Emerenz Meier
Aus dem Elend
Emerenz Meier

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7. Kapitel

Am Abend des Johannisfestes herrschte auf den Bergen ein fröhliches Leben. Um die aus Tannenästen und Fichtenzweigen aufgerichteten Hügel tanzte die Schuljugend der Dörfer. Die Wälder widerhallten von Jauchzern und Pistolenschüssen, von den vielstimmigen Gesängen der Burschen und Mädchen. Das würdige Alter lagerte an den Feldrainen und ergötzte sich an dem lebensfrischen Nachwuchs und gedachte der Zeit, zu der es selbst mit gleicher Lust die Sonnenwende gefeiert.

»Am höchstn sind halt doch wir heuer!« rief ein Bursche auf dem steilen Sölling hinter Kaltwasser in selbstbewußtem Ton seinen Kameraden zu.

Und er hatte recht. Der Sölling überragte wohl zwanzig der ihn umringenden Berge, man konnte von seiner Spitze aus einen beträchtlichen Teil des Waldlandes überschauen.

»Des muaß schön wern, wenn amal alle Feuer außi und außi brinnen«, sagte ein anderer. »Des unsere möcht i jetzt schon anzendn, damit wir als die erstn des Zeichn gebn kunntn. Wenn nur der Reutbauer kam, er bleibt ewig lang aus.«

105 »Na, müassn wir denn grad auf ihn wartn?« fragte ein dritter etwas unwillig.

»Freilich tuan wir's. Es möchtn sunst beleidigen. Aber wenn i recht seh, – da kimmt er ja schon herauf über d'Höh!«

»Ja er ist's, er ist's! Jetzt kann's losgehen, Buam!« riefen die Burschen in lebhafter Bewegung.

Einige zogen ihre Pistolen und feuerten sie gegen den Reisighügel ab, aus dessen Spitze die lange Stange mit dem KönigDer König ist eine mit bunten Lappen und Flitter gezierte Strohpuppe, bei deren Aufgehen in den Flammen die Sonnenwendfeier ihr Ende erreicht. Ursprünglich wird sie wohl die Darstellung des Wodanssohnes und Lichtgottes Balder auf dem Scheiterhaufen sein, wie ja die ganze Feier bekanntlich nichts anderes ist, als das Balderfest unserer heidnischen Vorfahren, das sich, wie noch so manche ihrer Bräuche, bis in die christliche Jetztzeit herein erhalten hat. emporragte.

Gottfried hatte die Höhe erklommen und schritt nun, zum Gruße den Hut schwingend, herbei.

»Anzendn, Reutbauer, anzendn!« tönte es ihm von allen Seiten entgegen.

Er blickte prüfend in das Land hinaus, das die Dämmerung schon zu überweben begann, während im Westen die letzten Streifen der Abendröte verglommen.

»Habts ös Besn?« fragte er dann die herandrängende Knabenschar.

»Ei ja, hundert für oan!« war die fröhliche Antwort.

»So zendts an, aber schön untn in der Mitt!« befahl er.

Jubelnd und schreiend stürmten die Knaben dem grünen Hügel zu. Gottfried und die übrigen folgten langsamer.

Alles, was sich an Leuten auf dem Sölling befand, erhob sich, um das Aufflammen des Feuers zu beobachten. Die Jungen machten ihre Sache gut, denn sie krochen mit dem Fackelbrand unter den Reisighaufen, wo sie ihn einsetzten.

Es währte nicht lange, so brach sich eine rotgelbe Lohe durch die duftende Nadelmasse, die bald von dichten Rauchwolken umhüllt war, um sich endlich als ein brennender, sprühender Hügel zu entpuppen. Die Flammen stiegen lotrecht empor und warfen ihren Schein auf die hohen, alten Tannen des 106 Söllingwaldes, dessen ernstes, feierliches Rauschen mit seinem düsteren Aussehen übereinstimmte.

Vor, unter und neben ihm aber, welches Leben!

Die Knaben hatten ihre an langen Stielen befestigten Besen in Brand gesetzt, mit denen sie nun prozessionsweise den steilen Hang auf- und abliefen, Flammenräder schlugen und andere feurige Figuren bildeten. Von Zeit zu Zeit machten sie einen Ausfall nach den fröhlich umherwandelnden Mädchenscharen, die dann mit Geschrei und Lachen auseinanderstoben. Die Burschen sangen zu den Weisen einer Ziehharmonika, daß es im Walde widerhallte.

Als hätten die Nachbarn ringsum nur auf das Zeichen vom Sölling gewartet, so lohten plötzlich an die zwanzig oder dreißig Feuer auf, die waldige Gegend wundersam beleuchtend.

