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Zehnter Brief.

E Es ist kaum möglich, meine gnädige Gräfin, das Wesen des antiken wie des modernen Amor in wenigen Worten treffender zu charakterisiren, als Sie es in den folgenden gethan haben:


Amor kam, wie andere Knaben
Ohne Flügel auf die Welt;
Unschuld kennt ja noch kein Flattern,
Liebt noch treu, was sie erwählt.

* * *

Auch noch wachsend hatt' er keine;
Kindheit übt nicht Grausamkeit,
Und ist Lieb' erst im Entfalten,
Fühlt sie nur Beständigkeit.

* * *

Aber nach dem ersten Kusse, Den als Sieger er errang, Sah man, wie das Flügelpärchen Durch die zarten Schultern drang.

* * *

Neue Küsse – das Gefieder
Wuchs hervor verwunderlich,
Und als durch sein süß Gekose
Endlich er noch mehr erschlich:

* * *

Da begann er wild zu flattern,
Denn jetzt trug die Schwing' ihn schon;
Noch ein Schwur und noch ein Küßchen,
Und der Schelm – er flog davon. – Neue Gedichte von Julia Gräfin Oldofredi-Hager Pesth. 1843. S. 35.

Ja wahrlich, so flatterhaft war der heidnische Amor der alten, so flatterhaft ist der heidnische Amor der neueren Zeit beschaffen. Wir wollen aber nicht vergessen, daß zwischen beiden Zeiten eine dritte lag, deren wir heut zu Tage freilich nur mit hochmüthigem Nasenrümpfen zu gedenken Pflegen, nämlich die dunkle Zeit des Mittelalters, in welcher Alles, und selbst unser Schelm sich bekehrt hatte. Mochte die Psyche ihn immer mit vorwitziger Lampe beleuchten, mochten die Brandwunden des verlornen Oels ihm selbst bis zum tiefsten Herzen dringen, der fromme Knabe flatterte nicht davon, wie er jetzt und früher gewohnt war; sondern trug jeden, auch den heftigsten Schmerz mit großer und unglaublicher Geduld, und blieb treu und unveränderlich um seine geliebte Psyche.

Mag unsere kluge Zeit das bemitleiden und bespötteln, mag es ihr als unbeschreibliche Lächerlichkeit erscheinen: wie etwa der keusche Ritter sein blankes Schwert zwischen sich und die schlafende Jungfrau legte, oder unser Hager weinend und schluchzend den Quellborn aller seiner irdischen Glückseligkeit verläßt, um für das Heil seiner geliebten Psyche sich in einen Kampf zu stürzen, der tausendmal gefahrvoller ist als der Kampf der glühenden Feldschlacht; soviel ist gewiß: daß selbst alle unsere Zeitgenossen, denen noch ein Fünkchen des sittlichen Gefühls beiwohnt, sie mögen bemitleiden oder spötteln, soviel sie wollen, nichtsdestoweniger sich gleichzeitig von einem unwillkührlichen Zuge der Ehrfurcht für solche Charaktere werden überrascht fühlen. Woher nun dieser unausbleibliche Zug? Aus christlich-religiösen und christlich-ethischen Gründen ist er bei den wenigsten zu erklären, wohl aber allein, wie ich meine, aus dem, uns Allen beiwohnendem, dunklen Bewußtsein unserer ursprünglichen menschlichen Freiheit, und dem sittlichen Wohlgefallen, welches wir empfinden, wenn auf je welche Weise diese Freiheit im Kampf mit der Sinnlichkeit und den Naturgewalten zu Tage tritt.

Daher wird selbst die furchtbare Ascese des Trapistenmönchs, wie sehr wir ihrer spotten mögen, uns eine rein-menschliche Bewunderung für die Macht des freien Willens abnöthigen, wogegen der protestantische Pietist, der den Kopf hängt, täglich über seine Sünden seufzt und wimmert, aber nicht das Geringste thut, sie los zu werden, nur allein unser rein-menschliches Mißfallen, – daß ich nichts Aergeres sage – erweckt.

Und jetzt zurück zu unserm bewunderungswürdigen Hager:

Der Tod Luthers; Reife Hagers in das kaiserliche Lager.

So mußt ich nu in meim Schmerz laut auflachen. Denn als ich mich noch einmal im Mondenschein nach dem langen, grauen Thurm umsah, ehender wir den ersten Berg niederritten, sprach mein Claus: gestrenger Junker, reiten wir abereins noch Dr. Luther? Sprich ich: hast du so große Lust? worauf er zur Antwort gab: ach nein, das Rollwägel hat mir gar nicht gefallen, auch war das Volk also unflätig, daß es mich immer laut verhöhnete, wenn ich mich zum Essen setzete und mein Kreuz schluge. Sprachen: ich wölle wohl die Fliegen verjagen? um Neujahr gäbs keine Fliegen, unangesehen was die jungen, dreisten Metzlein sonsten gegen Gott lästerten und seine heilige Mutter.

