Karl May
Im Reiche des silbernen Löwen II
Karl May

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Osman Pascha

Lieber Leser, hast du vielleicht einmal die Augen so voller Sand gehabt, daß auch nicht ein einziges Körnchen mehr Platz gefunden hätte? Nein? Ich auch nicht alle Tage, dafür aber damals so gründlich wie nur möglich. Ich will nicht behaupten, daß dadurch ein gefährlicher Zustand hervorgerufen werde, aber unangenehm, höchst unangenehm ist er auf alle Fälle. Und wenn man dazu gefesselt ist, so daß man den geblendeten Augen nicht mit den Händen zu Hilfe kommen kann, und sich von Menschen umgeben weiß, denen alles andere, nur nichts Gutes, ja sogar das Schlimmste zuzutrauen ist, so ist das nichts weniger als eine Erleichterung zu nennen.

Wie ich mich zu verhalten hatte, darüber brauchte ich nicht erst lange nachzudenken. Ich hatte ruhig zu bleiben und nichts zu sagen, sondern nur auf das zu achten, was gesprochen wurde. Was meine Augen betraf, so mußte ich es der augenblicklich höchst energischen Thätigkeit der Thränendrüsen überlassen, sie nach und nach von dem Sande zu befreien. Wenn das geschehen war und ich wieder sehen konnte, dann mußte es sich finden, was ich weiter zu thun hatte. Zunächst durfte ich mir sagen, daß ich mich sehr wahrscheinlich ganz in der Nähe meines lieben Halef befand, was aber keineswegs eine wohlthuende Beruhigung für mich war, da ich aus Erfahrung wußte, daß es leichter ist, sich selbst allein, als außerdem noch einen zweiten aus einer solchen Lage, wie unsere jetzige war, zu befreien.

Während mir die sandigen Thränen immerfort über die Wangen rannen, verfolgte ich mit größter Aufmerksamkeit, was um mich her gesprochen wurde. Es entging mir kein einziges Wort, denn es fiel keinem Menschen ein, so leise zu sprechen, daß ich es nicht gehört hätte.

»Welch ein Fang!« sagte einer, den ich an seiner Stimme als den Pädär-i-Baharat erkannte. »Noch heut sind wir ihnen begegnet und mußten glauben, daß sie nach Bagdad wollten; wir gaben unsere Rache schon verloren; da sind sie uns in die Hände gelaufen!«

»Allah hat uns lieb; ihm sei Dank und Preis gesagt!« fügte ein anderer bei; das war Astab, der Begleiter des Pädär. »Der Hund rührt und bewegt sich nicht; er wird doch nicht etwa tot sein?«

»Tot? Wovon? Ihr habt ihn hierhergeschleift; dabei ist sein Kopf über die Erde gestreift; da ist er trotz der Weichheit des Sandes ohnmächtig geworden. Diese christlichen Schufte sind nur mit dem Munde stark, sonst aber können sie nichts vertragen. Wir warten, bis er wieder zu sich kommt; dann muß er gestehen, was sie hier zu suchen hatten.«

»Sie haben nichts, gar nichts gewollt,« sagte ein dritter, dessen Stimme mir ihn als den Wirt aus Hilleh verriet. »Nur der Zufall kann sie hierher geführt haben, denn es ist ganz unmöglich, daß sie etwas von diesem Verstecke und von unsern Plänen wissen.«

»Ja, unmöglich!« gab der Pädär zu. »Nur aus diesem Grunde war trotz aller Drohungen aus diesem verfluchten Scheik der Haddedihn kein Wort herauszubringen. Holt ihn aus der Fähre; bringt ihn her! Er soll die Freude haben, seinen berühmten und geliebten Emir aus Dschermanistan auch in unsern Händen zu sehen.«

Ich hörte, daß einige fortgingen; dann ließ sich einer, der noch nicht gesprochen hatte, vernehmen:

»Ich erwarte, daß nun die Strafe beginnt, welcher diese Halunken durch ihre Flucht aus der Mehkeme entgangen sind. Sie müssen wenigstens totgeprügelt werden!«

Das war der Ghasai-Beduine, welcher sich für einen Solaib ausgegeben hatte. Es waren also fast alle unsere hiesigen lieben Freunde und Bekannten beisammen.

»Trage nur darum keine Sorge!« beruhigte ihn der Pädär. »Sie werden totgepeitscht, und zwar so langsam, daß sie Monate darüber zubringen. ich würde sofort damit beginnen; aber du weißt ja, wie außerordentlich streng der Säfir in solchen Dingen ist. Er duldet keine Eigenmächtigkeit und beantwortet jede Übertretung unserer Gesetze mit dem Tode des Betreffenden.«

»Er treibt die Strenge zu weit!«

»Nein, denn nur durch sie können Zucht und Ordnung erhalten werden. Jeder andere Verein hat die Möglichkeit, den Ungehorsam mit der Ausstoßung zu ahnden; uns aber ist das versagt, weil der Ausgestoßene uns verraten würde; nur der Tod giebt Sicherheit. Wir dürfen den beiden Gefangenen nicht einmal die Taschen untersuchen, weil die Hand des Säfir die erste ist, welche hineinzugreifen hat. Es genügt, zu wissen, daß sie keine Waffen als nur ihre Messer bei sich trugen, und die haben wir.«

Wie außerordentlich lieb mir das war! Sie hätten bei genauer Durchsuchung die Ringe der Sillan gefunden, die wir ihm und seinen Begleitern abgenommen hatten.

»Wird der Säfir sie nicht etwa leichter bestrafen, als wir wünschen?« fragte der Ghasai.

»Gewiß nicht! Er hat, wie ihr erzähltet, selbst mit ihnen abzurechnen, und ich bekomme eine der ersten, vielleicht die wichtigste Stimme, wenn wir über sie zu Gericht sitzen werden; das genügt vollständig. Du hast dich vorhin über die Strenge unserer Gesetze beklagt, und zwar mit Unrecht, denn sie kommt deinem Wunsche entgegen, indem sie unbedingt den Tod dieser Männer fordert. Nur die Art und Weise dieses Todes unterliegt noch dem Beschlusse. Jetzt still! Sie bringen den Kleinen. Ich werde jetzt von ihm zu erfahren suchen, wo die Pferde und ihre andern Sachen stecken.«

Der Hadschi wurde gebracht und neben mich gelegt; er war auch gefesselt, vielleicht sogar geknebelt, um nicht sprechen oder gar rufen zu können, falls ihm der Gedanke kommen sollte, mich zu warnen.

»Bindet ihm den Mund auf, damit er meine Fragen beantworten kann!« befahl der Pädär.

Als man dieser Weisung Folge geleistet hatte, sagte er in höhnischem Tone zu dem Hadschi:

»Du siehst, daß ich recht hatte; da liegt er; wir haben ihn!«

»Ist er tot?« fragte Halef besorgt.

»Nein. Es ist ihm nur die Besinnung abhanden gekommen. Sobald er wieder bei sich ist, werdet ihr Hiebe erhalten, die bis auf die Knochen gehen!«

»Das freut mich ja ungeheuer!« antwortete Halef lachend. »Es ist eine lobenswerte Einrichtung bei euch, daß diese Hiebe auf euch zurückfallen werden!«

»Du bist wohl nicht bei Sinnen?«

»Oh, ich habe sie alle beisammen! Ihr hattet mir zwar den Mund, nicht aber die Ohren zugebunden, und da ihr so klug gewesen seid, laut genug zu sprechen, so habe ich alles gehört. Ihr dürft uns ja ohne den Säfir nicht einmal in die Taschen greifen, viel weniger also prügeln!«

»Hund! Ich werde dir beweisen, daß wir dich prügeln, daß das Blut zur Erde läuft, wenn du die Fragen, welche ich an dich richte, nicht augenblicklich beantwortest. Also höre, was ich wissen will! Warum seid ihr nicht nach Bagdad geritten?«

»Weil wir gar nicht dorthin wollten.«

»Wohin denn?«

»Nach Burdsch Awaineh.«

»Das liegt doch im Süden der Ruinen; ihr aber rittet nördlich auf Bagdad zu. Du sagst also einen Widerspruch!«

»Allah behüte deinen Verstand! Du scheinst zu den unglücklichen Menschen zu gehören, deren Gehirn in Unordnung geraten ist und die darum grad in der besten Zusammenstimmung den ärgsten Widerspruch entdecken.«

»Die Unordnung liegt in deinem, aber nicht in meinem Gehirn. Ich verlange die Erklärung!«

Ich gestehe, daß ich höchst neugierig auf diese Erklärung war. Ich kannte meinen kleinen Hadschi; er war in seinen Thaten schnell und unbedachtsam, sonst aber außerordentlich schlau; in Worten überlisten ließ er sich fast nie. Wie er grad auf die Ruine Burdsch Awaineh zu sprechen gekommen war, das bildete für mich ein Rätsel; aber daß er sich ganz gut herausreden und dabei nicht das Geringste verraten werde, davon war ich überzeugt. Er antwortete:

»Da du die Ordnung meines Verstandes bezweifelst, werde ich dir beweisen, daß weder an ihm noch an ihr etwas zu tadeln ist. Mein Effendi gehört zu den höchst wichtigen und gelehrten Herren, welche gern alte Ruinen untersuchen, um die Denkmäler früherer Zeiten auszugraben. Er kam mit mir hierher, um dies hier auch zu thun. Wir wollten zu diesem Zwecke nach Burdsch Awaineh, wurden aber leider am Birs Nimrud festgenommen und nach Hilleh geschafft. Von dort sind wir zwar entflohen, aber das Nachgraben in Burdsch Awaineh hat mein Effendi trotzdem nicht aufgegeben. Wir stellten uns darum, als ob wir nach Bagdad wollten, ritten aber bloß bis zum Khan Nasrijeh. Zurück nach Hilleh und über die dortige Brücke durften wir natürlich nicht; darum wendeten wir uns dem Euphrat zu, durchschwammen ihn und legten uns dann nieder, um zu schlafen. Bevor wir die Augen schlossen, sahen wir den Schein dieses Feuers, und ich ging, um nachzusehen, wer es angezündet habe. Als ich oben angekommen war, fuhr der lose Sand mit mir herunter und ich mitten unter euch hinein. Ich wurde gefangen genommen und nicht wieder fortgelassen. Die Strahlen deiner unübertrefflichen Weisheit werden dir erklären, daß mein Effendi neugierig gewesen ist, warum ich nicht zu ihm zurückgekehrt bin; er ist gegangen, um nachzusehen, und hat bei euch denselben Empfang wie ich gefunden. Nun sage mir, ob in meinem Gehirn oder in dem, was wir thaten, ein Widerspruch zu finden ist!«

Er hatte das in einem so fließenden Tone der Unbefangenheit und Selbstverständlichkeit erzählt, daß es mich gar nicht wundernahm, als der Pädär erwiderte.

»So ist euer Hiersein zur Genüge erklärt. Wo ist die Stelle, an welcher ihr schlafen wolltet? Wir werden eure Pferde holen.«

»Unsere Pferde? Die sind nicht dort.«

»Nicht?« klang die erstaunte Frage.

»Nein.«

»Wo befinden sie sich?«

»Im Khan Nasrijeh natürlich, wo wir sie in Aufbewahrung gegeben haben.«

»Und eure Waffen?«

»Die sind auch dort. Das ist doch ganz selbstverständlich!«

»Selbstverständlich? Ich begreife es nicht!«

»Nicht? Wirklich nicht? So ist es also doch dein Gehirn und nicht das meinige, welches in Unordnung geraten ist! Wir sind hier unschuldig überfallen und nach der Mehkeme geschafft worden; wir haben fliehen müssen; man verfolgt und sucht uns; wir haben über den Euphrat schwimmen müssen, dessen Wasser unser Eigentum beschädigt oder ganz verdorben hätte. Und bei all diesen vielen Gründen und Erklärungen findest du es unbegreiflich, daß wir nichts mitgenommen haben?!«

»Du wirst und mußt aber doch zugeben, daß ihr das alles in Burdsch Awaineh gebraucht hättet!«

»Natürlich brauchen wir es, und wir bekommen es auch. Wir erwarten nämlich noch einen zweiten Effendi, welcher mit mehreren Dienern und Begleitern in zwei Tagen nachkommt. Dieser kehrt im Khan Nasrijeh ein, bekommt vom Khandschi alle unsere Sachen und wird sie uns mitbringen, ohne daß sie im Euphrat durchnäßt werden oder in Hilleh Gefahr laufen, von dem Sandschaki als unser Eigentum weggenommen zu werden. Wenn du nun noch etwas unbegreiflich findest, so sage es! Ich bin bereit, mich auch noch weiter der sehr beeinträchtigten Klarheit deines Verstandes anzunehmen.«

Ich muß sagen, daß ich mich über meinen kleinen, pfiffigen Hadschi freute. Die von ihm angegebenen Erklärungen und Gründe waren, besonders auch infolge der Art und Weise, wie er sie vorgebracht hatte, so vortrefflich, daß er seine Sache gar nicht besser hätte machen können. Der Pädär schien vollständig überzeugt zu sein, daß ihm die Wahrheit gesagt worden sei, denn er versetzte:

»Über die Beleidigungen meines Verstandes werde ich später mit dir abrechnen, denn in diesem Augenblicke bin ich zur Milde geneigt, weil du meinem Befehle Folge geleistet und mir die geforderte Auskunft gegeben hast. Darum will ich dir auch als Belohnung deiner Fügsamkeit sagen, daß alle eure im Khan Nasrijeh angewendete Vorsicht vergeblich gewesen ist, denn wir werden doch alles bekommen, was ihr dort in Verwahrung gegeben habt.«

»Hast du vielleicht die Absicht, mich zum Lachen zu bringen?« fragte Halef. »Bilde dir ja nichts über meine Fügsamkeit ein! Alles was ich thue oder sage, das sage und thue ich nur, weil es mir gefällt, nicht aber aus Gehorsam gegen dich oder einen andern Menschen. Und der Effendi, den wir erwarten, wird sich hüten, sich auf irgend eine Weise das ablocken zu lassen, was er uns in Burdsch Awaineh zu übergeben hat!«

»Du redest wie ein unerfahrener, blinder Knabe, welcher nicht sieht, was vor ihm liegt. Ihr werdet ja gar nicht nach Burdsch Awaineh kommen, sondern wir werden uns dort befinden und ihn in einer Weise empfangen, daß er niemals daran denken wird, die rechtgläubigen Bewohner dieser Gegend durch seine ungläubige Gegenwart zu beleidigen. Pferde und Waffen, wie die eurigen sind, läßt man sich nicht entgehen, wenn man sie einmal gesehen hat.«

»So hätte ich dich also zu der Sorte von Menschen zu rechnen, welche man Diebe oder gar Räuber nennt?«

»Ja, thue das; thue es getrost!« lachte der Pädär. »Du hast überhaupt gar keine Ahnung von unsern--- ah, schaut, der Christ bewegt sich! Seine verlorene Seele scheint zurückgekehrt zu sein, um von uns zu erfahren, daß wir sie zur Hölle senden werden.«

Meine Augen waren zwar noch nicht ganz vom Sande frei, aber ich konnte sie doch wenigstens für kurze Augenblicke öffnen und hielt es darum für an der Zeit, ein Lebenszeichen zu geben. Als er dies bemerkte, schürte er das Feuer heller, um mein Gesicht ganz deutlich sehen zu können, und sprach mich höhnisch an:

»Sei gegrüßt, o tapfrer Held der Ziegelsteine, nach denen ihr in Burdsch Awaineh graben wollt! Dein Erwachen giebt meiner Seele Trost und lindert mir den Schmerz, den ich empfand, als ich dich für tot hier liegen sah. Ich bin voller Begierde, euch hier am Euphrat die Freundschaft zu vergelten, die ihr uns am Tigris erwiesen habt. Es wird mir eine Wonne sein, mit der Peitsche in die Tiefen deines Körpers einzudringen und das Geheul der Angst und des Schmerzes zu vernehmen, mit welchem ihr zur Hölle fahren werdet!«

Hierauf zu schweigen, hätte als ein Zeichen der Furcht gelten können, darum antwortete ich zunächst mit einem kurzen, verächtlichen Lachen.

