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Ein Narr, der seine Meinung nie ändert!
Nun, ich habe sie geändert. Und zurzeit schaukle ich auf den blauen Wogen des Mittelländischen Meeres, das heißt der Abd-el-Kader, das rußige Riesenschiff der Compagnie générale transatlantique tut das für mich, und ich wünschte manchmal, es schaukelte weniger.
Dazwischen liegt freilich manches.
Als damals jener Afrikareisende – ich glaube, er hieß Rin – unsre Riviera verließ, nach ihm der Maler und der Kommissionsrat, letzterer mit Freundin oder Nichte, was aber ebensoviel wie Geliebte bedeuten kann, schloß ich mich naturgemäß an Quedenbergs an, die sich aber als vollkommene Egoisten benahmen. Sie behandelte ihn miserabel, und er infolgedessen mich. Diesmal jedoch täuschte sich dieser Idiot in seinem Prügelknaben, denn ich verabreichte ihm einen jener gediegenen Durchzieher, die himmlisch rasch brennen und höllisch langsam heilen – dankbare Souvenirs, die sich auch später bei jeder Blutwallung noch feurig markieren. Der blödsinnige Graf forderte wutschnaubend den Wassertod für mich, die schurkische Gräfin sagte kaltlächelnd: »Vielleicht ist ihm das Gehenktwerden lieber.«
Der Wirt stand verlegen dabei: es war ein vornehmer Gast, der Schmiß saß wundervoll tief und quer über seiner Nase . . . Der Mann sah mich an und überlegte. Wo der Vorteil in Frage kommt, traue ich keinem Italiener, ihre Sentimentalität ist heuchlerisch wie die Freundschaft der Könige. Wenn ich bedenke, was ich für diesen Elenden alles getan habe – und er konnte auch nur einen Augenblick schwanken!
Menschliche Undankbarkeit, du bist grenzenlos! Mein Bourbonenauge umflort sich noch jetzt bei der Erinnerung, und ich neige nicht zu Gefühlsduseleien.
Die Zimmerluft ward mir also schwül, und ich schritt darum gemessen, aber so gesträubten Haares zwischen den drei Verbrechern durch, daß sie mit der Höflichkeit der Feiglinge auswichen. Nur die Jungfer der Gräfin, die sich gleich bei Beginn der Mensur hinter einen Fauteuil geflüchtet hatte, schrie wie besessen: »Der Kater ist ja toll, Frau Gräfin! Ach, der arme Herr Graf!« Sie zeterte eben wie ungebildete Leute. Darauf wurde mit noch ehrfurchtsvoller ausgewichen. Nur die Gräfin blieb stehen und sah langsam erst mich und dann ihren Mann an. – ›Ich verstehe, Frau Gräfin! Ich kann Ihnen aber leider nicht helfen. Ich habe nur gekratzt, nicht gebissen, ich bin eben nicht toll. Also lieber keine überschwenglichen Phantasien in bezug auf die Gesundheit Ihres Herrn Gemahls! . . .‹ O, ich kenne euch Weiber – und gerade diese Sorte war mir früher am sympathischsten.
Ich ging darauf in den Garten, still für mich eine Szene zu belächeln, die eigentlich nichts Tragisches hatte als eine zerkratzte gräfliche Nase. Der Spott der Table d'hote wird diesem Dummkopf nicht fehlen. Ich fühlte mich lange nicht so angenehm angeregt, als nach diesem Austausch von diplomatischen Liebenswürdigkeiten . . . Da – ich traue meinen Augen nicht, sehe ich den kleinen Schneider des Ortes mit seiner Donnerbüchse um die Bosketts schleichen. Er ruft mit der einschmeichelndsten Stimme: »Carlo, Carlo, mio bueno!« und durchsucht dabei mit dem blutdürstigsten Auge alle Gebüsche. Ich wähnte, er huldige schon wieder seinem hoffnungslosen Jagdsport, war aber dennoch geneigt, ihm die Sorge für etwaige flügellahme Lerchen großmütig abzunehmen. Und schon sitzt mir ein sanftes Erkennungs-Miau auf der Zunge, da belehrt mich ein letzter blinzelnder Blick auf die neugierig gedrängten Köpfe im Souterrainfenster und die Idiotenvisage des Grafen auf einem Balkon, daß diesmal die Jagd einem königlicheren Wilde gelten muß. Das ganze Hotel stiert wie gebannt. Ein jäher Gedankenblitz, ein instinktives Zusammenducken. Ha, Schurke, jetzt kenne ich deine schwarze Schneiderseele! Carlo der Olympier ist diesmal das Ziel, und sein samtnes Angorakleid der Preis . . . Der Meuchelmörder hat mich noch nicht erspäht und tut mir mit seiner menschlichen Blindheit und seiner plumpen Heuchelei beinahe leid. Also man hält dich für toll, Carlo, man will dein Herzblut, man kommt zu dieser Untat wie zu einem Schauspiel?! – Aber noch hat er Angst, dieser gedungene Schurke, seine Schneiderseele bebt . . . Und wie ich jetzt diese dürren ahnungslosen Beine kaum einen Schritt von mir erblicke, erfaßt mich mit der Verachtung all dieser Elenden zugleich eine unsagbare Wut. Ich will dir einen Denkzettel geben, den du nie vergißt! – Und im Augenblicke fahre ich auch schon aus meinem Versteck, stürze mich auf den Schurken, zerkratze seine Beine, seine Hände, sein Gesicht: die Muskete war ihm natürlich sofort aus der Hand gefallen. Und er vermag weiter nichts als feige zu schreien, zu wimmern, und die im Hotel vermögen auch weiter nichts, als gellend wie ein Echo in allen Sprachen zu rufen: »Er ist toll! Er ist toll! Um Gottes willen seht doch! Dieser scheußliche Kater! . . .« Die Wirtin, meine falsche Freundin, schrie am lautesten – Darauf entsprang ich mit einem letzten Wutschrei, einem letzten Prankenhieb über die Parkmauer auf Nimmerwiedersehen. Dies Hotel und ich, wir kennen uns nicht mehr!
Aber anstatt sofort in die Weinberge zu fliehen, stieg ich lieber vorsichtig in die nächste Bodenluke, wo ich die Folgen meiner Tat gefahrlos übersehen konnte. In weniger als einer Viertelstunde glich dieses ganze übelriechende Banditennest einem aufgerührten Bienenschwarm. Alles schwatzte, schrie, fuchtelte mit den Händen, Bürger zogen mit Musketen, Schornsteinfeger mit Knüppeln gegen mich aus, und Frauen fuhren wie wahnsinnig mit Besen auf die zahnlosesten Katerinvaliden los. Dienstmädchen kreischten, Kinder heulten. Und die ganze feile Gesellschaft, die uns allen eben noch maßlos geschmeichelt hatte, warf Steine, hetzte Hunde, versuchte mit allen Mitteln ihre guten Geister zu vertreiben. Dabei waren sie feige, hatten Angst, stoben bei dem leisesten grünaugigen Fauchen entsetzt zurück. Denn auch über mein Geschlecht war eine natürliche Panik gekommen. Keiner war sich einer Sünde bewußt, keiner hatte gebissen, keiner war toll – und nun diese unbarmherzige, sinnlose Verfolgung! Alte Veteranen rasten mit heiserem Angstschrei glatte Mauern in die Höh, Katzenjünglinge klammerten sich kläglich miauend an Fensterkreuze, eine gelbgefleckte Katzenjungfrau zerzauste ihren eignen flüchtenden Oheim, der hilfesuchend den Familienbalkon erkletterte: sie wähnte ein Attentat gegen ihre Ehre! Und während die beiden miteinander verzweifelt rangen, wurden sie beide gemeinsam vom Hausknecht erschlagen, denn die waren doch beide offenbar toll. – So stieg der Wahnsinn der Verfolger wie der Verfolgten. Aber zur Ehre meines Geschlechts sei es gesagt: Die Menschen waren zuerst toll, nicht die Katzen. Ich weiß nicht, wie viele der Unsern ihr Leben aushauchten und wie viele Menschen gebissen wurden. Das ganze Nest war eben tollwütig! – Ich rührte mich natürlich nicht aus meinem Versteck. Ein Gefühl dämonischer Ueberlegenheit erfüllte mich. – Es war zufällig das Ortsgefängnis, dem ich die Ehre schenkte. Unter mir tobte unausgesetzt der dürre Schneider in seiner Zelle. Sie hatten ihn sofort gegriffen, an Händen und Füßen gefesselt hierher gebracht. Und je mehr er schrie und heulte und um Mitleid bat, um so fester schnürten sie ihn, bis er in seinem dumpfen Kellerloch tatsächlich zu schäumen begann vor Schmerz und Wut. War er vorher nicht toll gewesen, so war er's jetzt. Und aus seinen wirren Reden war zu entnehmen, daß er selbst am festesten an seine Tollwut glaubte. An den vergitterten Fenstern standen seine Frau und seine Kinder und schauten mit schmerzlicher Genugtuung zu, daß wenigstens der erste tollwütige Mensch sofort unschädlich gemacht worden war. Und der Papa, dem sie ab und zu Trostworte zuriefen, empörte sich darüber nur noch mehr. Wären sie ihm zu nahe gekommen, er hätte sie ganz sicher gebissen – und sie hätten sich ganz sicher für toll gehalten. So sind und bleiben doch überall die Menschen die Märtyrer ihrer eignen Phantasie! –
Gegen Mitternacht, wo sich der wüste Lärm zu einem echt italienischen Straßengeschwätz gedämpft hatte, zog ein Trupp versprengter Grauröcke geschlossen und finster über die Dächer. Diesem Trupp schloß ich mich an. Es waren mutige Männer, die beschlossen hatten, ins Gebirge auszuwandern. Leider auch Phantasten! Von Weinbergsmäusen zu vegetieren, die unerträglich fade schmecken, auf Steinhühner nur zu pürschen, die es hier nicht gibt, oder gar von Junghasen zu träumen, die es hier nie gegeben hat – das ist etwas für Kater, nicht für Ueberkater. Der Pastetenmagen eines Diplomaten eignet sich nicht für Landsknechtsdiät. Auch sonst war es eine Gesellschaft voll gemeiner Instinkte. Wenn der Wanst kümmerlich gefüllt ist, wird ihnen schon kannibalisch wohl. Trotzdem blieb ich in dieser Gemeinschaft. Man muß doch leben! – Die einzige wirkliche Herzensfreude war mir nur, daß der schneeweiße Carlo mit den Vergißmeinnichtaugen, den die ganze Riviera kennt, bloß auf einer Vignenmauer zu erscheinen brauchte, und die Menschengesellschaft nahm vor ihm Reißaus wie vor dem Gottseibeiuns selbst. Ich wurde darum zum Bandenführer bestimmt. Die Grauröcke trauten mir wohl übernatürliche Kräfte zu. Aber langsam begriffen sie, daß gerade die genialsten Freiherren die schlechtesten Freischärler sind. Und weiter sickerte auch die Wahrheit durch, daß ich der intellektuelle Urheber jenes Gemetzels und demnach auch der Tollwütige sein müsse. Bei dieser Gelegenheit benahmen sie sich genau wie die Menschen: sie hätten mich herzlich gern auf die Seite gebracht, aber sie fürchteten meinen unheilbaren Biß. Und nie bin ich achtungsvoller behandelt worden als von dem Augenblick an, wo ich auch den Freikatzen als tollwütig galt! . . . Ich benahm mich danach, ließ die andern jagen und verlangte selbst nur die saftigsten Bissen. Aber mit diesen wilden Burschen, die vor meinem imaginären Tollwutbiß ebenso feige zitterten, wie die Menschen vor einer toten Cholerabazille, war doch kein dauernder Pakt möglich. Sie kannten weder weiche Betteppiche noch emaillierte Eßschüsseln, ihre ganze Diplomatie bestand in der Mäusejagd –, und eines Tages mußte es sich doch ereignen, daß sie ihren großherzigen Führer hinterrücks meuchelten. Ein hagerer Wegelagerer, der sich zu uns gesellte, sah ganz nach einem gedungenen Mordbuben aus. Ich sah über den Burschen scheinbar nichtachtend hinweg, beobachtete ihn aber auf das schärfste. Und als ich wie gewöhnlich mein Mittagsschläfchen blinzelnd absolvierte, gesellte sich mit einem raschen Sprunge dieser Wegelagerer zu mir. Ich fuhr blitzschnell in die Höhe, und wir standen Auge in Auge. Er strich sich aber nur höhnisch lächelnd die Schnurrhaare. »Nehmen Sie sich in acht, mein Herr!« sagte ich eisig. – »Nimm dich selbst in acht!« antwortete er brutal. – »Kanaille!« – »Nichtstuer!« Aber er räumte doch das Feld, weil der hinterlistige Ueberfall nicht gelungen war. Mein Bourbonenauge lähmt Gott sei Dank noch immer Mörderhände. Doch die hohnlächelnde Art, wie er ging, zeigte mir, daß mein Stern unter diesen Briganten im Sinken, das heißt, daß die Bande geruhte, an meiner Tollwut zu zweifeln . . . Die Sonne bewölkte sich gerade leicht, vielleicht waren Regentage in Sicht, die wohl ein Landstreicher, aber kein Prinz außerhalb seines Schlosses verbringen mag. Der See ward mir auf einmal so grau und so eng, die Erfahrungen meiner Jugend bis heute erschienen mir begrenzt, einseitig, wie der Horizont dieser Berge. Ich fühlte eine dunkle Sehnsucht nach dem Grafen Rhyn, der vielleicht jetzt schon in einem wunderbaren afrikanischen Wüstenschlosse weilte. – Das war ein Mann! Keine Aeußerlichkeit, keine Schliche, aber Kraft! . . . Und auch diese Josefa, so jung, so reizend, mit ihrer unerschöpflichen Kakesbüchse! – Wo mochten sie weilen? – Und ich muß gestehen, daß ich im Gedenken an diese lieben deutschen Menschen von einer wilden Abneigung gegen Italien, den Garda, das Hotel überkommen wurde (das Hotel wäre, wie ich mir überlegt habe, ja doch so wie so eine Unmöglichkeit fürder). Wenn du die beiden suchtest, fändest? – Es waren nicht Leute, die ihre Gesinnung ändern . . . Und dann die neue Welt; die andre Küche, die Fülle von Interessantem, die sicher hinter dem Monte-Baldo-Buckel wohnt! Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben! Ich bin jetzt Mann, es ist die höchste Zeit . . . Und dabei mache ich mich auch schon auf, eigentlich ungewollt, wie getragen von meiner Sehnsucht, meinem Bildungstrieb –, ich glaube auch, daß der Kopf von dem hageren Wegelagerer und mit ihm noch viele andre Galgenphysiognomien sich in dem nächsten Weinberge bedenklich zu schaffen machten . . . Die Sehnsucht trieb mich stärker, ich eilte, sprang, ich weiß selbst nicht mehr, aber das Gefühl war wirklich übermächtig. Und hinter mir tobte wie eine Meute das Galgengesindel, ich mußte alle meine Kräfte aufbieten, um nicht gerade von diesem Hageren erreicht und gemeuchelt zu werden. Der dürre Schneider war nämlich an demselben Tage aus dem Krankenhause in Brescia als niemals tollwutkrank entlassen worden und spazierte enttäuscht auf der Piazza.