Aber ich sollte bald wieder des Lachens müßig werden. Denn als ich umlugete nach dem alten Thurm, ging mir bei, ob etwan mein alter Vater, wann er am andern Morgen ufwachete und säh, daß ich weg sei, es hinfort meim armen Weib nicht entgelten ließe, insonderheit wenn ihn wieder sein Zipperlein anwandelte, wo er immer gar koppisch und unholdselig war. Beschloß darum erstlich zu dem alten Francisco von Dietrichstein zu reuten, daß er sie Beede vertragen, auch ein gut Aufmerken auf sie haben möge, in währendem ich in der Welt umbher irrete.

Solches versprach er freudig, belobete mich auch von wegen meiner christlichen Herzhaftigkeit, und mußt ich auf sein Bitten die nächste Nacht auf seiner Burg verweilen. Aber, au wehe! in selbiger Nacht wurd ich also krank, daß ich an die zehn oder zwölf Wochen des Bettes hüthen mußte. So wollte der Ritter nu gleich zu den Meinigen schicken. Aber ich währete ihme; müge das Geschreie nit abermalen haben; eh ich die Sacramente begehrete, sölle er sie nicht hohlen, auch meinem Knecht verbieten, nichtes über meinen Aufenthalt auszuschwätzen. Er selbsten müge aber bald gen Altensteig reuten, sich stellen, als ob ich längstens abgefahren, etwan die Strittigen vertragen, mein Weib gegen fremdes Kerlsvolk warnen, item gegen Charitas von Spiegelberg, so ich schon dazumalen nicht sonderlich trauete etc. so er auch Alles ausrichtete, und mir gar gute Botschaft heimbrachte, wovor ich Gott dankete.

Hierzwischen kam aber das Geschreie: Dr. Lutherus wär am 18. mensis Februarii eines gar gräulichen Todes in Eisleben gestorben. So dachten der alte Ritter und ich nu zwar an das magische Bilde, und ob es etwan doch nit einen Stich zuviel erhalten, so wir in dem weichen Wachs nicht gewahr worden, oder der rothe Schrammenkerl ihne abermalen behexet; aber dieweilen es schon ostermalen geheißen: er wäre todt, gläubeten wir es nicht, bis etzliche Täge darauf, als ich schon auswendig des Bettes war, ein Jüd aus Eisleben kam, der sich für dem Zorn der Grafen geflüchtet und fortgeloffen. Selbiger wollte Kaufmannschaft mit Lammfellen beim Ritter halten, und sprach: es wär wohl wahr, und hätt er selbsten das Reich noch gen Wittenberg abfahren sehen. Denn, nachdeme, als Lutherus sich zu Abend am Tisch des Grafen vollgesoffen, hätt der Teufel ihne in selbiger Nacht noch gehohlet, und wäre alsbald ein so gräulicher Stank von ihme ausgangen, daß an die tausend und abertausend Raben den Sarg, als man ihne uf den Leichenwagen gehoben, umschwebet und begleitet, worunter auch einer sich befunden, so sicherlich ein rechter Erzteufel gewest, der immerdar geschrieen: »Saumärtel, Saumärtel!« so daß Graf Albrecht vor der Stadt schon etzliche Mal mit dem Zündrohr unter sothanes Teufelsgeschwürm geschossen, was aber wenig verfangen, anerwogen der ganze Schwarm, wie es hieß, bis Wittenberg um den Leichenzug verblieben, und sich des Nachtes immer auf die Kirchen gesetzet, in welchen man das Leich unterweges ausgesetzet, und gar gräulichen gekrächzet. Item zeigete er ein Münz, so schon etzliche Täge darauf auf den Tod Lutheri geschlagen, selbige um vieles Geld feil bietende. Und stund uf der einen Seiten der hexameter heroicus um Lutheri Brustbilde:

pestis er am vivus, moriens ero mors tua, Papa!
item stunde darauf: propheta Germaniae,

auf der andern hergegen um Lutheri Wappen, als ein Rosen, drinnen ein Herz und Kreuz befindlich: anno salutis nostrae MDXLVI die XVIII. mensis Februarii obiit sanctus Doctor Martinas Lutherus, anno aetatis suae LXIII in memoria aeterna. avers: Lebend war ich dir Pest, doch todt, Pabst, werd ich dir Tod sein!
revers: Im Jahre unsers Heils 1546 am 18. Tage des Monats Februar starb der heilige Vater Doctor Martin Luther im 63. Jahre seines Alters. Er bleibt in ewigem Gedächtniß. Den Anachronismus, da diese Münze allerdings ein Jahr später erschien, wird man dem Dichter verzeihen.

