Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Und will ich nu achtsam und genau notiren, wies mir weiter gangen, damit Männiglich spüre, welch unvergleichlich Kleinod ich in Murstätten gewonnen.
Summa: als ich letzlich in der stattlichen Burg angeländet, so fast ebenmäßig wie die Burg meiner Ahnen ausgestaffiret war, und wir über das Schlaggatter in den Zwinger ritten, ward ich wie ein Kalk, als der Burgwart mir sagte: der Waldbruder wäre schon widder an seinem Stecken heimgekehret, anerwogen er das Fahren und Reuten verredet; denn ich gläubete, sie säß nu auch schon im Kloster. Aber er lächelte, als er mein Roß nahm und sprach: nein, nein, die Jungfer säß am Brunnen und nähete, und würds noch wohl ein Weil dauern, eh sie eingekleidet würd, angesehen die Abbatissa krank worden. So ließ ich nu mein Knecht im Zwinger, steckte die eine Hand in den Busen ans liebe Kränzel, und dieweil umb den Brunnen 4 große Lindenbäum stunden, könnt ich mich also nahe hinanschleichen, daß sie mein nit entwahr wurde. Saß unter dem hintersten, und hatte das Haupt mit den langen, gehlen Ringelhaaren aus ihren Schooß gesenket, betete halblaut das Ave Maria, und berühreten das edle Näslein und die schwarzen langen Augenwimpern drüber, fast das Nonnenkleid, welches sie vor sich zurecht nähete, dieweil sie den einen Schenkel über den andern geschlagen, daß sies höher liegen hätt. Darumb legte ich die Wange an die vörderste Linde, und sah sie ein Weil an, wie schön sie worden und wie sie dasaß, in eim gelben seidinen, fliegenden Hemdlein Das ist, nach unserer Redeweise, in einer Blouse. mit güldenen Armspangen verzieret, und hatte mein Herz und Geblüte nicht gewallet, so hob es jetzo an zu wallen, daß ich gläubete, all mein Ingeweide wölle mir zur Brust hinaus. Darumb, als sie übermalen anhube:
Ave Maria gratia plena Gegrüßet seist du Maria, voller Gnaden.
rief ich aus:
Ave Julia, gratia plena,
und streckete ihr flugs das Kränzel für, und rief abermalen: eia, du süße, herzliebe, wonnesame Maid, sieh, da bin ich schon mit meim Kränzel! Als sie das sahe, verstürzete sie anfänglich, thät alsbald einen Freudenschrei und wollte mit den Armen umb meinen Hals fliegen, schlug aber alsbald die Arme hinter sich, und fuhr mit dem rothen Mündlein an meinen Mund, immerdar rufende: Wo kommstu denn sobald her, wo kommstu denn sobald her, ach, wie groß bist du worden, ach lieber Mündel, welchen Bart hast du überkommen!
So wollt ich sie nu umbhalsen; allein sie bog sich schreiende weg und sprach: nein, um Gotteswillen nit umbhalsen, allhie magstu mich umfassen, worauf sie meinen Arm um ihre Hüften legete.
Solches war aber ihre Mutter Frau Eugenie aus der Ferne gewahr worden; lief scheldig hinzu und sprach: was machstu, schämestu dich nit, willst eine Nonn werden und umbhalsest einen fremden Ritter?
Nein, sie hätte mich nit umhalset, sie wüßte wohl, was das zu bedeuten hätt; sie hätte mir nur ein Küßeken geben, dieweil ich ihr lieber Mündel sei.
So entschüldigte ich mich ebenmäßig bei Frau Eugenien, und daß wir uns ja von Jugend auf gekannt, und als Bruder und Schwester bei dem frommen Klausner aufgewachsen wären. Hätte gegläubt diesen meinen zweten Vater noch allhie zu treffen; allein selbiger wäre ja schon wieder abgewandert, wie ich leider Gotts in Erfahrung gezogen.
Da freuete sich Frau Eugenie, und ging in den Pallas ihren Hausherrn zu rufen, inwährendem ihr Töchterlein sprach: was besehen wir nu zuerst lieber Mündel? Ei, nu gehts mir bei, wir wollen erstlich nach dem Burgfriet gehen, allwo ein Vogel gebauet, den Niemand kennet. Von den faulen Schelmen allhie will Niemand nit hinaufsteigen. Was meinstu lieber Mündel, wenn du nicht zu müde bist, könntest du gleich mal hinaufklettern und sehen, welche Jungen er hat! Komm! und hiemit ergriff sie meinen Arm und hube an zu ziehen.
Hierzwischen aber war ihr Vater Georg schon aus dem Pallas auf den Burghof getreten, und als er sahe was geschah, bedräuete er sie und rief: Schäme dich, Dirne, was machstu? das geziemet sich nicht! worauf sie erschaamrothete, er aber mir die Faust gab und sprach: verdenkt es ihr nicht Junker! Mein alter, lieber Bruder hat mir leider Gotts das Mädel also verzogen, daß sie nicht weiß, was rechts und links ist, und ich sorge, sie mir noch Schimpf und Schande bereiten wird, wenn sie nicht bald ins Kloster kommt. Aber nu kommet zum Imbiß. Meine beeden Jungen Wolffgang und Eustachius wollen auf die Jagd reuten mit noch Etzlichen vom Adel, so ihr im Pallas treffen werdet, und geliebet es Euch, müget Ihr mit reuten.
Aber ich hatte ein andre Jagd in meim Kopf, und dieweilen auch sie mich wehmüthiglich mit ihren großen, blauen Augen anschauete, ginge ich zwar in den Pallas und gab den Junkern die Faust, entschüldigte mich aber wegen des Mitreutens, anerwogen ich von dem langen Wege müde sei und Kopfschmerzen gewonnen, was sie auch gläubeten, dieweil mir die Nase anhub zu bluten.
So sprung nu das Dirnlein gleich auf, als sies sah und fragete den Vater: geziemet es sich, lieber Vater, daß ich dem Mündel Essig und Wasser hohl? und als ers verjahete, und meine Junkern schon lächelten, sollten sie alsbald in ein laut und groß Gelächter ausbrechen.
Denn als sie flugs mit eim Teller und Läpplein heimbkehrete, hatt ich mich auf ein Spannbette gesetzet, und ließ das Blut zur Erden laufen; darum setzte sie sich im Hui auf meine Schooß, umb mir besser das gefeuchtete Läpplein unterhalten zu können.
Da platzten alle Rittere mit also großem Gelächter herfür, daß ihr Vater braun und blau für Zorn wurd und rief! schäme dich Dirne, das geziemet sich nicht; o Gott, wenn ich das dumme Ding doch erst im Kloster hätte!
Darüber hub sie an zu weinen und streckete die schönen Arme mit den güldenen Spangen zum Muttergottesbilde aus, so im Pallas über der Hauptporten hing, und rief schluckende: ach heilige Mutter Gottes, lehre mich arme Jungfer doch auch, wie andere Jungfern, was sich geziemet und was sich nicht geziemet! worauf das Lachen übermalen anhub.
Und als die unholden Gesellen nunmehro abritten, saß sie noch immer auf dem Spannbett und weinete, welches mich also erbarmete, daß ich fast mit geweinet hätte, wie ehender in der Klausen. Darumb, als ihr Vater jetzo feim Handwerk nachgegangen und wir beede allein waren, wollt ich sie umbhalsen und ihr die süßen Jungfrauenthränen wegk küssen, so immerdar aus ihren Aeugleins quollen, und an der schönen Nasen hinunter über den rosenrothen Mund und das zwiespältige Kinn in den Busen liefen. Aber sowie ich sie umbhalsen wollte, sprung sie widder schreiende in die Höhe und rief: nein, nein, umb Gotteswillen nit umbhalsen!
So ward ich nu immer fürwitziger, warum sie sich nit wölle umbhalsen lassen, und bat es mir zu sagen.