Und endlich fand ich mich todmatt vor Sehnsucht in Gargnano wieder unweit des Palazzo Bettoni, in demselben lauschigen Garten, wo der siegreiche Tristan Isolden gewann. Der wundersame Duft nach Romantik und Liebe, die stumme Riesenzypresse, die wehe Erinnerung. Wenn sie ahnte! – wie würde sie eilen, mit selig bebender Pfote ihrem Ritter den saftigsten Sperling zu überreichen . . . Ja, Tristan ist treu, kann nicht vergessen! Und wie ich tränenfeuchten Blickes Umschau halte nach der heißgeliebten Gattin – o Wunder! – durch das dunkle Grün derselben Zypressen starren zwei Augen, Isoldens Augen, jedoch gelbglühend, böse, mit der festesten Absicht, mich zu zerzausen, wie ich noch nie zerzaust worden bin. Ich verstehe nicht – auch weit entfernt blieb sie die Königin meines Herzens. Doch wie ich sanft an ihr vorüberblinzle, gewahre ich in den Zweigen versteckt reizende Ohren, harmlose, listige Kinderaugen. O pfui, Isolde! – Wer wird denn gleich an bethlehemitischen Kindermord denken . . . Aber wenn sie Mütter sind, werden sie alle Megären. Ich wandte mich traurig ab. Hungernd, dürstend, auf der Flucht – und so empfangen von einem Wesen, dem man alles gab . . . Diese junge Brut sah wirklich zart und appetitlich aus. Und meine letzte Mahlzeit war mehr wie frugal. Die Medeen erscheinen ausgestorben auch im Katzengeschlecht.
Ich war zu müde, zu niedergeschlagen, um weiter zu grübeln über diese letzte Enttäuschung. Ich will dieses Weib nie wiedersehen – und möge ihr die Vorsehung vergeben . . .
Gegen Abend verschlang ich heißhungrig eine Anzahl fauler Fische, die am Strande umherlagen. Sie waren so geschmacklos wie das ganze Italien. Ich empfand eine stumme Verzweiflung. Im Mondenschein erglänzte die weiße Gardafläche. Ein letzter Sprung, ein letztes Gurgeln, addio Carlo! . . . Dabei erinnerte ich mich zur rechten Zeit, daß ich vorzüglich schwimmen kann und das Wasser unerträglich naß ist. Und die Gedanken aus Rins Tagebuch (ich meine natürlich des Grafen Rhyn, meines deutschen Freundes) fielen mir ein: Bleichsüchtige Jünglinge sterben an gebrochenem Herzen, aber nicht Männer. Für die wird noch immer etwas zu tun übrig bleiben, und für einen Ueberkater erst recht! . . . Gedacht, getan, ich saß der nächsten besten Wasserratte an der Gurgel.
So lebte ich Tage. Ich fühlte wieder die Selbstmordgedanken kommen. – Ja, Carlo, du warst viel zu treu, viel zu arglos . . . Aber es gibt doch noch Götter. Ich saß nämlich gramzerrissen eines Nachmittags auf einem Säulenstumpf. Der Dampfer von Salò kam langsam heran, pfiff heiser, legte langsam bei. Auf der Landungsbrücke zwei Gestalten, helle Sommerkleider, befreundete Gesichter. O, deutsche Frauen, wie ich euch verehre, anbete! – Es waren die Gräfin Angern und Tochter . . . Ich muß zu ihnen! Ein Schleier legt sich auch jetzt noch während des Schreibens über meine Augen, ein dichter Schleier. Ich spüre die Terriers über mir, die Sinne schwinden, wie im Traum höre ich noch eine liebe Stimme. Und dann finde ich mich wieder im Cervo auf einem Sofa, in eine Reisedecke gehüllt, die beiden Frauen über mich gebückt: »Aber der Kater ist ja toll! Deine Freundin Jeanette hat dir doch detailliert die ganze gräßliche Geschichte geschrieben –, Josefa, du bist kaum vernünftig geworden und verlangst schon wieder das Unvernünftigste!« – Darauf meine großherzige Freundin: »Ach, Mama, der Quedenberg ist ein Trottel, und dieser Schneider wahrscheinlich auch, und weil sie ihn gequält haben, hat er sie natürlich gebissen und gekratzt . . . Du weißer Prachtkerl, nicht wahr, mir tust du nichts? Du weißer Prachtkerl . . .« Dabei preßte sie die Lippen zusammen, und eine ganz richtige Menschenträne perlt zwischen den Lidern durch: »Und wenn er auch toll wäre, Mama, ich denke manchmal, es wäre besser, ich kehrte niemals mehr nach Deutschland zurück.« – »Um Gottes willen, Josefa, die alte Geschichte!« – »Alte Geschichte? Mir ist sie noch recht neu . . .« Ich begriff den Zusammenhang nicht. Aber im Nebenzimmer rasten die Terriers gegen die Tür und beschimpften mich in allen Hundedialekten aufs gemeinste. Und ich war so 'runter mit meinen Nerven, daß ich am liebsten mit dieser Josefa mitgeweint hätte, jedoch weil ich nur über Krokodilstränen verfüge, begnügte ich mich, immerfort diese weiße Hand zu küssen, was sehr gnädig von allen Anwesenden aufgenommen wurde.
Wegen dieser »alten Geschichte«, die aber zu meinem Bedauern niemals wieder berührt worden ist, bin ich nach Deutschland mitgenommen worden. Nicht etwa auf dem Stroh eines Hundecoupés, wie die Terriers, sondern auf dem Schoß einer reizenden Dame, Luxuszug mit kleinen Trostdiners im Küchenwagen. Es war eine wonnige Fahrt. Und obgleich einige ältere Weiber knurrten, suchten doch verschiedene jüngere Herren durch Vermittlung der jungen Gräfin mit mir bekannt zu werden, es kann aber auch umgekehrt gewesen sein; ich weiß nicht mehr recht. Dann kamen trubulöse Zeiten. Sommeraufenthalt auf einem Landgut, Herrichtung der Aussteuer. Ich verstehe eigentlich nicht, warum die alte Dame mit der Hochzeit der Tochter so eilte! . . . Gesellschaften, Besuche des Bräutigams, Rangstreitigkeiten mit den Terriers, die nur langsam begreifen, daß ich jetzt hier zu befehlen habe. Der Sommer in Deutschland könnte ein Eden sein, wenn man den Singvögeln etwas näher lauschen dürfte. Für Parkbäume zum Beispiel sind Nachtigallen direkt schädlich. Das ist der einzige bedauerliche Gegensatz zwischen mir und meiner reizenden Gräfin: »Wilderst du, Carlo, so schießt dich der Jäger tot!« – Bei diesen Ausbrüchen menschlicher Unklugheit, die meist vor einem ausgestopften Papagei mit geschwungener Hundepeitsche stattfinden, geruhe ich, die unschuldvollsten Vergißmeinnichtaugen gen Himmel zu richten. Ich verstehe scheinbar nicht, das heißt, ich werde mich schwer hüten, die gemütlichen Tete-a-tetes mit Rotkehlchenfamilien auszuposaunen. Jedoch die Terriers als richtige Polizeispione führen atemlos kläffend Buch über jede Nestvisite, obgleich sie als echte Denunzianten mit den nützlichen Füchsen genau so umgehen, wie ich mit den schädlichen Nachtigallen. Es ist eben alles manière de voir! Ich spreche grundsätzlich nicht Deutsch mit diesen Botokuden, was sie maßlos ärgert. Mit der Gräfin causiere ich Italienisch. Und das wurmt wieder die Bodenkatze, die infolge ihres stumpfsinnigen Lokalpatriotismus nur einen ganz scheußlichen Dialekt spricht; mit sämtlichen Gutskatern lebe ich auf Kriegsfuß, dagegen gibt es verschiedene kleine Miezen, die grenzenlos in mich verschossen sind. Es ist nicht der große Staatsmann, der blauäugige Adonis, es ist der Fremde, der Italiener, der die Weiber so magisch anzieht. Obgleich ich mich sehr reserviert halte, präsidiere ich doch zuweilen den hiesigen Amateur-Katzenkonzerten. Gemischte Gesellschaft! Ich erzähle darum in den Pausen en passant, daß mein Vater ein duca, meine Mutter eine bourbonische Prinzessin gewesen sei – es stimmt nicht ganz, aber es könnte doch stimmen – und schließlich, warum sollte meine Mutter als echte Frau nicht einmal nach unten gelogen haben anstatt nach oben in ihren Kinderstubenerzählungen? »Also mein Vater, der Herzog, und meine Mutter, die Prinzeß . . .« Und wenn ich das mit wahrhaft fürstlicher Bescheidenheit sage, sehe ich, wie diese dickköpfigen Bauernkater finster dreinstarren – sie sind Anarchisten durch die Bank; und wie die sanften Augen der Dorfschönen schüchtern aufleuchten – etwas von einer Maintenon, einer Dubarry, etwas von einer fürstlichen Geliebten überhaupt schwebt ihnen vor. Ich habe seitdem einige kleine Katzenmädchen auf dem Gewissen . . . Sie sind eben glaubensseliger, diese deutschen Frauen, als unsre Italienerinnen.