Aber der Jüd war ein Schelm. Denn obschon die Katholischen allerlei noch gräulicher Geticht über Lutheri Tod fürgebracht, worunter gar stattliche Leut als Cochläus und Henricus Helmesius, Ersterer in actis Lutheri ad. An. 1546, letzterer contr. Luth. capt. Babyl. edit. Col. an. 1557. so acht ichs doch für bösen Leumund, sintemalen, als ich etzliche Tage darauf widder wacker mit Gottes Hilf abgeritten und gen Passau kam, alldort einem Arzten begegnete, seines Namens Doctor Ludewig, so bei Lutheri Tod gegenwärtig gewest. Luthers Lebensende von Mohnike, Stralsund 1817. S. 11. In dieser kleinen werthvollen Schrift sind außer dem ausführlichen Original-Bericht von Justus Jonas, Michael Celius und Johannes Aurifaber über die letzten Stunden des Reformators, zugleich die auf ihn gehaltenen Leichenpredigten abgedruckt. Selbiger sprach in der Heerbergen zum »blauen Hecht,« allwo es viele Gäste hatte, so alle fürwitzig waren, wie der alte Münch aus der Welt gangen: er wölle die reine Wahrheit bekennen. Denn wiewohlen er ebenmäßig von dieser Ketzerei angestecket, hätt ihne der Tod des München doch hinterdenklich gemacht, und hätt er sich entschlossen das Ende abzuwarten, wies mit der Religion werden würd, anerwogen die römisch-kaiserliche Majestät je aller Orten gegen die schmalkaldischen Bundesverwandten rüste. Dergleichen schwankende Charactere, deren es damals wie noch jetzt, bei jeder religiösen und politischen Bewegung unzählige gab, nannte man Exspectanten. Döllinger die Reformation etc. I. S. 513.

Und wäre das Ding mit seinem Abschiede also geschaffen gewest. Nachdeme, als er schon etzliche Täge über Schwachheit geklaget, hätt er die Nacht vor seinem Ende annoch das Abendmahl an der Tafel des Grafen Albrecht gehalten; daß er dorten aber nicht zu viel getrunken, wäre sicherlich, anerwogen, als er um 9 Uhren zu Bette gangen und um den Zeiger zehn wieder aufgestanden, und zu Dr. Jonas gesprochen: ach Herr Gott, wie ist mir so wehe! Ach lieber Dr. Jonas, ich achte ich werde hie zu Eisleben, da ich geboren und getauft bin, bleiben; er alsbald ohne Hülfe und Handleiten durch die Stuben in sein Kammer gangen wär, gar vernünftig und erbaulich betende: in manus tuas commendo spiritum meum, redemisti me domine, deus veritatis. In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, o Herr, Gott der Wahrheit.

Doch wärs wahr, daß er sich nachgehends um den Zeiger Eins abermalen Wein gefordert, Von diesem Verlangen Luthers nach Wein auf seinem Todtenbette erwähnt der oben angezogene Bericht nichts, wohl aber erzählt dieß M. Celius in seiner Leichenpredigt a. a. O. S. 66. worauf er noch etzliche Gebete gethan, darauf stille worden, und als der Zeiger noch eine Viertelstunde gehabt auf drei Uhr frühe, sanft und in aller Stille seinen Geist aufgegeben.

Daß das Leich gleich einen bösen Ruch verbreitet, wisse er nicht, so habe er auch nichtes anders von den Raben erfahren, als daß auf dem Galgenberg vor Eisleben, wo ein armer Sünder gehangen, etzliche 100 ufgeflogen und ein wüst Geschrei erhoben, als man dorten vorbei kommen, wies denn die Natur dieser Vögel wär, so um Neujahr aus sich ungefährlich an allen Orten zu sammeln pflegeten, ohne daß ein Teuflisches dabei fürhanden zu sein brauche.