Aber sie erschaamrothete und sprach: ei lieber Mündel, das wirstu je besser wissen, denn ich es dir sagen kann.
Und als ich nein, nein rief und sie immer rother wurd, und ich letzlich ihr dräuete: ich wölle morgen widder abe reuten, wenn sies mir nit sagete, sprach sie, so will ich dirs heimblich in dein Ohr sagen, denn es laut zu sagen, schäm ich mich.
Da hielt ich ihr mein Ohr hin, worein sie, als leise sie konnte, sprach:
Von dem Umbhalsen kommen ja die kleinen Kinder her.
Da wars mir unmüglich des Lachens müßig zu gehen, lachete darumb, daß der ganze Pallas zitterte, und fragete letzlich: wer hat dir das gesaget?
Ei, rief sie betrübet, lachestu mich auch aus, lieber Mündel, wie die Andern? und hube übermalen an laut zu schlucken.
Sprach ich: herzliebe Julia, man hat dir etwas eingeredet, sprich, wer hat dir das gesaget?
Der Ohm hätts ihr wohl 20mal gesaget, wenn sie ihne gefraget, wo die kleinen Kinder herkämen, und sie jedesmal vermahnet sich von keinem Mannsvolk, denn etwa von ihme, umbhalsen zu lassen, denn er wär ein alt, grau Männeken, und von solchen schade das Umbhalsen nit.
Ego: der gute Ohm hat dir etwas eingebunden, du unschuldig Täublein.
Illa wird scheldig – und das hätte der Ohm nie gethan, wenn der Ohm jemalen eine Unwahrheit gesprochen? Sie müsse schier an mir und der ganzen Welt irre werden! Weinet –
Ego. Aber dieses konnte dir der gute Ohm nit sagen; gläube mir, er hats gut gemeinet, daß ers dir verschwiegen; das Ding, wovon du redest, ist ganz anders geschaffen.
Illa: ( Trucknete sich die Thränen und schauete mich mit den großen Augen an) Wies denn geschaffen wär? so sölle ich ihrs doch auch sagen, damit sie lerne, wie andre Jungfern, was sich gezieme und was sich nit gezieme.
Ego ( Umbhalsete sie, was sie auch zugab, wiewohlen sie mit dem ganzen Leibe für Angst zuckete). Ich kanns dir auch nit sagen, du unschuldig Täublein; aber wenn du dein Nonnenkleid ins Feuer stecken und mich heirathen willt, mag ich dirs wohl sagen.
Illa. Nein, das gezieme sich nicht, soviel wüßte sie auch schon.
Ego. Hats sich denn auch nit geziemet, daß dein Vater ehender dein Mutter geheirathet?
Illa. Ja, das wär ein ander Ding; sie sölle aber eine Nonne werden.
Ego. Das stünde ja gänzlich noch in ihrem Gelieben: und wenn sie mich wölle, ob ichs nit ihrem Vatern sagen sölle, wie lieb ich sie hätt?
Illa. Um Gotteswillen nit; ich hätte ja gesehen, wie zornig der Vater worden, als sie sich mir auf die Schooß gesetzet, was er darumb nit erst jetzo werden würd, wenn ich ihme von heirathen sagete?
Ego. Aber, wenn ers uns erläubet, herzliebes Kind? Siehe, dann sind wir immer zusammen, wie in der Klausen, pflegen meines alten Vaters, der so gern eine lieb Schnur hätt, krebsen zusammen in meim Bach, suchen Vogelnester in der Forst, pflücken Beeren und winden Kränzleins, Summa sind immer zusammen unser Lebelang, Tag und Nacht.
Illa. ( Springet auf und an mein Hals) ach lieber Mündel das wäre herrlich, Tag und Nacht zusammen seiende! aber ich sorge nur, der Vater wird sprechen: das geziemet sich nit!
Ego. Aber wann er nu ja saget, sagestu denn auch ja?
Illa. Ja, ja, ja ( umbhalset mich abermalen, ohne daß sie zucket), in währendem meine Thränen auch herfürbrachen, denn ich gedachte zugleich des Wortes Gottes zum Weibe: Und nach dem Manne wird dein Verlangen sein, wies bei allen Weibsen sei wahr worden, und auch bei der wahr worden, welche fast nie einen Mann gesehen, als den Klausner und mich, wie Eva im Paradiese nur Gott und Adam gesehen.
Als ich darumb verspürete, daß über das buntgemalte Fenster des Pallas ein Schatte ging, vermuthete ich, es sei ihr Vater, der widder heimbkehrete, trucknete alsbald meine Thränen, und sprach, als er zur Porten hereintrat, dreist und unverzagt:
Höret guter Ritter, ich suche eine Hausfrau, und dieweil ich gläube, keine bessere finden zu können, denn Eure herzliebe Julia, so ich von Jugend auf gekennet; so bitt ich, lasset sie außer dem Kloster, und gebet sie mir zum Weibe.
Aber der Ritter hub an zu lachen und gab zur Antwort: lieber Hager, was wollt Ihr mit dem Dirnlein; sie weiß nit, wie Ihr sehet, was rechts und links ist, und sorge ich, wenn ein lockerer Geselle bei Euch fürspricht, verführet er Euch das einfältige Ding in der ersten Stunden.
Sprach ich: Ritter, sie weiß zwar nit, was von der Welt ist, wie ich sehe, aber sie weiß was nit von der Welt ist, und wer dieses weiß, wird auch jenes balde lernen. Euer Bruder bürget für sie und mich, guter Ritter. Ich soll meim alten Vater eine Schnur schaffen; gebet Ihr mir Eur Tochter nicht, so gehet er vor Kummer unter die Erden, denn ich schwörs Euch: entweder Julia von Althan, oder von allen Weibern der Erden kein einziges!
Das gefiel dem Ritter, gab mir die Faust und sprach: Will sie dich, so nimmb sie mit Gott, du bist gutes Geschlechts, und will ich sie dir nit wegern. Was sagestu aber, Julia, du bist ja so stille dazu?
Illa. Ach lieber Vater, ich kanns nit gläuben und fürchte mich immer, Ihr kommet mit der Nachrede: das geziemet sich nicht!
Ille. Ei du närrisch Ding, dann müßt sichs auch nit geziemen, daß ich Muttern liebgewonnen.
Illa. Aber Mütterlein hat keine Nonne werden sollen, was wird die Abbatisse sagen, wann sie solches in Erfahrung zeucht?
Ille. Nu, laß sie meinshalben sagen, was sie wölle; wir schreiben ihr, du wöllest heirathen, und das ist genug.
Als sie solches hörete, floge sie mir wieder mit beeden Armen umb den Hals und rief: ja lieber Mündel, nu will ich dich heirathen! Aber als ich sie auf mein Schooß niederziehen wollte, sprunge sie flugs zur Seiten und rief: nein, das geziemet sich nicht! So lachte ihr Vater in währendem Frau Eugenie hinzukam, und als sie von dem Handel hörete, anfänglich dasselbe Lied anstimmet, wie ihr Eheherr, als nämlich: daß ihre Tochter nit zu einer Hausfrauen tauge.
Darauf gab ich zur Antwort: daß sie nähen kann, hab ich gesehen, kann sie auch spinnen? ja – auch stricken? ja, könne aber nit kochen und bräuen, und gebehrde sich noch immer so albern, als ein Mägdlein bei 12 Jahren.
Ei, sprech ich, edle Frau, wenn sie auch nit kochen und bräuen kann, so thuts nit Noth. Wir haben an die vier adliche Jungfern auf der Burg, so dieses Handwerks keinen Tag müßig gehen. Und das Andere anlangend, warumb ich sie just so lieb hab, so wirds sich auch finden.
Ja, hube ihr Eheherr an: Ich meine auch, Eugenie, anjetzo mußtu die Fürschrift meines alten Brudern übertreten und sie klug machen. Denn ist sie erstlich klug worden, so findet sich Alles von selbsten.