Und überall die gleiche Lust, das gleiche bewegte Schauspiel.

Gottfried hatte sich einige Zeit bei den Kameraden aufgehalten. Jetzt aber entfernte er sich von ihnen. Langsam umschritt er das Feuer und schickte seine Blicke suchend nach allen Seiten. Lange wanderte er so hin und her: bald horchte er gespannt auf, halb senkte er mißmutig den Kopf, bis ihm plötzlich eine hellklingende weibliche Stimme zurief:

»Wen suachst denn, Gottfried?«

»Dich net«, murmelte er heimlich, geärgert, wandte sich aber trotzdem um und trat auf die Fragerin zu.

Sie saß mit noch zwei Mädchen neben einer Haselhecke, doch so, daß nicht deren Schatten, sondern der grelle Schein der Flammen auf ihre kräftig gebaute, üppige Gestalt fiel. Ihre braunen Augen blitzten den Burschen keck und lustig an.

»Mich kannst net gsuacht habn, du Schlauer«, sagte sie, »weilst es oafach net gwißt hast, daß die Greininger Resie von Roßberg zum Sunnawendfeuer aufn Sölling geht. Na, i frag dich net weiter und verlang nur, daß d' dich a weng zu uns her sitzt und uns Gsellschaft leist. Die Dirndln vom Kaltwasser mögn uns net leidn.«

»Die welchen denn?« fragte er.

»Alle, bsunders aber die Reutbauer Itta.«

»Und warum denn die?«

»Mein Gott, i woaß's auch net«, sagte Resie ungeduldig. »I hab ihr noch nia was tan, hab s' sogar ganz gmüatlich 107 angredt vorhin, aber da ist s' davongangen, als wenn's ihr net der Müh wert war, mit unserein'm z'dischkuriern

»Was hast denn gsagt zu ihr?« fragte Gottfried abermals. Er hatte sich schon seit langem nicht mehr so zur Bosheit aufgelegt gefühlt, als eben jetzt.

Sie wurde noch ungeduldiger.

»Mei Himmel, was du alles wißn muaßt! – Gfragt hab i sie, ob 's ihr wohl recht is, daß i auch da bin und ob – – aber i bin narrisch gnuag, wenn i Dir alls auf d' Nasn streich! Du tuast es auch net.«

»Na, i net«, bestätigte er, sich an ihrem Ärger weidend.

»Du bist ganz a Hoamtückischer, des woaß i schon lang.«

»Und magst mi doch.«

»Mir scheint, er will dich heut positiv auftreibn«, mischte sich Resies Schwester, die rotwangige Lois, in das unerquickliche Gespräch. »Dann kränkts uns aber, daß wir so weit ganga san; wir hättn dahoam auch a Sunnawendfeuer ghabt.«

»Es is wirklich dumm, des«, nickte Gottfried, der im Stillen den Vorsatz gefaßt hatte, sich durch groben Spott von der ihm heute durchaus unerwünschten Gesellschaft loszumachen. Er hatte die hellgekleidete Gestalt Ittas in der Ferne erblickt und es zog ihn unwiderstehlich dorthin.

»O bild dir's nur net ein, daß i z'wegn deiner her bin!« fuhr Resie zornbebend auf. »Es wär mir load, wennst dir das denkertst, weilst dich groß täuschn tatst.«

»Und zwegn wem bist denn nachher da, Resie?«

»Des geht dich nix an.«

»Na wahrhaftig nix, du hast recht. Guat Nacht.«

Er sprachs und schritt in hochmütiger Haltung von dannen, während die Mädchen in einen Sturm der Entrüstung ausbrachen.

»I kann mir's schon denka«, rief Resie fast außer sich, »i kann mir's schon denka, was und wer da dahinter steckt. Neamd anderer, als wie die verächtliche Böhmin, die d' Burgl aus Gnad und Barmherzigkeit aufgnumma hat, und die sich mit ihrer scheinheilinga Larvn bei allen einschmeichelt.«

108 Itta lehnte ganz allein an dem Stamm einer alten Fichte und blickte sinnend auf das bewegte Treiben. Obwohl sie sich, wenigstens in dieser Stunde, nicht gerade unglücklich fühlte, wäre es ihr doch unmöglich gewesen, daran teilzunehmen, mit den andern zu jubeln und zu scherzen.