Was ihne aber und fast Männiglich bei Lutherus Tode hinterdenklich gemachet, wäre ein gar Anderes. Denn eines Abends, als er seiner Gewohnheit nach im Schloß zu Eisleben ans offene Fenster getreten, um Gott anzubeten, hätt er den leidigen Bösewicht, den Teufel auf dem Röhrkasten Schornstein. Aus der Leichenpredigt des M. Celius a. a. O. S. 77. sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren sehen. Hätte solches gleich widder erzählet, auch noch am Abend vor seinem Tode an der Tafel allerlei vom Teufel gesprochen, und nachdeme er sich um 9 Uhren niedergeleget, darauf bis um 10 Uhren geschlafen, nunmehro ufgestanden, und alleine in das Kämmerlein hart an der Stuben gangen, wär er nit alsobald wieder in die Stuben heimgekehret, allwo man ihme in währendem das Lager mit Betten und warmen Kissen wohlbereitet, als er allen Umständern die Hand geben, ihnen gute Nacht gesaget, und zu den Theologis diese harte Wort gesprochen: Dr Jona und Magister Celi und ihr Andern, betet für unsern Herr Gott und sein Evangelium, daß es ihm wohl gehe. Denn das Concilium zu Trent und der leidige Pabst zürnen hart mit ihm. Mohnike a. a. O. S. 10.

Solche Wort hätt er, verstehe mein Ludwig, auch gehöret, und wären alle Theologi bis auf diese Stund strittig darüber, was er gemeinet und was sie sagen söllten. Denn man verstehe nu, sprach er weiters, unter dem Wörtlein für, pro, oder man verstehe coram, so seind sie gleich unverständlich, anerwogen es unmüglich ist für Gott und daß es ihm wohlgehe, bei eim andern zu beten. Alle Theologi sahen sich darumb auch mit verstörten Blicken an, und wurden roth, dieweil Lutherus in Wahrheit noch bei gutem Verstande war, beruhigten sich auch erstlich wieder, als er bald darauf widder anhub, christlich zu beten: in manus tuas commendo etc., item das schöne Sprüchlein (Joh. 3.): sic deus dilexit mundum etc.

Aber ich beruhigte mich nicht, sondern hatte mit dem andern Arzt, Magister Simon Wild, dieselben Gedanken: daß er nämlich gemeinet, wir söllten den Satan selbsten für unsern Herr Gott bitten, daß er ihne und sein Evangelium in Frieden ließe, wobei uns seine harte Red einging (zu Genesis 28, V. 12-14.), wo er spricht: »Darumb ist beides wahr, wenn ich sage: Die höchste Gottheit ist die unterst Creatur und ist aller Menschen Knecht worden, ja sie ist dem Teufel selbsten unterworfen worden. Altenb. Ausg. Tom. IX. fol 871. a. Man erinnere sich zugleich an das oben, über die angebliche Macht des Teufels von Luther Gesagte. In der That schien in seiner Todesangst seine manichäische Ansicht augenblicklich zurückzukehren, und wie er früher geglaubt hatte, daß der heilige Geist durch die Predigt des Evangeliums so zu sagen erst wieder frei geworden wäre aus den Stricken des Satans, so schien er auf dem Todbette zu befürchten, daß der Pabst und das Concilium zu Trident ihn wieder in dieselben Fesseln schlagen würden. Wenigstens weiß ich keinen andern stichhaltigen psychologischen Grund zur Erklärung seiner wunderbaren Worte, unterwerfe mich aber gerne jeder besseren.

Item wie er gesprochen: wir seind des Teufels Gefangene, als unsers Fürsten und Gottes, daß wir thun müssen, was er will und uns eingiebet. Altenb. Ausg. Tom. III. fol. 147. a. b. vergleiche Tischreden, Eisleb. Ausg. fol. 154 b.

Darumb hätt sie Beede ein Schauer überlaufen wie ein kalt Fieber, als sie die gotteslästerlichen Wort gehöret, könnten Lutherum hinfüro auch nimmer wie ehender, vor einen Propheten achten, anerwogen so lange die Welt stünde, kein Prophet auf seinem Todtenbett so gräßliche, verzagte und verzweifelte Wort gesprochen, weshalb Mag. Wild auch gleich wieder in die katholische Kirche zurückgekehret, er selbsten aber, dieweil er sich für dem Joche des Papstes scheue, seine Zeit wie vorbemeldet, abwarten, und hiezwischen seinem Gott und Erlöser dienen wölle, so gut er könne.

Da sprach ein Kerl, so ein schweizerischer Priester war: aber nu sähe doch Männiglich für Augen, daß der Gottesmann Zwingli Recht gehabt, der Lutherum einen Verführer und Christi Verläugner, tausendmal ärger, denn der alte Ketzer Marcion benieme, item wie wahr sein Freund Beza gesprochen: Ich will deinen erdichteten Christus allen zum Verspotten fürstellen; dein erdichteter Christus wird dich nit mehr erhören, denn der Abgott Baal seine Priester, in libro contra Hesshusium. woher allhie jeder hirnhabende Christ leichtlich greifen könne, wo das reine, lautere Wort zu finden, ob in Sachsen bei dem gotteslästerlichen Luthero, der sich alle Tage umgekehret wie eine Windfahne, oder bei ihnen in der Schweiz.