Hierzwischen hatte aber das liebe Dirnlein hinterdenklich gesessen und sprach nu mit eim Mal: aber was wird der Ohm sagen? Wenns der Ohm nit erlaubet, geh ich doch ins Kloster!
Solche Sag ging uns Allen bei, und da der Greis erst vor zween Tagen abgewandert, beschloß ich ihme nachzureuten und sein Jawort mir zu hohlen. So wollt sie aber gleich wieder mitreuten, und als ihr Vater abermalen sprach: Kind, das geziemet sich nit, rief sie: ach liebe Mutter, der Vater sagte: du solltest mich klug machen; mache mich doch recht balde klug, daß ich lerne, was sich geziemet und nicht geziemet, damit man mein nit mehr schelte, wie sicherlich die Junkern wieder thun werden, wann sie von der Jagd heimbkehren.
Summa: als nu auch Frau Eugenie sich endlich willig finden lassen und mir ihren Segen geben, wollt ich weder essen noch trinken, verspürete auch keine Müdigkeit mehr in meinen Gliedern, besondern stieg gleich auf ein neu Roß, so mir Ritter Georg mildiglich vor den Pallas führen lassen, ob ich heute noch den guten Vatern einreuten möchte. Aber Frau Eugenie wurd scheldig, daß ich nit erst essen wölle und brachte mir letzlich noch etzliche Butterbammen mit Braten vors Roß, damit ich unterwegs nit todt hungere, so ich auch annahm und sprach: ist er 8 Meilen von hinnen, so ist er weit, und inwendig 6 Stunden hoff ich hin und zurücke zu sein.
Also jagt ich meiner Straßen, nachdeme ich dem herzlieben Mägdlein so mir die Steigbügel hielt, noch ein Küßlein auf ihre gehlen Ringelhaare gedruckt, und traf in Wahrheit den Greis in eim Dorf bei 7 Meilen Wegs weit, daß er in feim weißen Bart und der grauen Kutten baarhaupt uf einem grünen Hügel saß und etzliche Kinder um ihn, die er gesegnete. Die Alten, so ihm ein Topf Milchs gereichet, stunden daneben und weineten.
Da schaueten alle auf, als ich gestreckten Laufs näher kam, und rief ich schon aus der Fernen: Gott grüß Euch, viellieber Vater mein! ich bin Euer Mündel, und dieweilen ich Euch nicht mehr in Murstätten troffen, bin ich Euch nachgeritten. Sprunge vom Pferde, so ich dem Hirten zu füttern anbefahl, und floge in seine Arme, so mich zitternde an sein alt, fromm Herze zogen.
Da mußt ihm nu erstlich Alles erzählen, wies mir ergangen, item er mir erzählen: was die Zickleins macheten und der Staar, und der Köhler, und ob die Bauern noch kämen und ihm Brodes brächten – was er aber verredete, und daß sie sehr sparsam kämen – worauf ich letzlich mit meinem Anliegen herfürrückete.
So wurd er ein ganz Weil schweigsam, als er von der großen Brunst hörete, die mich zu dem Mägdlein befallen, seufzete und sprach letzlich: Mein Sohn, jetzo bistu ein Mann worden, und mag ichs dir frei heraussagen: solcherlei Inbrunst zu eim Weib hatt auch ich einst verspüret; aber die Abbrunst war erschrecklich und hat also getobet und unter der Aschen meines Herzens fortgelodert, daß ich mich in denen böhmischen Ländern verkrochen bis diesen Tag.
Hierauf erzählete mir der gute Greis, was ich schon in Erfahrung gezogen und oben angemerket, nämlich wies Frau Eugenie mit ihme in seiner Jugend gemachet, und als er das gesaget, sprach er: und also sorge ich könntest du auch Abbrunst erleiden, du armer Junge! denn du hast wohl schon gespüret, daß sie annoch dasselbe unschuldige Kindlein ist, wie dazumalen, als du bei ihr in der Klausen warest. Und also mußte sie bleiben, wenn das Klosterleben ihr ein geruhlich und selig Leben werden sollte bis an ihr Grab. Denn obschon das Feuer des Verlangens in ihr wie in allen Weibern glühet, so ists doch noch ein kalt Feuer, wie das Feuer des Glühwürmleins und leichtlich zu ertragen. Kommt nu der heiße Tag und kreucht das Glühwürmlein in seine schattige Zelle, so ist ihme wohl, und sitzet sicher drinnen. Nimmst dus aber und wirfest es in den heißen Tag; so hats Schmerzen und kreuchts auch wieder in ein Zellein, so muß es dennoch für Schmerzen umbkommen, wie wir an so vielen Nonnen entwahr werden, so schon die Glut der Liebe verspüret und mit verbranntem Herzen in ihre Zelle schlüpfen. Sieh mein lieber Sohn, diesen Tod hab ich ihr ersparen wöllen, darumb weiß sie von Nichtes, und magstu es über dich gewinnen, so laß das liebe Glühwürmlein in Gottes Namen in seine dunkle Zelle kriechen. Sprich ich: lieber Vater, es ist zu spat; ich sorge das warme Feuer ist schon in ihr aufgangen, und so erzählete ihm Alles, was fürgefallen.
Da schüttelte er sein grau Haupt und sprach: hieraus siehest du aber, wie leicht deine Inbrunst zur Abbrunst werden, und ein Schalk dir das liebe Mädel verführen kann, wenn auch just nicht dein eigener Bruder. – Meinet Ihr, gab ich zur Antwort, daß sie aus Unkenntniß also könne verführet werden?
Das mein ich mit nichten, sprach er, denn selbige zu heben wird der Mutter und andern Weibern ein leicht Ding sein, anerwogen, wie sich bei allen Weibern das Wort der Schrift wiederhohlet:
»Und nach dem Manne wird dein Verlangen sein,« wiederhohlet sich ebenmäßig bei allen Weibern die ganze Historie des Paradieses. Denn nachdeme, als Eva vom Baum der Erkenntniß gessen, wußte sie gleich, daß sie nacket sei, und die Schaam brach also herfür, daß sie sich verhüttete. Ebenmäßig, sobald ein Jungfrau heute noch zur Erkenntniß gelanget, daß und warumb sie ein Jungfrau ist, wird gleich die Schaam von sich selbsten herfürbrechen, daß sie sich an Leib und Seelen vor dem Mann verhüllet, und wird nicht mehr aus Unwissenheit die Sünde thun. Aber dann ist auch die Unschuld hin, das kalte Feuer ist ein heimblich, warm Feuer worden, und der alten Schlangen wird es umb so leichter den Fall der Tochter Evä zu Vollenführen, wie wirs denn auch alle Tage sehen.
Ego. Aber lieber Vater, was muß ich denn thun, umb mir und ihr nit solche Trübsal zu bereiten? Ille. Du mußt sie bald freien, eh ein Schlange umb sie züngelt, und alsdann stets bei ihr sein und sie bewachen. Merke allhie abermalen Genesis am dritten. Denn als Satan die Evam verführen wollte, ging er zu ihr als sie alleine war; denn wäre Adam dabei gewesen, und in währendem nicht liederlich im Garten herumgeloffen; so würd er dem Bösewicht schon den Kopf gewaschen haben. Aber nachdeme sie nu einmal ohne sein Zuthun gessen, aß er auch, denn er gedachte: nu kanns unmöglich ärger werden, und willtu lieber die Strafe mit ihr leiden, denn das Bein von deinem Bein und das Fleisch von deinem Fleisch alleine von Gott strafen lassen. Aber siehe, mein Sohn, so macht es Satan auch noch immerdar mit allen Töchtern Evä; nit, wenn der Mann umb sie ist, sondern wenn er wegk ist und sie alleine sind, kommt er angeschlichen. Ja – wäre ich nit nachher Rom geritten! –
In Summa, als ich abermalen darauf bestunde, nimmer von dem Mägdlein lassen zu wollen, gab mir der werdige Greis seinen Seegen, griff darauf in seinen Busen und hohlete ein Crucifixe von Elfenbein herfür und sprach:
Dieses Crucifixe hat mir weiland Frau Eugenia geben; ich gibs ihrer Tochtern widder, und sölle sies in ihrem Kämmerlein aufhängen und drunter die Worte des Herrn schreiben:
Wachet und betet, daß ihr nit eingehet in die Versuchunge. Der Geist ist zwar bereit, aber das Fleisch ist schwach Nach der Vulgata; Matth. 26, 11..