»Ich passe nicht darunter«, sagte sie sich mit trüber Ergebenheit, »und werde drum wohl immer einsam und allein bleiben müssen.«

Dann dachte sie an Burgl, deren Schicksal noch härter war, als das ihre. Auch sie hatte seit dem Tod ihres Mannes nichts mehr gehabt von den Freuden des Lebens. Jetzt lag sie schon mondenlang krank darnieder, die ohnehin Schwergeprüfte. Wenn auf dieser Erde jedem Menschen sein gleiches Maß von Glück zugemessen wäre, wie sie es in irgend einem Buche gelesen hatte, wo war wohl das ihre geblieben?

»Nein«, dachte sie, »der eine hat viel, der andere wenig und die Burgl und ich sind bei der Teilung zu kurz gekommen.«

»Itta, bist noch da?« tönte Gottfrieds Stimme hinter dem Baum.

Sie fuhr erschrocken herum und es dauerte ziemlich lange, ehe sie antworten konnte:

»Ja, Gottfried. Gehn wir etwa hoam?«

»Jetzt grad noch net, ich möcht dir noch a Zeitl Gsellschaft leistn.«

»Du mir?« – Das klang so verwundert, ja bestürzt, daß er lachen mußte.

»Dir kimmt des so gspassi vür? Wenn i aufrichti sein will, mir selber auch, aber es is so. I hab dich schon lang gsuacht.«

Da redete er offenbar die Unwahrheit, denn sie hatte ihn doch vor kurzem noch bei den Greiningertöchtern stehen sehen. Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, fügte er hinzu:

»Ja, i hab dich gsuacht. Derweil is mir vorhin d' Resie in Weg kommen und hat mi wider Willn aufghaltn. Jetzt aber bin i firti mit ihr.«

Itta verstand den wahren Sinn seiner letzten Worte nicht. Gleichwohl sagte sie mit erzwungenem Lächeln:

»Des is aber schnell gangen!«

»Schnell? Ja, in der Hauptsach freilich. Aber i hab mich schon lang mit dem Vorsatz tragn, daß i an End mach. Liab 109 is mir des Dirndl nia gwesn und seit a gwißn Zeit kann i 's vollends nimmer leidn.«

Jetzt erst begann Itta zu begreifen, was eigentlich geschehen. Sie schaute fast furchtsam auf in sein ruhig lächelndes Gesicht.

»Du hast dich also ztragn mit ihr?«

»I net. I hab ihr nur ganz gmütlich abgsagt. Wenn sie sich ärgern will, – mir liegt nix dran.«

Da sie nichts mehr erwiderte und, wie er vermeinte, teilnahmslos auf das Feuer blickte, begann er von anderem zu sprechen.

»Hast du denn doch von der Burgl furtkinna heut?« fragte er.

»I hätt mir's net verlangt. Aber in dem Glaubn, es möcht mi's Dahoambleibn hart ankemma, hat sie nimmer zu penzn aufghört, bis i mit der kloan Dirn auf'n Sölling gstiegn bin. Die Große wacht derweil bei ihr.«

»Da hat d' Burgl auch recht ghabt. Es wär doch schad, wenn man in der Sunnawendnacht in der finstern Stubn sitzn müaßt. Schau nur umeinand, was das für a Pracht is! Soviel Berg, soviel Feuer, dazu des Singa und Juhetzn, des Holzbäum. und Bachrauschn und drüber der dunklblau Himmel mit seine Stern. Lacht dir des net auch ins Herz, Itta?«

»Es is wunderschön«, bestätigte sie. »I möcht die ganz Nacht so dastehn und schaun. Nur schad, daß es so bald an End nimmt.«

Er blickte eine Weile sinnend auf die plaudernd vorbeiziehenden Mädchen und dann wieder auf Itta, die ihm heute besonders eigenartig und so ganz anders vorkam als jene.

»I glaub net«, sagte er, »daß unter all denen oane wär, die sich gfreun kunnt, wenn s' so alloa stand wie du. Sie müassn jemandn habn, mit dem s' lacha und scherzn können, während du neamdn brauchst.«

»Du magst wohl auch net lustig sein ohne Gsellschaft?« fragte sie lächelnd.

»Net gern. In der Einsamkeit kemman mir fast lauter traurige Gedanka.«

110 »Des is bei mir meistns grad so. Aber heut – und dazu bin i ja gar net alloa.«

»Ja, jetzt freilich, jetzt sand uns zwoa«, lachte er.

»Drei, denn der Baum in der Mitt, der zählt auch mit.«

Gottfried bemerkte jetzt erst, daß sich Itta ziemlich weit von ihm entfernt hatte und auf der linken Seite der Fichte stand. Diese offenbare Flucht ärgerte ihn, doch kam er nicht dazu, es sie in Worten fühlen zu lassen. Wie sie so dort stand, die schöne Mädchengestalt, umspielt von dem roten Widerschein der Flammen, bannte sie unwiderstehlich seinen Blick. Und als sie ihm endlich freundlich zulachte, verwandelten sich Ärger und Bewunderung in eine Art Wehmut darüber, daß sie nicht an seiner Seite blieb und mit ihm vertraulich redete, wie er es anfangs erhofft hatte.