»Lache nicht, Hund!« fuhr er zornig auf. »Du scheinst noch nicht zu wissen, wo und bei wem du dich befindest. Öffne deine Augen und schau mich an! Kennst du mich?«

Ich warf ihm einen Blick zu und lachte wieder.

»Allah vernichte dich! Du hast mich erkannt und lachst dennoch abermals! Ich sage dir, daß diese deine erzwungene Lustigkeit sich sehr bald in das Gejammer der Verzweiflung verwandeln wird! Du hast keine Ahnung von dem Schicksale, welches dich erwartet!«

»Mein Schicksal kenne ich freilich nicht, denn das steht in Allahs Hand; dafür aber kenne ich das deinige um so besser, weil ich es bin, der darüber zu bestimmen hat,« antwortete ich nun.

»Habt ihr gehört, was er jetzt sagte? Indem sein Kopf, als ihr ihn hierher brachtet, auf der Erde schleifte, ist der Inhalt dieses verruchten Schädels verletzt worden. Der Kerl ist wahnsinnig, vollständig wahnsinnig, das bestätigen die verrückten Worte, welche aus seinem Munde gekommen sind. Wie schade, wie jammerschade das ist! Nun hat er nicht Verstand und Gefühl genug, die unendliche Liebe zu begreifen, mit welcher wir uns seines Glückes und seines Wohlbefindens annehmen werden. – – – Horch – –!«

Es war vom Flusse her ein Pfiff erklungen, dem jetzt ein zweiter und dann ein dritter folgte. Die Anwesenden sprangen alle auf, Halef und mich natürlich ausgenommen.

»Sie kommen schon!« sagte der Pädär. »Sie kommen schon, leider! Wie gern hätte ich diesen beiden Schurken hier die Qualen ausgemalt, mit denen wir sie beglücken werden!

Nun müssen wir sie fortschicken, weil uns die Seichtigkeit des Kanales zwingt, die Kelleks zu teilen und die Särge umzuladen. Diese Arbeit darf keinen Augenblick aufgehoben werden, wenn bis zum Tagesanbruch alles im Machzan untergebracht sein soll. Der Bote muß sofort aufbrechen, um den Säfir zu benachrichtigen. Es muß noch einer mit, weil er diese Gefangenen mitzunehmen hat!«

Nach diesen in hastiger Weise gemachten Bemerkungen stellte er sich an das Wasser und pfiff auch dreimal. Es wurde mit demselben Zeichen erwidert, und dann wurden einige lange und schwer beladene Kelleks herbeigerudert und an das Ufer befestigt. Da die Aufmerksamkeit aller auf diese Flöße gerichtet und also von uns abgelenkt war, glaubte Halef die Gelegenheit wahrnehmen zu müssen, sich mit mir zu verständigen. Er sagte:

»Ich kann nicht dafür, Sihdi! Nicht ich bin schuld, sondern es stand im Buche des Geschickes verzeichnet, daß wir Gefangene dieser Leute werden sollten. Denkst du, daß es uns möglich sein wird, wieder loszukommen?«

»Nur dann, wenn du jetzt schweigst. Wir dürfen uns kein Wort entgehen lassen. Wahrscheinlich hören wir Dinge, welche uns zu statten kommen werden.«

»O, man wird so klug sein, nichts zu sagen, was uns Nutzen bringen kann!«

»Wenn wir auch nichts Direktes erfahren, so können doch Worte fallen, aus denen, wenn wir sie richtig zusammensetzen, günstige Schlüsse zu ziehen sind. Sei also jetzt ganz still! Und wenn der Pädär noch mit uns spricht und wir ihm antworten müssen, so überlaß das mir, denn in unserer Lage kann das kleinste Wort von der größten Bedeutung sein!«

Als das erste Floß angelegt worden war, sprang ein Mann von demselben zu dem Pädär herüber und sagte:

»Du bist selbst *da? Das ist ein gutes Zeichen. Es ist alles nach Wunsch abgelaufen?«

»Ja. Eure erste Abteilung ist gestern glücklich angekommen, und die Ladung wurde richtig untergebracht. Wenn wir heut bis zum Anbruche des Tages fertig werden, ist auch für eure Waren nichts zu besorgen. Wir müssen also augenblicklich mit der Arbeit beginnen.«

»Wen habt ihr denn hier liegen? Zwei gefesselte Menschen! Also Gefangene, Leute, die uns gefährlich sind?«

»Ja; ein christlicher und ein sunnitischer Hund, die wir in die Dschehenna schicken werden. Ich erzähle dir das nachher; jetzt haben wir keine Zeit, davon zu sprechen. Ich lasse sie sofort zum Säfir bringen, der sie einstweilen, bis wir mit diesem Transporte fertig sind, in das Zyndan des Nimrud sperren wird.«

Der Neuangekommene wendete sich seinem Floße wieder zu. Der Pädär winkte zwei Männer zu sich und sprach so leise mit ihnen, daß ich nichts hören konnte; seine Blicke und Gesten sagten mir aber, daß die Weisungen, welche er ihnen erteilte, unsere Personen betraf. Dann kam er zu uns, gab mir einen Tritt an den Leib und sagte:

»Für jetzt muß ich mich leider von euch trennen; aber laß es dir ja nicht einfallen, daraus auch nur die geringste Hoffnung für euch zu schöpfen! Ich komme nach, und dann rechne ich mit euch ab. Es giebt kein Wort des Schreckens, welches ausreichend wäre, das zu beschreiben, was wir mit euch vornehmen werden. Der Teufel sei euer Wächter, bis ich euch wiedersehe!«

»Er wird es besser mit uns meinen, als du; darauf gebe ich dir mein Wort!« antwortete ich.

»Willst du mir etwa drohen, räudiges Hundefell?«

»Was ich sage, ist keine leere Drohung, sondern es geschieht. Nicht du wirst mit uns, sondern wir werden mit euch abrechnen, sobald du es wagst, uns wieder vor die Augen zu treten. Mach dich gefaßt darauf!«

Er stieß einen Fluch aus, versetzte mir noch einen sehr kräftigen Fußtritt und gab dann seinen Leuten einen auf uns bezüglichen Wink. Wir wurden angefaßt und nach der Binsenfähre getragen, in welcher man uns nebeneinander legte. Die beiden Männer, denen er vorhin seine Befehle erteilt hatte, stiegen zu uns herein, lösten die Fähre von dem Ufer und griffen zu den Rudern, um vom Lande zu stoßen. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung.

Die geflochtenen Ränder der Fähre waren so hoch, daß wir nicht über sie hinwegblicken konnten. Wir sahen ein Stück Himmel über uns, weiter nichts. Die Bewegungen des leichten Fahrzeuges waren sanft und gleichmäßig; man merkte, daß unsre Wächter große Übung in der Führung eines solchen Binsenkorbes besaßen. Sie kümmerten sich nicht um uns und arbeiteten, weil sie Eile hatten, aus Leibeskräften. Da wir gefesselt waren, nahmen sie an, daß eine besondere Beaufsichtigung nicht nötig sei.

Als eine Weile vergangen war, näherte Halef seinen Mund meinem Ohre und fragte:

»Darf ich jetzt sprechen, Sihdi?«

»Ja,« antwortete ich ebenso leise.

»Bist du zornig auf mich?«

»Wie ein Löwe!«

»Das beruhigt mein Herz, denn ich habe noch mit keinem einzigen Löwen gesprochen, der mir gesagt hat, daß er zornig auf mich sei. Ich kann dir nur wiederholen, daß ich keine Schuld an unserm Unglück habe. Es brach so plötzlich über mich herein, wie der Sand einbrach, der in seinem Unverstande das Gleichgewicht des Haltes verlor und erst mit meinen Füßen, dann aber mit der ganzen Ausdehnung meines Körpers in die Tiefe flog. Ich sage dir, diese Perser oder was sie sind, waren im ersten Momente nicht weniger bestürzt, als ich es war!«

»Konntest du denn ihre Überraschung nicht benutzen?«

»Wozu?«

»Schnell aufzuspringen und zu fliehen?«

»O Sihdi, was du doch manchmal für sonderbare Gedanken hast? Erstens liegt es in der Bestimmung des Kismet, daß das Fallen immer schneller vor sich geht als das Aufspringen, was du doch wohl auch schon an dir selbst erfahren hast. Zweitens war mein Weg von oben herab bis zu ihnen herunter weiter als der ihrige zu mir, die doch einfach sitzen geblieben waren, und so dauerte meine Überraschung auch länger als die ihrige. Drittens lag ich unter einem ganzen Berg von Sand, sie aber nicht. Viertens besaß ich nur zwei Beine zum Ausreißen, sie aber besaßen zusammen wohl zwanzig Hände zum Zugreifen. Fünftens waren –--«

»Halt ein, sonst bist du morgen mit deinem Aufzählen noch nicht fertig!« fiel ich ein. »Ich habe das Unheil vorausgesehen. Es ist richtig eingetroffen, was ich befürchtete. Ich hätte selbst gehen, dich aber nicht schicken sollen. Du bist nicht vorsichtig genug!«

»Sihdi, zanke nicht auf mich, sondern auf dich! Ich habe mich ganz genau so verhalten, wie du es wolltest, du dich aber nicht so, wie ich es wünschte.«

»Wie meinst du das?«

»Du wünschtest, ich solle vorsichtig sein, und das bin ich auch gewesen; daß die Böschung dann so unvorsichtig war, mit mir dorthin zu rutschen, wohin sie gar nicht gehört, das mußt du ihr vorwerfen, aber nicht mir. Dann, als ich gefangen war und mir sagte, daß du mir folgen werdest, wünschte ich von ganzem Herzen, du möchtest dich nicht auch ergreifen lassen. Hast du diesen meinen Wunsch etwa befolgt?«

»Hm, nein!«

»Gut! Du siehst also ein, daß du nicht mit mir, sondern mit dir zu zürnen hast. Also zanke nicht!«

Ich hätte laut auflachen mögen. Der pfiffige Kleine wälzte alles von sich auf mich und zwar in so diplomatischer Weise, daß es mir fast unmöglich war, ihm unrecht zu geben. Und dann fügte er zur Abwehr eines vielleicht doch von mir beabsichtigten Seitenhiebes hinzu:

»Ich glaubte, du seist wirklich ohnmächtig; du warst es aber nicht?«

»Nein.«

»So hast du gehört, welche Antworten der Pädär von mir bekommen hat?«

»Ja.«

»Sag aufrichtig, habe ich das nicht gut gemacht?«

»Vortrefflich!«

»Ich danke dir! Dieses dein Eingeständnis giebt mir die beglückende Überzeugung, daß die Kürze meiner Einsicht der Länge deines Verstandes doch noch ebenbürtig ist. Wir stehen uns also vollständig gleich und sind in Beziehung auf unsere tiefe, von den Persern besorgte Ergriffenheit vollständig miteinander quitt. Wir können uns darum nun in freundschaftlicher Einigkeit der Hauptsache zuwenden: Denkst du, daß es uns glücken wird, freizukommen?«

»Gewiß.«

»Wann? Wo? Wie?«

»Das ist zuviel auf einmal gefragt. Wir müssen abwarten, was geschehen wird.«

»Man wird uns dem Säfir ausliefern?«

»Ja.«

»Was wird er mit uns thun?«

»Er wird uns, wie du von dem Pädär gehört hast, in dem Zyndan des Nimrud unterbringen.«

»Hast du eine Ahnung, was für eine Art von Gefängnis das ist?«

»Ich denke, daß es derselbe unterirdische Raum im Birs Nimrud sein wird, in welchem unser Bagdader Bimbaschi gesteckt hat.«

»Allah! Wie kommst du auf diese Idee?«

»Es sind verschiedene Gründe, die mich auf sie führen. Wir können das jetzt nicht ausführlich erörtern.«

»Meintest du nicht, daß es aus diesem Raume einen Ausweg gebe?«

»Ich bin beinahe überzeugt davon, doch fragt es sich, ob dieser Ausweg auch für Menschen gangbar ist. Mag geschehen, was da will, und mag es kommen, wie es will, wir müssen wünschen, nicht voneinander getrennt zu werden.«

»Das ist richtig, und darum werde ich, falls man uns trennen will, dies einfach nicht zugeben!«

»Wie willst du das anfangen?«

»Das weiß ich jetzt noch nicht; aber im betreffenden Augenblicke werde ich es wissen.«

»Du wirst nichts, gar nichts wissen. Wenn man uns trennen will, wird man es thun, ohne daß wir es verhindern können. Unsere Befreiung steht mir außer allem Zweifel; nur darf sie nicht zu lange auf sich warten lassen, schon unserer Pferde wegen. Wollen doch vor allen Dingen einmal unsere Fesseln untersuchen. Du hast die Finger frei?«

»Ja.«

»Mir hat man die Hände leider auf dem Rücken zusammengebunden. Ich werde mich umdrehen. Untersuche einmal, ob du sie vielleicht aufknüpfen kannst!«

Ich legte mich auf die andere Seite, so daß ich ihm den Rücken zudrehte, und fühlte dann, daß er trotz seiner auch gefesselten Hände sehr eifrig an den Knoten, welche mehrfach und zwar sehr fest geknüpft worden waren, herumarbeitete. Es dauerte lang, wohl eine Viertelstunde, bis ich merkte, daß sie locker wurden. Ich half durch Drehen der Hände und Dehnen der Riemen nach, und es gelang mir, zunächst die rechte Hand frei zu bekommen, die linke aber noch nicht, weil man die Vorsicht angewendet hatte, die Banden nicht direkt um beide Handgelenke, sondern um jedes besonders zu schnüren und dann noch unter dem Gürtel zweifach hindurchzuziehen.

Die Befreiung dieser Hand hatte eine ziemliche Kraftanstrengung erfordert und einen Ruck verursacht, welcher sich dem leichten Fahrzeuge mitteilte; es schwankte.

»Was macht ihr da!« rief uns der eine der Ruderer zu, indem er sich nach uns umdrehte. »Liegt ruhig, sonst werfen wir um, und ihr müßt elend ersaufen!«

Der andere war leider bedenklicher; er sagte.