Solch idyllischem Dasein wurde ich eines Tages ohne jede Einleitung entrissen. Ich fuhr wieder einen Tag und eine Nacht in einem dunkeln Verließ und erwachte als – Kürassierkater. Wir sind ein sehr vornehmes Regiment, und wenn ich die Zimmerflucht unsrer »bescheidenen Leutnantswohnung« ansehe, so frage ich mich gleichzeitig, in welchem Palais dementsprechend der Oberst wohnen muß. Jedoch in den glänzendsten Appartements wohnen eben wir, was ich in bezug auf die Charge des Freiherrn von Lasowitz etwas wunderbar, in bezug auf mich nur selbstverständlich finde. Ich glaube nicht, daß wir beliebt sind, aber wir sind furchtbar reich, furchtbar vornehm, und weil wir jeden Augenblick sagen können, wir pfiffen auf den königlichen Dienst, werden wir es wahrscheinlich bis zum Generalinspekteur bringen. Ich glaube, daß speziell meine jugendliche Freundin es glühend wünscht, während ihm mehr an Rennpreisen liegt. Im übrigen ist die Ehe glücklich. Ein Kind wurde geboren und starb Gott sei Dank wieder. Die gnädige Frau geht kohlschwarz. Seitdem bleiben die Herrschaften viel zu Haus. Sie liest, er raucht. Aber ich verstehe mich wirklich nicht auf glückliche Menschenehen. Denn urplötzlich fängt sie an zu weinen, schiebt ihn mit der Hand fort. Eine Stunde später küßt sie ihn wieder leidenschaftlich und will ihn gar nicht loslassen. Und das alles dieses albernen Kindes wegen . . . Ich denke – nein, ich werde mich hüten, zu denken! Denn als ich neulich meiner reizenden Josefa einen besonderen Dienst zu erweisen glaubte, indem ich bei der ersten großen Gesellschaft nach der Trauer der Kommandeuse auf den Schoß sprang, heuchelte diese alte deutsche Weibsperson einen Ohnmachtsanfall, ich wurde beschimpft, gestäupt, vor die Korridortür geschmissen, wo sich die Terriers sofort über mich hermachten. Der vierschrötige Bursche stand interessiert dabei, und ohne die Hilfe der Jungfer wäre ich wie ein gemeiner Dorfkater einfach abgewürgt und später wahrscheinlich zu einem Kürschner geschleppt worden. Da war es mir denn selbst angenehm, solchem Garnisoneinerlei entrissen zu werden. Diese Lasowitzens schickten mich im Winter wieder auf die Sommerfrische, wo ich von der alten Gräfin nur deshalb protegiert werde, weil ich einmal von der Tochter protegiert worden bin. Ich war tief gekränkt, wünschte diesem Kürassierleutnant einen Beinbruch und seiner Frau jedenfalls kein zweites Kind . . . Aber als Josefa ein halbes Jahr später, strahlend vor Jugend und Glück, auf meinem Gute erschien, um mir mitzuteilen, daß sie auf ein ganzes Jahr à la suite gestellt worden seien, um in Algier und so weiter die schwankende Gesundheit wieder zu befestigen, da fühlte ich den Tatendrang des Mannes und den Instinkt der Treue so stark wie nie – ich mußte mit! Es war nicht leicht. Aber weil ich weiß, daß die Menschen an Wahnvorstellungen leiden, zum Beispiel auf zwei Pfoten gehen anstatt auf vieren – aus Eitelkeit; die Frauen am meisten lieben, die sie am meisten betrügen – aus Verblendung; die Hunde verzärteln, die gegen ihre Natur wie die Katzen schmeicheln – aus natürlicher Dummheit: so beschloß ich denn, täppisch wie ein Hund um meine Freundin herumzuspringen. Und was meine herzliche Liebenswürdigkeit nie vermocht hätte, vermochte mein plumpes Gaukelspiel. Ich hätte Josefa höher eingeschätzt! – Meine Katzenklugheit, die echt ist, läßt sie kalt, meine Hundetreue, die falsch ist, rührt sie . . . Nun verstehe ich auch die Einrichtung der menschlichen Tränendrüsen. Nützlich gebraucht sie nur der, der unter ihnen das Lachen verbirgt. So wurde ich also mitgenommen. Eine kleine Schwäche besitzt diese Frau nun einmal für mich, eine inkonsequente Schwäche, die wahrscheinlich nur daher kommt, weil ich so konsequent bin. Die Terriers bleiben zu Haus. Der Kürassier, dem das Arrangement gar nicht paßte, sagte: »Na, hoffentlich fällt die Bestie unterwegs über Bord.« Die Gnädige zuckte darauf als Antwort nur die Achseln. Sie weiß, daß ihn das am meisten ärgert, darum tut sie's, die gute, liebe Frau.
Vor meinen Augen beginnt es zu schwanken, der Abd-el-Kader schlingert auf einmal unerträglich! Ich verwünsche meinen Wissensdurst und beneide von ganzem Herzen die Korridorkatze auf meinem deutschen Schlosse.
Ein Tagebuch? – Was ich als Backfisch einst unterließ, tue ich töricht als junge Frau. Schadet nichts! Um die Dummheiten kommt man doch nicht herum, ob nun vor oder nach der Hochzeit. Denn schließlich jede hat mal Verse gemacht, im Traum geküßt, ein Tagebuch verbrochen, angefangen und nie vollendet . . . Und auch diese drei Torheiten sollten der fast sechsundzwanzigjährigen Freifrau Josefa von Lasowitz noch bevorstehen? Ernstlich, ganz ernstlich? . . . Da muß ich wirklich lachen. Ich möchte diesen Anfang beinah meinem Peter zeigen, der mich für maßlos kapriziös hält, – der arme Peter, der eigentlich immer am Kreuzweg steht, sich den Kopf zerbricht, ob ich wie ein Durchgänger mit Höllenkandare und festem Zügel geritten werden muß, oder wie ein diffiziler Dreijähriger mit leichter Trense, weichem Schenkel . . . Oder wenn ich's unsern Leutnants zeigte, die so rührend traurig von der schicksten Frau des Regiments schieden . . . Oder meiner Mutter, die mich so leidenschaftlich liebt . . . Ach, sie kennen mich ja alle nicht! – Und ich kenne mich selbst erst recht nicht und will mich gar nicht kennen. Selbststudium, lieber nicht! Gewisse Frauen sollen die Hände davon lassen.
Noch bin ich jung, hübsch, begehrenswert. Da kann ich nach Wahl eine kleine Heilige oder eine große Sünderin sein; eine Partei werde ich immer haben, solange der Reiz vorhält. Steht mir also die Wetterfahne auf Ehrgeiz, dann stachle ich meinen Peter zum Generalstab an; steht sie auf Leichtsinn, dann amüsiere ich mich köstlich mit dem jüngsten Leutnant; steht sie auf Pietät, dann reise ich zu Mama aufs Land. Ich bin im Fasching geboren, und so treibe ich's. Nur immer Neues. Neue Menschen, neue Sachen, neue Empfindungen. – Was ich will, setze ich durch. Und das ist gut so . . . Denn diese Quecksilbersäule leidet auch an Depressionen, an tiefen, tiefsten Depressionen, von denen die Welt nichts weiß. Da kann ich stundenlang auf einen Fleck starren, denken, grübeln, mich verzehren in einem dumpfen Weh. Mein totes Kind fällt mir ein und vieles andre, und wie alles im Leben nur halb ist. Dann kann ich weinen, wie ein Backfisch über einem Rührgedicht. Und wenn mich Peter einmal dabei überrascht, dann heißt's stirnrunzelnd: »Weibliche Launen.« Und sieht's meine Mutter, dann heißt's liebevoll: »Schmerzliche Stimmungen.« Sie können mir beide nicht helfen. Es ist ja nur ein unklares Wehegefühl, ein unverstandenes Sehnen. Ich weiß selbst nicht, aber es steigt so heiß und qualvoll in mir empor. Ich möchte, ich möchte . . . Und wer mich dann reizt aus Härte oder Güte, der tut's auf seine Gefahr! Da bin ich leidenschaftlich, rachsüchtig, kenne mich nicht mehr. Sie hüten sich auch jetzt. Es gab einmal eine Szene, – es war am Totenbette meines Kindes, und sie versuchten mich zu beruhigen auf ihre Art, die beiden, von denen der eine nicht wissen konnte, der andre nicht wissen durfte, was mir dieses Kind bedeutete. Sie meinten's gewiß gut. Aber da kam wieder der Strom, der starke dunkle, der wahllos hinwegspült, was uns sonst erfüllt, und ich sagte heiser, zischend, meiner selbst nicht mehr mächtig: »Macht, daß ihr fortkommt! Was geht euch mein Kind an?« . . . Und da war ich endlich allein mit mir. – Es war eine Fieberwallung, wie im Leben wahrscheinlich alles Fieberwallung ist, aber es hat mich und sie belehrt, daß in mir etwas lebt, was man nur schaudernd ahnt.
Im Herzen und mit Worten habe ich sie später beide um Verzeihung gebeten. Meine angebetete Mutter, die nur für mich gelebt hat, nur für mich, und meinen armen Peter, der mich so lieb hat, und den ich doch auch lieb haben muß, denn sonst hätten wir ja nicht zu heiraten brauchen . . . Aber von jedem Feuer bleibt Asche zurück. Und mag auch der Rest noch so klein sein, man sieht's doch argwöhnisch und denkt: ›Wenn da plötzlich wieder eine Flamme auflohte, aber wilder, verzehrender, so stark, daß ihr Gluthauch uns alle tötet . . .‹ Und das ist mein Gespenst, und um diesem Gespenst zu entgehen, lebe ich, wie ich lebe. – Die kokette, die kapriziöse, die seichte Frau von Lasowitz. Als wenn von den Schwadronstanten das Urteil nicht täglich gefällt würde! . . . Aber dieses Leben führe ich nun seit Jahr und Tag und muß leider gestehen, daß Herz und Sinne bei dieser Gelegenheit eigentlich kühler werden, statt heißer. Das ist der öffentlichen Meinung natürlich unbegreiflich. – Es ist übrigens kein ernster Anfall wiedergekommen, ich fühle mich körperlich und geistig ganz normal. Mein Mann hat die unsinnige Szene damals vielleicht ganz vergessen, Mama sicher nicht. Sie kennt ja nur die guten, reinen Triebe der Frauen, darum war ihr der unreine Strom damals so unverständlich. Aber gerade darum denkt sie für mich, wacht über mich und beargwöhnt liebevoll diese Tochter, die scheinbar so gleich und in Wahrheit so ganz anders geartet ist wie sie. Gute, liebe Mama! Ich war eben jung und töricht, und das ist nun endgültig vorüber. Und wie ich's dir versprochen habe, nie mehr einen gewissen Namen zu nennen, und wie ich's gehalten habe damit auch im Denken seit des Kleinen Tod: so kannst du heut über das alles ganz ruhig sein. Dir gleich werden an Güte kann ich nicht, wie du ja auch immer viel schöner gewesen sein mußt, als ich es je war –, aber ich will an dich denken, dein Bild sehen, immer auf dieser Orientreise, die Peter und mich in die Wüste führen soll – und doch nicht in die Wüste . . . Verzeihe diesem wandelbaren, unklaren Geschöpfe, das als Tochter die Mutter hoffentlich nie ganz verleugnen wird!