»Warum gehst mir denn davon?« fragte er.

»I tua's ja net, Gottfried.«

»Freilich tuast du's. Du kunnst dich doch zu mir hersitzn und mehr schwatzn mit mir. Scheuchst mich vielleicht?«

»Dich net.«

»Mich net? Aber wen denn sunst?«

»D' Leut, Gottfried. Gehn wir lieber ans Feuer hin, es is jetzt so lustig dort.«

Er machte keine Einwendung und folgte ihr, zog aber die Stirne kraus, als sie sich zu einigen jungen Leuten gesellte, die sich laut lärmend unterhielten. Es befanden sich die Mädchen von Roßberg dabei, die vermutlich mit der Greininger Resie gekommen waren.

Itta beachtete nicht, daß man sie anfänglich ein wenig von der Seite ansah und ungeniert stellte sie sich in die Mitte der Gesellschaft. Als ob sie Gottfried zeigen wollte, daß sie wohl eine Rolle spielen könnte, wenn sie nur Lust dazu hätte, begann sie mit einer an ihr seltenen Munterkeit in die Unterhaltung einzugreifen. Dabei vergab sie der ihr eigenen Würde nicht das mindeste. Diese flößte Respekt ein, ihr anmutiges frohes Lachen riß unwillkürlich hin und ehe drei Minuten verflossen waren, konnte Gottfried sehen, wie sich die Schar von ihr den Ton angeben und nach Belieben lenken ließ.

»Wißt's, Leut«, sagte sie unter anderem, »daß unser Sunnawend trotz dem Gelärm eigentlich recht tot is. Es ghört noch was drunter. 's Tanzn geht freilich net, weil der Sölling 111 z'holperig is, aber es war vielleicht net amal übel, wenn wir wia kloane Kinder 's Umtreibn anfangen tatn.«

»O ja, da bin i schon dabei!« rief eine junge Dirn. »Tanzen wir den blaua Fingerhuat!«

Alle lächelten über diesen Vorschlag, zeigten sich indessen doch bereit, darauf einzugehen.

Im Nu bildete sich ein Kreis, und die Frage ging, wer sich in seine Mitte stellen wollte. Itta lehnte ab, die junge Dirne aber erbot sich mit Vergnügen dazu.

Burschen und Mädchen faßten sich an der Hand, zogen rund um sie herum und leierten in etwas schulmäßigem Tone:

»Blauer, blauer Fingerhut
Steht der Jungfrau gar so gut.
Jungfrau, Jungfrau, tanz'
Einen schönen Kranz.
Lämmlein, Lämmlein, knie dich nieder,
Knie zu unseren Füßen nieder.
Lämmlein, Lämmlein, steh auf
Und such dir den schönsten Bräutigam raus.«

Hier kniete das Mädchen nieder, erhob sich wieder und sprach:

»Grünes, grünes Gras
Unter meinen Füßen,
Welcher mir der Liebste ist,
Diesen werd ich küssen.«

Ohne sich lange zu besinnen, trat sie auf Gottfried zu und schlug ihn statt des Kusses leicht auf die Hand, worauf er sich in den Kreis stellen mußte.

Das Spiel wiederholte sich in gleicher Weise, nur daß die Benennungen entsprechend geändert wurden. Als er zum Schluß sein Verschen gesprochen hatte, stand er einige Sekunden zögernd still. Dann wandte er sich mit plötzlichem Ruck zu der hinter ihm stehenden Itta, faßte ihren Kopf in beide Hände und küßte sie.

112 Itta wurde purpurrot, ihre Lippen preßten sich fest aufeinander. Sie wollte ein scherzendes Wort sprechen, verstummte aber vor dem in diesem Augenblick ertönenden spöttischen Gelächter, das sie zusammenfahren machte.

Alle Blicke wandten sich nach der Stelle, von der das Lachen gekommen war. Dort stand die Greininger Resie, ein Bild höhnischer Entrüstung.

»Ha ha ha!« lachte sie noch einmal. »Des is guat gwesn! Bei so was wird die stolze, böhmische Itta auch lebendig und lustig. Schad, daß wir hoam müaßn, es wär zu schön. Kommts, Dirndln!«

Die Mädchen aus Roßberg verließen den Kreis und folgten ihr, die übrigen drangen auf die Fortsetzung des Spieles. Da weder Itta noch Gottfried mehr davon wissen wollten, so behalf man sich ohne die beiden, die sich langsam entfernten.