So wurde nu gleich die ganze Stube wieder strittig, und ein Lutherischer schriee: nein, die kalvinischen hätten den Teufel, wie denn der theure Gottesmann Lutherus selbsten sage: es sei nie kein schändlichere Ketzerei aufkommen, als die Zwinglische; die Zwinglianer sein des Teufels »Schwärmer«, und hätten schier eingeteufelte, durchteufelte und überteufelte Herzen. Altend. Ausg. Tom. III toi. 269, a. 693. b. vergl. Tom. VIII. fol. 347 b. Da es mich nu verdroß das Geschrei der dummen Haderkatzen weiteres anzuhören, ging ich in den Stall und befahl meinem Claus zu satteln. Aber als ich widder in die Stube kam, war schon eine große Schlägerei, anerwogen der schweizerische Pfaff den lutherischen Herr-Gott einen reissenden Wolf, Seelenmörder, Hirngötzen, Kleiengott, und verfluchtes, teuflisches Ungeheuer geschimpfiret hatte. Diese und noch scheußlichere Titel gaben die Calvinisten dem lutherischen Christus, weil er nämlich körperlich-allgegenwärtig sein sollte. Man sehe insonderheit Johann Sturmius in Anti-Pappis und Textor in volum. disput. Loc 5. Thes. 78, p 118.

O mein Gott, wie blind von Natur seind doch wir armen Menschen!

Summa: ich ging gar nit wieder in diesen Katzenstall, rief den Wirth heraus, bezahlte meine Zech, und ritt alsbald wieder meiner Straßen.

So hört ich nu bald, daß der Römische Kaiser mit dem Pabest einen Bund geschlossen zur Unterdrückung der deutschen Ketzer, auch daß von allen Seiten viel spanisches und wälisches Kriegsvolk herbeizöge (wie ich denn auch manchem Fähnlein begegnete), und Ihro Majestät des ehesten gen Landshut kommen müßten.

Darum ritt ich dieser Straßen und hatte eins Tags, als ich um Mittag dicht für Landshut kam, ein gar wunderliches und kaum gläubliches Ebentheuer.

Wissend: es war ein also dicker Nebel, daß man kaum zween Schritte vor sich sehen mochte, und ehender der Nebel hereinbrach, hatt es die Nacht zuvor geschneiet. Da hör ich mit eim Mal eine Stimm dicht vor mir, so da rufet: »Fahr zu, verdammter Bauer!« worauf ein ander Stimm schreiet: »Daß dich Gottes Element schände, du spanischer Böswicht!« und ich es alsbald klatschen und klappen hör, wie von einer Geißel. Schreiet die erste Stimm widder: »Verfluchter Bauer, schlägestu die Römisch-kaiserliche Majestät?« worauf etwas Schwarzes wie ein langer Kerl flugs bei mir vorbeiwischete.

Da halt ich augenblicks das Roß an, merke mir die Fußtapfen des Kerls, so gar groß und unflätig waren, und als die zwote Stimm nunmehro heftiger schreiet: grypet den Kerl, grypet den schwäbischen Bösewicht! ich auch alsbald es rechtes und linkes abgaloppiren hörete, sprang ich vom Roß, gab es meinem Claus, und verfolgete im schnellen Lauf die unflätigen Fußtapfen. Das ging ein gut Weil, bis gar viele Fußtapfen rechtes und linkes kamen, welche ebenmäßig gar stramme Ständer gehabt, und ich also die Witterung verlor. Befinde aber alsbald, dieweilen es ein wenig klarer wurde, daß ich am Ufer des Isar bin, allwo ein Spur hinabführet. Sothane Spur verfolg ich, und werde flugs entwahr, daß ein Kerl unter dem hohen Ufer sitzet, und sich an einer Baumwurzel feste hält. Wollte sich aber nit greifen lassen, besondern zog ein Messer herfür, womit er sich wehrete, worauf ich ihm alsbald mit dem flachen Schwert beede Arme lahm schlug, daß das Messer in den Schnee fiel, meinen Kerl bei dem Kragen nahm, ihne mir auf den Rücken schwenkete, und alsbald in dieselben Fußtapfen zurückekehrete, nunmehro den Schelm in eim großen Hauf fürnehmer Herrn niedersetzete, so bei einem Geschütz stunden, welches der Bauer hatte fahren sollen, und sprach: ist dies der schwäbische Bösewicht?

