»Wie das?«

»Wenn er zum Beispiel den Weg nach Rosienia nimmt, kehrt er mit Migräne und übler Laune heim.«

»Ohne dergleichen Unfälle bin ich selber in Rosienia gewesen.«

»Das kommt daher, Herr Professor,« antwortete er lachend, »weil Sie nicht verliebt sind.«

An Fräulein Gertrude Weber denkend, seufzte ich.

»In Rosienia also wohnt des Herrn Grafen Braut?« fragte ich.

»Ja, in der Nachbarschaft; Braut? . . . davon weiß ich nichts. Eine allbekannte Kokette! Sie wird ihn um den Verstand bringen, wie seine Mutter ihn verloren hat.«

»Wirklich, ich glaube, daß die Frau Gräfin . . . krank ist?«

»Verrückt ist sie, mein lieber Herr, verrückt! Und am verrücktesten bin ich, weil ich hierhergekommen bin.«

»Hoffen wir, daß Ihre gute Pflege sie wieder gesund macht.«

Der Doktor schüttelte den Kopf, wobei er aufmerksam die Farbe des Burgunders in dem Glase prüfte, das er in der Hand hielt.

»So, wie Sie mich hier sehen, Herr Professor, war ich Stabsarzt im Regiment Kaluga. In Sewastopol hatten wir von morgens bis abends nur Arme und Beine abzusäbeln; von den Bomben, die uns, wie Fliegen ein geschundenes Pferd, umschwirrten, gar nicht zu reden. Nun, schlecht untergebracht, schlecht ernährt, wie ich's dazumal war, langweilte ich mich dort nicht so wie hier, wo ich vom Besten esse und trinke, wo ich wie ein Fürst hause, wie ein Hofrat bezahlt werde . . . Aber die Freiheit, mein lieber Herr! . . . Stellen Sie sich vor, daß man mit diesem Teufelsweibe keinen Augenblick für sich hat!«

»Ist sie schon lange Ihrer Behandlung anvertraut?«

»Weniger als zwei Jahre; doch seit mindestens siebenundzwanzig ist sie verrückt, schon vor des Grafen Geburt. Hat man Ihnen das weder in Kowno noch in Rosienia erzählt? Hören Sie also zu, denn es ist ein Fall, über den ich eines Tages einen Aufsatz in der Sankt Petersburger medizinischen Zeitschrift schreiben will. Aus Angst ist sie verrückt geworden . . .«

»Aus Angst? wie ist das möglich?«

»Aus einer Angst, die sie ausgestanden hat. Sie stammt aus der Familie der Keystut . . . Oh, bei denen gibt's keine Mißheirat. Wir, wir stammen von den Gedymin ab . . . Also, Herr Professor, zwei Tage . . . oder drei Tage nach ihrer Hochzeit, die hier im Schlosse stattgefunden hat, wo wir speisen (Ihr Wohl!) . . . geht der Graf, des jetzigen Vater, auf die Jagd . . . Unsere lithauischen Damen sind, wie Sie wissen, Amazonen. Die Gräfin geht auch auf die Jagd . . . Sie bleibt hinter den Jägern zurück oder kommt vor sie, was weiß ich, . . . Kurzum plötzlich sieht der Graf der Gräfin kleinen Kosaken, einen zwölf- oder vierzehnjährigen Buben, mit verhängten Zügeln heransprengen.

»Herr,« sagt er, »ein Bär schleppt die Herrin weg!«

»Wo das?« fragt der Graf.

»Dort,« sagt der kleine Rosat.

Die ganze Jagdgesellschaft eilt nach der angegebenen Stelle; keine Gräfin da!