Und nun ist mir eigentlich mein Tagebuch schon über, die Feder sinkt. Ich werde da drüben auch nur Hergebrachtes sehen, Hergebrachtes denken, Hergebrachtes erleben . . . Mein Füllfederhalter kostet zwanzig Mark, ich habe ihn extra für diese Reise gekauft, aber ich fürchte, selbst diese lächerliche Summe wird sich nicht rentieren.
Und wenn ich dies Tagebuch nun doch weiter schreibe, so befriedige ich damit kein eignes Herzensbedürfnis, nur den Herzenswunsch von Mama, die die große Wüste nicht kennt und sie gern mit meinen Augen sehen möchte. Dabei will sie mich wohl auch kontrollieren, meine Gefühle, meine Gedanken, die ganze große gesunde Reaktion, die dies fremde Land mit seinen Eindrücken auf Körper und Geist ja ausüben muß. Denn sie mißtraut mir selbst brieflich noch immer, die Erinnerung jener Szene sitzt zu tief. Merkwürdig, daß gerade sie mir mißtraut! Und da kommt wieder so eine dunkle feige Empfindung gekrochen: Kennen wir je unsre Mütter? Kennen je unsre Mütter uns? . . . Ich hätte übrigens niemals Afrika zum Winterausflug gewählt, ich habe eine instinktive Abneigung gegen diesen Erdteil, den einzigen freilich, den ich in der Geographiestunde souverän beherrschte, weil man so wenig von ihm zu wissen braucht. Mir hätte Konstantinopel besser gelegen oder Spanien, aber ohne Stiergefechte. Mit Stiergefechten hätte es vielleicht auch Peter akzeptiert. So aber bestand er stiernackig auf Algier und Marokko, weil er da Mufflons und Gazellen zu schießen gedenkt. Mama war für die Riviera, speziell für Cannes, das kranke, vornehme Cannes. Wir lachten sie aber beide aus. Für moderne Menschen und ein ganzes Jahr à la suite ist Europa viel zu klein. Ich ließ mich übrigens leicht überstimmen. Ich habe den Reisefatalismus. Mag ein andrer das Risiko übernehmen. Was geschehen soll, geschieht hier oder dort ja doch. Und wenn Peter gerade die Wüste wählte, so spielt eine gewisse kleine Eifersucht mit, die er aber niemals zugeben würde. Er liebt die leichte Pariser Art sehr, aber nicht bei der eignen Frau. Und wenn ich die geheimsten Falten meines Herzens durchsuchte, so kann ich doch beschwören, daß mir kokettem, kapriziösem, seichtem Geschöpf auch nicht ein einziger Mann wirklich gefährlich gewesen wäre während meiner Ehe. Die Leute urteilen eben nur nach Aeußerlichkeiten, und ich tue das auch. Ich war darum aufs äußerste erstaunt, als mir aus scheinbar sehr kompetenter Quelle mitgeteilt wurde, daß Jeanette Quedenberg ihren Mann nur deshalb so schlecht behandelt, weil dies kalte Herz einen andern hoffnungslos leidenschaftlich liebt. Ich kann's nicht glauben! Wer könnte es der Frau angetan haben, wer? – Aber den Mann kennt niemand.
Und nun zum ernsthaften Tagebuch!
Natürlich beginnt's mit Berlin. Und da wird mir wieder so angenehm leicht zumut. Berlin bei Nacht, das einem schon eine gute halbe Stunde vorher in die Coupéfenster guckt, mit heißem Lichterglanz, mit dumpfem Tosen, mit dem köstlich wirren Gewühl von Häusern, Menschen, Tönen, – die Stadt, die nie schläft, bis ein Stück mürrisch aufblickende Spree, der Dämmerumriß einer verwitterten Fassade uns das schöne Bild des Lebens, der Lust stören, die törichte Vorstellung wecken will, als gebe es ein Berlin, das wirklich schläft, und eins, das so gern schlafen möchte. Aber zum Schlafen kommt man doch nicht nach Berlin! Auf dem engen, schmutzigen Bahnhof Friedrichstraße mit dem Ameisengewimmel der Reisenden, dem Dröhnen der Fernzüge, wo alles ankommt und abfährt, was ein bißchen internationalen Hauch liebt, wurde mir gleich zum Willkommen die goldene Taschenuhr gestohlen, die winzige, perlenbesetzte, eins von den zahllosen Verlobungsbijous Peters. Sie ging immer schlecht, und Perlen bedeuten ja Tränen. Ich nahm's darum nicht tragisch, fand's sogar ganz amüsant als erstes Abenteuer, und tröstete meinen sehr wild gewordenen Peter, daß dem Glücklichen ja keine Stunde schlägt. Aber man ist eben nicht mehr auf der Hochzeitsreise. Peter nahm's als Omen und blieb mißgestimmt. Er wollte mir auch durchaus nicht den Gefallen tun und mit durch die enge Friedrichstraße promenieren, wo sich das abenteuernde, elegante, verdorbene Nacht-Berlin drängt, wo einen jeden Augenblick die gewissen Herrenblicke, die gewissen Damenparfüms streifen. Abgrundtiefe Laster, scheußliche Passionen, ich weiß es. Man schauert instinktiv, die Nerven empören sich gegen den Höllenpfuhl, es ist ein eignes Prickeln. Auf Augenblicke liebe ich's . . . Doch schon an der Georgenstraße wollte er einbiegen nach Continental, was vornehmer, während ich nach Bristol drängte, was lustiger ist. Bei Bristol triumphierte ich. Wir trafen da nämlich ein ganzes Rudel von Peters Freunden, die bereits sehr vergnügt waren; ein kleiner ungarischer Graf begoß sich in aller Seelenruhe die Nase. Irgendein Vollblutstall war wieder einmal verauktioniert worden, und besonders österreichische Rennleute waren da, die mich konsequent Frau Gräfin nannten. Ich bin's zwar nicht mehr, aber die Erinnerung tut wohl. Ueberhaupt die leichte, degagierte Art! Es ist kein Kommißton, sie reden auch nicht ewig von Pferden . . . Peter hatte sich mit zwei großen Rennstallbesitzern an einer Tischecke zusammengetan, sie schwelgten in Sport – und ich war eigentlich überflüssig. Ich kann's verstehen. Vor der großen Passion verblaßt eben die kleinere. Ich würde es genau so machen, genau so! Aber als der kleine Ungar, der in der Nacht noch abreiste, sich polnisch drücken wollte und nur mir galant die Hand küßte, drehte sich Peter urplötzlich nach mir um. Sie blieben dann noch lange, ich aber ging gleich auf mein Zimmer. Ich hatte ein häßliches, entehrendes Gefühl als Nachgeschmack, viel häßlicher und entehrender als vorhin, wo mich der Abschaum der Friedrichstraße streifte. Wenn die Liebenswürdigkeit der Männer nur einen Zweck hat, – und wenn der eigne Mann ebenso fühlt . . . Nein, gegen eine große ganze Sünde ist kein Mensch gefeit, aber vor dem kleinen, gemeinen, alltäglichen Seitensprung, vor dem glaube ich denn doch zeitlebens sicher zu sein!
Am andern Tage meldeten wir den Uhrverlust im Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Peter wollte mir dann natürlich eine neue kaufen und wieder ein Bijou, ich wählte aber eine einfache Stahluhr. Da unten im Zentrum von Berlin war gar manche seltsame Gestalt neben unsrer Droschke aufgetaucht, armes, elendes Volk, ob mit, ob ohne eigne Schuld, was weiß ich . . . Und inmitten der tausend Kostbarkeiten eines ersten Juwelierladens, die mich natürlich anzogen, fiel mir das lichtscheue Dirnengesicht irgendeines halbwüchsigen Mädchens auf dem Alexanderplatz ein, und wie wir Reichen doch eigentlich gar nichts tun, um diesem Elend und diesem Laster zu steuern. All der Luxus ringsum erschien mir plötzlich sündhaft, lästerlich. Ich sagte es auch Peter, der nicht etwa ungutmütig ist. »Ja, gewiß, Schatz,« meinte er, »natürlich gibt's hier eine Unmasse Armut, und du kannst Gott danken, daß du nicht noch tiefer in all den Morast hineingesehen hast. Aber das ist nun einmal nicht anders, und allen Leuten kann eben nicht geholfen werden.« Recht hatte er schon. Aber es ist doch die Moral der Satten. Und so sind wir alle, alle! Um den Kampf herumgehen, statt ihn zu bestehen – taugt denn das auch für jeden? . . . Wir wollten noch einige Tage in Berlin bleiben. Aber das Wetter war grau, mißfarben geworden, die ganze Riesenstadt schwimmend in einem trüben, ekeln Dunst. Ich sehnte mich hinaus nach Sonne und Süden. Erst als wir wohlverwahrt im Luxuszuge saßen, fiel es mir ein, welch eine bittere Satire dieser Luxuszug doch auf meine gestrige Herzensdemut war.
Und so ein Luxuszug? Sehr hübsch, zum ersten Male oder auf einer Hochzeitsreise! . . . Er gleitet weicher, er eilt rascher, die Bilder ziehen ohne Unterlaß vorüber. Aber daß von diesen Bildern schließlich nichts bleibt, gar nichts als der rosige Hauch, der eine Fahrt ins neue Leben umwallt, darüber macht man sich ganz gewiß keine Skrupel. Es ist, wie gesagt, Februar. Und diesmal begleitet uns während der Fahrt ein grauer Hauch, ein lichtgrauer, weicher, der die märkische Ebene sanft zudeckt, die Thüringer Berge umspinnt. Und der Zug eilt und eilt, und in der Erinnerung bleibt schließlich auch nichts als der graue Hauch.
In Frankfurt auf dem Bahnhof trafen wir einen alten Bekannten und Kriegsschulkameraden von Peter, einen Grafen Bloome, der erst Gardekavallerist, nachher Schutztruppier und zuletzt Afrikareisender auf eigne Faust gewesen sein soll. Ich weiß nicht, warum ich in dem Moment, wo ich den Namen des Mannes hörte, ein unangenehmes Gefühl hatte. Er ist mir doch gänzlich fremd. Uebrigens ein absolut durchsichtiger Mensch, Leichtfuß, Schwerenöter, einer von denen, die weder Wüste noch Ehe vom Schuldenmachen oder Flirten heilen könnten. Dabei bildhäßlich. Mich interessiert direkt solche Häßlichkeit. Ich war übrigens sehr kühl. Der Abend im Bristol ist mir eine herbe Lehre gewesen. Für was muß uns eigentlich ein Mann halten, dessen Eifersucht bei solcher unmöglichen Gelegenheit aufzuckt?
Wir hatten nur wenige Minuten Zeit.
»Wo fahren Sie hin, gnädigste Baronin?«
»Biskra.«
»Direkt?«
»Ja, das heißt mit den gewöhnlichen Stationen.«
»Famos! Bin auch nur auf ein Retourbillett in Europa, teurer Erbtante die Augen zugedrückt und so weiter.« Und mit einem sehr komischen Augenblinzeln zu meinem Mann: »Peter von Amiens, halten Sie mir unausgesetzt den Daumen, sonst kriegen die Cohns und Levis Wind und nehmen mir schon diesseits die paar Groschen wieder ab!«
»Also auf Wiedersehen in Afrika, Bloome.«
»In Afrika sieht man sich nämlich immer wieder, gnädigste Frau, is ja so lächerlich klein!«
Der Zug war schon im Gleiten, und ich mußte unwillkürlich über diesen fidelen Aufschneider lachen.