Da versprach ich Alles auszurichten, und nahm mit vielen Thränen von meim guten Vater auf ewig, wie ich glaubte Abschied. Denn er wollte sich keine Stund mehr halten lassen, verredete auch zu unserer Hochzeit zu kommen, und sprach: wie sich das Vöglein auch im güldenen Käfigt nur nach seim grünen Walde und seinem Nestlein sehnet, und alle Leckerbissen des thörigten Menschen verachtet; also lieber Sohn, sehne ich mich auch nach meinen grauen Buchen und der Klausen drunten mit meim Grabe.
Darum ritt ich schluckende von dannen und gelangete in Wahrheit inner sieben Stunden auch widder in der Burg zu Murstätten an, allwo die Mutter hierzwischen mein liebe Braut schon klug gemacht.
Denn obschon sie mich wieder gleich umbhalsete, ward sie doch roth darob wie ein Schaarlaken, da sie doch zuvore nit roth worden, that auch weit schüchterner als vor wenig Stunden, item griff und zerrete mich nit mehr an meint Arm und sprung nit mehr wie ein Kindlein in der Stuben umher. Solches war mir angenehme, anerwogen ich des Ohms Wort aus der Schrift widder bestättiget sähe, und bat nur Gott in meim Herzen, daß auch seine letzten Wort nicht bestättiget würden.
Darumb gab ich ihr gleich das Crucifixe, was sie flugs mit einem Freudenschrei an ihre Brust drückete und sprach: ach, für diesem Crucifixe hat der gute Ohm alle Morgen und Abend gebetet, und einmal im Jahr immer Thränen vergossen und gefastet, und wenn ich ihn fragete: Ohm, warumb weinet Ihr heute davor und sonsten nicht, gab er zur Antwort: weil ich einst heute auch mit meinem Herrn gekreuzigt worden bin.
Als das Frau Eugenie hörete, wandte sie sich flugs umb und ging zur Thüren hinaus. Ihr Eheherr aber trommelte mit den Fingern auf den Tisch und sprach: er wisse nit, was seinem Hunde Latro fehle, der vor ihme auf dem Boden lag und käuete. Die arme Bestia wölle seit gestern gar nit fressen, und käue nur immer von dem Binsen und dem Estrich.
Aber als seine beeden Söhne Wolfgang und Eustachius kamen, wurde sogleich die Hochzeit fürgenommen und daß sie balde werden sölle, wovor meine liebe Braut also erschaamrothete, daß sie zur Thüren hinauslief. Darob wunderten sich beede des Todes, wie sie jetztunder die Zippdrossel spiele, da sich doch zuvorn wie ein zahm Täublein mir uf die Schulter geflogen, und hätt ich mich wohl ebenmäßig verwundert, wenn ich hierzwischen nicht die Ordnunge Gottes aus der Schrift gelernet.
So hätte ich nu gerne den andern Tag Hochzeit gehabt, umb meim Vatern die liebe Schnur flugs ins Haus zu bringen, aber das verredeten die Alten, anerwogen sie erstlich den österreichischen Adel bitten müßten und kein Hochzeit im Winkel haben wöllten Denn obgleich der kirchliche Gebrauch der Kündigung sehr alt ist, und auf der zweiten Lateranensischen Synode von 1139 ausdrücklich eingeschärft wurde, so scheint er doch erst durch die Beschlüsse des Tridentiner Concils allgemeine Geltung und Gesetzkraft gewonnen zu haben.; darum wär inner 14 Tägen nit an den Handel zu denken, und möge ich hierzwischen in der Burg verbleiben, oder nach Hause reuten, wies mir geliebte. Nu wär ich gerne in der Burg verblieben, anerwogen ich an die Worte des werdigen Klausners gedachte und befürchtete, auch etwan einen Mitesser bei der Braut zu kriegen; aber ich schämete mich der verlorenen Zeit, hätt auch gerne dem Vatern die frohe Zeitung gebracht, und befahl also mich und meine Braut der Gnade Gottes und seiner Heiligen, und ritt des andern Tages meiner Straßen.
Fortsetzung.
Da war uf der Burg zu Altensteig ein große Freud. Mein alter Vater ließ sich gleich den Humpen reichen: und wölle er mitreuten, wenn das Zipperlein ihm seins Gefallens auch den weißen Bart krumm zög. Ebenso jubilireten meine beeden Schwestern Maria und Martha, wie das Brüderlein, und ward aller Enden auf der Burg gerüstet. Nur Charitas v. Spiegelfeld ging der heimblichen Thränen nicht müßig, aber warum machte sie sich auch solche Gedanken?
In Summa: als uns ein Bote von wegen dem Hochzeitstag Kundschaft gebracht, wann er sein sölle, schmückete mich, wies eim Bräutigam gebühret; doch dieweilen die liebe Julia die gehalbte Kleidung verredet, hatte mir ein Kleid in denen Althanschen Farben machen lassen, als ein teutschen Rock von weißem Sammit mit gezettelten geschützt oder eingeschnitten. Aermeln, wodurch der rothe Sammit sahe, item also die Hosen weiß, roth gezattelt, uf dem Knie mein Wappen gar säuberlich gesticket mit allen Schilden, Helmen und Farben, hätte auch die Medaglie Sr. fürstl. Gnaden von Braunschweig umb meinen Hals gehenket, und ein roth sammitin Schleppin Mütze. mit einer weißen Straußensfeder auf dem Haupt. Also setzte mich auf mein polnischen Schimmelhengst, und mein alter Vater, ließ sich von 4 Dienern auf seinen Braunen heben, dieweil er auch reuten und nicht mit den Schwestern und dem Brüderlein aus die Gutsche steigen wollte. Und wars absonderlich, daß er von dem Ritt wackerer wurde, denn zuvore. Zirrpte nur anfänglich etliche Mal und rief endlich: mein Kerl, ich glaub das Zipperlein ist in Wahrheit in mein Bart gezogen. Wollte Gott, es bliebe ewig darinnen! Paß mal auf, wie ich galoppiren kann, und dabei äffete er den Galopp nach und rief: zur Hochzeit, zur Hochzeit, zur Hochzeit! Und nu paß mal auf, wie ich traben kann, und dabei äffete er denn wieder das Traben nach und schrie: das geht ja noch, das geht ja noch, das geht ja noch! –
Summa: ich hatte ihne in meim Leben nit also froh gesehen.
Aber die rechte, hohe Frohlockunge begunnte erst, als wir eine Stunde vor Murstätten kämen. Denn allhie hohlte uns der alte Georg Althan mit 26 vom Oesterreichischen Adel mit 20 Drumeten und Kesselpauken ein. Fürauf die Burgfahne mit dem fürstlichen Wappen, so Leopold von Oesterreich dem getreuen Ahnherrn Dittmar von Tann verehret, als einer weißen Binde im rothen Felde, darüber der Herzogshut von Oesterreich gar stattlichen zu schauende.
So erscholle nu das Eia, Eia! der frohen Hochzeiter durch den Drumeten- und Paukenschall als wir über den Berg kämen, und der ganze Adel wogete heran in hunderterlei Farben, wie eine bunte Wiese, denn es gingen alle, wie es der Brauch war, in gehalbter Kleidung; hintennach trabete aber das adlige Frauenzimmer, auch an die 30 Schleier stark, alle in schwarzem Sammit mit schwarzer Sammitdecken auf weißen Zeltern.