»Wer weiß, was sie miteinander vorhaben! Das sind durchtriebene Hunde. Untersuche doch einmal ihre Fesseln! Ich führe inzwischen das Ruder allein.«

Sobald ich das hörte, war ich überzeugt, vor einem Augenblicke der Entscheidung zu stehen. Es wurde unbedingt entdeckt, daß eine meiner Hände frei war. Was dann? Sollte ich sie mir wieder festbinden lassen? Nein! Dann gab es einen Kampf und wir fielen alle in das Wasser. Und wenn dies auch nicht geschah, so waren uns die beiden Gegner, weil sie Waffen besaßen und ich mich nur eines Armes bedienen konnte, weit überlegen. Das war also auch zu vermeiden. Da gab es nur noch einen Fall, nämlich meine Flucht. Aber Halef konnte, weil gefesselt, nicht mit. Durfte ich ihn verlassen? Warum nicht? Bekam ich meine Freiheit wieder, so konnte ich ihm dann mehr nützen, als wenn ich mit ihm gefangen blieb. Aber ich wagte mein Leben. Die Füße waren zusammengebunden und die linke Hand hing noch am Gürtel fest. Dazu war vorauszusehen, daß man auf mich schießen werde, denn die beiden Männer waren im Besitze von Pistolen. Pah! Ich brauchte nur schnell im Wasser zu verschwinden, so hatte ich keine Kugel zu fürchten. Also, frisch gewagt!

Diese Gedanken gingen mir so schnell durch den Kopf, daß ich am Entschlusse stand, noch ehe sich der Ruderer zu uns niedergebückt hatte. Ich flüsterte Halef noch rasch zu:

»Sei ohne Sorge; ich hole dich!«

Dann richtete ich mich auf und sprang über den Rand des Fahrzeuges in das Wasser. Die Flut schlug über mir zusammen, doch hörte ich noch einen doppelten Schrei vorher.

Mein Sprung brachte natürlich die Fähre aus dem Gleichgewichte; gebaut wie ein runder Korb, mußte sie sich im Kreise drehen, und so hatten die Rudersleute zunächst ihre ganze Aufmerksamkeit darauf zu richten, sie wieder in das Gleichgewicht zu bringen. Dadurch gewann ich Zeit und säumte nicht, sie zu meinem Vorteil auszunützen.

Wir hatten uns auf einer Krümmung des Flusses und darum in der Nähe des rechten Ufers befunden; meine Aufgabe war, dieses so rasch wie möglich zu erreichen. Der rechte Arm genügte mir zum Schwimmen. Als ich untergetaucht war, brachte ich mich durch einige Seitenschläge in die gewünschte Richtung und kam erst wieder empor, als mir der Atem ausgehen wollte. Da sah ich den Binsenkorb als umrißlosen Gegenstand wohl über dreißig Schritte von mir schaukeln. Ich ging wieder nieder und wiederholte das, bis ich ihn nicht mehr sehen und also annehmen konnte, daß man von ihm aus auch mich nicht entdecken werde. Von da an blieb ich oben und gelangte ohne sonderliche Anstrengung an das Ufer, von welchem aus ich die zornigen Stimmen der beiden Euphratpiraten brüllen hörte.

Am Wasser sitzend, machte ich mich nun von den Banden frei. Das geschah, da ich nicht beobachtet wurde, ziemlich leicht. Ich zog an dem Gürtel, bis der hintere Teil desselben, und mit ihm die Hand, nach vorn gekommen war, und knüpfte diese mit der Rechten los. Nun standen mir alle zehn Finger zur Verfügung, auch den um die Fußgelenke geschlungenen Riemen aufzuknoten, was nicht mehr als eine Minute erforderte. Dann befand ich mich im Wiederbesitze aller meiner Glieder und konnte das thun, was das zunächst Notwendige war – die Pferde aufsuchen.

Wir waren wohl nicht ganz drei Viertelstunden unterwegs gewesen und dabei den Krümmungen des Flusses gefolgt. Ich kannte jetzt diese Windungen, denn wenn wir auch nicht über den Rand der Fähre hatten blicken können, so hatte es in dem Flechtwerke doch Lücken gegeben, die uns, erst einmal entdeckt, hinauszusehen erlaubten. Ich brauchte also nicht dem Laufe des Stromes zu folgen, sondern ging erst ein Stück schräg in das Land hinein und wendete mich dann in die Richtung, welche mich geraden Weges zu den Pferden führen mußte.

Wenn man einen Winnetou zum Lehrmeister im Dauerlaufe gehabt hat und so hübsch frisch, naß und erquickt aus dem Wasser gestiegen ist, wie jetzt ich, so fördern die Schritte doppelt. Schon nach einer guten halben Stunde sah ich rechts von mir den Feuerschein und kam dann an die Rinne, in welcher ich die Pferde wußte.

Die lieben Tiere empfingen mich mit frohem Schnauben. Wäre es Tag gewesen, so hätten sie vor Freude gewiehert. Sie lagen noch grad so da, wie ich sie verlassen hatte; ich streichelte sie zum Dank für ihre Folgsamkeit; dann aber mußten sie auf, denn es galt, nach dem Birs Nimrud zu eilen. Am liebsten wäre ich freilich hinüber zum Pädär-i-Baharat geritten, um ihm und seiner Sippe zu zeigen, wie lange man mich hatte festhalten können; aber das wäre eine nicht nur unnütze, sondern für unsere Zwecke sogar schädliche Prahlhanserei gewesen, und so verzichtete ich darauf. Halefs Barkh bekam die Gewehre und andern Gegenstände zu tragen; Ben Rih mußte mit mir fürlieb nehmen, und so ging es denn zu Pferde der Gegend wieder zu, aus welcher ich soeben als Schnelläufer zu Fuße gekommen war. Welche Ereignisse mich dort unten am Birs Nimrud erwarteten, darauf war ich neugierig. Es galt, Halef zu befreien. Auf welche Weise das zu geschehen hatte, das kam ganz auf den Ort an, wohin man ihn geschafft hatte, und auf die von mir dort vorzufindenden Verhältnisse. Das aber nahm ich mir für alle Fälle vor, daß es keinem Menschen wieder gelingen sollte, meine Person in seine Gewalt zu bringen. Der Mensch denkt und –------- ist dabei so gedankenlos, daß dann grad das Gegenteil von dem geschieht, was er glaubt, ganz logisch und folgerichtig gedacht zu haben!

Ich wäre gern Galopp geritten, durfte dies aber nicht, wegen der vielen ausgetrockneten Kanäle, Gräben und sonstigen Einsenkungen, welche ich zu passieren hatte; doch kam ich trotzdem so schnell vorwärts, daß ich schon nach drei Viertelstunden den Karawanenweg nach Kerbela kreuzte. Dann kam Tahmasia und später Tell Markeh, worauf ich nach dem Birs Nimrud einbog.

Hier brauchte ich wieder einen Ort, an welchem ich die Pferde verbergen konnte. Das gestrige Versteck, wo wir die Spuren der Stachelschweine gesehen hatten, war zwar vortrefflich gewesen, dann aber allen unsern Begleitern bekannt geworden; darum durfte ich es nicht wieder wählen. Als wir in der Frühe mit den Soldaten nach Hilleh geritten waren, hatte ich, freilich ohne spezielle Absicht, den Teil der Ruinen, an welchem wir vorübergekommen waren, genau in Augenschein genommen, und so erinnerte ich mich jetzt eines Mauereinschnittes, von dem ich glaubte, daß er meinem Zwecke entsprechend sei. Ich ritt also der Gegend zu, in welcher er sich befand, und verfehlte ihn nicht.

Ich stieg ab und untersuchte die Stelle näher; ich hatte mich nicht getäuscht; sie paßte sehr gut für die Absicht, welche ich verfolgte; darum schaffte ich die Pferde hinein, pflockte sie an und befahl ihnen, sich zu legen, was sie sofort thaten. Ein Messer hatte ich nicht mehr, weil mir das meinige von dem Pädär abgenommen worden war, ich steckte also einen meiner zwei Revolver zu mir; alles andere ließ ich zurück, dann ging ich, um nach Halef zu suchen.

Nach meiner Berechnung mußte er schon vor mir angekommen sein; meine Flucht hatte seine Begleiter unbedingt zur größten Eile angetrieben. Da ich annahm, daß das Zyndan, in welches man uns hatte schaffen wollen, das frühere Gefängnis unseres Bimbaschi sei, dessen Eingang ich kannte, so wußte ich, wohin ich meine Nachforschungen zu richten hatte: Ich mußte über die Stelle hinweg, an welcher die Särge geöffnet und verbrannt worden waren. Dorthin wendete ich mich.

Da ich die Örtlichkeit genau kannte, bot sie mir keine Schwierigkeiten, doch nahm ich mich außerordentlich in acht, von jemand gehört oder gesehen zu werden. Ich benutzte jede Ecke, jeden Vorsprung, um vorher zu horchen, ehe ich weiterging, und das nahm mehr Zeit in Anspruch, als ich an diesen Schleichweg eigentlich hatte wenden wollen. Es herrschte tiefe Stille ringsumher; sogar die Luft schien unbeweglich zu sein. Das war so recht der Tod, der einst, vor nun über zweitausend Jahren, seine Sterbedecke über das damals so leichtlebige Babel ausgebreitet hatte! Ich kam auch an die Stelle, von welcher aus ich mit Halef das Verbrennen der Leichen zuerst bemerkt hatte, und blieb da unwillkürlich stehen. Da klang eine unterdrückte Stimme links aus den Ziegeltrümmern heraus:

»Sihdi!«

Dieses Wort zog mich rasch nach der Seite hin. War es Halef gelungen, zu entfliehen, und hatte er mich hier erwartet, weil er wußte, daß ich unbedingt kommen und nach ihm suchen werde?

»Halef, bist du es?« fragte ich.

»Ja. Sprich leise, und komm schnell her, sonst entdecken sie dich!«

»Zeige dich erst! Tritt einmal hervor!« forderte ich ihn in meiner so oft bewährten Vorsicht auf.

»Da bin ich! Aber schnell, komm schnell! Sie sind ganz in der Nähe, dort, da hinten und auch drüben; sie sehen dich!«

Er hatte sein Versteck auf einen Augenblick verlassen, er war es, der kleine, schmächtige Kerl, in dem mir wohlbekannten Anzuge. Er winkte während seiner Worte in hastiger Weise mit beiden Händen; es mußte wirklich für mich gefährlich sein, länger stehen zu bleiben. Ich huschte zu ihm hinüber und zwischen die Trümmerstücke hinein. Da wurde ich gepackt, bekam einen Schlag, wie mit dem Helme einer Axt, auf den Kopf und brach wie ein lebloser Klotz zusammen.

Wenn der Mensch sich doch nicht erkühnte, vorherbestimmen zu wollen, was geschehen oder nicht geschehen soll! Das sage ich jetzt, und habe es schon wie oft gesagt, und doch muß ich eingestehen, daß grad ich während meines wechselvollen und ereignisreichen Lebens den soeben gerügten Fehler öfter als hundert und auch tausend andere begangen habe. Und dabei kenne ich doch die alte, gute Kirchenliederstrophe:

»Du bist doch nicht Regente,
Der alles führen soll;
Gott sitzt im Regimente
Und führet alles wohl!« – –

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem langen, schmalen, nicht viel über manneshohen Raum, dessen Wände aus Ziegeln bestanden. Er wurde von einem irdenen Öllämpchen, welches in einer Nische stand, nur so erleuchtet, daß man nichts als die nächste Umgebung dieser Nische, die noch mehrere solcher Lämpchen enthielt, erkennen konnte. In einer Ecke, bis zu welcher der spärliche Lichtschein drang, sah ich in dem Boden, von welchem der Sand entfernt worden war, ein Loch in die Tiefe führen; neben demselben lagen die ausgehobenen Deckelbretter und dabei mehrere Werkzeuge und Stricke. Ich sagte mir sofort, daß dies der Gang sei, in welchem der Bagdader Bimbaschi mit seinem dicken Kepek gelegen und den er uns beschrieben hatte. Ich war in eine Falle gegangen, glücklicherweise in eine mir bekannte, obwohl ich mich noch niemals hier im Innern des Birs Nimrud befunden hatte.

Es verstand sich ganz von selbst, daß es nicht Halef gewesen war, der mich zu sich gerufen hatte. Und wenn ich das jetzt nicht schon von selbst eingesehen hätte, so wäre es mir ad oculos demonstriert worden, denn der Betreffende hockte mir gegenüber an der Wand des Ganges und beobachtete mich so scharf, daß ich sah, er sei als mein Wächter angestellt. Er war von kleiner, schmächtiger Gestalt und trug den Anzug des Hadschi, jedenfalls eine Entschuldigung für mich, daß ich ihn in der Dunkelheit für Halef gehalten hatte. Als er sah, daß meine Augen jetzt geöffnet und auf ihn gerichtet waren, verzog er sein bartloses Gesicht zu einem höhnischen Grinsen, nickte mir lachend zu und sagte:

»Allah sei Dank, daß du endlich erwachst! Der Hieb, den wir dir gaben, war zu kräftig ausgeholt. Ihr Christenhunde scheint eiserne Schädel zu besitzen, denn mir und jedem Rechtgläubigen hätte dieser Schlag die Pforten des Paradieses geöffnet. Nicht wahr, das haben wir schlau angestellt?«

Da ich diese Frage nicht beantwortete, fuhr er in selbstgefälligem Tone fort:

»Ihr selbst nennt euch berühmte Leute, und so dürft ihr euch nicht darüber wundern, daß wir eure Besonderheiten kennen. Als nur dein Begleiter gebracht wurde, sagte der Säfir sogleich, daß du ihn nicht im Stiche lassen, sondern kommen werdest, um nach ihm zu forschen. Ich mußte, da ich gleicher Gestalt mit ihm bin, die Kleidung mit ihm wechseln, und dann stellten wir uns auf, dich zu erwarten. Ich bekam den Platz, von welchem anzunehmen war, daß du dich da am wahrscheinlichsten vorüberschleichen werdest, und der Säfir gab mir die Weisung, dich so in den Hinterhalt zu locken, wie ich es gethan habe. Es war beobachtet worden, daß dein Genosse dich stets ›Sihdi‹ nennt, und dieses Wort ist es gewesen, mit dem es mir gelang, deinen anfänglichen Verdacht zu zerstreuen. Allah hatte dir die Schärfe des Gesichtes und des Gehöres genommen, sonst hättest du unbedingt merken müssen, daß es ein anderer war, der dich rief.«

»Wo bin ich jetzt?« frage ich.

Ich erwartete natürlich nicht, die Wahrheit zu hören; aber wenn ich mich in ein Gespräch mit ihm einließ, so war es vielleicht möglich, aus seinen Worten etwas zu kombinieren, was er mir nicht sagen durfte oder wenigstens nicht sagen wollte.