Er sah's und rief noch nach: »Baronin, wetten um ein Souper im Royal, daß der erste Schaffner, der Ihnen in Biskra das Coupé öffnet, ich bin?«
»Angenommen, Bloome, angenommen!« rief mein Mann zurück. Er erzählte mir auch gleich, daß dieser Graf Bloome überall wegen Schulden geschaßt sei, jetzt beinahe mauvais sujet, aber noch immer verfluchter Kerl, der eben alles riskiere, weil er eben nur das Genick zu riskieren habe. »Und lustig, lustig! Ja, wer so ein glückliches Temperament hat . . . Ich für meinen Teil danke doch bestens dafür.«
Und ich amüsierte mich eine ganze Stunde damit, darüber nachzugrübeln, warum mir der Name Bloome unsympathisch sein konnte und der Mann eigentlich sympathisch ist. Dabei berührte es mich doch seltsam, daß Peter und ich, die wir beide reich sind, uns jeden Wunsch erfüllen können, der mit Geld erfüllt werden kann, doch keineswegs immer »lustig, lustig!« sind wie dieser bettelarme Vagabund . . . Und wieder kam der graue Rauch gekrochen, aber ein dicker, schwerer, undurchdringlicher Rauch, der wie eine Nebelmauer von rechts und links drückte. Unser Zug mußte langsam fahren, und zweimal klang unheimlich das Knattern von Platzpatronen auf den Schienen. So ging es vorsichtig die Rheinebene entlang und durchs hügelige Baseler Land. Jetzt, wo wir hätten sehen können, konnten wir erst recht nichts sehen.
Dann hellte es plötzlich vor dem Gotthard auf. Aber es war bereits Nacht geworden, ohne daß wir es gemerkt hatten. Ueber den Schneegipfeln flimmerten eisig kalt die Sterne, und silbern gleißte der stumme Firn. Alles drängte nach den Schlafkabinen. Wir aber blieben und sahen die starren, strengen Berglinien an uns langsam vorüberziehen – und hörten den Bergstrom rauschen. Es war so schön, so feierlich! Die Hochzeitsreise fiel uns ein, – die gleiche Nachtzeit, die gleichen Alpenberge, die gleiche Firnluft. Es sind fast genau dreieinhalb Jahre her. Schöne Jahre? Ich weiß es nicht recht. Jedenfalls waren wir damals unverhältnismäßig jünger, und ein rosiger Schimmer umfloß die Gegenwart. Aber man muß Erinnerungen heilig halten. Und ich drückte darum Peter leise die Hand, und er drückte sie wieder. Und er küßte mich auch, und ich küßte ihn auch, – und es war wie damals. Aber als er mich wieder küssen wollte, schob ich ihn langsam mit der Hand zurück. Ich tue das manchmal, es sieht aus wie eine Laune und ist doch nicht Laune. Aber ich kann nicht anders, der zweite Kuß ernüchtert mich immer. Der Rausch ist ja vorbei . . . Und eigentlich müßte doch der Rausch wachsen mit jeder neuen Berührung, jedem neuen Kuß, bis auf der Höhe des Wahns die Flammen zusammenschlagen und wir eins sind, ganz eins. So habe ich mir die Liebe als Mädchen vorgestellt, – aber das ist wohl die sündige Liebe . . . In der Ehe, die ewig dauern soll, darf's eben keinen Rausch geben, keinen Sturm, nur sanftes Lächeln, mildes Ineinanderfließen . . . Ich weiß nicht – ja, ich weiß doch . . . Dabei habe ich meinen Mann lieb und wünschte keinen andern.
Bis Genua war's dann winterlich kühl. Die lombardische Ebene trostlos: kahle Maulbeerbäume, braune Felder, die endlose Weite von einer tödlichen Monotonie – und Mailand inmitten, kalt, groß, modern, eine internationale Stadt, trotz des wunderbaren Doms, des Campo santo. Was ist überhaupt der Süden ohne Farbe und Licht?
Und gleich hinter dem großen Apenninentunnel begann denn auch die Sonne zu strahlen, die italienische Sonne, die blendet, zündet, mit einem einzigen heißen Lächeln die Natur aus ihrem Winterschlaf weckt. Und das Meer so blau, so dunstig, – aber der Duft des Sommers, des Südens, der uns in süße Träumereien versenkt. O, ich bin nicht undankbar für Schönheit, Leben, Genuß! Mit diesem duftenden Licht, diesem märchenhaften Frühlingsdämmern überkam mich eine ungemessene Daseinsfreude. Und wenn auch hier an dieser Riviera Tausende dem Tod entgegensiechen – ich bin jung, stark. Das Licht, das den gelben, kahlen Fels dort sengt, der Odem, der hier aus den dunkelgrünen Villengärten strömt, der blaue Wellensturz, der sich drüben weiß schäumend an der Steilküste bricht, die sagen mir alle, daß man das Leben leben muß, um es zu leben. Und lebe ich's wirklich noch nicht, so liegt's eben noch vor mir, ebenso grell flammend wie die Sonne, ebenso heiß duftend wie die Natur, ebenso wild aufschäumend wie die Welle . . . Was man will, das hat man! Glück ist Rausch. Wer den Rausch nicht liebt, der kennt auch nicht den Wein . . . Wir waren allein im Coupé. Und angesichts solcher leuchtenden, unvergänglichen Schönheit muß ja der Daseinsdurst kommen, das Lebenswogen, das uns die Brust sprengen möchte! Und aus diesem Gefühl heraus umarmte ich Peter, ich mußte ihn umarmen, und sagte leidenschaftlich: »Ach, Peter, wir wollen leben, glücklich sein! Wir werden wieder ein Kind haben, ein schönes, gesundes, das gar nicht sterben kann, ehe wir es erwachsen hierhergeführt haben, ihm zu zeigen, wie wirklich die Welt aussieht, so jung, so heiß, so liebeduftend!« . . .
Ich küßte ihn einmal, zwei . . . es geht nicht! Es ist wie ein Verhängnis, – der Rausch war weg, noch ehe er gekommen . . . Und Peter ist kein kühler Mensch, er hat mich lieb, er folgt mir gern, wenn ich mich so leidenschaftlich, so ganz gebe, was selten genug geschieht. Aber er ist doch eine so andre Natur, jemand, der den Rausch am liebsten meidet, weil ihm die Ernüchterung folgen muß. Das ist weise und sparsam. Und wir sind doch beide noch jung, haben so viel, müßten eigentlich verschwenden! . . . Ist's wirklich, ist's meine Schuld allein, daß mich der Rausch flieht, wenn ich den seinen wecken möchte? Vor dem leeren Glas wird man nüchtern.
In Monte Carlo blieben wir über eine halbe Woche.
Mir hat's nicht den zauberischen Eindruck gemacht wie auf der Hochzeitsreise. Dafür kann der Ort natürlich nichts. Selbst der berühmte Palmengarten hat doch was Gequältes, Gekünsteltes. Riesenhotels rechts, Riesenhotels links, dazwischen das Kasino. Und wenn man da hineintritt, die Farce mit den Paßkarten, dem Gesellschaftsanzug. Ja, du lieber Gott, Albert von Monaco ladet uns doch zu keiner Soiree, er will nur unser Geld haben, und je mehr, je besser! Wenn man dann wieder heraustritt aus den Spielsälen, weil sie an einem Sonntage nun einmal trotz alles schweren Luxus verräuchert und abgeschabt aussehen wie nur irgendein Wartesaal erster Klasse, da tost gleich unter der weltberühmten Terrasse die Eisenbahn vorüber, und noch hundert Schritte weiter winkt der ekelhafte Taubenschießstand. Das ist ein kleiner, der Felsküste abgestohlener Rasenplatz, mit den gedeckten Schützenständen an der einen Seite, in der Mitte zwei unterirdische Verließe. Ein Pfiff, der Deckel des Verließes klappt, ein grauer Tauber windet sich blitzschnell in die Höhe. Zugleich ein Schuß, ein ersterbendes Flattern; ein Jagdhund springt vor und schleppt die blutenden, zappelnden Tiere in den Stand. Ein gutes Auge muß zu dem Sport nötig sein, eine schnelle Hand. Denn zuweilen stößt eine schief heraus und entflieht seewärts. Das freut mich heut immer und wohl auch noch viele andre. Nur daß die Tiere sofort wieder reuig in ihr Gefängnis zurückkehren wollen . . . Ich glaube, wir Menschen machen's auch nicht anders . . .
Das Kasino, die Eisenbahn, der Taubenschießstand: wenn das der intimste Reiz von Monte Carlo ist! Vor drei Jahren fiel's mir nicht auf. Man wird eben älter.
Peter, der sich von dem Schießstand gar nicht losreißen konnte, sagte endlich bewundernd – ein besonders rascher Flieger wollte seewärts abstreichen, erhielt aber noch in der letzten Sekunde die sichere Kugel –: »Der Kerl schießt phänomenal! Ich muß versuchen, da auch mal 'n Dutzend wegzublasen. Du kommst doch mit?«
»Nein, es ist mir ein zu gemeiner Sport! . . . Aber bitte, geniere dich nicht.« Ich drehte mich weg und ging – und er ging auch. Ich möchte behaupten, den Knall seiner Büchse später herausgehört zu haben, und dieser Knall gellte mir in die Ohren. Taubenschießen ist höchster Modesport, jede Dame der besten Gesellschaft findet ihn scharmant; wir haben alle Jägerinstinkte und lieben den guten Schützen, jedoch wobei ich früher mit atemloser Spannung in Nizza zugesehen hatte, wie nämlich Peter zwei Dutzend Tauben der Reihe nach herunterschoß, das verletzt mich heute als gedankenlose Roheit. Natürlich sind's Kleinigkeiten, aber von Jahr zu Jahr treten mehr dieser Kleinigkeiten zwischen uns. Und es ist eigentlich lächerlich: was uns früher zusammengeführt hat – die Reit- und Jagdpassion –, gerade die beginnt sich jetzt zwischen uns zu stellen. Vielleicht geht's in allen Ehen so. Die Aeste eines Baumes, die einst so nah beieinander sproßten, streben wachsend ja auch immer weiter auseinander.
Ich ging darauf hinunter zum Strand, wo mein Kater mit meiner Jungfer höchst elegant saß und den Brandungsgischt blinzelnd beargwöhnte. Er hat wenig von mir auf der Reise, weil es Peter mit Recht lächerlich findet, daß ich Afrika durchaus in Katergesellschaft beehren will. Doch er ist ein so kluges, schönes Tier, das überall wegen seiner brillanten Manieren auffällt, und ich habe auch einen gewissen Aberglauben: . . . Er ist ein Schutzgeist. Und obgleich ich nicht weiß, wie ein Eckart gerade in diese Hülle kommen soll, so denke ich doch, seitdem er am Garda uns unter so merkwürdigen Verhältnissen zulief, daß ihn irgendein guter Freund geschickt haben könnte, über mich zu wachen, soweit er vermag. Eine lächerliche Phantastin ist man eben doch . . . Aber was wäre das Leben ohne Phantasie? Ein im Guten wie im Bösen leeres Blatt. Am Strande spielten Kinder, vornehme Kinder mit den Spitzenhöschen und Spitzenkleidchen, all dem frühreifen Luxus, der sich an niemand mehr rächt, als an den Kindern selbst. Die Mütter standen dabei, vornehme Mütter, und ich wollte weinerlich werden, angesichts dieser Mutterfreuden. Und dann überlegte ich mir später, daß ich mein Kind wahrscheinlich genau so gehalten hätte, verzogen, angeputzt, seiner frohen Jugend beraubt, noch ehe es sie überhaupt besessen. Die eleganten Mütter parlierten und lachten und ließen keinen Blick von den Kleinen, die schon kokett zu trippeln versuchten und sich naiv bewundern ließen. Ist solche Mutterliebe nun eitel Liebe oder liebe Eitelkeit? Meine unvergeßlichen Jugenderinnerungen gipfeln jedenfalls auf einem Pflaumenbaum, von dem ich immer sofort heruntergeholt wurde, um frisch gewaschen und angezogen zu werden. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn ich viel länger auf diesen Pflaumenbäumen hätte herumklettern dürfen. Wenn ich auch mal 'runtergestürzt wäre, davon stirbt man nicht. Und wenigstens hätte ich dann meine Kräfte versucht, mich meiner Kräfte gefreut, anstatt neben meiner englischen Bonne hergehend hochmütig die Kinder zu betrachten, die eben ausgeprügelt doch wieder ihre Kräfte auf verbotenen Bäumen übten. Die artigen Kinder sind bequemer, aber die unartigen stärker. Und bei Menschen, die etwas bedeuten wollen im Leben, entscheidet doch nicht die Fügsamkeit, sondern die Kraft. Mein Kind würde ich todsicher zu einer eleganten Puppe erzogen haben, wie diese eleganten Mütter es tun, und vielleicht war es gut für das Kind, daß es starb . . . Denn wenn es einmal im Leben die Kraft gebraucht hätte, so nötig gebraucht hätte wie Herzblut, es würde auch überall vor verschlossenen Türen gestanden haben, unfähig, auch nur die vermorschteste mit seiner Kraft zu sprengen! Unsre Sorte klettert höchstens über verschlossene Gartentüren. Das geht, solange es geht, und es ist eine feige Art, die wir innerlich verachten.