Nur meine liebe Julia, bei welcher die edle Frau Adelheid von Harrach ritt, hatte eine karmoisinrothe sammitne Decke auf ihrem weißen Zelter, und ein Kranz von Perlen in ihren Haaren, woran sie als Braut zu kennen; klatschete, alsbald sie mein gewahr wurd in ihre Händeken und rief »Eia!« worauf alle Damen in ihre Händeken klatscheten und eia riefen, also daß von dem Sonnenglanz in den güldenen Fingerringen und Armenspangen der ganze Weg blitzete und glitzerte, daß es eine Lust war. Rief also auch eia! und sprengete heran und gab den Rittern die Faust, und verneigete mich vor meiner Braut und den andern Damen, Alles rothe, schöne, gewachsene, wonnesame, lächelnde Dirnleins, so mich alsbald wie ein bunter Kranz umritten, und mir Glück wünscheten; etliche mit schelmischem und kurzweilichem Kichern, wie die jungen Maiden pflegen.
Als aber mein lieber Schwieger Georg v. Althan meines alten Vatern entwahr wurde und selbiger ihme auch sein »das geht ja noch, das geht ja noch, das geht ja noch« fürgetrabet, frohlockete er, daß sein alter Waffenbruder wieder so wacker worden, und waren wir kaum in der Burg angelanget und in den Pallas getreten, als welcher gar lieblich mit sauberen Rückenlachen verzieret war, greift George meinem Vatern die Faust und spricht: damit Ihr sehet, wie sehr ich jederzeit Eur alt Geschlecht geachtet; so sehet allhie den Tod Eures Ohms Wolff fürgestellet, uf ein groß gewirkt' Bildniß weisende. Denn, sprach er, kein Tod hat mich mehr gerühret, als der Tod meines alten Feldhauptmanns, und wär ich nur zween Augenwinken eher kommen, hätt ich dem rothen Türken da, der ihne todt sticht, schon die Ohren beschneiden wollen. Er war der klügste von allen Feldhauptleuten in der Belägerung Wiens von anno 29 Ihr Herren. Denn als der treubrüchige Solyman von Nicolao v. Salm, dem obersten Feldhauptmann, und demselbigen Salm, welcher in der Schlacht von Pavia das Roß des Königs Francisci erstach und ihne in die Umstrickunge führte – eine Brandschatzung von hunderttausend Ducaten verlangete, wenn er widder von Wien abziehen sölle, fragete mein Salm alle Hauptleute: waserlei Antwort er dem Türkenhunde geben sölle? Da sprach der eine dies und der andre das; aber mein Wolff sprach: gebet ihm zur Antwort: Ihr hättet den Geldschlüssel verloren, er müge kommen und ihne suchen. Solche Antwort gefiele am besten, und ward sie dem thürstiglichen Türken auch hinterbracht. Aber bald darauf starb der tapfere Mann im harten Ausfall der Unsrigen. Sehet, wie er annoch im Todsschmerz den rechten Fuß in die Höhe hebet. Der dahinter steht im grauen Waffenrock und mit dem Schwerte dräuet, bin ich, und hier daneben der Mann in dem violfarbenen Birett, ist Eur alte Ohm, Georg v. Hager, mein lieber Lehrer, welcher ein Thumbherr bei St. Stephan und Hofcaplan des Kaisers Matthias ware. Sehet der werdige Mann hat sein Brevier ufgeschlagen, und leset Ihr dort mit güldenen Buchstaben die güldenen Worte des heiligen Johannis: » beati mortui, qui in domino moriuntur.« Selig die Todten, die in dem Herrn sterben. Offenbarung 14, 13.
Als solche Ehrerbietung mein Vater und ich gesehen, und wie sauber Alles gewürket war, freuten wir uns, und gab mein Vater seinem alten Waffenbruder einen fast derben Schmatz. Solchen hätte ich nu meiner lieben Braut auch gerne geben, welche bei mir stund und mit vielen Anderen das Bild betrachtete, aber ich schämete mich, es vor den vielen Umständern zu thun, und mit ihr allein zu gehen, schämete mich auch. So kam es denn, daß ich vor der Trau kein einzig Küßlein von ihr gewann. Merke: meine beeden Schwäger, Eustachius und Wolfgang waren meine Trauführer, und hätte die Braut hinwiederum meine beeden Schwestern Mariam und Martham zu Brautjungfern. Aber nach der Trau, als ich ihre Schönheit betrachtete, faßete mir doch ein Herz und zog sie an meine Lefzen, so daß sie also roth und weiß ward, wie die Farbe in ihrem Wappen. Denn wissend: sie hatte ein sammitin Kleid an, mit güldener Ketten um den Hals, Perlen in ihrem gehlen Haar und darüber den Myrthenkranz gar niedlich uf eine Seite gedruckt, item güldene Armspangen an Händen und Schultern. Eia, wie weiß waren ihre marmelen Schultern annoch und wie roth wurden sie flugs gegen das weiße Kleid, just wie die lieblichen Wangen, als ich sprach: nu brauchstu dich nit mehr zu schämen, nu bistu mein liebes Weib, und sie brünstiglich umbhalsete.
Denn sie bliese mir heimliche ein: laß mich, siehe wie Aurora von Pappenheim kichert, es geziemt sich etwan noch nicht.
So hatte nu wohl Männiglich und ich selbsten geglaubet, sie wäre annoch in Allem ein Kind, und ließe mit sich machen, was man wölle; aber bei der Tafel sollte sich gar bald zu meiner und gemeiner Verwunderung aller Gäste ein Anderes befinden.
Denn wie dazumalen, wann 2 oder 3 Menschen versammelt waren, sie nit von Christo, aber wohl von Luthero schwätzeten, so geschahe es auch hie. Und war Einer, Namens Christoph von Lindeck, welcher sprach: die ganze Wittenbergische Priesterschaft wär ein versoffene Rott, und der Lutherus der ärgste von Allen. Darüber wurd der halbe Tisch strittig, aber mein Lindeck sprach: er hätte von einem Krüger in Wittenberg, der annoch ein heimblicher Christ wär, und Leonhard Köppen hieß, in sichere Erfahrung gezogen: daß der Lutherus ein groß, bunt Wappenglas hätt, so er sein
vitrum catecheticum sive catechisticum
Von diesem chatechetischen Becher Luthers berichten seine eignen einfältigen Lobredner, sowohl Rebenstock als Matthesius. Die nachfolgenden lateinischen Verse dürften dagegen, da sie katholischerseits angeführt werden, als wirklich von ihm herrührend noch in Zweifel zu ziehen sein. Daß der große Reformator öfter wirklich besoffen war, scheint er selbst in folgenden Worten zu gestehen: kann mir unser Herr Gott
das schenken, daß ich ihn wohl 20 Jahr gekreuzigt und gemartert hab mit Meßhalten; so kann er mir das auch wohl zu gut halten, daß ich bisweilen ein guten Trunk thue ihm zu Ehren, die Welt lege es aus, wie sie wolle. (Tischreden, Eislebensche Ausgabe
fol. 33 a. Frankfurther
fol. 24. a.)
Von diesem traurigen Zustande des dritten Elias, wie man ihn nannte, zeugen auch nicht blos manche echt wahnsinnige Aeußerungen in den sauberen Tischreden, sondern zugleich die Steinschmerzen, von welchen er an dem traurigen Abend seines Lebens gefoltert wurde, so daß er den Stein seinen
Scharfrichter nennt (an Amsdorf 9. Juli 1545) und demselben unterm 19. August desselben Jahres meldet: daß sein Zustand zwar leidlicher sei, er aber von einem unerträglichen Durst gequält werde. De Wette a. a. O. S. 747 und 757.