»Das möchtest du wohl sehr gern wissen?« lachte er. »Ich will die Güte meines Herzens über dich ergießen und dir die gewünschte Auskunft geben: Du befindest dich hier in der Vorkammer zur Hölle, in welcher der Teufel mit allen seinen Untergebenen auf dich wartet, um ihnen zu zeigen, wie ein Christenhund deines Schlages geschunden werden muß. Sag, wie gefällt dir das?«

»Ganz gut!«

»Verstelle dich nicht! Ich sehe dir doch die Angst an, welche in deinem Innern wohnt. Ich brauche es dir gar nicht erst mitzuteilen, weil du es dir selbst sagen mußt, daß der Scheitan für dich das höchste, was die Hölle leisten kann, erfinden wird.«

Er hatte wahrscheinlich die Absicht, mir dieses »Höchste« so recht behaglich auszumalen, kam aber nicht dazu, denn es machte sich jetzt in dem erwähnten Loche ein Geräusch bemerkbar, wie wenn langsame, tastende Schritte auf Stufen steigen, und dann kamen drei Männer hervor, von denen ich den zweiten und dritten nicht, den ersten dafür aber um so besser kannte; es war der Säfir. Er warf einen kurzen, forschenden Blick auf mich und sagte dann zu meinem Wächter:

»Ich sehe, der Schurke ist aufgewacht. Hast du mit ihm gesprochen?«

»Ja,« antwortete der Kleine.

»Was hat er gesagt?«

»Daß es ihm hier ganz gut gefällt.«

»Das hat nicht er, sondern seine Verzweiflung gesprochen. Er kann sich denken, was ihn erwartet. Hier giebt es andere Richter als in der Mehkeme zu Hilleh und auch keine Mauer, über die man fliehen kann. Jetzt haben wir leider keine Zeit, uns mit ihm abzugeben; mit um so größerer liebe aber werden wir uns nachher mit ihm beschäftigen. Schafft ihn hinab! Er kommt zum Pischkhidmät Baschi; wir haben keinen andern Platz; zu seinem Scheik der Haddedihn dürfen wir ihn nicht bringen, denn wenn sie beisammen sind, so treiben sie Allotria, und das muß verhütet werden.«

»Darf ich meine Kleider wieder haben?« fragte der Wächter. »Ich will diesen Anzug des verfluchten Sunniten keinen Augenblick länger tragen, als es unbedingt notwendig ist. Es ist ja alles vermaledeit, was so ein Kerl berührt!«

»Nimm deinen Anzug wieder, wenn wir jetzt hinunterkommen! jetzt verbindet ihr diesem Ungläubigen die Augen; er darf nichts sehen. Und gebt ihm einstweilen die Beine frei, damit er gehen kann und ihr ihn nicht zu tragen braucht!«

Man kam diesem Befehle nach. Als es geschehen war, mußte ich aufstehen und wurde nach dem Loche geführt, um hinabzusteigen. Ich zählte, indem ich dies that, achtzehn Stufen, was mit der Erzählung des Bimbaschi stimmte. Unten angekommen, hörte ich, als gesprochen wurde, an dem Klange der Stimme, daß wir uns in einem ziemlich großen Raume befanden. Jedenfalls war dies Nummer Eins der fünf Vierecke, welche er uns zur Erläuterung gezeichnet hatte.

Ich wurde weiter geführt. Ein Vorhang, welcher mich berührte, verriet mir, daß wir nach Nummer Drei kamen. Hier sagte der Wächter:

»Jetzt werde ich mit dem Haddedihn die Anzüge wechseln.«

Ich hörte, daß er nach rechts ging, und schloß daraus, daß man Halef in dem Raume Nummer Vier untergebracht hatte. Der Säfir erhob dagegen Einspruch, indem er ihm befahl:

»Warte, bis wir hier mit dem Christen fertig sind! Bist du einmal verunreinigt, so kommt es auf eine Minute länger auch nicht an!«

Hierauf hörte ich Riegel zurückschieben und eiserne Stäbe klirren. Man öffnete den aus starken Drahtstäben bestehenden Vorhang, den ich aus dem Berichte des Bimbaschi kannte, und schob mich nach Nummer Fünf. Kaum waren wir dort eingetroffen, so hörte ich eine Stimme:

»Endlich, endlich kommt ihr, mich loszulassen! Ich hätte es in Fesseln und in dieser Finsternis nicht länger ausgehalten!«

»Du wirst es dir noch länger gefallen lassen,« antwortete der Säfir lachend. »So liebe Gäste läßt man nicht so schnell fort.«

»Aber ich habe ja alles gethan, was ihr von mir verlangtet! Nun haltet auch Wort und laßt mich frei!«

»Beruhige dich, mein Liebling; wir sind noch nicht ganz fertig mit dir!«

»Was wollt ihr noch?«

»Du hast uns nur eine Anweisung gegeben. Wir verlangen mehr!«

»Nur eine? Ihr wolltet doch nur diese eine; sie war hoch genug; die Summe, welche ich unterschrieben habe, stellt fast mein ganzes Vermögen dar!«

»Eben darum sind wir noch nicht mit dir fertig. Wir wollen dein Vermögen nicht fast, sondern ganz.«

»Allah kerihm – Gott sei mir gnädig! Was habe ich euch gethan, daß ihr mich zum Bettler machen wollt? Bedenkt doch, daß ich in der beglückenden Nähe des Beherrschers wohne, der mir seine ganze Macht zur Verfügung stellen wird, mich an euch zu rächen!«

Da stießen sie alle ein großes Gelächter aus, und der Säfir antwortete:

»Entweder bist du verrückt oder im höchsten Grade dumm. Es kommt doch nur auf uns an, ob du Gelegenheit zur Rache findest oder nicht. Ich darf nur wollen, so bekommst du deinen beglückenden Beherrscher nicht wieder zu sehen. Ich brauche dir nur den Lauf dieser Pistole an die Stirn zu halten und loszudrücken, so ist es mit dir und deiner ganzen Rache zu Ende!«

Er schien ihm die Pistole wirklich vorzuhalten, denn der Kammerherr rief im allerängstlichsten Tone:

»Halt; schieß nicht; schieß nicht! Ich will ja alles, alles thun, was ihr von mir verlangt!«

»Gut! Für jetzt verlange ich weiter nichts von dir, als daß du schweigst, solange wir uns hier befinden. Wir können deine Lamentationen nicht erhören. Wir sind gekommen, dir zu zeigen, wie gut wir es mit dir meinen. Du klagst darüber, daß dir die Zeit so lang geworden sei; sie soll dir kürzer werden. Hier bringen wir dir einen Kameraden, mit dem du dich unterhalten kannst. Er ist für den Tod bestimmt und wird hier in diesem Raume vor deinen Augen in einer Weise sterben, welche dir die prächtigste Unterhaltung bieten wird, die sich nur denken läßt. Schau ihn einmal an! Er ist zwar nur ein unreiner aussätziger Christenhund, aber – – –«

»Das ist da dieser Kara Ben Nemsi Effendi!« unterbrach ihn, vor Überraschung laut schreiend, der Kammerherr.

Der Säfir hatte mir nämlich, um ihm mein Gesicht zu zeigen, die Binde von den Augen genommen und die Lampe emporgehoben.

»Kennst du ihn etwa?« fragte er schnell.

»Ja.«

»Woher?«

»Ich traf ihn unterwegs im Khan, wo er einen Streit mit mir begann.«

»So könnt ihr euch hier ganz vortrefflich weiterstreiten. Ihr habt die beste Gelegenheit dazu, und es wird euch binnen sechs oder sieben Stunden kein Mensch stören. Früher hast du ihn nicht gekannt?«

»Nein. Aber er kennt euch.«

»Woher weißt du das?«

»Er hat mich vor euch gewarnt.«

»Wieso?«

»Er sagte mir, daß ihr es auf die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi abgesehen hättet.«

»Maschallah! Wie ist es möglich, daß er dies gewußt hat? Sag, wie hast du es erfahren, und wer hat es dir verraten?«

Er wendete sich mit dieser Aufforderung an mich. Seine dunkeln Augen blitzten mich an, und die feuerrote Narbe in seinem Gesichte schien anzuschwellen und verdunkelte sich. Da ich nicht sofort antwortete, fügte er drohend hinzu:

»Sprich schnell, sonst öffne ich dir den Mund!«

Da sagte ich ruhig:

»Bilde dir nichts ein! Ich spreche nur dann, wenn es mir gefällt. Ich höre aus deinen Worten, daß du beabsichtigst, in sechs oder sieben Stunden wiederzukommen. Diese Zeit genügt mir, mit mir ins reine zu kommen, in welcher Weise ich mit dir dann sprechen werde.«

»Gut! Vortrefflich!« lachte er mir in das Gesicht. »Also nach dieser Frist wirst du wissen, wie du mit mir zu verkehren hast?«

»Ja.«

»Und ich weiß schon jetzt in diesem Augenblicke, wie ich mich zu dir verhalten werde und welches Ende unsere Bekanntschaft nehmen wird. Du wirst diesen Ort hier lebend nicht verlassen; du wirst hier sterben, und dein Tod wird ein schrecklicher sein, ein so schrecklicher, daß dir dann die Hölle als ein Ort der Erlösung gelten wird!«

»Daß dies deine Absicht ist, weiß ich; aber ebenso genau weiß ich, daß ich mich weder vor dir noch vor dem Tode und der Hölle zu fürchten brauche. Das Ende meines Lebens steht nicht in deiner, sondern in Allahs Hand, und da er ein gerechter Richter ist, so bin ich überzeugt, daß er dich eher, viel eher fassen wird, als du mich!«

»Ich habe dich ja schon!« zischte er mich an.

»Nur einstweilen, für kurze Zeit; er aber wird dich nicht wieder aus seinen Händen lassen. Du kannst mich nicht hier halten; du bist zu schwach dazu; wen aber der Zorn Allahs packt, für den giebt es keine Hoffnung, zu entkommen; er wird zermalmt.«

Er trat einen Schritt zurück, schlug die Hände in ironischer Verwunderung zusammen und rief mir spottend zu:

»Was für ein großer, für ein berühmter und wunderbarer Prophet du bist! Wünschest du, daß ich vor dir niederfalle und dich verehre? Ich sage dir, daß du wie ein Mensch gesprochen hast, der an unheilbarer Verrücktheit leidet. Wenn du vom Zorne Allahs faselst, so setze ich den meinigen dagegen, und du wirst sehr bald erfahren, welcher von beiden der gefährlichere ist. Aus meiner Hand kann dich kein Allah retten; hier im Birs Nimrud gilt er nichts; da bin nur ich allein der Herr!«

»Lästerer!«

»Ich lästere nicht; ich kenne nur meine Macht, an welcher du zu zweifeln wagst. Höre, was ich dir sage! Mit Beginn des neuen Tages wird auch deine Todesqual beginnen, und nur wenn du mich um Erbarmen bittest, wird sie mit dem Tage zu Ende sein, sonst aber wird sie länger, wohl mehrere Tage dauern!«

»So höre auch, was ich dir sagen werde! Mit Beginn des neuen Tages wird deine eingebildete Macht zu Ende sein, und mit dem Ende dieses Tages wird dich die Faust der ewigen Gerechtigkeit ergreifen. Nun haben wir beide unsere Meinungen ausgesprochen und werden sehen, was geschieht!«

Diese Worte waren mir keineswegs von einer persönlichen Absicht diktiert worden, sondern als ich sie gesagt hatte, wußte ich selbst nicht, wie ich dazu gekommen war, sie auszusprechen. Ich bin überzeugt, daß auch sie die Folge einer Eingebung waren, deren Quell nicht in mir selber lag. Der Säfir ließ einen unendlich verächtlichen Blick an mir niederstreifen und erwiderte:

»Ja, wir werden sehen, was geschieht. Ich weiß es ja schon jetzt, und du wirst es erfahren, sobald ich zurückkehre. Damit du inzwischen einen kleinen Vorgeschmack von den Freuden bekommst, die dich erwarten, werden wir dich mit der wonnevollen Stellung der Glieder beglücken, auf die nur hervorragende Herren Anspruch haben und die wir Sa'adet-i-Bädän zu nennen pflegen. Bindet ihn, aber so fest, daß er sich nicht rühren kann!«

Ich hätte mich wehren können, doch voraussichtlich ohne allen Erfolg; darum verzichtete ich auf Widerstand und ließ mit mir machen, was sie wollten. Ich mußte mich niedersetzen. Sie richteten mir die Kniee bis an die Brust empor und befestigten sie dort mit Hilfe eines um den Hals geführten Strickes, der meinen Kopf bis ganz zu ihnen niederzog; die beiden Enden dieses Strickes wurden mir unten mehreremal um die Fußgelenke geschlungen und dort fest verknüpft. Sodann legten sie mir die Arme um die Kniee und banden sie mir, wie sie meinten, so fest zusammen, daß ein Öffnen der Knoten vollständig ausgeschlossen zu sein schien und mein Körper nun die Haltung einnahm, welche man mit dem Ausdrucke »in den Bock gespannt« bezeichnet.

Ich habe mich mit Absicht der Worte »wie sie meinten« bedient, denn sie hatten, allerdings ohne es zu bemerken, ihre Absicht nicht oder doch wenigstens nicht ganz erreicht. Während sie mir die Vorderarme zusammenbanden, hatte ich die Handgelenke nicht breit, sondern hoch aufeinander gelegt und dabei die Ellbogen so weit wie möglich niedergedrückt; zog ich die letzeren dann empor und drehte dabei die Gelenke, so mußte die Schlinge schlaff werden und es gelang mir vielleicht, aus ihr herauszukommen. In dieser Hoffnung wurde ich durch den für mich sehr günstigen Umstand bestärkt, daß mir die Hände frei herunterhingen; man hatte, da die Handwurzeln zusammengefesselt waren, es nicht für notwendig gehalten, auch noch die Hände selbst unschädlich zu machen; ich war ihnen hier in diesem unterirdischen Raume ja überhaupt so sicher, daß es ihrer Ansicht nach für mich, selbst wenn ich nicht gefesselt gewesen wäre, nicht die geringste Hoffnung, zu entrinnen, gab.

Als man mir in dieser Weise scheinbar alle Möglichkeit, mich zu bewegen, genommen zu haben glaubte, zerrte man mich in eine Ecke. Der Säfir faßte mich an der Schulter, wiegte meinen krummgezogenen Körper einigemal wie einen Schaukelstuhl auf und nieder und sagte dann:

»So, das ist die Sa'adet-i-Bädän, welche dir eine sieben Stunden lange Wonne bereiten wird, der Anfang der Glückseligkeit, welche wir dir zugedacht haben. Nun drohe, soviel du willst, mit deiner ›Faust der ewigen Gerechtigkeit‹, über welche ich nur lachen kann!«

»Ich werde dich an diese Worte erinnern,« antwortete ich; »dann wirst du nicht mehr lachen!«

»Thue das, du Wurm; ich freue mich darauf!«

Bei diesen Worten wendete er sich von mir ab und ging hinaus; die andern folgten ihm. Die Eisenstäbe klirrten nieder; die Riegel wurden vorgeschoben, und es war nun vollständig dunkel um uns her. Kaum waren wir nun allein, so begann der Kammerherr:

»Wer hätte gedacht, daß – – –«

»Schweig!« unterbrach ich ihn. »Sei jetzt ganz ruhig; wir müssen horchen!«

Ich legte mich um, so daß mein Ohr auf die Erde zu liegen kam und lauschte. Der dünne Drahtvorhang war nicht hinreichend, die Schallwellen vollständig von uns abzuhalten; ich hörte ganz deutlich, daß die vier Männer aus Nummer Drei nach Nummer Vier gingen, also zu Halef, seines Anzuges wegen. Nach vielleicht zehn Minuten kamen sie von da zurück und begaben sich nach Nummer Eins, um, wie ich annahm, in den Gang hinaufzusteigen. Ich unterschied ganz bestimmt die Schritte von vier Personen und durfte also überzeugt sein, daß keiner von ihnen zu unserer Bewachung zurückgeblieben war. Wozu auch? Sie hielten das für vollständig überflüssig und brauchten wahrscheinlich draußen soviel Leute, daß niemand zu entbehren war.