Auf der einen Seite ihr erwürgtes Pferd, auf der anderen ihr Pelzmantel in Fetzen. Man sucht, durchstöbert den Wald nach allen Richtungen hin. Endlich schreit ein Jäger: »Hier ist der Bär!« Wirklich durchquerte der Bär eine Lichtung, die Gräfin immer mit sich schleppend, um sie sonder Zweifel in aller Bequemlichkeit im Dickicht zu verzehren, denn solche Tiere sind Leckermäuler. Wie die Mönche lieben sie in Behaglichkeit zu schmausen. Als zweitägiger Ehemann war der Graf sehr ritterlich, wollte sich, das Jagdmesser in der Faust, auf den Baren stürzen; doch ein lithauischer Bär, mein lieber Herr, läßt sich nicht wie ein Hirsch durchstechen. Glücklicherweise feuert des Grafen Büchsenspanner, ein ziemlich übler Bursche und an dem Tage so betrunken, daß er ein Kaninchen nicht von einem Rehbock unterscheiden konnte, aus mehr als hundert Schritt Entfernung seine Büchse ab, ohne sich irgend wie darüber aufzuregen, ob die Kugel Bestie oder Frau trifft . . .«

»Und tötet den Bären?«

»Auf der Stelle. Für solche Schüsse muß man besoffen sein. Es gibt auch Freikugeln, Herr Professor; Zauberer haben wir hier, die sie zu festen Preisen verkaufen . . . Die Gräfin war arg zerkratzt, bewußtlos natürlich, und hatte ein Bein gebrochen. Man schafft sie heim, sie kommt wieder zu sich; doch die Vernunft war flöten gegangen. Man bringt sie nach Sankt Petersburg. Große Konsultation; vier mit allen Orden behängte Ärzte. Sie sagen: »Die Frau Gräfin ist schwanger; ihre Entbindung wird wahrscheinlich eine heilsame Krise herbeiführen. Man soll sie in guter Luft halten, auf dem Lande, Buttermilch, Kodein . . .« Jedem gibt man hundert Rubel. Neun Monate hernach bringt die Gräfin einen wohlgebauten Knaben zur Welt; die günstige Krise aber? Ja, hat sich was! Verdoppelte Wutanfälle. Der Graf zeigt ihr den Sohn. Sowas verfehlt nimmer seine Wirkung . . . in Romanen.

»Schlagt ihn tot, schlagt die Bestie tot!« schreit sie; wenig fehlte daran und sie hätte ihm den Hals umgedreht. Seitdem abwechselnd stumpfer Trübsinn oder wütender Wahnsinn, starre Neigung zum Selbstmord. Festbinden muß man sie, um sie an die frische Luft zu bringen. Drei kräftige Dienerinnen hat man zum Halten nötig. Doch, Herr Professor, wollen Sie sich eins merken: wenn ich mit meinem Latein bei ihr zu Ende bin, ohne mir Gehorsam verschaffen zu können, hab' ich ein Beruhigungsmittel für sie. Ich drohe ihr, die Haare abzuschneiden. Früher, denk ich, hat sie sehr schöne gehabt. Die Koketterie ist als letztes menschliches Gefühl geblieben. Ist das nicht lustig? wenn ich nach meiner Weise mit ihr umspringen konnte, würd' ich sie etwa heilen.«

»Wie das?«

»Krumm und lahm würd' ich sie schlagen. Auf die Weise hab' ich zwanzig Bäuerinnen in einem Dorfe geheilt, wo die wütende russische Tollheit ausgebrochen war, das »Heulen«Eine Besessene heißt im Russischen: »eine Heulende«, Klikuscha, ein Wort, dessen Wurzel Klik, Geschrei, Geheul ist. nämlich. Ein Weib fängt zu heulen an, die Gevatterin heult. Nach drei Tagen heult das ganze Dorf. Mit Durchwamsen bin ich zum Ziele gekommen. (Nimmt man ihnen ein fettes Huhn ab, tragen sie einem die Prügel nicht nach.) Der Graf wollte es nie auf einen Versuch ankommen lassen.«