Da rief Ihro Majestät, so einen schwarzen spanischen Mantel umme hatte, und allerwegen wie ein gemeiner Junker verkleidet war: ja, das ist der Böswicht, »hänget ihne gleich da in jenen Baum!« worauf Ihro Majestät zu mir sprachen: wie hast du ihne sobald in diesem Nebel funden; die andern sind noch nicht zurücke, und wer bistu, mein Kerl?

Hierauf verneigete mich, erzählete, wie das Ding mit dem Uffinden geschaffen, und daß ich ein Oesterreichischer vom Adel wär, der demüthiglichen Dienste bei Ihro Majestät begehrete.

Solches war ihm angenehme, sprach: er sähe, ich hätte Witz, und dieweilen er morgen noch einen verständigen Boten an seinen Gesandten uf dem Concilium zu Trent schicken wölle, müge ich den Dienst übernehmen, worauf mich in Unterthänigkeit von Ihro Majestät beurlaubete.

Hierzwischen aber hatte der Profoß allbereits mein Bauern ergriffen, stund und befühlete ihm den dicken Hals, von dem er das Tuch gelöset, in währendem mein Bauer zitterte, als hätt er das kalte Fieber, und immerdar schriee: ich hab ihn nicht gekennet, ach meine Frau und meine arme 6 Würmleins!

Solches erbarmete den Cardinal Granvilla, trat heimlichen zum Profoß und sprach: Tändele eine Stund umher und mache dir allerlei zu schaffen, ehe du den Kerl hängest, ob etwan der gerechte Zorn Ihrer Majestät hierzwischen fürüber geht.

Hierauf, und da das Wetter immer klarer wurd, wendete der Kardinal sich widder an den Kaiser, und ob Allerhöchstdieselben nicht auf jenen Hügel reuten wöllten, um die Gegend zu überschauen; denn wie es ihme fürkäm, würde das Wetter klarer, und bräche sicherlich bald die liebe Sonne herfür.

Solches thäten Ihro Majestät, und kann man sich die Angst des Bauern fürstellen, ehe er wiederkehrete, was wohl bei einer Stunde währete.

Als solches nu letzlich im hellen Sonnenschein geschah, der Bauer allbereits unter der Eichen stunde, den Strick um den Hals, und der Profoß und sein Knecht ihm zur Seiten, zeigete Granvilla mit dem Finger auf den kläglichen Mann, und sprach zu Ihro Majestät:

Allerhöchstdero Gutheit und Gnade, so Männiglich zu preisen wisse, so weit und groß die Erde wär, wölle doch diesem armen Knecht verzeihen, so Ihro Majestät nicht gekennet, anerwogen auch die Spanischen oft in Wahrheit etwas hart gegen die armen Bauern wären, und ein anderer Spanischer ihm kurz vorhero nur den Buckel gebläuet.

So war hierzwischen auch der Zorn des Kaisers gesänftiget; sprach zum Profoß: so laß den Kerl nur laufen; aber davor, daß er die Römisch-kaiserliche Majestät geschlagen, soll ihm billig die Nase abgeschnitten werden, was auch flugs geschahe.

Denn der Profoß zog ein lang Messer herfür, schnitt dem Bauern lachende die Nase dicht vor dem Kopf weg, und Wurf sie auf den Schnee, wo sie alsbald ein Hund auffraß; hergegen mein Bauer auch lachende und das Blut immer rechtes und linkes mit der langen Zungen weglöckende vor Ihro Majestät uf die Kniee fiel, und sich vor gnädige Straf bedankete.

Und war sothane Straf in Wahrheit ein groß Glück für mein Bauern. Denn er verlief bald seinen Hof, auf welchem nichts hätte zujungen wöllen als Läuse, wie er zu sagen pflegete, und zog mit Weib und Kindern jahr aus jahr ein die Donau und den Rhein hinauf, um sich als ein wahrhaftig Meerwunder für Geld sehen zu lassen. Dorten hab ich ihn nachgehends auch wieder antroffen. Saß in eim tunklen Kämmerlein und trunk Biers, in währendem sein Weib vor der Heerbergen stund, und immer rief: wer will vor vier Batzen den Bauern sehen, der die römisch-kaiserliche Majestät gar weidlich gewammset hat, wer will das Bäuerlein sehen, daß den Kaiser ausgepeitschet, was kein Pabst, König, Churfürst, Herzog, Grafe und Edelmann sich je unterfangen, wer will vor vier Batzen das tapfere Bäuerlein sehen? wo denn immer ein groß Hauf, Männer wie Weiber und Kinder herbeikommen ist, und mein Bauer seine Historie erzählet, wobei er mich aber immer vor den Satan ausgegeben, ansonst hätte er vermeinet, ihn wohl Niemand in dem Nebel aufgefunden, noch ihne wie ein Bund Flicken zu tragende vermocht. Darum erschrack er gar heftiglichen, als er mich ungefährlich wiedersahe, und wollte flugs den Reißaus geben. Aber ich griff ihn abermalen in den Kragen, schwang ihne mir auf den Rücken und sprach: fühlestu nu tummer Bauer, daß ich kein Teufel, sondern ein Mensche wie du bin? denn der Teufel, sollt ich meinen hat kein Fleisch und Blut. Giebest du mich noch einmal für den Teufel aus, und ich erfahrs; so geb ich dir noch mehr Blut zu löcken, denn der Profoß, und schlitz dir das verlogene Maul auf von eim Eselsohr bis zum andern.