Jetzt machte ich den oben erwähnten Versuch mit dem um meine Handgelenke geschlungenen Stricke; ich bekam Zwischenraum, wenn auch nicht soviel, daß es mir möglich gewesen wäre, die eine Hand herauszuziehen; aber ich konnte sie doch wenigstens drehen und bekam dadurch den Knoten in die Finger. Es galt, ihn aufzuknüpfen, worüber ich wohl eine Viertelstunde zubrachte. Während ich mich hiermit beschäftigte, fragte der Kammerherr.

»Horchst du noch, oder darf ich jetzt sprechen?«

»Du darfst, aber ganz leise,« antwortete ich. »Es könnte sich doch jemand heimlich herangeschlichen haben, um uns zu belauschen.«

»Sag, wie bist du hierhergekommen? Ihr schlugt doch den Weg nach Bagdad ein!«

»Das thaten wir nur zum Scheine. Wir sind auf einem Umwege zurückgekehrt, um euch zu retten.«

»Um – uns – zu – retten?!« sprach er meine Worte verwundert nach. »Du bist aber doch selbst gefangen!«

»Das stört mich nicht. Oder stört dich vielleicht meine Gegenwart?«

»Nein, o nein! Wie kommst du auf diesen Gedanken und zu dieser Frage?«

»Das weißt du nicht?«

»Nein.«

»Hast du vergessen, was du im Khan zu uns sagtest? Deine Worte lauteten: ›Laßt euch nicht wieder vor uns sehen! Ein altes, persisches Sprichwort fordert, daß jeder Schiit, der einem Christen begegnet, ihn mit den Füßen von sich stoße, sonst hat er die Folgen in diesem und in jenem Leben zu tragen.‹ Nun, ich bin ein Christ, und du bist ein Schiit. Jetzt stoße mit den Füßen!«

»Effendi, du darfst das, was ich gesagt habe, nicht so nehmen, wie es geklungen hat, zumal alles anders geworden ist, als ich dachte. Hätte ich deine Warnung beachtet, so läge ich nicht hier, und meine Begleiter wären nicht ermordet worden!«

»Ermordet?«

»Ja.«

»Alle?«

»Alle elf. Ich habe dabei gestanden und zusehen müssen, ohne ihnen helfen zu können. Ich bot Geld über Geld für ihr Leben; aber der, den sie den Säfir nennen, lachte mich aus und sagte, er dürfe keinen Zeugen leben lassen und werde mein Geld auch sonst gewiß bekommen.«

»Elf Menschen umgebracht! Das ist geradezu teuflisch von ihm! Erzähle mir, wie ihr in seine Hände gefallen seid!«

»Wir kamen nach Hilleh, und ich suchte natürlich sogleich den Sandschaki auf, bei dem ich den Säfir fand –«

»Habt ihr da von mir gesprochen?«

»Nein. Es war nur die Rede von meiner Reise und von den Gefahren, welche grad in dieser Gegend auf jeden wohlhabenden Pilger lauern.«

»Vortrefflich ausgedacht! Ich bin überzeugt, daß grad der Säfir das Gespräch auf dieses Thema gebracht hat.«

»Deine Vermutung trifft das Richtige. Der Sandschaki versprach mir seinen Schutz; aber der Säfir warnte mich vor ihm.«

»Natürlich heimlich?«

»Ja. Er suchte mich auf, als ich dann allein war, und sagte mir, daß der Sandschaki mit den Räubern im Einvernehmen steht und einen guten Teil der Beute bekomme.«

»Das glaubtest du?«

»Warum nicht? Solche Dinge kommen vor, und zwar nicht bloß hier im Lande der Türken, wo Beamte oft jahrelang vergeblich auf die Zahlung ihres Gehaltes warten und darum suchen müssen, auf dunklen Wegen Geld zu verdienen. Der Säfir teilte mir im Vertrauen mit, daß auch er nach den heiligen Stätten wolle, aber sich wohl gehütet habe, dem Sandschaki mitzuteilen, daß er schon heut abend aufbrechen werde; er habe die Leute seiner Karawane, lauter friedliche und zuverlässige Solaib-Araber, bei den Ruinen stehen und werde die Wanderung beginnen, ohne dem Sandschaki ein Wort davon zu sagen.«

»Er lud dich ein, dich ihm anzuschließen?«

»Nein, sondern ich bat ihn darum, dies thun zu dürfen.«

»Grad das hat er gewollt!«

»Natürlich! Ich ahnte es leider nicht. Er ritt voran, um uns vor der Stadt zu erwarten, und wir folgten ihm. Als wir ihn erreicht hatten, machte er den Führer.«

»Da habe ich ihn also für vorsichtiger gehalten, als er gewesen ist. Ich glaubte, daß er für ein Alibi sorgen werde.«

»Was ist das, ein Alibi?«

»Ein Rer mathra, ein Beweis, daß der Angeklagte sich zur Zeit des Verbrechens an einem andern Orte befunden hat, als an demjenigen, wo das Verbrechen verübt wurde. Ich nahm an, daß er bei dem Sandschaki in Hilleh bleiben und euch von den sogenannten Solaib-Arabern überfallen lassen werde. Da konnte er nachweisen, daß er nicht dabei gewesen sei.«

»Warum brauchst du das Wort ›sogenannt‹?«

»Weil diese Leute keine ehrlichen Solaib-, sondern räuberische Ghasai-Beduinen sind.«

»Allah! Und grad weil er sie als Solaib bezeichnete, hatte ich solches Vertrauen, denn ich weiß, daß die Angehörigen dieses Stammes jede Art von kriegerischer Thätigkeit scheuen.«

»Grad darum, also um Vertrauen zu erwecken, bezeichnete er seine Leute als Solaib. Hättest du mir im Khan Glauben geschenkt, so wärest du nicht in ihre Hände geraten! Doch erzähle jetzt weiter!«

»Wir ritten nach den Ruinen, nach welchem Teile derselben, das wußte ich nicht, denn es war dunkel, und ich kenne diese Gegend nicht. Ich ritt mit ihm voran; meine Leute folgten; zwischen uns und ihnen war ein Zwischenraum –--«

»Oh,« fiel ich ein; »er wollte dich von ihnen absondern, weil du leben bleiben solltest!«

»Ja. Plötzlich ertönten hinter uns mehrere Schreie. Als ich mich umdrehte, sah ich die Meinigen im Kampfe mit fremden Männern.«

»Du eiltest doch sofort hin, um ihnen zu helfen?«

»Ich wollte, aber da schlug mir der Säfir mit dem Kolben seines Gewehres auf den Kopf, daß ich vom Pferde stürzte. Er sprang auch ab und band mir die Hände auf dem Rücken zusammen. Dabei drohte er mir, mich sofort zu erstechen, falls ich schreien oder eine unerlaubte Bewegung machen werde.«

»Du gehorchtest natürlich?«

»Ja. Was hätte ich sonst thun sollen? Ich sage dir, ich bin ein tapfrer Mann, ein wahrer Held im Streite, aber in einer solchen Lage hilft selbst die größte Kühnheit nichts. Das sah ich auch an meinen Leuten. Einige von ihnen waren tot; die andern wurden gebunden wie ich und mit den Tieren nach einem abgelegenen und geschützten Ort geführt, wo man ein kleines Feuer anzündete, um uns beim Scheine desselben die Taschen zu leeren und auch sonst alles zu nehmen, was wir bei uns hatten. Dann wurden sie erstochen, einer nach dem andern elend erstochen! Hast du einmal zugesehen, wie ein Quassab seine Tiere absticht?«

»Ja.«

»So, grad so sah es aus, als man ihnen der Reihe nach die Klinge in die Herzen stieß. Mich schaudert, wenn ich nur daran denke! Ich allein durfte leben bleiben, ich allein, denn ich sollte Dokumente unterschreiben, welche diese Mörder vorzeigen wollen, um Geld, viel Geld zu bekommen.«

»Hast du dies schon gethan?«

»Ja. Meinst du etwa, daß ich es hätte nicht thun sollen? Der Säfir stand mit gezücktem Messer dabei und diktierte mir. Hätte ich mich nur einen Augenblick geweigert, so wäre ich auch erstochen worden.«

»Wo hast du unterschrieben?«

»In der Stube, welche hier nebenan liegt.«

»Gab es da ein Schreibzeug?«

»Schreibzeug und alles, was er brauchte, auch Siegellack. Petschieren mußte ich mit einem Siegelringe, den man mir abgenommen hatte. Er nahm das alles aus einer großen, mit Eisen beschlagenen Sanduka, zu welcher er den Schlüssel an einer Schnur um den Hals und unter der Weste hängen hatte.

Da sah ich auch Geld liegen, viel Geld in Silber und Gold. Auch flimmernde Edelsteine zeigte er mir.«

»Wie? Er zeigte sie dir?«

»Ja. Wundere dich nicht! Es ist wahr, denn ich habe es gesehen, hier mit diesen meinen Augen gesehen! Es war ein ganzer Berg von Reichtum da beisammen.«

»Du verstehst mich falsch. Ich wundere mich keineswegs über diese Schätze; mir können sie nicht imponieren; aber daß er sie dir gezeigt hat, freiwillig gezeigt, das ist kein gutes Zeichen für dich.«

»Wieso?«

»Du hoffst doch, bald wieder frei zu werden?«

»Natürlich! Zwar werde ich wohl noch einmal unterschreiben müssen, wie du ja selbst vorhin gehört hast; dann aber wird er mich gehen lassen.«

»Hat er dir das versprochen?«

»Ja.«

»Und du glaubst diesem Versprechen?«

»Warum. sollte ich nicht?«

»Warum? Warum!!! Man sollte es wirklich nicht für möglich halten, daß du noch fragen kannst. Ich bin überzeugt, daß es mit deiner Klugheit und deinem Scharfsinne genau ebenso steht wie mit deiner großen Tapferkeit, von welcher du vorhin sprachst. Er hat deine Leute ermorden lassen, um keine Zeugen zu haben; falls er dich leben läßt, bist du aber ein Zeuge seines Verbrechens. Denke doch nach!«

»Allah, Allah! Was sagst du da! Ich verstehe, was du meinst.«

»Und wenn ein Räuber jemandem seine Schätze zeigt, so thut er das nur, weil er überzeugt ist, daß der Betreffende nichts verraten kann. Diese Sicherheit giebt aber nur der Tod!«

»Mäbada – das sei ferne! Du lässest mich da in einen Abgrund blicken, welcher so schwarz wie die Tiefe des Verderbens ist!«

»Ich bin aufrichtig mit dir. Du hast mich schon einmal mit Unglauben belohnt und dies sehr teuer bezahlen müssen.

Hörst du jetzt wieder nicht auf mich, so ist es um dich geschehen. Du wirst den Himmel nicht mehr schauen, sondern hier ebenso abgestochen werden, wie deine Leute abgeschlachtet worden sind.«

»Bist du davon überzeugt?«

»Es ist meine feste, unerschütterliche Überzeugung.«

»So begnadige mich Allah mit seiner Barmherzigkeit! Ich Wal dir glauben; ja, ich muß dir glauben, wenn ich auch nicht wollte. Wenn ich mir deine Worte überlege und dazu die Schlechtigkeit dieser Menschen; wenn ich daran denke, mit welcher Kaltblütigkeit sie meine Begleiter erstachen, so kann ich gar nicht anders, ich muß mich verloren geben!«

Nun er einsah, was ihn erwartete, begann er zu jammern und zu klagen; er betete zu Allah; er wimmerte vor Angst und machte mir inzwischen eine Menge unnütze, weil unausführbare Vorschläge, uns zu retten. Inzwischen war es mir gelungen, die Knoten zu öffnen und die Hände frei zu bekommen; den Strick vom Hals, den Knieen und den Füßen zu lösen, war nun nur eine Kleinigkeit; dann stand ich auf und reckte und streckte mit unendlichem Behagen meine Glieder. Jetzt war ich gerettet; denn nun mochte der Säfir kommen mit allen, allen seinen Leuten; ich hatte keine Angst vor ihnen!

Das erste, was ich hierauf that, war, daß ich in die Ecke links ging, welche der Bimbaschi bezeichnet hatte, und da den Boden untersuchte. Es gab da einen nicht hohen, aber breiten Haufen Ziegelmehl, welches so fein und leicht war, daß ich den Arm fast bis an die Achsel hineinstoßen konnte, ohne besonderen Widerstand zu finden. Dann ging ich nach dem Eingange, um den Eisenstabvorhang zu betasten. Da war nicht hinauszukommen. Als diese Untersuchung ein leises Klirren der Stäbe verursachte, warnte der Pischkhidmät Baschi:

»Horch! Es ist jemand an der Thür!«

»Nein; ich war es,« antwortete ich.

»Du – –?« fragte er erstaunt. »Deine Stimme klingt jetzt von oben. Stehst du vielleicht? Wie kommst du an die Thür? Du bist doch gefesselt!«

»Ich war es, bin es aber nicht mehr. Während du nur jammertest, habe ich gearbeitet und mich von den Banden befreit. Nun werde ich auch dich losmachen.«

»O Allah, Allah, Allah! Welch ein Glück bricht über mich herein! ja, komm her, Effendi, und mach mich frei – frei – frei!«

»Nicht so laut! Eigentlich kann ich dich nicht losmachen.«

»Warum nicht?«

»Weil ich ein Christ bin und meine Berührung dich für dieses und für jenes Leben schändet.«

»Sprich nicht so, Effendi; sprich nicht so! Was geschehen ist, das soll vergeben und vergessen sein. Ich sage dir, daß die Christen sehr brave, gute und edle Menschen sind; ich bin überzeugt davon, vollständig überzeugt!«

»Ja, wenn ihr uns brauchen könnt, dann lobt ihr uns, sonst aber habt ihr nur einen Mund voll Speichel für die ›ungläubigen Hunde‹. Aber grad weil ich ein Christ bin, will ich mich deiner erbarmen und dich nicht hier liegen lassen, bis der Säfir wiederkommt. Wie bist du geschnürt?«

»Die Füße sind mir zusammen- und die Hände an den Leib gebunden.«

»So wird es nicht schwer sein, dich freizumachen.«

Ich kniete bei ihm nieder und nahm ihm ohne große Mühe die zwei Stricke ab, worauf er emporsprang und seiner Freude in so unvorsichtiger Weise Ausdruck gab, daß ich ihm Schweigen befehlen mußte.