Mein weißer Carlo macht zu diesen Meditationen verschiedene gelangweilte Buckel, die wahrscheinlich andeuten sollen, daß man mit listigen Schlichen am weitesten kommt. Und doch bewies auch diese Katze bei ihrem ersten Kampf mit meinen Terriers, daß die beste Deckung der Hieb ist.
Als ich später bis Condamine hinunterwandelte in das köstlich weiche Abenddämmern dieses jungen Frühlingstages hinein, – hoch oben die Burg von Monaco, tief unten das Meer, sanft raunend im einschlummernden Wind – begegneten mir, als ich eben umdrehen wollte, drei Herren, von denen der eine sofort mit untertänig abgezogenem Hute auf mich zukam. »Ach, meine allergnädigste Gräfin!« er rief es so laut, daß seine Begleiter es unbedingt hören mußten, und wer sonst auch noch Lust hatte. Und wer war es? Der Geheime Kommissionsrat, nicht älter, nicht jünger, der Parvenu von einst. Er küßte mir aufs devoteste den Handschuh: »Und wie geht es dem Herrn Grafen? Und der Gräfin-Mutter? Ach, es war eine einzig schöne Zeit!« Er sprach so hinreißend Sächsisch, und ich war so voller Wiedersehensfreude, daß ich ihm unmöglich gleich klarmachen konnte, er sei noch kein Oesterreicher und ich keine Gräfin mehr. »Nein, daß wir uns hier wiedersehen sollten, Frau Gräfin! . . . Ich war die ganze Zeit mit der Prinzessin Thurn und Taxis zusammen. Die Herrschaften sind leider heute gerade abgereist, auch 'ne schicke Dame, und elegant, aber natürlich – gegen solche Sterne!« Und er machte mir einen Kratzfuß, genau so wie früher in seinem Uhrladen. Er war wirklich sehr im Fahrwasser!
Ich erkundigte mich auch nach seiner Nichte, obgleich sie mir kaum noch erinnerlich ist. Da muß ich aber auf eine recht empfindliche Stelle geraten sein, denn er machte ein Gesicht, als ob ihn wieder seine Magenschmerzen seligen Angedenkens peinigten.
»Es geht ihr sehr gut, sehr gut, Frau Gräfin . . . ich nehme es wenigstens an. Es liegt eben jeder so, wie er sich bettet.« Und wahrscheinlich um mir gleichfalls einen kleinen Hieb zu verabreichen: »Und wie geht es denn dem interessanten Afrikareisenden von damals? Der Name fing, wenn ich nicht irre, mit N. an.« . . .
Ich konnte ihm darauf ganz ehrlich erwidern, daß ich das nicht wisse und nicht wissen könne, weil zwischen uns nie eine Korrespondenz stattgefunden habe, ich aber hoffe, daß es ihm gut gehen möge. Das ist auch nur die Wahrheit! »Er heißt übrigens Robert Rin,« fügte ich hinzu. – »I, natürlich Rin!« und mit einmal war der alte Schleicher ganz auf dem laufenden. Als wenn er das nicht immer gewesen wäre! Erzählte auch gleich ganze Mordshistorien: daß es eine besondere Bewandtnis mit diesem Namen habe, daß über ihn viel in wissenschaftlichen Zeitschriften geschrieben würde, daß aber die große Expedition leider etwas mißglückt sei . . . Ich wollte ihn auch wieder unterbrechen. Was interessiert mich das alles zu guter Letzt? Aber plötzlich fiel der Name Quedenberg, und zwar in einem merkwürdigen Zusammenhang. Er will bestimmt wissen, daß Jeanette und ihr Mann Herrn Rin irgendwohin nachgereist sind – und daß, ich muß wirklich lachen! – schon damals am Garda zwischen den beiden eine heimliche Liaison im Gange gewesen sei. Ich antwortete nur mit einem Achselzucken, ich wollte mich auf keinen Disput einlassen, obgleich wohl keiner besser wissen dürfte, daß er niemals an Jeanette gedacht hat, und Jeanette beinah noch weniger an ihn. Im Grunde ekelte mich der alte Kerl an, der von allem weiß, wie ein Waschweib. Aber er war nicht abzuschütteln und wollte uns durchaus im Hotel aufsuchen.
Nach dem Diner waren wir natürlich in den Spielsälen, und der Kommissionsrat natürlich unser Mentor. In den parfümierten Räumen wogte es. Der schwarze Frack, die ausgeschnittene Dinertoilette – die Herren können Herren sein, die Damen sind es nicht. Jedenfalls sah ich selten oder nie so viel dreiste Augen, so viel extravagante Kostüme. Man kann hier lernen, sich schick anzuziehen. Aber ich würde mich hüten, hier jemals anders als im einfachsten Reisekleide zu erscheinen. Prixfix würde hier ebenso gut auf der Toilette einer Königin, als auf der Stirn einer Heiligen stehen. Denn hier hat man die Gesichter und die Kleider nur zum Verkauf . . . Um die Roulettetische staute es sich wieder mal, die ekle Wand, wo man unwillkürlich nach dem Portemonnaie in seiner Tasche tastet. Aller Augen starren auf das grüne Tuch, während der Croupier mit affektierter Gelassenheit die Kugel wirft. Und wenn dann die Nummer ausgerufen wird, wie häßlich sich die Körper verrenken, die Arme durchrecken, wie's widerlich nach Menschen riecht, gebranntem Haar und parfümierten Schultern – und wie geschäftsmäßig nüchtern das faites votre jeu! dazwischen klingt! Was die Bank verschmäht, das nehmen die Damen; so wäscht hier eine schmutzige Hand die schmutzigere. Die Glücksgöttin von Monte Carlo ist die Dirne . . . Und ich traue meinen Augen kaum, neben dem Obercroupier ein kleiner, eleganter Herr, außerordentlich häßlich, außerordentlich interessiert, im tadellosen Frack ein schmales Ordensband: Graf Bloome. Und was noch wichtiger, zwischen den aufgestemmten Ellbogen ganze Stöße von Gold und Tresorscheinen. Er sieht uns natürlich nicht! Ich sagte Peter, der aus Scherz seinen Louis Bloome fast auf die Hände warf: »Du, er wird noch die Wette gewinnen!« – »Kaum, Schatz! Der sitzt hier und hört und sieht nichts, und läßt jedenfalls nicht eher locker, als bis die letzten Groschen von der Tante verjeut sind.« – »Aber sonst doch 'n netter Mensch, Peter.« – »Findst du?« – »Warum eigentlich nicht?!« – »Ja, du hast eben nur für ausgefallene Menschen Passion.«
Es ist eigentümlich: Menschen, Männer speziell, die ich gerne haben könnte, mag er schon im voraus nicht. Ich ging darauf zum Trente-et-quarante-Tisch, wo es lautloser, vornehmer zugeht, es werden hier auch die größeren Summen gewonnen und verloren. Noch im Weggehen hörte ich Skandal vom Roulette her: »C'est mon argent!« »Trop bête« . . . »C'est un vol!« Ein Herr mit einem Monokel fuchtelte wild in der Luft, während ein andrer gleichmütig die Achseln zuckte. Ich dachte schon, der andre wäre Bloome, aber der saß und starrte unentwegt auf das grüne Tuch, die Geldhaufen zwischen den Ellbogen. Am Trente-et-quarante-Tisch verlor ich den Hundertfrankschein, den ich gesetzt hatte. Ich dachte eigentlich immer, ich wäre etwas Jeunatur, und ich sah doch ganz ohne Neid, wie eine wirkliche Dame neben mir mit aristokratisch lascher Handbewegung ihren Haufen Goldplaques und farblose Scheine bald nach rechts, bald nach links schob, immer gewinnend, bis der Höchstsatz, die zwölftausend Franks, vor ihr lag. Wieder die lasche Handbewegung, der Croupier legte die Karten auf, langsam, samtweich wie nur ein Trente-et-quarante-Croupier. – Perdu! Er zog die große Summe mit dem kleinen Rechen gleichgültig ein, als wär's wirklich nur Papier. Und die noch junge, hübsche Dame, eine kleine, scharfe Falte zwischen den zusammengewachsenen Augenbrauen, begann von neuem in einem hellseidenen Ridikül zwischen Gold und Scheinen zu wühlen. Sie verlor so tadellos ruhig, wie sie gewann, und es muß doch eine Riesenaufregung sein, zwölftausend Franks im gleichen Moment zu haben und nicht zu haben. Jedenfalls war ich aufgeregter als sie selbst . . . Ich weiß übrigens nicht, was heut in mich gefahren ist, die parfümierte Luft drückt, die Menschen, die Passionen widern mich an. Geht bei uns eine vornehme Dame ins Café national? . . . Auch dieser Kommissionsrat, – was belästigt einen eigentlich solch ein Parvenu mit seiner Höflichkeit und seinen Klatschgeschichten?
Während ich zu Peter in den ersten Saal zurückging, wich ich jeder Berührung aus. Es war doch wohl Instinkt. Ich will mich nun einmal nicht beschmutzen . . . Graf Bloome saß und stierte noch immer. Peter brachte mich dann die paar Schritte bis zum Hotel de Paris hinüber.
»Nur schnell, schnell! ich kann die Luft nicht länger ertragen, und daß du mir diesen Kommissionsrat vom Halse schaffst!« Peter, der sich nur als Gatte für oder gegen einen Menschen engagiert – er ist kein Mensch, der sich gleich angezogen oder abgestoßen fühlt –, versprach alles. Aber er ging doch gern zurück ohne mich. Er ist eben Mann, und die Luft in Monte Carlo prickelt. Er wird nachher wohl noch ins Café de Paris gehen, und sicher mit irgendeiner dieser »Damen« scherzen. Mag er! Er kann die unglaublichsten Dinge erzählen, und sich erzählen lassen, aber er wird nie den Trauring wegstecken, oder gestatten, daß man über diesen Trauring witzelt. Das ist wohl die ehrliche Neigung für mich, aber noch weit mehr die Empfindung, daß die Ehe eine unleugbare Tatsache ist, die man vielleicht einmal vergißt, über die man aber niemals scherzt . . . Ja, was das heute für ein Tag ist! Ich hatte mich doch gerade auf diese Spielsäle gefreut, auf dies Parfüm von Laster und Eleganz. Ich bin weder zimperlich noch blind, und nun macht's mir einen Ekel, daß ich fast darin ersticke.
Ich habe meines Wissens so hart und ungerecht über Menschen und Dinge niemals geurteilt wie heut. Es ist, als wenn ich mich reiben wollte, reiben müßte an allem, was mir begegnet . . . Dieser ekelhafte Kommissionsrat, nein, den Kerl ertrag' ich nicht!
Und wie ich das Fenster in unserm Salon aufmache, der aufs Meer hinausgeht, um wieder frei zu atmen, frei zu schauen, da empfinde ich erst recht den Druck, die Beklemmung.