Ein Mehreres später, und hier nur noch die Bemerkung, was den eben erwähnten Becher des Heracles anbelangt, daß Alexander so einen großen Pokal nannte, kurz vor oder nach dessen Genuß er gestorben sein soll.
Curtius lib. X. cap. IV. Marrob. in Saturn. V. ep. XXI. benamset, und worauf der Glaube,
das Vater unser und die zehn Gebot mit güldenen Buchstaben zu lesende. Von selbigem Wappenglas berühme er sich, daß es Niemand austrinken könne, denn er, wie Niemand den Bogen des Herkules spannen gekonnt denn der Held alleine, item wie Niemand den Becher des Herkules austrinken können, denn der große Alexander; Magister Philippus käme nit einmal mit dem Glauben zu Ende; Dr. Pommer käm nur immer bis an die 6te Bitt: führe uns nit in Versuchung, und Dr. Jonas söff zwar das 6te Gebot noch aus: du sollt nit ehebrechen, aber weiter käme Niemand nicht. Nur Lutherus söff
den Glauben, das Vater unser und die zehn Gebot,
summa summarum die ganze Kalteschale in eim Athem in seinen dicken Wamst hinab, hätte dazu auch folgend lateinisch Liedel gemacht, so er zu singen pflege:
Si vino te impleveris
donnire stalim poteris,
et post somnum ventriculum
vino implere iterum,
nam Alexandri regula
praescribit haec remedia.
Das ist:
Wenn du gefüllet dich mit Wein
So kannst du balde schlafen ein,
Und wachst du uf, so schmier den Hals
Dir nur recht tüchtig abermals,
Denn
Alexandri regula
Schreibt für dir dies'
remedia.
Item habe er sich oftermalen berühmet, daß er Magister Eisleben muthig unter die Bank und wieder herfürgesoffen. Tischreden. Eislebensche Ausgabe fol. 624. a. Frankfurter fol. 445 a Dresdner fol. 515. b. Dieses verredete aber der halbe Tisch, und daß kein frömmer und rechtschaffener Volk erfunden würd, denn der Lutherus und die Wittenbergischen Prädicanten.
Als solches mein liebe Braut ein Weil mit angehöret, neigete sie mit dem Myrthenkranz an mein Ohr, und bliese mir ein: lieber Mündel, bitte doch die Herren, daß sie von andern Dingen reden, denn von dem heillosen Ketzer; es verdreußt mich fast! –
So zauderte ich noch, und hube der von Lindeck abermalen an von der Käthen, Luthers Ehefrau, zu erzählen, und wie viele Mitesser selbiger bei der sauberen Nonnen gehabt, als sie plötzlich ufsprang, winkele und also sprach:
Feste und gestrenge Herre, ich hab eine Bitt: versäuret mir nit meinen Ehrentag mit dem Sauerteig des blinden und bösen München, sondern sprechet von anderen Dingen; es verdreußt mich fast!
Als sie solches geredet, belobeten sie Etliche, aber Etliche lacheten aus voller Kehlen, worauf der alte Ditrichstein sprach: der Handel mit Luthero ist doch nit so sauer liebe Jungfer, als Ihr vermeinet. Höret ihr Herren: Ihr wisset, daß ich immerdar die Wittenbergische Sekt verachtet; aber je mehr ich die Bibel las, je hinterdenklicher bin ich worden. Item, je älter ich werd und zu meiner Abfahrt mich rüste, kommt mir nichts tröstlicher für, denn daß der barmherzige Gott uns unsere Sünden nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir gethan haben, sondern alleine umb seines lieben Sohnes Jesu Christi willen, vergeben wölle. Denn werdet nur so alt, liebe Herren, als ich bin, so werdet Ihr von einem Morgen in den andern immer mehr fühlen, wie die Sündenlast uns drücket. Darumb acht ich, der Lutherus möge leben wie er wölle, sein Sach ist am Ende doch gerecht, und wann ich nur rein Wasser hab, sofern mich durstet, was liegt daran, ob ichs in eim güldenen, ob ichs in eim hölzernen Gefäß überkomme? Und hat unser Herr Gott nicht selbsten in der Schlacht bei Nordheim das hölzerne Gefäß gerechtfertiget und das güldene verworfen?
Ueber solche Sag wunderte sich Männiglich, und auch ich selbsten ward hinterdenklicher als ich jemalen gewest, inmaßen Niemand mehr die alte Kirch bis dato vertheidiget, denn mein Dietrichstein, deme mein Vater nu gleich für Freuden die Faust über den Tisch entgegenreckete und sprach: das war wohl geredet; ich verspüre auch, was uns das Alter von unsern Sünden erzählet; lasset die Andern nur erstlich so grau werden, als wirs sind, so werden sies auch verspüren.
Und sollte nu widder das alte Liedel anheben, als ich entwahr wurde, daß mein liebe Braut nit aß, obschon sie käuete. Achtete anfänglich nicht darauf; doch als die Laufjungen ihr jeden Teller widder mit der vollen Speisen wegnahmen, kam mir das Ding seltsam für. Wartete aber bis der Braten kam, von welchem ich von der Klausen her wußte, daß sie ihne fast gerne äß.
So lagen nu drei Fürschneider vom Adel wie es der Brauch ist, mitten im Pallas uf den Knieen, halb roth, halb schwarz gekleidet, und schnitten allerlei Bratenwerk für, so sie dem Truchseß, und dieser denen Laufjungen überantworteten.
Da nimmt sich meine Liebste zwar auch widder ein Stück vom Rehe, rührt es aber mit nichten an, obschon sie käuet, und von der Schooß mit der Hand zum Munde fähret.
Darum greif ich nu in ihren Schooß und werde gewahr, daß sie drinnen ein Stück ganz schwarzen Brodes hätt, welches sie in Bißlein gebrochen, und daß es sothane Bißlein gewest, so sie inzwischen immerdar gekäuet. Daß sie keines Weins nießen wollen, sondern immer Wasser genippet, hatt ich nicht in sonderlichen Betracht gezogen, anerwogen es der Brauch vieler Jungfern ist.
Aber jetzt rief ich für Verwunderung aus: was ißestu da? worauf sie mir widder heimblichen einbliese: lieber Mündel, sag um Gottes willen keinem Menschen Nichts; ich faste. –
Aber ihre Mutter, Frau Eugenie, welche überall herumtrippelte und einstheils den Truchseß, einstheils die Laufjungen zur Eile trieb, hatte das Wort auch gehöret und sprach: bistu toll geworden; du fastest, sagestu? warumb fastest du? mit welchen Worten sie auch in ihre Schooß niedergriff und die schwarzen Brosamleins herfürlangete. Wo hastu dieses Brod her? In ganz Murstätten ist nit also schlechtes Brod, und nießet heute ein jeglicher meiner Unterthanen weißes Brodes. Die Dirne ist Ihrer nit bei ihren Sinnen, sage, wo hastu das Brod her?
Sie hätt sichs von einer fremden Bettlersfrau erbeten, und ihr davor ein Stück Kuchen bescheeret.
Aber warumb sie faste, welche Braut, so bei gesunden Sinnen, an ihrem Hochzeitstage faste?
Es wäre heute der Tag, wo der gute Ohm immer gefastet und mit vielen Thränen gebetet, auch gesprochen, daß er an diesem Tage mit seinem Heiland gekreuziget worden, und wie sie darumb nit essen könne, wo ihr zweier Vater, wie sie wüßt, in der Klausen den ganzen Tag auf seinen Knieen lag, und fastete und weinete.
Als solches Frau Eugenie hörete, ward sie erstlich blaß wie ein Kalk und schwankete also, daß sie sich an eim Stuhl halten mußte, gerieth aber alsbald in einen steifen Zorn und schriee als laut sie konnte: sie sage ja, die Creatur müsse närrisch worden sein; ob sie gleich essen wölle, oder nicht?