»Was die für a Wuat hat«, bemerkte Gottfried mit schadenfroher Miene; »'s Herz im Leib lacht mir, wenn i an ihr Gsicht denk.«

»Mir net«, entgegnete Itta heftig. »Du sollst es auch net tan habn, des, es wärn ja so viel Dirndln rundumher gstandn.«

»Du bist mir halt die Liabste drunter«, meinte er.

Sie kehrten schweigend zu der Fichte zurück. Gottfried ließ sich auf den moosigen Rasen nieder und beobachtete anscheinend mit großer Aufmerksamkeit, was um das Feuer vorging.

»Schau, jetzt fangt der Kinö zum brenna an!« rief er endlich.

»Ja, – gehn wir hoam, Gottfried. Oder willst vielleicht noch dableibn? – Dann hol i mir die kloa Dirn –«

»Du bleibst auch da und sitzst dich zu mir her«, unterbrach er sie bestimmend. »Hat dich denn die Resie so stark beleidigt, daß dir an allm d' Freud verdorbn is?«

Itta warf den Kopf in den Nacken und sagte stolz:

»Na, die kann mi net beleidinga.«

»Das denk i mir halt auch, Itta. Drum sei a bißl freundlich und sitz dich nieder. Wenn der Kinö gfalln is, gehn wir miteinander.«

Er haschte nach ihrer Hand und zog sie an seine Seite.

113 »Mir is's so zwider da, alloa«, sagte sie im Tone der Verzagtheit.

»Zwider, bei mir? – Das hätt i net glaubt. Kannst mi denn net leidn?«

»Schon, – aber es is wegn den Leutn.«

»Die geht's nix an. I bin neamdn unterworfen und du auch net. Im Vertraun gredt: i veracht s' alle, die da umeinander laufen.«

»Und es ist dir doch von jeher alles an ihrer Meinung gelegen«, dachte sie bitter.

»I paß auf koan Menschn mehr auf«, fuhr er, bei der Erinnerung an den vorhergegangenen Auftritt zornig werdend, fort. »Was i tua, das tua i; wer sich darüber aufregt, den schlag i nieder und den, der dich nochmal beleidigt, auch.« Im Augenblick wieder ruhig, schaute er ihr fast zärtlich in das ernste, stolze Gesicht.

»Warum bist denn so verdroßn?«

Sie zuckte, sich abwendend, die Schultern.

»Gfreut's dich denn gar net a weng, daß i mit der andern an End gmacht hab, Itta?«

»Du moanst wohl, weil wir zwoa uns net leidn kinnen?« mißverstand sie ihn absichtlich.

»Na – auch so. Ist's dir denn net liab? Sag mir's aufrichtig.«

Sie sagte gar nichts und drückte die Hände vor das Gesicht.

»Es wird dir so liab sein, wie es mir gwesn is, daß du den Doktor net mögn hast. I woaß's schon. – Laß dir jetzt ins Gsicht schaun.«

Da sie sich nicht rührte, legte er seinen Arm um ihren Hals und zwang sie so, zu ihm aufzusehen.

»I hab dich ja so gern, Itta, so gern – glaubst mir's denn net?« brach er dann plötzlich aus. »Und du, du hast mich auch gern, gelt? – Sei net stolz jetzt, vergiß die vergangene Zeit und sag mir's, ob dir so is, wie mir.«

»Du woaßt es ja ohnehin, Gottfried.«

Mit einem Jubelruf sprang er auf, zog sie an sich und küßte sie.

»Gott sei Dank! – Jetzt können wir erst hoamgehn, denn des ist's ja gwesn, worauf i noch gwart hab die ganze Weil.«

114 Sie blickten sich stumm und selig an. In beider Herzen lebte in dieser Minute nur der eine Gedanke, daß sie von Gott dafür geschaffen wären, miteinander zu leben und zu fühlen.

Der König war gefallen. Die Leute machten sich auf den Heimweg, und den letzten schloß sich das junge Paar an.

Als Gottfried vor dem Tor des Reutbauernhofes Abschied genommen hatte, blieb Itta noch lange stehen und blickte hinaus in die dunkle Ferne. Nur hie und da flackerte noch ein Feuer auf, um im nächsten Augenblick zu verlöschen. Die Sterne aber leuchteten, die Blumen dufteten und die Waise aus dem Elend war zum ersten Mal in ihrem Leben glücklich, glücklich aus ganzer Seele.

 


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