So gut sollt eim armen Landsknecht aber die Teufelslüge nicht bekummen, anerwogen er davor am andern Morgen vor Landshuth durch die Spieße gejaget wurde. Selbiger war ein gar lustiger Vogel, wie sie denn pflegen, und hatte den Sonntag zuvor, da er lutherisch war, ein Franziskaner in währender Predigt genärret. Denn, da er unter der Kanzel stehet, und selbige unten ein Loch hat, begiebet es sich, als mein Franziskaner zum Schluß niederknieet, um das Vater unser zu betende, daß der Strick mit welchem er umgürtet ist, gerade durch das Loch gehet, was mein Landsknecht nicht sobald gewahr wird, als er flugs einen Knoten dafür schläget. Als nu mein Pfaff oben fertig ist, kann er nicht widder in die Höhe, ächzet und krächzet gar erbärmlich, bis es dem Volk auffällig worden, und man ihme zu Hülfe kommt.

So wird nu der Landsknecht gleich ergriffen; dieweilen aber der Franziskaner selbsten vor ihn gebeten, wieder entlediget, was ihn also erfreuet, daß er beschleußt vor seinen letzten Albertusthaler noch desselbiges Tages ein Gesäufte mit seinen liebsten Spießgesellen zu halten. Kommen also in eim Kretscham zusammen, und nachdeme sie wacker gezechet, wettet besagter Landsknecht: der Wirth sölle ihm die Bezahlung schenken, ihme seinen Albertusthaler widder uf den Tisch werfen, und aus Angst für seinem Gelde, hurdi, purdi aus der Thür laufen. Die andern, zumalen sie den Wirth als einen gar kargen Mann kennen, gehen alsbald den Handel ein.

Was thut nu mein Landsknecht? Er wirft sein Albertusthaler in ein Kohlenbecken, und als er glühend heiß, thut er das Becken weg, rufet den Wirth, fasset mit duppelten Handschuchen den Albertusthaler an, drücket ihm selbigen mit langem Rücken über den Tisch in die Hand, und raunet ihm dabei in die Ohren: »da hastu das Handgeld zur Höllen; ehestens sehen wir uns wieder!« worauf auch mein Wirth den Thaler schreiende fahren lässet, und alsbald den Reißaus durch die Thüre spielet, in währendem die ganze Rott ihm lachende folget.

Aber dieser Schwank sollte meim Landsknecht, als zweener Missethaten an eim Tag schüldig, schwer zu stehen kommen, anerwogen der Handel bald auskam, und er nunmehro, wie schon bemeldet, dem Spießrecht verfiel. Und war sein Ende also geschaffen.

Nachdeme, als ein Hauf Landsknechte einen großen Ring geschlossen, leitete der Profoß den armen Sünder, so in Wahrheit ein gar schmucker Geselle war mit großen blauen Augen und gelben Haaren, bei der Hand in den Ring und sprach also: Leonhard Fronspergers (ein Sohn des berühmten Georg) Kriegsbuch. Erfurth 1596. S. 12 ff.

Ein guten Morgen lieben, ehrlichen Landsknecht, Edel oder Unedel, wie uns denn Gott zusammengebracht hat. Ihr traget all gut Wissen, wie wir uns All zusammengeschworen haben, daß wir wollen gut Regiment führen und halten, dem Armen wie dem Reichen, und all Ungehorsamkeit zu strafen. Allhie stehet nu aber ein ungehorsamer Geselle, der dieses und dieses gesündiget, lasset selbigen wiegen, was er werth sei.

Hierauf fragte man den Gefangenen, so annoch geschlossen war, ob er einen Fürsprecher begehre, was er verneinete, dieweil sein Handel ganz so gewachsen, wie der Profoß fürgestellet; bäte aber die Gemein umb ein gnädig Urtel.