Solches hörete aber auch ihr Vater, der alte Georg, wollte darumb auch wissen, was fürginge, worauf die Mutter wieder schriee, daß es Männiglich hörete:
Stellet Euch für lieber Ehewirth, die dumme Dirne fastet heute, und genießt keines Bißleins, als dieses schwarzen Brodes (so sie in die Höhe hub), weil ihr alter Ohm heute in seiner Klausen auch Fasttag hat, wie sie vermeinet.
So brach nu der größere Hauf in ein laut Gelächter aus, und Männiglich bat sie, doch die Grillen fahren zu lassen und zu essen. Aber es war vergeblich; und wie sehr ich sie selbsten bate, so vermochte ich nit ihren Willen zu brechen, denn sie hätts gelobet, sprach sie: dieser Tag sölle Zeit ihres Lebens auch vor sie ein Faststag sein, wiewohl sie nicht wisse, was den guten Ohm einst so hoch an selbigem bekümmert. Saß und weinete, was Frau Eugenien abermalen also verdroß, daß sie sprach: ich sölle mir nur bei Zeiten einen guten Kreuzdorn schneiden. Sie hätts mir genug gesaget, und nu säh ich selbst, schon auf der Hochzeit, daß es Noth thät.
Solche Sag verdroß aber mich widder gar heftiglichen, dieweilen ich wußte, wie das Ding mit ihr und dem guten Klausner geschaffen war; darumb gab ich zur Antwort, als barsch ich konnte:
Was das Kreuz anlanget; so wird es mein liebes Weib schmecken, wie es unsre Väter und Mütter geschmecket haben, und es die Ordnunge des gerechten Gottes ist; was aber den Kreuzdorn anbetrifft, so wird sie ihne nimmer schmecken, und thäts wohl Noth, daß mancher Andere ihn schmeckete oder geschmecket hätte.
Von dieser Stund an wurd Frau Eugenie auch mir gram, und hatt ich dem ganzen Tisch ein Maulkorb angeleget; bis letzlich Herr Georg sein Tochter entschüldigte und sprach:
Ihr Herren, haltet meiner Tochtern die kleine Narrheit zu gute, und lasset Euch nicht in Eurer Freude stören. Ihr wisset, sie ist als ein Nonn auferzogen; darum lasset sie noch heute als Nonne laufen; ich verhoffe, sie wird die Nonnenschuh bald in den Winkel stellen. Uns aber anlangende; so wollen wir lustig sein, und ein Gaukler, der sich vermessen sein Büblein bei 10 Jahren alt, lebendig aufzufressen und nachgehends widder auszuspeien, lieber gleich allhie seine Künste machen lassen, damit wir zu lachen han, und uf andere Gedanken kommen.
Solches war allen Gästen angenehme, und trate alsbald ein Kerl von etwan 40 Jahren in den Pallas, nit gar zu groß, mit rothem Bart, ein Kagel mit Schellen auf seim Kopf, tanzete wie die Narren pflegen, griff in sein Tasch, zog eine Hand Weizenkörner herfür, item die zwete Hand voll Gerstenkörner, verstreuete sie uf den Estrich und sprach: ein Jeglicher müge sich ein Körnlein aussuchen: er wölls jedesmal rathen, waserlei Körnlein er sich in Gedanken genommen. Und als er das Ding ein Weil zu aller Verwunderunge getrieben, bate er ehbevorn er seinen Jungen fräß, erstlich um einen guten Trunk rothes Weins. Denn es wär doch ein schwer Tugendwerk einen Jungen überzuschlucken wie der Storch einen Frosch, und müß er sich zu selbigem erst die Kehle schmieren. Ob er etwan den großen Schauer von seinem venedischem Glas nehmen könne, so dorten mit Wein uf dem Tresor Etwan das, was heut zu Tage Servante heißt, aber in der Form eines Altars. Scheible: die gute alte Zeit 1, S. 707. stünd?
Doch als Herr George ihme solchen reichen wollte, sprach er: mit nichten. Ich bin ein zu fürnehmer Herr, als daß ich dem Schauer die Ehre thät, zu ihme zu kommen, der Schauer muß zu mir kommen. Stund und schnalzete, worauf der Schauer zu noch größerer, gemener Verwunderung von sich selbsten anfing weiter zu rucken, mit jedem Ruck etwan 3 Zoll, in währendem der Kerl immer mit dem Maul schnalzete und mit dem Goldfinger der linken Hand winkete. Als mein Schauer letzlich auf die Ecke des Tisches kommen, erhob Frau Eugenia ein Angstschrei, aber er fiel mit nichten zur Erden, ruckete in der Luft zu gleicher Höhe wie er angehoben, wunderlich weiter, bis er an den Goldfinger kam, worauf der Gaukler ihne in eim Schlurf aussoff und darauf an die Wand warf, daß er in 5 oder 6 Stücken zubrach; da schrie Frau Eugenie abereins in die Höhe. Aber auch mein Schwieger, Herr Georg ward zornig, ging mit der Faust auf den Gaukler los und rief: du Bösewicht, was hastu gethan! der Schauer ist mehr werth, als du und all dein Bubenwerk, worauf der Kerl zur Antwort gab: hei, das wollen wir sehen, ob ich mehr werth bin oder der Schauer, hierauf die Stücken aufhob und sie klingende also zusammenfahren ließ, daß der ganze Schauer widder gesund ward, und auch nicht das kleinste Schrämmlein daran zu sehen war, obschon ihn ein Jeder betrachtete, und er von Hand zu Hand ging.
Darum sagte Männiglich, daß er niemalen seines Gleichen von Gaukler nicht gesehen; aber die gemeine Verwunderung sollte noch mehr wachsen, als er in Wahrheit seinen Sohn fraß. Selbiger war ein rothebackiger Bub bei 10 oder 12 Jahren, und an der Thür des Pallas stehen blieben, allwo er an eim Stück Kuchens käuete, so ihme Frau Eugenie geben. Darumb rief sein Vater ihne näher, gebot aber, ehe er das Tugendwerk anhüb, sölle man ihm erstlich einen Kübel reines Wassers bringen. Inzwischen wollte nu ein Jeglicher wissen, ob es wirklich ein lebendiger Junge wär, darum befühlete ihn Männiglich; aber es war und blieb ein lebendiger Junge.
Als nu letzlich der Kübel gekommen, griff er seinen Buben, der etwan gar nit sich sträubete, weder schriee besondern lachete und ruhig seinen Kuchen weiters fraß, bei den Armen, sperrte das Maul auf und hub an ihne beim Kopf niederzuwürgen, wie der Hund ein großen Knochen, so daß er den Hals bald rechtes und bald linkes drehete, ihme die Augen von der Arbeit weit aus dem Kopfe quollen, er braun und blau ward, und der Athem ihme mehrmals versetzete. Also fraß er den ganzen Jungen bis auf die Schuche auf, so er ausspiee und rief: pfui, damit ist der Schelm im Pferdestall gewest! Klopfete sich hierauf uf seinen dicken Bauch, der ihme bis an die Kniee herabhing, thät etliche Sprung, und erbrach den Jungen nunmehro wieder von sich in den Kübel Wassers, also daß er mit den Füßen zuerst widder herfürkam, und so gemach weiter, bis er lachende in das Wasser plumpte, worin er sich badete, dieweil er über und über blau von Rothwein war, so der Vater eben gesoffen. Gegen die Gaukler und Taschenspieler des Mittelalters sind die unsrigen Kinder, wie noch heute gegen die indischen. Alle oben gegebenen Beispiele sollen auf historischen Thatsachen beruhen. Man nannte dies die ars praestigiatoria die »Verblendungskunst,« wie der Bauer noch jetzt die ihm unbegreiflichen Stückchen der Taschenspieler dem »Augenverblenden« zuschreibt. Man sehe unter andern den Delrio disquisit. mag 1. fol. 36 ff. Als Zaubereien wurden dergleichen Künste, sobald sie Niemand schadeten, selten angesehen und bestraft. Wie solches zuginge, wußte Niemand, und ward Allen grauen, worauf ihn ein Jeglicher nach Vermögen gab, damit er nur ginge, und ihne etwan auch nit auffräß.