»Wie! Sie wollten, er sollte Ihrer abscheulichen Behandlung zustimmen?«

»Oh! er hat seine Mutter so wenig gekannt, und dann, 's ist zu ihrem Heil; doch sagen Sie mir, Herr Professor, würden Sie je geglaubt haben, die Angst könne einen um den Verstand bringen.?«

»Der Gräfin Lage war gräßlich . . . Sich in den Fängen eines so wilden Tieres zu befinden!«

»Nun, ihr Sohn ähnelt ihr nicht. Vor weniger als einem Jahre hat er sich in genau der nämlichen Situation befunden und sich dank seiner Kaltblütigkeit wunderbar aus ihr befreit.«

»Aus den Fängen eines Bären?«

»Einer Bärin, und zwar der größten, die man seit langem gesehen hat. Mit der Saufeder wollte sie der Graf angreifen. Bah! mit einem Schlage von links nach rechts entfernt sie die Saufeder, packt den Herrn Grafen und wirft ihn ebenso leicht zu Boden, wie ich die Flasche hier umstoßen würde, Er, der Schlaumeier, stellt sich tot . . . Die Bärin hat ihn berochen, berochen, dann, statt ihn zu zerfleischen, beleckt sie ihn. Er besitzt die Geistesgegenwart, sich nicht zu mucksen und sie trollt ab.«

»Die Bärin hat ihn für tot gehalten. Tatsächlich hab' ich sagen hören, daß diese Tiere keine Kadaver fressen.«

»Man muß es glauben und von einer persönlichen Erfahrung abstehen, was aber die Angst anlangt, so lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte aus Sewastopol erzählen. Unser fünf oder sechs waren wir um einen Bierkrug herum, den man uns grade hinter den Krankenwagen der berühmten Bastion Nummer fünf gebracht hatte. Der Posten schreit: »Eine Bombe!« wir werfen uns platt auf den Bauch; nein, nicht alle: einer namens . . . doch der Name tut nichts zur Sache, . . . ein junger Offizier, der eben zu uns gestoßen war, blieb aufrecht sein volles Glas haltend, just im Moment, wo die Bombe platzte. Meinem armen Kameraden Andreas Speranski, einem braven Burschen, riß sie den Kopf weg und zertrümmerte den Krug. Glücklicherweise war er fast leer. Als wir nach der Explosion wieder aufstanden, sahen wir mitten im Rauche unseren Freund seinen letzten Schluck Bier austrinken, als ob nichts geschehen wäre. Für einen Helden hielten wir ihn. Folgenden Tags begegne ich Hauptmann Gedeonof, der aus dem Hospitale kam. Er sagte zu mir: »Heute esse ich mit Euch und zur Feier meiner Rückkehr zahl ich den Champagner.« Wir setzen uns zu Tisch. Der junge Bier-Offizier war dabei. Des Champagners war er sich nicht gewärtig; neben ihm macht man eine Flasche auf . . . paff, trifft ihn der Pfropfen an die Schläfe. Er stößt einen Schrei aus und ihm wird schlecht. Glauben Sie's mir, mein Held hatte verteufelte Angst gehabt das erste Mal, und, wenn er sein Bier getrunken, statt sich in Sicherheit zu bringen, so geschah's, weil er den Kopf verloren und nur eine mechanische Bewegung ausgeführt hatte, der er sich nicht bewußt war. Wahrlich, Herr Professor, die menschliche Maschine . . .«

»Herr Doktor,« sagte, in den Saal tretend, ein Diener, »die Idanowa sagt, die Frau Gräfin wolle nicht essen.«

»Der Teufel soll sie holen!« brummelte der Doktor. »Ich geh hin. Wenn ich meine Teufelin zum Essen gebracht habe, Herr Professor, können wir, wenn's Ihnen angenehm ist, ein Partiechen Préférence oder Duratschki spielen.«

Ich drückte ihm mein Bedauern über meine Unkenntnis im Kartenspiel aus und ging, als er nach seiner Kranken sah, in mein Zimmer, um an Fräulein Gertrude zu schreiben.

 


 << zurück weiter >>