Nein, ich möchte nicht nach Afrika, wie's Peter will, ich möchte doch lieber an der Riviera bleiben, wie es Mama will. Ich werde schon wieder Gefallen finden an dieser wirklich eleganten, wirklich oberflächlichen Welt. Denn da drüben in der Wüste werde ich doch allein sein, werde zu sinnieren anfangen, Träume träumen. Die Träume, die ich träume, sind immer töricht, ich kenne mich . . . Ich muß Menschen und wieder Menschen haben, und wenn sie mich auch noch so anekeln sollten, wie die Menschen hier. Ich schrieb heute nicht an Mama, und werde auch morgen nicht schreiben. Es widerstrebt mir, in dieser Stimmung und von dieser Stimmung gerade ihr Rechenschaft zu geben . . . Aber ich wartete auf Peter in meinem Schlafzimmer, der erst spät nachts in das seine schlich. Seit der Geburt Robert Viktors logieren wir getrennt. Es ist nicht etwa Mangel an Zuneigung, aber ich mag nun einmal nicht gemeinsame Schlafzimmer. Das war ein Punkt, wo ich mit Mann und Mutter hart kollidierte, mit meiner Mutter fast noch mehr. Ich erwischte also Peter noch, der nach Parfüm und Zigaretten aus dem Café roch, und wünschte direkt, daß er unsre Kajütenplätze Marseille-Bône abbestellen sollte. Er fand das in seiner Weinlaune höchst spaßig, und mit den verliebten Augen, die ich nun einmal an ihm nicht leiden mag, sagte er immer nur: »Schatz, lieber Schatz, natürlich alles, was du befiehlst . . . Aber wir haben doch Bloome versprochen, den Kerl müssen wir doch 'reinlegen.« »Ach, Bloome,« antwortete ich, »Bloome, was geht mich der häßliche Mensch an?«
Und eigentlich, so lächerlich es klingt, Bloome war das Entscheidende. Hätte ich gesagt: »Bloome, ach ja, Bloome, du hast recht, natürlich reisen wir!« . . . wahrscheinlich wären wir nicht gereist. Aber so: »Was geht mich der häßliche Kerl an?« – und natürlich reisen wir.
Ich wollte anfangs nicht nachgeben, das heißt in der Nacht. Am Morgen lachte ich mich selbst aus. Meer blau, Sonne warm, und der Blick in uferlose Weiten: da will jeder junge, gesunde Mensch weiter, immer weiter! So packten wir denn in aller Gemütlichkeit unsre Sachen, und drei Tage später ganz früh und heimlich, damit nur ja nicht der Kommissionsrat auch auf Wüstengedanken kommen könnte, trug uns der Morgenkurier nach Marseille.
Und da ist er glücklich wieder, der graue Hauch, aber leicht, dunstig, der Hauch des Südens, wenn der Schirokko in der Luft liegt. Das Meer stumpf, träge, mit melancholisch zischelnder Brandung; die Berge dunkler, näher, leblos wie ihre eignen Schatten. Und dieser Schirokkohauch, den man mehr fühlt als sieht, webt über der träumerischen Bucht von Cannes, kriecht um die säuselnden Oliven von Beaulieu, verschleiert das sonnig lächelnde Nizza. Er zieht den ganzen Strand entlang und hüllt Gebirge und Meer in stumme, sanfte Schwermut. Ach, wie ich diesen Schirokkohauch heute liebe! Es zieht alles wie im Traume vorüber. Man wird selbst so matt, möchte schlummern. Am bläulich niederen Horizont die Silhouetten der Segelboote, die bewegungslos liegen wie verzaubert. Ja, es ist eine verzauberte Stimmung. Die ganze Natur scheint zu schlummern am hellen Tag. Aber wenn ich scharf aufhorche, dann kann ich selbst durch das Getöse dieses häßlich rasselnden südfranzösischen Zuges das Meer hören, wie es aufatmet. Ein hohles Rauschen ohne Wellen, ohne Brandung. Und ich ahne, wie dieses träge, stumpfe Meer nur Kraft sammelt, Kraft aus der Tiefe . . .
In Marseille war dieser Schirokkohauch am lastendsten. Marseille, das schwatzende, gestikulierende, überschwengliche Marseille – kalt, düster, tot. Es friert, es grollt, der Hafen verödet, die Schiffe ungelöscht. Und auf dem breiten Kai Juliette hingelagert wie Zigeuner Hunderte von Familien mit säugenden Kindern, finster blickenden Männern. Wenn der dicke, kohlschwarze Kerl, der neben unsrer Droschke steht und von Zeit zu Zeit wichtig mit dem Finger auf die Brust tippend, wiederholt: »Je suis commisionnaire, moi!« nicht so entsetzlich nach Knoblauch röche, ich glaubte wahrhaftig nicht, daß ich in Marseille wäre. Es ist der große Streik der Hafenarbeiter, der nun schon Wochen dauert. Darum das bange Schweigen. Kavalleriepatrouillen, die mit klappernden Karabinern unausgesetzt die Straßen durchreiten, vermehren nur den Alp, den auch ich spüre.
Peter und ich hatten, glaube ich, sogar etwas Angst, daß unser Schiff nicht abgehen würde unter solchen Verhältnissen, aber der erste Offizier des Abd-el-Kader versicherte uns militärisch, daß die Compagnie générale noch alle ihre Schiffslinien aufrechterhalten hätte und unter allen Umständen aufrechterhalten würde. Wir gingen auch sofort an Bord. Das Schiff ist zwar wenig komfortabel, die Decks schmutzig, die Kabinen klein. Wir fahren nach Bona. Im Regiment kannte überhaupt niemand den Namen dieses Hafens. Gerade darum habe ich ihn gewählt. Wir wollen ja auch etwas andres sein als andre Leute.
Anders sein wie andre Leute! Das ist der Satz, wo Mama und ich uns nie verstehen. Von ihr ist's nur Herzensgüte, denn sie will mich um keinen Preis den Gefahren eines unbekannten Seitenweges ausgesetzt sehen; von mir Opposition, denn ich wandle ja selber am liebsten die breiten Straßen. Das letztere wurde mir wieder mal auf dieser kurzen Seereise sehr klar. Ich wollte nämlich die ganze Nacht in Decken auf dem Deck kampieren, weil das so schön sein soll, und weil eben nur Schwächlinge auf dem Mittelmeer seekrank werden. Und schlafen in solcher Nacht: das ist erst recht was für den Pöbel. Nun, die wunderschöne Hafeneinfahrt mit den phantastisch starren Felstoren auf beiden Seiten hielt ich aus. Aber dann begann's dunkelblau zu wogen, die Wellen spritzten, das schwere Schiff hob und senkte sich knarrend. So viel weiß ich, daß unter den Passagieren eine gewisse Josefa war, die ihren Peter wegen dieses Schwächlings von Frau aufs tiefste bedauerte. Und jemand wäre furchtbar gerne wieder umgekehrt, wenn es nur gegangen wäre. Aber Schnelldampfer sind wie das Schicksal, unnütze Gebete verhallen. Vielleicht ist's auch gut, daß nicht jeder Wunsch erhört wird, sonst gäb's noch mehr Schwächlinge. So hielt ich eben aus, weil ich aushalten mußte, und war beinahe stolz, als ich gegen Morgen mich bis an das Guckloch schleppen konnte. Peter schlief gerade. Die Sonne ging auf über einem seltsam grün und kalt wogenden Meere. Die Schaumköpfe hatten etwas Gruseliges, wie wenn sich Ungetüme von Kamm zu Kamm herüberschaukelten. Aber als die blaßrote Kugel langsam am Horizonte emportauchte und dann eine ganze Weile auf dem Wasser zu schwimmen schien, war's noch dieselbe träge, stumpfe Schirokkosee. Ein richtiger Alltagsmorgen auf hohem Meer! Ich kroch wieder in meine Koje. Und sofort begann's auch zu regnen und zu stürmen, der Abd-el-Kader stöhnte in allen Fugen, und ich stöhnte auch. Ich habe auch nichts von den schroffen Küstenbergen gesehen, die Nordafrika schon auf weite Ferne ankündigen sollen. Ich kam nach Afrika in der Nacht und hatte keinen andern Wunsch, als nach so viel Qualen ruhig liegen bleiben zu dürfen bis zum Morgen.
Und dieser Morgen! Ich war einfach empört! Afrika, Palmen, fremdartige Gesichter, und dazu Regen, echter deutscher, eiskalt rieselnder Regen, so daß der schmucke Mittelmeerhafen tintig ausschaut und die Bremer Bark Jeanette ganz heimatberechtigt scheint. Und am nahen Ufer in einem zähen, schwarzen bodenlosen Schmutz blaue Turkos mit weißen Gamaschen, bulldoggige Negergesichter mit rotem Fez, und eigentümlich fahle, biblische Gesichter in schmierigen Burnussen, und beinahe die ganze Gesellschaft barfuß oder in geflochtenen Sandalen, aber in orientalischer Gelassenheit einherknetend. Peter spazierte mit dem Obersteward als gelbkarierter, mißvergnügter Theaterlord auf dem glitschigen Promenadendeck. Als ich ans Tageslicht kam, zwinkerte er nur: »Afrika?« – »Es scheint wenigstens.« Und ich lachte. Aber es war mir gar nicht zum Lachen . . . Wenn ich denke, wie uns damals der Garda empfing. Es war auch Februar, und doch nur Italien! . . . Aber an den Garda möchte ich doch nicht mehr, nie mehr; und von den Menschen von damals möchte ich auch keinen wiedersehen, keinen.
Später gingen wir, in diesem afrikanischen Morast vergeblich einen Steg suchend, in die Stadt, die mit ihren breiten Straßen und kahlen Mietskasernen ebensogut in Nordfrankreich liegen könnte. Dort saßen in dem Café unter den Kolonnaden allerlei orientalische Gestalten umher: sehr dicke und sehr schlanke; Leute mit ganz hellgrauen Augen, eigentümlich ausdruckslos, als wenn sie ins Uferlose starrten, und wieder andre mit ganz dunkeln, sanft aufgleißenden Augen, die sich gleich darauf zu einem schmalen, verächtlichen Spalt zusammenziehen. Die Dicken sind meistens schmutzig, aber hellfarbiger – es sollen ackerbauende Kabylen aus dem Atlas sein; die Mageren mit weißem Turban und reinen Mänteln, tief dunkel, wie braun poliert die harten Gesichter – es sollen echte Araber sein, Beduinen, Söhne der Wüste. Und wenn ihre hohen Gestalten in den wallenden Burnussen dahinschreiten, haben sie etwas Vornehmes, Gemessenes . . . Gegen Mittag hat es zu regnen aufgehört, die Sonne sticht, diesmal ja auch afrikanische Sonne. Von den nahen Bergen kam ein so köstlicher Erdhauch, wie er wohl auch auf unserm Gut von der frischen Ackerfurche aufsteigt, aber hier war er doch wiederum würziger, heißer, weil ja auch andre Früchte reifen sollen als mein silbernes, langwogendes Korn. Aber das Gefühl, nun wirklich in Afrika zu sein, habe ich noch nicht recht. Höchstens, daß ein negerartiger Kerl mit schiefem Fez uns beim Gepäck wahrhaft afrikanisch bemogelte, und daß der Oberkellner des Hotel du Commerce, wo wir mäßig aßen, mit orientalischer Gelassenheit das guthieß. Peter war so wütend, daß er auf deutsch wetterte und fluchte wie ein Rekrutenunteroffizier: »Wenn ich nicht wenigstens einen Mufflon schießen möchte, und nicht wenigstens ein Dutzend Gazellen in der Freiheit sehen wollte, ich kehrte auf der Stelle um! Das steckt ja alles unter einer Decke bei der Bande.« Die französischen Mittagsgäste sahen uns von der Seite an, aber in Algier sind sie ja selbst Fremde, und zwar sehr übel gelittene Fremde . . . Es ist zu drollig; wenn sich Peter über so etwas aufregt, muß ich innerlich immer lächeln, und wenn mich etwas reizt, dann lächelt er wie über ein Kind. Das gehört wohl zur Ehe. Große Auseinandersetzungen haben wir dafür nie. Wenn das im Anzug, dann hören wir von selbst auf, zucken die Achseln, als wenn's ja doch nicht lohnte. Und so halten wir es seit des Kleinen Tod stets. Mama hat mir gesagt, daß es so das Normale wäre, nur müßte unbedingt ein Kind da sein oder mehr. Mama und viele Kinder! Ich glaube, sie hat das eine Kind so geliebt, daß für ein zweites gar nichts übriggeblieben wäre. Arme, gute Mama, nächstens wird wohl einer kommen und sagen und behaupten, du hättest mich viel zu sehr geliebt! Aber ein einziges Kind kann man ja gar nicht genug lieben: das weiß ich selbst.