Alsbald wurde ufgestanden und gingen die alten Herren, worunter auch mein Vater war, in die Trinkstube, allwo ein groß Gesäufte begann; das junge Volk aber uf den Tanzboden, alle gefreiet und ungefreiet, Männer und Weiber mit Kränzen, so mit güldenen Bändern durchflochten.
So sollte nu auch mein lieb Weib tanzen. Aber sie entschuldigte sich, daß sie nur mit dem Buchfink und der Drossel gelernt im grünen Walde tanzen; und kam ihr bald das Zusehen langweilig für, neigete darum widder ihr Haupt zu mir und sprach: lieber Mündel, laß uns ein Weil in den Wald gehen. Doch als ich zur Antwort gabe: mein Herz, das geziemet sich nicht! sprach sie betrübet: ach, so lerne ichs im Leben auch nicht, was sich geziemet; darf ich denn nu nimmermehr mit dir in den Wald gehen?
Sprich ich: so oft und viel du willt, aber nur heute nicht, ansonst die Gäste bald darüber ihr Gespötte treiben würden.
Solches ging ihr bei, und freuete sich, daß sie nachgehends wieder mit mir in den Wald gehen sölle, lachete und schwätzete darum wieder frisch mit den andern Weibsen, bis Mitternacht fürüber. Da trat alsbald ein Hauf Matronen zu ihr heran, fürauf Frau Adelheid von Harrach, ihre Pate, knickbeinete und sprach:
Jungfer Braut Ihr seid gebeten,
Jetzt ins Ehebett zu treten;
item trat der alte Franciscus Dietrichstein mit vielen Männern zu mir, griff auch mein Faust und sprach ebenmäßig:
Herr Bräutigam Ihr seid gebeten,
Jetzt ins Ehebett zu treten.
Und kann nu Männiglich vor sich selbsten abnehmen, daß wir beede gleich wie Scharlacken wurden. Aber deß achtete Niemand; die Musicanten tuteten bereits fürauf, und mußten wir dem gemeinen Brauch folgen. So hätte aber Frau Eugenie das Schlafzimmer gar herrlich eingerichtet. An die zweinzig Wachslichter und mehr brannten drinnen, und ein gar süß Gedüfte von Pomis Ambrae etc. wallete uns daraus entgegen. Just in der Mitten stund das Ehebette, so der Priester allbereits geweihet. Selbiges war mit seidinen Umhängen; die Leibtücher von der besten Leinwand, die Kissenziechen uf das Stattlichste vernähet, also daß in einer Ecke immer mein Wappen, in der andern Eck hergegen ihr Wappen war, mit allen Helmen, Schilden und Farben. Ueber das ganze Bette war aber ein großer, rother türkischer Teppich gebreitet, so von allen Seiten niederhinge. Als nu die Matronen unser Ehebette genugsam betrachtet, befühlet und bewundert, sprach Frau Adelheid abereins, in währendem die Musicanten vor der Thüren tuteten:
Jungfer Braut Ihr seid gebeten,
Jetzt ins Ehebett zu treten,
ihr ein Fußschemmel hinschiebende. So zitterte das arme Dirnlein am ganzen Leibe, legete sich aber geruhlich, als lang sie ware, uf den rothen Teppich, die Hände, so mit weißen Schuhen, mit Seiden und Perlen vernähet angethan waren, mit eim Rösel in der rechten dicht an ihren Leib haltende, ebenso die Füße, so Schuhe mit güldenen Schnäbeln Ein Vorzug des weiblichen Adels. Als er nebst den Rockschlerpen in Bern abgeschafft werden sollte, wurde dadurch 1470 ein Aufstand erregt. Darum erhielt sich dieser Gebrauch noch länger als ein Jahrhundert in der Schweiz und den umliegenden Ländern. Scheible a. a. O. 719 vergl. 697. hatten, steif an das Fußbrett setzende. Aber für Schaam hielt sie die Augen geschlossen, und das Herze schlug ihr also, daß die güldene Kette um ihren Hals zitterte und bebete.
Nu kam die Reih an mich. Denn nachdem als Herr Franziscus die obigen Wort auch gegen mich wiederhohlet, mußte ich auch über den Fußschemmel aufs Bette, und war ich nicht roth gewest, so fühlte ich, daß ich jetzunder roth wurde. Streckete mich also in meim weißen Rock neben sie, und dieweilen ich auch ein Myrthenkranz aufhätte, so zitterte mein Myrthenkranz an ihrem Myrthenkranz. Item hielt ichs vors Beste es ihr nachzuthun, und verschloß ebenmäßig die Augen und thät, als wenn ich schlief. Darüber lacheten nu alle Umständer, Männer wie Weiber, und sprach Frau Adelheid: wer ist nu rother, Er oder Sie, oder der türkische Teppich, auf den sie niedergekrochen?
Und als sies gesaget, schlug sie besagten Teppich von allen Seiten über uns Beede ein Weil zusammen, und die Musici mußten wackerer ufspielen und tuten, worauf sie ihne widder auseinanderfaltete und sprach:
Das Beilager ist geschehen,
Wir habens All gesehen;
Nu möget Ihr widder ufstehen!
worauf sie meine liebe Braut, und der alte Franciscus mich bei der Schulter wieder aufrichtete.
Am anderen Morgen bekämen wir eine gar stattliche Morgengabe von den Gästen, und will ich nur Etliches notiren, so ich noch im Kopfe hab, damit Männiglich wisse, wies seine Vorfahrer gehalten:
1) Frau Adelheid bescherete uns ein Uhrwerk, fürstellend eine Gondel, in welcher ein Venetianischer Nobili mit seiner Dame saß, so die Zitter spielete. Selbige Dame hatte einen güldenen Mond uf dem Kopf, so den Wechsel des Gestirnes gar künstlich fürbildete. Wenn das Uhr die Viertel schlug, schlug sie ebenmäßig dem Nobili so viel Ohrfeigen, als Viertel, und wenn das Uhr voll schlug, verkehrte mein Nobili grimmig die Augen, und gab ihr just soviel Faustschläg widder in den Rücken, als Stunden waren. Ein gar sauberes Werk aus vergüldetem Kupfer;
2) der alte Franziscus Dietrichstein brachte ein Decher gegerbter Rehhäute; auch nit zu verachten;
3) Leonhard von Harrach die Scripta Lutheri, so er streuens hin und her ausgehen lassen, und gar säuberlich gebunden; war der jungen Frau ein Gräuel; doch sagete sie Nichtes;
4) meine beeden Schwäger brachten allerlei gemalte Fenstern, auf welchen biblische Historien benebst unserm Wappen stunden, wie sie annoch in der Burg zu Altensteig zu schauende;
5) Clothar v. Pätting, ein kostbare Zobelschaube vor meine Frau, so sie sich gleich vor Freuden umbthät;
6) Philipp von Scharrnberg ein großen Topf Honig und 20 [Pfund] Wachs;
7) Andreas von Siegersdorff ein schönen polnischen Hengst.
Was sonst an Silberzeug, als Löffeln, Pocalen, Messern, Tellern etc. gegeben ward, hab ich schon widder aus meinem Kopf gekriegt, ist hier auch nit Noth weiters zu erwähnen. Vergleiche über diese Darstellung der Hochzeitsfeierlichkeiten insonderheit: Johannes Voigt Fürstenleben und Fürstensitte im 16ten Jahrhundert, in von Raumers historischem Taschenbuch 2ten Jahrgang. S. 203 ff. Daß der reiche Adel der damaligen Zeit alle diese Sitten nachahmte, bedarf kaum der Erwähnung, und geht auch aus dem Leben des Ritters von Schweinichen klar hervor. Vergl. insonderheit I, 319.