Nu thäten die Fähndriche die Fahnen zusammen, stecketen sie verkehrt mit dem Eisen in das Erdreich, und einer sprach:

Lieben, ehrlichen Landsknecht! ihr habet des Profosen schwere Klag wohl vernommen, die er über den Hansen hat geführet, darumb wir unser Fähnlein zusammengethan und hier umgekehret in das Erdreich gestoßen, und wollen selbige nimmer lassen wieder fliegen, bis über solche Klag von euch ein Urtel ergehet, auf daß unser Regiment ehrlich sei.

Da trat der Feldweibel und 40 Mann aus dem Ring, berathschlageten abseiten, gingen wieder in den Ring und stelltens der Gemein für, ließen mit 3 Trommeln umschlagen bei Ehr und Eid, und nu die Hände ufheben, ob der Gefangene sölle sterben oder lebendig bleiben.

So waren nu mehr Hände vor den bittren Tod, worauf die Fähnriche gleich widder die Fahnen aus dem Erdreich rißen, sie lustig fliegen ließen, damit sich am obern Ende der Gassen stelleten, und der andere Fähnrich sprach: Wir danken euch lieben, ehrlichen Landsknechte, daß ihr so willig seid gewesen und so ehrlich und ehrenhaftig, gut Regiment zu stärken und zu halten; worauf der Profoß den Gefangenen, so inzwischen gebeichtet und dem die Ketten abgenommen waren, mit dreien Trommelwirbeln in den Ring führete, wo noch ein Kerl stund, ein groß, breit Schlachtschwert in beeden Händen. Und befahl der Profoß nunmehro die Gasse wohl zu bewahren und zu beschließen, anerwogen wer ihn durchließ, der sölle in seine Fußtapfen treten, worauf die Landsknechte einen Mann hoch zusammentraten und die Spieße vorrecketen.

Da führte der Profoß den elendiglichen Menschen noch dreimal langsam durch die ganze Gasse, um Urlaub von Männiglich zu nehmen, und die Gemein um Verzeihung zu bitten, daß er sie geärgert, was der herzhafte Gesell auch thät, gar muthig um sich schauete, in währendem seine Freunde bitterlich weineten, und zu einem sprach: Fritze, du nimmst sogleich das Herz, und du Hanns, nimmst das rechte Aug.

Und als er das gesaget, umarmte der Profoß den armen Mann, und müge er ihme verzeihen; denn was er gethan, hätte er müssen thun von wegen des Regiments, worauf er ihm drei Streich auf die rechte Achsel gab im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, und nunmehro schriee: »lauf!«

Aber er kam nicht zween Schritt, als er schon den Leib voll Spieße hatte, wie ein gespickter Haase, in währendem der Kerl mit dem breiten Schlachtschwert ihme zugleich mit beeden Händen aushohlende von hinten den Kopf bis auf die Schulter spaltete, so daß er eines plötzlichen und männlichen Todes starb.

Als nu der arme Sünder todt war, fiel die ganze Gemein auf die Kniee, und that ein still Gebet vor seine Seele, zogen darauf dreimal um den todten Körper, worauf die Schützen auch dreimal schossen, und als dann der Beschluß-Ring gemachet wurde, in den der Profoß abermalen trat, sich gegen den halben Haufen vor gut Regiment bedankete, sie vermahnete, ein gut Exempel an dem verstorbenen Mann zu nehmen, und darauf Alle wieder ihrer Straßen gehen ließ. Wahrscheinlich entstand aus diesem Spießlaufen das spätere Spießruthenlaufen, welches wie Hoyer in seiner Geschichte der Kriegskunst vermuthet, zuerst von Gustav Adolph, König von Schweden, eingeführt sein soll.

Vor solch gräulicher Straf, so die ganze Gemein ausübet, entsetzte ich mich, wie billig, und vermeinete, der arme Kerl wär wohl besser fortgekommen, wenn er gelehrte Richter gehabt, was aber der Profoß verredete, mit deme ich in die Stadt zurückging. Alldort hatt ich im schwarzen Adler mein Losament Quartier. genommen, und sollte die kaiserliche Botschaft nicht lange weilen.

Denn ich war noch den Abend zuvore uf das Schloß Trauffnitz gangen, allwo die kaiserliche Majestät dero Residenz aufgeschlagen, und hatte dem Kardinal Granvilla gesaget, wo ich eingekehret. Darumb kam umb Mittag aus ein Hauptmann mit eim Schreiben an den kaiserlichen Gesandten Siegmund von Aon in Trident, mich gar fleißig ermahnende, es in gute Acht zu nehmen, anerwogen der verwegene Kriegsobriste Schertlin des Weges streife, wie Ihro Majestät in Erfahrung gezogen, um den schmalkaldischen Bundesgenossen neues Volk zu werben und zuzuführen.

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