Nun galt es, die Ecke genauer zu untersuchen, als ich es vorhin gethan hatte. Der Kammerherr mußte helfen. Wir entfernten das Ziegelmehl, indem wir es mit den Händen herausnahmen und zur Seite auf den Boden warfen. Es war nicht bloß Mehl, sondern es gab auch viel mürbe Bruchstücke von Ziegeln dabei. Auf diese Weise entstand ein Loch, welches immer tiefer wurde. Die Arbeit förderte schnell. Als wir vielleicht einen Meter tief gegraben hatten, stießen wir auf festen Boden; aber die leichte mehlige Masse setzte sich nach rechts und links in horizontaler Richtung fort. Links ging es in das Innere des Gemäuers, rechts nach außen; darum gruben wir in der letzteren Richtung weiter, was wegen des Transportes seine Schwierigkeiten, doch keine großen hatte. Ich grub voran, warf das Mehl auf den hinter mir liegenden Gürtelshawl des Kammerherrn, und er brachte es dann in dem wie einen Sack zusammengefalteten Leibtuch nach oben. Schon nach einer kurzen Weile fand ich nur noch ganz geringen Widerstand; ich merkte, daß ich das leichte Material vorwärts schieben konnte. Dies thuend, kroch ich weiter und weiter; der Perser folgte dicht hinter mir. Ich fühlte, daß ich frische Luft atmete; der Gang wurde frei von Schutt, und kurze Zeit darauf war er zu Ende. Ich sah trotz der Dunkelheit rechts und links hoch emporsteigendes Mauerwerk, vor mir eine Lücke in demselben und oben darüber ein kleines Stück des Himmels, an welchem die hellen Sterne standen. Ich kannte den lichthofähnlichen Raum, welcher vor mir lag-, es war der Platz der Stachelschweine, an welchem wir gestern unsere Pferde versteckt gehabt hatten.

Mit dem Kopfe voran im Loche liegend, schaute ich auf den an der Mauer emporsteigenden Trümmerhaufen. Es fehlten nicht ganz zwei Meter, so hätte er bis zu mir heraufgereicht. Einige Verwitterungen in den Ziegeln hatten den Stachelschweinen als Weg an der Mauer herauf gedient; ich konnte sie nicht benutzen und ließ mich also ganz einfach aus dem Loche hinunter auf den Haufen fallen, was bei der Weichheit des Gemülles nicht gefährlich war. Dann schaute der Perser verwundert aus dem Loche.

»Wo befinden wir uns?« fragte er.

»Wieder im Freien. Komm herab! Wir sind gerettet!«

»Alhamdulillah! Gerettet! Im Freien! Aber du hast gut sagen, daß ich hinabkommen soll! Es ist doch kein Sullem da!«

»Habe ich eine Leiter gebraucht? Du verlangst vom Glücke allzuviel. Soll es dir vielleicht gar einen Tachtrawan schicken, in welchem ich dich heruntertragen lassen darf? Mach es wie ich, und falle.«

»Hinunterfallen? Das mutest du mir zu? Soll ich den Hals und dazu wohl auch noch die Beine brechen?«

»Ich habe auch nichts gebrochen!«

»Das bist du! Euch Christen schützt der Teufel!«

»Ah! Vorhin warst du höflich; aber kaum bist du frei, so giebt es wieder Beleidigungen! Bleib in deinem Loche stecken, und laß dich von dem Säfir herausholen! Ich gehe. Gute Nacht!«

Ich wendete mich um und stieg in den Trümmerhaufen hinab. Da that es hinter mir einen lauten Plumps; der oberste der Kammerherren kam, in eine Geröll- und Staubwolke gehüllt, auf dem Rücken an mir vorübergesaust und rief dabei:

»Halt, halt! Nimm mich mit, nimm mich mit! Ich bleibe nicht hier; ich bleibe ganz gewiß nicht hier!«

»Nein, nimm du mich mit; du bist mir ja voran!« antwortete ich lachend, indem ich ihm nachkletterte.

Als ich ihn einholte, stand er, an allen Gliedern zitternd, da, klopfte sich den Staub aus dem Gewande und jammerte:

»Das war ein fürchterlicher, ein entsetzlicher Sprung, mit dem Kopfe voran! Ich werde so etwas nie wieder wagen! Du konntest mich doch herunterheben! Ich habe an jeder Stelle meines Leibes das Gefühl, als ob ich die Bastonnade bekommen hätte!«

»Sei froh, daß du deine Freiheit nicht teurer, als mit nur diesem edlen Gefühle zu bezahlen hast! Bist du ein guter Reiter?«

»Es sollte niemand wagen, zu bestreiten, daß ich vortrefflich reite!«

»Das ist gut, denn wir reiten sofort nach Hilleh.«

»Dazu gehören Pferde!«

»Die habe ich. Sie sind hier in der Nähe versteckt. In einer Stunde müssen wir dort sein.«

»Man reitet doch drei Stunden! Warum so schnell?«

»Weil wir längst vor Tagesanbruch wieder hier sein müssen.«

»Wieder hier? Ich sage dir, daß mich keine Macht der Erde wieder hierher bringen wird!«

»Darüber wollen wir später sprechen. Jetzt komm!«

»Was willst du mitten in der Nacht in Hilleh?«

»Wir holen Militär und nehmen den Säfir und alle seine Schurken gefangen.«

»Allah sei Dank! Dieser Gedanke ist groß, ist vortrefflich! Wenn Soldaten dabei sind, so reite ich auch wieder mit.«

»So komm!«

Wir stiegen vollends hinab. Als wir die Trümmer hinter uns hatten, blieb ich lauschend stehen. Es war nichts zu sehen und nichts zu hören. Wir wendeten uns nach rechts und hatten nach fünf Minuten die Stelle erreicht, wo die Pferde standen. Ich nahm meine Waffen, gab dem Perser diejenigen des Hadschi, und dann stiegen wir auf, um den alten Birs Nimrud auf baldiges Wiedersehen zu verlassen.

Da ich den Weg kannte, so durften wir es wagen, trotz der Dunkelheit Galopp zu reiten. Wir mußten das, weil wirklich keine Zeit zu verlieren war.

Zunächst lenkte ich auf den Weg hinüber, welcher von Hilleh nach den Hügeln Chidr und Delem führt, und als wir ihn erreicht hatten, rief ich den Pferden ein aufmunterndes »Chabab« zu, worauf sie in vollem, schlankem Uufe über das ebene und ganz hindernislose Terrain flogen. Dabei stellte sich nun freilich heraus, daß der Kammerherr keineswegs der vortreffliche Reiter war, für den er sich ausgegeben hatte. Ich hätte, wenn es Tag gewesen wäre, bei diesem Ritte eine Nähnadel einfädeln können, ohne das Öhr zu verfehlen, so wunderbar »chatt« gingen die Rappen, wie der Beduine sich auszudrücken pflegt; er aber stopfte im Sattel auf und nieder wie ein im Gange befindlicher Spritzenkolben und rief mir ängstlich zu:

»Wakkif, wakkif – halt an, halt an! Das ist mir zu schnell!«

»Mir nicht!« antwortete ich.

»Amma ana dochan – aber mir schwindelt; ich bekomme den Zoba'a, das Ashub-i dil-i därya. Ich falle herunter!«

»So halte dich fest! Wir können nicht langsamer reiten. Gieb mir die Zügel!«

Er brachte es nicht fertig, sie mir herüberzureichen; ich langte hinüber und nahm sie ihm aus der Hand. Nun klammerte er sich an den Sattelknopf an, und unter immerwährendem Ach und Oh ging es weiter. Ich erlaubte den Pferden nur zweimal, langsamer zu gehen, und so kam es, daß wir in noch nicht ganz einer Stunde die ersten Gebäude von Hilleh vor uns liegen sahen. Da ich das sog. Serai des Sandschaki kannte, wurde es mir nicht schwer, es zu finden. Ich hatte geglaubt, wegen der nächtlichen Stunde an dem Thore klopfen zu müssen; aber es stand weit offen, und als wir in den Hof ritten, sah ich, daß der Eingang zur Wohnung des Beamten erleuchtet war. Wir ritten hin und stiegen ab. Es stand ein Doppelposten, den ich am Tage nicht gesehen hatte, vor der Thür.

»Ist der Sandschaki wach?« fragte ich.

»Ja,« antwortete der eine Soldat.

»Wir müssen sofort zu ihm. Haltet unsere Pferde!«

»Wir dürfen niemand einlassen.«

»Warum?«

»Es ist ein Offizier, ein Abgesandter des Padischah, den Allah segnen möge, von Stambul angekommen; der hat mit ihm zu sprechen und darf nicht gestört werden.«

»Wir müssen dennoch zu ihm. Hier habt ihr, um euern guten Willen zu erleuchten!«

Ich drückte ihm einige Silberstücke in die Hand, er hielt sie in den Lichtschein, um zu sehen, wie viel es war, und sagte dann:

»Herr, deine Güte geht über die Befehle, welche wir erhalten haben. Gebt meinem Arkadasch die Pferde, er wird sie gut bewachen; ich aber gehe hinein, um euch den Kol Agasi, welcher die Wache hat, herauszuholen.«

Er ging und kam sehr bald mit dem Offizier zurück. Zu meiner Freude war dies der brave Alte, der so fest an meinen Einfluß auf den Seraskier glaubte. Als er uns sah und erkannte, schlug er vor Erstaunen die Hände zusammen und sagte:

»Ihr seid es, ihr? Effendi, das ist kühn; das ist sogar tollkühn von dir! Man wird euch festnehmen, einsperren und verurteilen. Der Sandschaki war voller Wut über eure Flucht!«

»Ich fürchte ihn nicht. Führe mich zu ihm! Ich habe ihm eine sehr wichtige Mitteilung zu machen, welche keinen Aufschub duldet.«

»Was ist geschehen? Warum kommt ihr wieder?«

»Jetzt habe ich keine Zeit zum Erzählen, denn es ist mir jede Minute wichtig; du wirst aber sehr bald erfahren, was du wissen willst. Also melde uns sofort!«

»Ihr werdet aber wahrscheinlich nicht vom Sandschaki, sondern vom Abgesandten des Sultans empfangen werden!«

»Wer ist das?«

»Es ist ein Dscheneral; wie er heißt, das weiß ich nicht. Er ist am Abend von Bagdad hier angekommen, und seitdem giebt es lauter Geheimnisse hier im Hause. Es sind alle Oberbeamten des Sandschak und auch einige Offiziere versammelt, welche mit großer Heimlichkeit verhandeln. Wenn ich Wüßte, daß du in deinem Berichte mich wirklich lobend erwähnst, würde ich dir etwas mitteilen.«

»Ich erwähne dich; ja, ich werde dich sogar schon in Bagdad empfehlen.«

»So will ich es glauben. Also komm einmal her!«

Er nahm mich bei der Hand, führte mich beiseite und raunte mir ins Ohr.

»Ich glaube, es steht mit dem Sandschaki nicht so, wie es stehen soll. Ich habe hinter der Thür die sehr strenge Stimme des Dschenerales gehört, und dann, als ich hineintrat, war das Gesicht des Sandschaki so voller Verlegenheit, daß ich glaube, es liegt etwas sehr Schlimmes gegen ihn vor. Er hat seit der Anwesenheit des Dschenerales keinen einzigen Befehl erteilt, scheint also nichts mehr bestimmen zu dürfen. Darum denke ich, daß ihr nicht mit ihm, sondern mit dem Boten des Sultans sprechen werdet.«

»Das ist mir sehr lieb. Also melde uns!«

»Das darf ich nicht. Ich darf nur Personen, welche verlangt werden, den Zutritt gestatten und mache mit euch nur deines Berichtes wegen eine Ausnahme, für welche ich wahrscheinlich einen scharfen Verweis bekommen werde. Also anmelden darf ich euch nicht; aber ich kann doch auch nicht immer an der Thür stehen, und wenn ich einmal einen Augenblick nicht dort bin und ihr geht hinein, so kann ich doch nichts dafür.«

»Wo ist diese Thür?«

»Geht dort rechts die Stufen hinauf, dann steht sie euch grad entgegen. Im ersten Gemach befindet sich meine Wache, welche euch zurückweisen wird; wie ihr euch dazu verhaltet, das ist eure Sache; ich darf es euch nicht sagen. Die nächste Stube ist diejenige, in welche ihr zu gehen habt. Jetzt entferne ich mich, denn ich darf nichts, gar nichts von euch wissen.«

Er ging auf den Hof hinaus, und ich stieg die Treppe empor und öffnete die bezeichnete Thür. Es gab da einen Onbaschi mit fünf Soldaten. Er trat auf uns zu, um uns den Weg zu verlegen; ich schob ihn aber mit einem strengen »Ruh min han!« auf die Seite, was ihn so verblüffte, daß wir, ehe er zur Besinnung kam, schon im nächsten Zimmer standen.

Da saßen mehrere Civilbeamte rauchend auf den Wandkissen, ein Stück von ihnen entfernt auch einige Offiziere, und auf der andern Seite, ganz allein, von ihnen entweder abgesondert oder gar gemieden, der Sandschaki, nicht rauchend und in sich zusammengesunken. Er hob bei unserm Eintritt den Kopf. Als er sah, wer die Ankömmlinge waren, sprang er rasch auf, eilte hinter uns an die Thür, breitete dort die Arme weit aus, um uns das Fortgehen unmöglich zu machen, und rief:

»Da sind die entflohenen Halunken; da sind sie wieder! Greift zu; haltet sie fest, damit sie nicht wieder entweichen können.«

Die andern erhoben sich sehr schnell von ihren Sitzen und sahen uns mit allen Zeichen der Überraschung an. Ich drehte mich zu dem Sandschaki um und sagte im ruhigsten Tone:

»Reg dich nicht auf! Es fällt uns gar nicht ein, dieses Zimmer zu verlassen, ehe wir unsern Zweck erreicht haben. Wir sind gekommen, mit dir zu sprechen; hoffentlich hast du Zeit?«

»Zeit? ja, Zeit habe ich für euch, ihr Schurken, ihr Hunde, sehr viel Zeit, aber nur um euch binden zu lassen und in das Gefängnis zu stecken!«

»Dazu wirst du wohl nicht kommen, denn nicht wir, sondern andere Personen sind es, welche in das Gefängnis gehören. Ich warne dich überhaupt, mit Halunken, Schurken und Hunden hier herumzuwerfen! Ich bin gewohnt, daß höhere Leute, als ein hiesiger Sandschaki ist, in Achtung mit mir verkehren. Du hast heut oder vielmehr gestern so unverzeihliche Fehler begangen, daß sie dir schlimme Folgen bringen würden, wenn wir nicht jetzt gekommen wären, dir Gelegenheit zu geben, sie wieder gutzumachen. Wir haben also Dankbarkeit und nicht Beleidigungen von dir zu erwarten!«

»Dankbarkeit?« lachte er laut und höhnisch auf. »Ja, die Dankbarkeit der Bastonnade, die soll euch werden! Ein verbrecherisches Gesindel, wie ihr seid, muß –--«

Da wurde der vor einer weiteren Thür hängende Vorhang zurückgeschlagen; es erschien ein Offizier in voller türkischer Generalsuniform und fragte in streng verweisendem Tone:

»Was für ein Geschrei und Lärm ist das in meiner Nähe! Achtet man den Beauftragten des Großherrn in dieser Weise, daß –«

Er sprach nicht weiter. Sein Blick war auf mich gefallen, und sofort machte der ernste Ausdruck seines Gesichtes einem freundlichen Lächeln Platz. Der Sandschaki bemerkte das nicht und fiel schnell ein:

»Hazretiniz, hier stehen zwei ganz gefährliche Strolche, welche mir heut entflohen sind. Sie sind Pascher, Diebe, Räuber und Mörder und müssen sofort festgenommen werden!«

Der General nickte ihm verächtlich zu und antwortete:

»Ich werde sie, besonders den einen, sofort festnehmen, und zwar bei der Hand.«

Er kam auf mich zu, nahm meine beiden Hände, die er herzlich schüttelte, und begrüßte mich in deutscher Sprache:

»Welch eine große Freude, Sie so unerwartet hier zu sehen! Zwar ganz überrascht bin ich nicht darüber, denn ich habe vorhin gehört, daß Sie sich in dieser Gegend befinden, und nahm mir vor, nach Ihnen zu forschen, um Sie aufzusuchen.«

»Wenn Excellenz nicht überrascht sind, so bin ich es um so mehr,»antwortete ich, »da ich nicht ahnen konnte, daß Sie sich in Irak Arabi und gar hier in Hilleh befinden. Ich sehe, daß Sie in so unerwartet kurzer Zeit den ›Oberst‹ überstiegen haben; darf ich gratulieren, Herr General?«

»Danke! Ich wurde ausersehen, ganz plötzlich in einer sehr heiklen Angelegenheit nach Hilleh zu reisen, um, mit den nötigen Vollmachten ausgerüstet, den hiesigen Sandschaki zu überrumpeln und verhörlich vorzunehmen.«

»Ah! So hat er sich in irgend einen Verdacht gebracht?«

»Es handelt sich nicht bloß um einen Verdacht, sondern es ist mir gelungen, schon Beweise gegen ihn in die Hand zu bekommen. Sie wissen, daß der Schah Nasr Eddin nach dem Besitz von Bagdad trachtet. Er hat vor einigen Jahren die Bedrängnis der Türkei benutzt, es zurückzuverlangen, stieß aber auf unerwarteten Widerstand. Jetzt nun mehren sich die Zeichen, daß er diese Absichten in anderer Weise verfolgt, und dabei ist denn der hiesige Sandschaki im höchsten Grade kompromittiert. Ich habe hier noch nicht alles durchgesehen, weiß aber schon jetzt, daß ihm zunächst die Amtsenthebung und dann noch größere Strenge bevorsteht. Er hat auch Sie und Ihren guten Halef in einer Weise behandelt, welche mehr als bloß eine einfache Rüge verdient.«

»Das wissen Excellenz?«

»Ich weiß alles ganz genau. Der Miralai, der sich sehr für Sie interessiert, hat es mir erzählt.«

Er deutete hinter sich auf den Oberst, der nach ihm eingetreten war, derselbe Miralai, der sich während der Mehkeme so wohlwollend unser angenommen hatte, und fuhr dann fort:

»Dieser Oberst ist ein braver Mann, und seiner Unterstützung habe ich hier schon viel zu verdanken. Ich werde ihn empfehlen.«

Bei diesen Worten fiel mir der alte Kol Agasi ein, und so fragte ich ihn, obgleich ich eigentlich viel Notwendigeres zu sagen hatte:

»Excellenz sprachen von Vollmachten. Würden diese sich vielleicht auch darauf erstrecken, einen altgedienten Kol Agasi mit einer höheren Charge zu beglücken?«

Er sah mir mit einem pfiffigen Lächeln in das Gesicht und antwortete:

»Er hat sich natürlich um Sie verdient gemacht?«

»Sehr!«

»Das muß der Padischah belohnen. Sie wissen, es ist bei uns, und zumal hier in dieser abgelegenen Provinz, so manches möglich, was anderwärts wohl nicht geschehen dürfte. Ich will also Ihr Herz durch die Mitteilung erleichtern, daß es mir nicht schwer fallen wird, ihn zum Alai Emini oder Bimbaschi nicht bloß vorzuschlagen, sondern gleich zu machen. Wollen Sie mir mitteilen, in welcher Weise er sich so verdient um Sie gemacht hat?«

»Ich bitte, dies später thun zu dürfen, da mir in diesem Augenblicke die Zeit dazu mangelt. Es ist jetzt jede Minute bei mir angerechnet, denn es gilt, eine höchst gefährliche Verbrecherbande aufzuheben und dabei einen Fang zu machen, wie er hier wohl noch nicht vorgekommen ist.«

»Hängt das mit ihrer Anwesenheit am Birs Nimrud, mit Ihrer Gefangennahme und nachherigen Flucht zusammen?«

»Sehr eng.«

»So erzählen Sie mir schnell alles, aber kurz und bündig, weil Sie keine Zeit haben! Wie ich Sie kenne, handelt es sich um eine interessante Begebenheit, und es sollte mich freuen, wenn es mir möglich wäre, mich auch einmal an einem Erlebnisse Kara Ben Nemsis zu beteiligen.«

»Oh, was das betrifft, so stecken Excellenz schon mitten in einem Erlebnisse drin,« lachte ich, »und es würde Ihnen wohl schwer fallen, ganz unbeteiligt wieder herauszukommen!«

Nun folgte ich seiner Aufforderung und gab ihm den gewünschten Bericht, den er mit gespannter Aufmerksamkeit entgegennahm. Es läßt sich denken, welchen Eindruck sein zu mir so freundschaftliches Verhalten auf die Anwesenden machte. Sie verstanden zwar, weil wir deutsch sprachen, kein Wort unserer Unterredung, aber sie mußten doch sehen, daß wir einander nicht nur kannten, sondern in noch näherer Beziehung zu einander standen.

Ich lasse nämlich den General nicht etwa als schriftstellerischen Deus ex machina an dieser Stelle erscheinen; das wäre, wenn es sich nur um Phantasiegebilde handelte, ein ganz überflüssiges Verfahren, eine vollständig unnötige Verschwendung von Papier, Tinte und Buchdruckerschwärze, weil der schon vorhandene Sandschaki mir ganz dieselben Dienste leisten könnte, wie der an den Haaren herbeigezogene »Dscheneral«. Dieser letztere, den ich Freund nennen darf, ist vielmehr eine hervorragende militärische Persönlichkeit, sogar Autorität und durch den Gang seines bewegten Lebens im höchsten Grade interessant.

Adolf Farkas, ein geborener Mähre und später ungarischer Offizier, war während der dortigen Erhebung Bems Adjutant und zeichnete sich dabei in jeder Weise aus. Nach diesen Kämpfen gingen beide in türkische Dienste und traten zum Islam über, Bem unter dem Namen Amurat Pascha, während Farkas den Namen Osman wählte, und, da er später den Rang eines Pascha erhielt, jetzt Osman Pascha heißt. Während des Krieges im Jahre 1853 bat Omer Pascha sich ihn als Adjutant aus, und ebenso leistete Farkas in dem Feldzuge von I877-78 Ausgezeichnetes. Für diese Verdienste zum Oberst und bald darauf zum General ernannt, war er zugleich Professor an der militärischen Hochschule in Konstantinopel und genoß auch sonst das Vertrauen des Padischah, wie seine jetzige Sendung nach Bagdad und Hilleh bewies. Ich hatte ihn in Stambul kennen gelernt und an seiner Seite bei anregender Unterhaltung manche Tasse Kaffee getrunken, und manchen Tschibuk ausgeraucht. Jetzt nun standen wir so ganz unerwartet im Zimmer des Sandschaki bei einander, und er hörte mit immer wachsender Aufmerksamkeit der Erzählung unseres Erlebnisses zu. Als ich damit zu Ende war, rieb er sich vergnügt die Hände und gestand:

»Das ist allerdings interessant, höchst interessant, und ich sehe ein, daß Sie keine Zeit zu verlieren haben. Wie gern, wie sehr gern würde ich mit hinausreiten und mich an diesem Coup beteiligen; aber die Pflicht hält mich hier fest. Ich darf dem Sandschaki nicht von der Seite weichen, und die unaufschiebbaren Nachforschungen werden noch die ganze Nacht ausfüllen. Aber ich stelle Ihnen alles zur Verfügung, was Sie wünschen und verlangen. Sprechen Sie nur! Sagen Sie, womit ich Ihnen dienen kann! Haben Sie schon einen Feldzugsplan entworfen?«

»Darf ich diese Cäsar- oder Napoleonsarbeit nicht lieber Ew. Excellenz überlassen? Mir liegt nur daran, meinen Halef unverletzt wieder zu bekommen; das übrige ist ja Sache der hiesigen Verwaltung, welcher ich das Bewußtsein, ihre Pflicht erfüllt zu haben, ganz gern gönne.«

»Sie Diplomat! Im Falle des Nichtgelingens sind Sie dann ganz verantwortungsfrei! Weiß der Sandschaki schon, daß der Pischkhidmät Baschi überfallen und ausgeraubt worden ist und seine Begleiter tot sind?«

»Er hat wohl keine Ahnung davon!«

»So wollen wir ihm auch nichts sagen. Seit ich Ihre Erzählung gehört habe, kann ich nämlich den Gedanken nicht los werden, daß er in Beziehung auf seine Verbindungen mit Persien mit dem Säfir unter einer Decke steckt. Dieser ist der Unterhändler. Meinen Sie nicht?«

»Ja; er oder der Pädär-i-Baharat, vielleicht auch beide zugleich. Daß man sich grad an den Sandschaki gewendet hat, scheint mir zwei Gründe zu haben.«

»Welche?«

»Erstens hat man ihn als bestechlichen Mann gekannt, und zweitens stehen die heiligen Orte, auf welche es doch wohl vor allen Dingen abgesehen ist, unter ihm.«

»Das ist richtig. Sie öffnen mir da die Augen.«

»Auch kann es keinen gewöhnlichen Grund haben, daß sein Verhalten zu dem Säfir ein so seltenes, ein so ausnahmsweises ist. Er ließ ihn, den Fremden, ja nicht nur an der Mehkeme teilnehmen, sondern gestattete ihm auch, in das Verhör zu sprechen. Das läßt auf ganz verdächtige Verbindungen schließen.«

»Ich stimme bei; aber wir werden auch hinter diese Schliche kommen. Jetzt mache ich Sie darauf aufmerksam, daß wir ganz vergessen haben, daß wir nicht allein hier sind. Ich bin den Anwesenden eine Erklärung schuldig.«

Sich von mir ab und dem Sandschaki zuwendend, sagte er zu ihm, natürlich nun nicht mehr deutsch sprechend:-

»Du sprachst vorhin von Strolchen, Paschern, Dieben, Räubern und Mördern. Wie bisher in vielen anderen Punkten, so bin ich auch in dieser Hinsicht nicht mit dir einverstanden, sondern ganz anderer Meinung. Dieser Franke ist mein Freund, und ich freue mich außerordentlich, ihm so unerwartet hier zu begegnen. Er heißt Kara Ben Nemsi Effendi und steht unter dem ganz besonderen Schutze des Padischah. Das hat er dir gesagt und auch bewiesen, ohne daß es dir beliebte, auf seine Worte zu achten. Ich habe jetzt seine Anklage entgegengenommen und werde sie zu den übrigen Beschuldigungen fügen, welche gegen dich vorliegen und zu denen wahrscheinlich noch andere kommen.«

Man sah es dem Sandschaki an, daß er sich seit der freundlichen Begrüßung zwischen dem Generale und mir in der größten Verlegenheit befand. Er wollte jetzt eine entschuldigende Antwort versuchen, wurde aber daran verhindert, denn mein alter Kol Agasi kam herein und meldete, daß drei Männer den Sandschaki zu sprechen begehrten.

»Wer sind sie?« fragte der General.

»Ich weiß es nicht; sie wollten keine Namen sagen. Sie sind persisch gekleidet, und der eine von ihnen sagte, er käme mitten in der Nacht, weil er dem Sandschaki einen sehr wichtigen Brief zu übergeben und auch von einer großen Mordthat zu erzählen habe, welche am Birs Nimrud geschehen sei.«

»Wer soll ermordet worden sein?«

»Der Pischkhidmät Baschi mit allen Leuten, die bei ihm waren.«

»Von wem?«

»Von den beiden Fremden, welche heut entflohen sind, dem Kara Ben Nemsi und dem Haddedihn-Beduinen.«

Der General sah mich und ich den Kol Agasi an. Diese drei persisch gekleideten Männer konnten nur Kumpane des Säfir sein; ich dachte sogleich an den Pädär-i-Baharat und seine zwei Begleiter. Wenn sie es waren, so spielten sie ein höchst gefährliches Spiel, welches sie freilich für ganz unbedenklich hielten, weil sie zweierlei nicht wußten, nämlich erstens, daß ich mit dem Kammerherrn entkommen war, und zweitens, daß seit dem Abend sich die Verhältnisse des Sandschaki außerordentlich verändert hatten. Der schlauberechnende Säfir wollte aus sehr naheliegenden Gründen, welche keiner Erklärung bedürfen, den Überfall und Mord auf mich und Halef, also auf einen Christen und einen Sunniten schieben und dadurch jeden doch vielleicht gegen ihn auftretenden Verdacht gleich im Beginne von sich und seiner Bande abwälzen.

»Wo befinden sich die drei Perser?« fragte ich den Kol Agasi.

»Unten an der Thür,« antwortete er.

»So haben sie unsere Pferde gesehen?«

»Nein, Effendi. Da die Hengste dir gehören, habe ich sie mit Aufmerksamkeit behandelt und in den Achor unseres Serai schaffen lassen, wo sie Futter und Wasser bekommen.«

»Das ist gut! Hast du den Männern gesagt, daß ich hier bin?«

»Kein Wort! Was denkst du von dem Lichte meiner Gedanken, daß du mir eine so große Dummheit zumutest?«

»Aber die Posten werden es jetzt unten ausplaudern?«

»Auch kein Wort! Sie sind, während du hier oben warst, gewechselt worden, und die jetzigen wissen nichts von dir.«

»Hast du davon gesprochen, daß ein Abgesandter des Padischah angekommen ist?«

»Nein. Diese drei Männer sind so ahnungslos wie Hammel, welche nach der Thür drängen, hinter welcher sie geschlachtet werden sollen.«

»Dieser Vergleich ist nicht übel. Warte einen Augenblick!«

Ich wendete mich zu dem General, welcher mir mit der Frage zuvorkam:

»Du hast eine Idee; ich sehe es dir an. Habe ich recht?«

»Ja.«

»Welche?«

Er sprach arabisch und nannte mich also du. Ehe ich antworten konnte, ergriff der Sandschaki das Wort:

»Ich höre, daß die Karawane des Pischkhidmät Baschi überfallen und er mit den Seinigen ermordet worden sein soll. Hier steht er aber ja! Wie ist das zu erklären?«

»Auf so einfache Weise, wie dir heut noch manches andere auch erklärt werden wird,« erwiderte ich ihm.