Am Nachmittage fuhren wir nach Constantine weiter.
Cirta – Sophonisbe: das zaubert mir die Mädchenzeit zurück. Es wird wohl nicht so schlimm gewesen sein mit der Liebe von der schönen Sophonisbe und dem ehrgeizigen Massinissa. Aber es gab eine Zeit, wo ich all so etwas leidenschaftlich geglaubt habe, und jeden gesteinigt hätte, der nicht . . . Und Peter hätte auch mitgesteinigt. Jetzt lächelt er über solchen Ueberschwang . . . Und Josefa lächelt auch. Aber eigentlich ist's doch traurig, daß wir lächeln können . . . Vielleicht ist's auch das andre Land, die andre Sonne, die Leidenschaften schießen hier wilder empor, verdorren rascher; bei uns Nordländern langt's nur zur kleinen Flamme, die uns aber zeitlebens wärmt.
Jedenfalls war die Dämmerung, der wir entgegenrollten, schwankend und in einem miserabeln Coupé, keine Orientdämmerung. Das war kühler, nordischer Gebirgsfrühling, der langsam erwacht. Dunkle, sanfte Berge, breite Straßen, scharfer Windhauch. Und die Strecke entlang, auf Maultieren, Eseln vermummte Algerier, die in ihre Dörfer trotten. Als wir endlich gegen Mitternacht in dem berühmten Felsennest Constantine ankamen, konnte ich vom Hotelomnibus aus nur einen ganz flüchtigen Blick in die schmale, düstere Schlucht werfen, die so viel Schreckliches erzählen könnte, aus ältester wie aus neuester Zeit.
Wir hatten früh aufstehen wollen am andern Tag, um den Felswürfel noch anzusehen, auf dem das alte Cirta liegt, und der von Schlucht und Fluß ringsum weit besser geschützt war als von den höchsten Mauern. Aber das Schicksal wollte es wieder mal anders, wir konnten noch gerade mit dem gleichen Omnibus den Frühzug nach Biskra erreichen, den einzigen, den es gibt. Und wieder war mir nur ein flüchtiger Blick vergönnt in die schauerliche, ernste Tiefe, deren überhangende Felsen mit moosigem Grün kümmerlich bekleidet sind. Tief unten rauscht der Rumel, schmal, schmutzig, und ein feuchter Grufthauch steigt von ihm auf; oben baut sich trostlos wie eine Ruine die Araberstadt auf, die kahlen Lehmwände wie verwaschen, gelb ausgedörrt. Es hätte uns ja freigestanden, hier noch einige Tage zu bleiben, und Peter hatte nicht übel Lust, aber es war so ein heller, hoffnungsfreudiger Sonnentag, und mich zog's mit allen Fibern nach der Wüste. Ich wollte die echte afrikanische Glut haben und die echte afrikanische Oede.
Und wie's immer im Leben nicht schnell genug geht, bis es zu schnell geht, so schaute ich schon von Constantine unausgesetzt nach der Wüste aus. Es kamen dürre Felder, verbrannte Felsen, tote Salzseen. Hüben und drüben die Atlashöhen, bald wild zerrissen, bald sanft gewellt. An den armseligen Stationen Kinder, die dunkelbraune Hand ausgestreckt, oder hochmütig schreitende Araber; einmal schaute aus dem Schlitz eines Beduinenzeltes ein uraltes Hexengesicht heraus. Die Landschaft war öde, steinig, die gelben, starren Bergketten drohten aus der Ferne. Dann wurden die Atlasberge höher, dunkler, schoben sich näher heran, und die dörrende, stechende afrikanische Sonne brannte auf einem Schneefeld. »Batna muß bald kommen,« sagte Peter, der alle Stationen wußte, weil er den Bädeker in der Hand hielt. Er träumte schon lange gerade von Batna, weil dort das Löwengebiet des Atlas beginnen soll. Der Zug keuchte empor, pfiff, wir waren in einem engen Talkessel mit Alpenluft und hohen Bergen, an denen die kleinen Zedern wie schwarze Ameisen emporzuklimmen schienen: außerdem Forts, Soldaten. Der Atlas ist gelb, dürr, ausgebrannt. Und als wir den Stationschef nach den Löwen fragten, da zuckte er nur die Achseln. »Das war einmal.« Und als wir den berühmten Zedernwald von Batna sehen wollten, da zeigte er tief in die abschüssigen Schluchten hinein. Wir waren enttäuscht. Peter hatte von Löwen geträumt und fand nur ein Festungsdefilee, und ich hatte von der Wüste geträumt und fand nur einen französischen Gendarmerieoffizier, der mir höflich Platz machte an der Lunchtafel.
Ich war natürlich müde geworden vom Sehen und döste vor mich hin, als wir weiter durch die heißen, gelben, bröckelnden Bergschluchten fuhren. Erst bei El-Kantara wurde ich wieder wach. Ein kleines, weißes, verschwiegenes Hotel im Tal, ringsum lange, hohe, rotleuchtende Bergketten. Das Hotel lag so lauschig, so weltfern in seinem grünen Garten, etwas für junge, liebende, einsame Menschen . . . Doch der Zug ließ uns nicht Zeit. In einer einzigen roten, starren, zackigen Riesenschlucht durchbrach er fauchend die letzte Atlaskette. Und gleich dahinter an rote, heiße, dürre Berge gelehnt, die Oase. Ein blaugrüner, tief eingerissener Fluß, und wie aus ihm aufsteigend eine Palmeninsel, grün, saftig, mit flüsternden, fächelnden, märchenhaften Palmen . . . Mir ist's noch heute, als wenn ich das alles schon einmal gesehen hätte! Und ich konnte mich gar nicht losreißen, schaute immer wieder zurück, wie diese Trauminsel langsam versank und zuletzt nur schattenhaft hinübergrüßte, wie ein grauer, dunstiger, verträumter Wüstentraum. In dem kleinen Hotel am Atlas möchte ich einmal einen Frühling verleben, glücklich sein, in dieser Oase die Palmen flüstern hören, den klaren Uëd rieseln . . . Aber ich müßte wieder jung sein, ganz jung, und Peter auch jung, ganz jung . . . Und wir müßten andre, ganz andre Menschen sein . . . Aber Träume erfüllen sich ja nie. Und einmal möchte ich ihn doch träumen, meinen Oasentraum! Wenn man auch eine Woche später wieder hinaus müßte in die Wüste, der Traum würde mit uns gehen, und seine Palmen würden uns den Wüstenbrand von der Stirne fächeln, und sein Erinnerungsduft würde die Verschmachtenden laben.
Und jetzt sind wir wirklich in der Wüste. Die Berge im Bogen weit zurückgewichen, vor uns nichts als Dürre, Hitze, Schweigen. Alles in graues, steiniges, uraltes Einerlei! . . . Das kann übrigens nur der Beginn sein. Denn im Weiterfahren tauchten wieder Hügel auf, scharf gezackte, wie Silhouetten. Die freie Wüste soll ja so anders, mit so wunderbar monotonen Sandwogen dahinrauschen, wie der Ozean . . . Aber heute mag ich die Wüste nun einmal nicht! Ich habe El-Kantara zu früh gesehen, und so denke ich nur noch an die Oase. Ich bin in dies kleine Hotel verliebt, wie ein verliebter Backfisch. Ich kann's und will's nicht glauben, daß Biskra noch schöner sein soll.
Und von El-Kantara habe ich bis Biskra geträumt. Und zum ersten Male mitten drin in der großen Wüste, deren totes Meer ich ersehnte, doch nur an die kleine Oase gedacht, von deren Palmen es mir auch jetzt noch verschwommen herüberrauscht. Rauscht's Glück? Rauscht's Unglück? Eins oder 's andre: es gilt mir gleich. Wahrscheinlich klingt's ketzerisch, aber ich fühle im Augenblick nun einmal so, es gibt nur ein einziges großes Verhängnis: weder glücklich noch unglücklich zu sein!
Von Biskra später . . .
Als wir ausstiegen aus dem Bahnhof, dachten Peter und ich vor lauter Wüstenerwartung natürlich eher an alles andre, als an den guten Bloome. Er öffnete uns auch keineswegs die Coupétür, aber plötzlich erschien auf dem Perron ein atemloser, tadelloser Tropenanzug, zu dem ein wüst häßliches Gesicht gehört: Bloome.
»Also doch, lieber Graf!«
»Also doch, gnädigste Baronin! Das heißt genau zwei Minuten zu spät.«
»Aber, lieber Graf, Sie haben glänzend gewonnen!« sagte ich wieder, und Peter pflichtete mir bei. »Wie haben Sie eigentlich nur unsern Zug ausbaldowern können?«
»Geht alles, gnädige Frau. Compagnie générale bestochen in Marseille, Chef de gare bestochen in Konstantine, Portier bestochen in Batna. Signalement: Deutsches Ehepaar, bildhäßlicher Mann, bildschöne Frau. War mir nicht anders möglich, Peter von Amiens. Konnte den gnädigen Herrn nicht höher und die gnädige Frau nicht tiefer einschätzen.« Wir mußten lachen, obgleich Peter, der für seine Person nicht gerade eitel ist, solche Elogen für mich nur schwer verdaut. »Wir Afrikaner machen eben alles möglich, gnädigste Frau. Und ich mit den drei Alarmdepeschen in der Tasche hätte fraglos die Wette gewonnen, wenn nicht im Hotel zufällig ein Ecartéspieler ohne Partner gewesen wäre. Zerriß mir zwar das Herz, aber ich kann nun mal keinen Mitmenschen unglücklich sehen. Und wie's so geht. Hin, her . . . Sehe nach der Uhr. Letztes Spiel. Quitte oder Double? Double! Mußte erst wechseln lassen, und eben diese zwei Minuten waren mit dem Droschkenkutscher nicht mehr zu holen . . . Also fort ist fort, hin ist hin! Hilft nischt! Habe eben verloren . . . Alter Gardist, gnädige Frau, darf zum Dienst bei Seiner Majestät vielleicht, zum Dienst bei Ihrer Majestät nie zu spät kommen.«
Peter sagte darauf: »Na, meinetwegen, Bloome, wir akzeptieren. Monte Carlo hat Sie diesmal wohl höllisch 'rausgerissen.«
»Jawohl, mein lieber Mönch von Amiens, wenn ich nämlich vierundzwanzig Stunden früher aufgehört hätte! Wieder mal total blank! Mußte erst vierzig Kilometer von hier einen alten Bekannten anpumpen . . . Halt! Mir kommt der erste Geistesblitz meines Lebens. Gnädigste, ich bitte zu Mittwoch um sieben Uhr im Royal und gebe Ihnen mein Wort: Sie werden die sechs verschiedenartigsten Typen der zeitweiligen Sahara versammelt finden, einer davon bin ich!«
Mehr ließ sich leider aus ihm nicht auspressen, obgleich ich riesig gern gewußt hätte, mit welchen Menschen uns denn nun gerade die Wüste vereinen soll.
»Ich weiß nicht, ob wir gehen können,« meinte Peter nachher zu mir. »Bloome ist mir doch zu sehr Aventurier geworden.«
Und da wir in Kleinigkeiten ja stets kollidieren, antwortete ich: »Selbstverständlich gehen wir! Wir sind ja in der Wüste.«