»Wo aber ist der Haddedihn? Warum hast du ihn nicht mitgebracht?« erkundigte er sich in höhnischem Tone. »Es scheint doch etwas vorgekommen zu sein, was du verschweigen mußt!«

»Wohl dir, wenn du so wenig zu verschweigen hast wie ich! Es wäre nur gut für dich, wenn du jetzt gar nichts sagtest!«

Nun führte ich den General abseits und besprach mit ihm den Plan, den ich gefaßt hatte; er stimmte bei und traf schnell seine Anordnungen zur Ausführung desselben. Er blieb ganz allein in dem Zimmer; alle anderen begaben sich in das Nebengemach, aus welchem er vorhin mit dem Oberst gekommen war. Auch der Korporal mußte mit seinen Soldaten aus dem Vorraum zu uns kommen, denn wir brauchten sie sehr wahrscheinlich zur Arretur der drei Perser, welche mißtrauisch geworden wären, wenn sie eine solche Wache vor der Wohnung des Sandschaki angetroffen hätten. Diesem letzterem wurde streng bedeutet, daß er sich ganz ruhig und vollständig schweigsam zu verhalten habe, wenn er nicht Gefahr laufen wolle, seinem hohen Stande zuwider behandelt zu werden. Jedenfalls wurde es ihm, dem hier bisher Allgewaltigen, schwer, die Fügsamkeit zu zeigen, welche wir von ihm verlangten. Was mich betrifft, so postierte ich mich hinter den Vorhang, um jedes Wort zu hören und die Perser durch eine Lücke beobachten zu können.

Kaum daß diese Vorbereitungen getroffen worden waren, traten sie ein. Sie hatten erwartet, den Sandschaki zu sehen und waren nicht wenig darüber betroffen, daß sie vor einem Generale standen, zu dem sie gar nicht gewollt und von dessen Anwesenheit sie nichts gewußt hatten. Man sah es ihnen an, wie verlegen sie waren. Ich hatte mich nicht geirrt, als ich annahm, daß es der Pädär mit seinen beiden Genossen sein werde.

»Ihr habt gewünscht, hier gehört zu werden. Was ist euer Verlangen, jetzt mitten in der Nacht?« fragte Osman Pascha.

»Wir baten, mit dem Sandschaki sprechen zu dürfen,« antwortete der Pädär.

»Er kann nicht kommen; ich stehe an seiner Stelle hier. Also redet!«

Er sah sie so streng und durchdringend an, daß sie es nicht wagten, sich zu weigern. Der Pädär begann ziemlich kleinlaut:

»Unser Bericht ist eigentlich nur für den Gebieter des hiesigen Sandschak; aber da du behauptest, an seiner Stelle hier zu sein, so werden wir dir die Angelegenheit mitteilen.«

»Drückt euch höflicher und vorsichtiger aus! Ich behaupte gar nichts, sondern was ich sage, das gilt. Merkt euch das! Was ist es für eine Angelegenheit, die ihr mir vorzutragen habt? Ich hoffe, eine genug wichtige, um euer nächtliches Kommen zu entschuldigen!«

»Sie ist wichtig. Es handelt sich um den Überfall einer Karawane und einen zwölffachen Mord.«

»Welche Karawane?«

»Die Karawane des Pischkhidmät Baschi, welcher der Gast des hiesigen Gebieters gewesen ist. Sie ist vor einigen Stunden draußen bei den Ruinen überfallen und geplündert worden, wobei der Pischkhidmät Baschi mit seinen elf Begleitern das Leben verloren hat.«

»Wer sind die Mörder?«

»Der Christ und der sunnitische Haddedihn, welche hier schon wegen Mord, Leichenschändung und Schmuggelei vor der Mehkeme standen, aber entflohen sind.«

»Könnt ihr das beweisen?«

»Ja.«

»Wie?«

»Durch unser Zeugnis. Wir waren dabei und sind die einzigen, welche dem Blutbade entkommen sind.«

»Ihr werdet mir den Hergang dieses Ereignisses erzählen; vorher aber handelt es sich um den Brief, von dem die Rede gewesen ist.«

»Er ist für den Sandschaki,« meinte der Pädär verlegen.

»Ich stehe an seiner Stelle!«

»Er enthält eine Schrift, welche von ihm zu unterzeichnen ist!«

»So wird er unterzeichnen!«

»Wir haben diese Schrift wieder abzuliefern und müssen sie uns also zurückerbitten!«

»Dagegen habe ich nichts.«

»Wir dürfen sie aber nur ihm geben, keinem andern Menschen!«

»So ist es ein Geheimnis, um welches es sich handelt?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe strengen Befehl, nach dem ich handeln muß.«

»Von wem?«

»Das darf ich nicht sagen.«

»Woher kommt der Brief?«

»Dies zu sagen, ist uns ebenfalls verboten.«

Es war dem Pädär himmelangst; er wand sich hin und her und atmete sichtlich auf, als der General in gleichgültigem Tone entschied:

»Mag es sein; ihr sollt einstweilen euren Willen haben! jetzt zu dem Überfall der Karawane. Wie ging das zu?«

»Es geschah folgendermaßen: Wir drei befinden uns auf der Pilgerschaft nach den heiligen Stätten. Wir kamen gestern hier an und trafen einen Landsmann, mit dem wir uns befreundeten. Als es Abend geworden war, wollten wir die Kühle desselben zur Fortsetzung der Reise benutzen und baten ihn, uns eine Strecke zu begleiten.«

»Wie hieß dieser Mann?«

»Wir haben nicht nach seinem Namen gefragt. Er nannte sich Def des Sandschaki, und so will ich ihn auch weiter bezeichnen, wenn du es erlaubst.«

Er meinte natürlich den Säfir, und es war sehr vorsichtig von ihm, sich auf diese Weise aus der Notwendigkeit zu ziehen, den wahren oder auch einen falschen Namen anzugeben. Er fuhr fort:

»Der Def willigte ein, bis zu den Ruinen mitzureiten. Unterwegs trafen wir auf die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi, welche kurz vor uns von Hilleh aufgebrochen war, und baten um die Erlaubnis, uns ihr anschließen zu dürfen, was uns auch nicht verweigert wurde. Wir waren froh darüber, denn wir hatten von der großen Unsicherheit des Weges und von einem Franken und einen Haddedihn gehört, welche die Anführer räuberischer Beduinen sind und jeden Pilger, der ihnen in den Weg kommt, ausplündern.«

»Kennst du die Namen dieser Räuber?« fragte der General.

»Ja. Der Franke wird Kara Ben Nemsi genannt, und der Haddedihn heißt Halef.«

»Diese Schurken! Man muß sie zu fangen suchen. Leider aber kennt man ihr Aussehen nicht!«

»Oh, das kennen wir,« fiel der Pädär schnell ein. »Man hat sie uns beschrieben, und heut haben wir sie auch gesehen.«

»Nun, wie?«

Jetzt beschrieb der Mensch Halef und mich so genau, daß ich selbst es nicht besser hätte machen können, und setzte dann seine Erzählung fort:

»Kurz vor den Ruinen kamen zwei Männer von seitwärts her geritten und gesellten sich zu uns. Allah hatte unsere Augen verdunkelt, sonst hätten wir erkennen müssen, daß es die beiden Räuber waren. Dann verabschiedete sich der Gast des Sandschaki von uns und wünschte uns glückliche Reise; sie sollte leider nicht glücklich werden, denn kaum war er fort, so fielen Schüsse, und eine Menge Beduinen drangen auf uns ein. Wir sahen, daß die beiden zuletzt Angekommenen, also der Franke und der Haddedihn, ihre Messer zogen und zwei Pilger niederstachen; nun erkannten wir sie und wendeten schnell unsere Pferde, um ihnen zu entgehen. Dies gelang uns, denn die Kugeln, die uns nachgeschickt wurden, trafen uns nicht. Nach einiger Zeit stießen wir wieder mit dem Def zusammen, welcher umgekehrt war, weil er die Schüsse gehört hatte. Wir erzählten ihm den Überfall, und er beredete uns, mit ihm zurückzureiten und den Schauplatz des Überfalles zu beschleichen, weil vielleicht die Rettung eines Lebens möglich sei. Als wir dort ankamen und vorsichtig lauschten, brannte ein Feuer, und die beiden Anführer waren beschäftigt, die Beute unter sich und die Beduinen zu verteilen. Als sie damit fertig waren, ritten sie fort. Die Leiche des Pischkhidmät Baschi nahmen sie mit, um sie in den Fluß zu werfen, damit niemand sie finden könne. Wir aber wagten uns nach ihrer Entfernung hin an das Feuer, um die dort liegenden elf Körper zu untersuchen; sie waren alle tot, und zwar nicht erschossen, sondern erstochen worden. Uns graute. Der Gast des Sandschaki aber war ein kühner Mann; er beschloß, den beiden Anführern heimlich nachzureiten, um ihr Versteck zu erfahren, und sie dann mit Hilfe der hiesigen Soldaten zu fangen. Uns sandte er nach Hilleh zurück, um dem Sandschaki sofort, noch während der Nacht, die Unthat zu erzählen.«

Er hielt jetzt inne; darum erkundigte sich der General:

»Bist du fertig?«

»Ja.«

»Ihr könnt alles, was du erzählt hast, durch einen Eid bekräftigen?«

»Ja.«

»Es kommen in deinem Berichte einige Punkte vor, die mir unklar sind. Du wirst mir also noch einige Fragen zu beantworten haben. Du sagtest, ihr hättet euch mit dem Def befreundet; wie kommt es, daß ihr da seinen Namen nicht kennt? Bevor man sich befreundet, sucht man doch zu erfahren, wie man heißt!«

»Unter schiitischen Pilgern nicht. Du bist ein Sunnit und kannst das also nicht wissen.«

»Gut; das hast du vortrefflich gemacht! Weiter! Es fielen so viele Schüsse, und doch hat keiner getroffen; alle Menschen waren nicht erschossen, sondern erstochen. Ist das nicht sonderbar?«

»Nein. Es war eben nicht genau gezielt worden!«

»Und alle zwölf Mitglieder der Karawane hielten ruhig still, um sich mit Bequemlichkeit nach und nach erstechen zu lassen?«

»Das war die Angst!«

»Der Def hat die Schüsse gehört, muß also noch nicht weit entfernt gewesen sein. ihr kamt mit ihm zurück. Es kann also inzwischen nur eine sehr kurze Zeit vergangen sein, höchstens einige Minuten?«

»Mehr nicht.«

»Und doch brannte schon ein Feuer? Und doch war man schon mit der Verteilung der Beute beschäftigt? Du mußt selbst sagen, daß deine Erzählung stellenweise höchst verwunderlich klingt!«

»Allah! Ich habe die volle, reine Wahrheit berichtet!« »Ihr waret vorher in Hilleh?« »Ja.« »Wie lange?« »Einige Stunden.« »Wohin wolltet ihr von hier aus?« »Zunächst nach Kerbela.« »Dann?« »Nach Meschhed Ali.«

»Nicht wieder über Hilleh, denn dies wäre ein Umweg gewesen, sondern direkt über Kefel?«

»Ja.« »Und wohin von Meschhed Ali aus?« »Hinunter nach Samawat.« »Weiter!«

»Von dort aus wollten und wollen wir über Qorna, Hawisa und Disful im Thale des Kercha-Flusses nach Persien zurück.«

»Also ohne wieder hierherzukommen?«

»Ja,« antwortete der sonst so schlaue Pädär, welcher nicht ahnte, welche Falle der General ihm mit diesen Fragen gestellt hatte. Der Fang glückte auch vollständig, indem Osman Pascha fortfuhr:

»Wie steht es da mit dem Briefe an den Sandschaki? Ihr hattet ihn abzugeben, seid aber fortgeritten, ohne dies zu thun, obwohl ihr die Absicht hattet, nicht wiederzukommen. Und nun kommt ihr mitten in der Nacht, um ihn zu bringen. Erkläre mir diese Widersprüche!«

Die Perser waren vollständig überzeugt gewesen, unbedingt nur von dem Sandschaki empfangen zu werden, und also auf ein solches Examen nicht vorbereitet. Der Pädär zermarterte sich das Gehirn nach einer nur leidlich passenden Auskunft; er setzte mehrmals an, um zu antworten, fand aber nichts, was er als nur einigermaßen glaubhaft vorbringen konnte.

»Nun, sprich!« drängte ihn der General. »Woher dieses Schweigen? Fällt dir denn gar und gar keine Ausrede ein?«

»Wir – – wir – – hatten den Brief – – ver – – – vergessen!« stieß der Pädär endlich hervor.

»Vergessen? Einen Brief, der so wichtig ist, daß ihr ihn jetzt zu einer so unpassenden Stunde bringt? Dessen Wert ihr so hoch taxiert, daß ihr das Schreiben nicht einmal mir anvertraut, sondern es nur eigenhändig übergeben wollt? Seid ihr denn wirklich so dumm, anzunehmen, daß ich dieser Ausrede Glauben schenken werde? Es ist eine geradezu unglaubliche Frechheit von euch, mir da eine Menge von Lügen in das Gesicht zu sagen, welche jeder Dummkopf durchschauen würde. Denn nicht bloß eure letzte Ausrede, sondern alles, was du mir erzählt hast von dem Überfalle, ist Schwindel, ist ausgesonnener Lug und Trug.«

»Denke das nicht; denke es ja nicht!« fiel der Pädär schnell und ängstlich ein. »Alles, was ich erzählt habe, ist die reine, die lautere Wahrheit, die wir bereit sind, sofort durch einen Eid zu bekräftigen.«

»Ja, ich traue euch allerdings zu, daß ihr euch nicht besinnen würdet, diesen Meineid zu schwören! Ihr bleibt also dabei, daß Kara Ben Nemsi und der Haddedihn die Anführer der Beduinen sind, welche die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi überfallen haben?«

»Ja.«

»ZU welchem Stamme gehörten diese Beduinen?«

»Das können wir natürlich nicht wissen, weil wir nicht mit ihnen gesprochen haben und es auch so dunkel war, daß wir irgend vorhandene Merkmale gar nicht zu sehen vermochten.«

»Und der Pischkhidmät Baschi ist tot?«

»Ja.«

»Wirklich und wahrhaftig tot?«

»Ja.«

»Ihr habt thatsächlich seine Leiche gesehen? Besinne dich wohl, ehe du antwortest!«

Es wurde dem Pädär bei diesen dringlichen Fragen angst; er begann zu ahnen, daß die Luft hier für ihn nicht so gesund und rein sei, wie er angenommen hatte; aber es gab für ihn keinen Ausweg; er konnte seine Lügen nicht zurücknehmen und antwortete also:

»Ja, wir haben sie gesehen; der Mann ist wirklich tot. Er war ja einer der ersten, welche erstochen wurden.«

Der General ließ eine kurze Pause eintreten, um die Bedeutung der nächsten Worte zu erhöhen, nahm den Pädär scharf in die Augen und sprach mit schwerem Nachdrucke:

»Ich habe geglaubt, er sei unverletzt und liege im Innern des Birs Nimrud gefangen!«

Das kam den Persern so unerwartet, daß sie sich nicht beherrschen konnten. Ihr rasches Zusammenzucken und die erschrockenen Blicke, welche sie einander zuwarfen, waren vollgültige Beweise ihrer Schuld. Sie standen in starrer, wortloser Bestürzung vor dem General. Dieser fuhr mit derselben Strenge fort:

»Der Gast des Sandschaki ist den Anführern der Räuber nach, um ihren Schlupfwinkel zu entdecken?«

»Ja, so sagte er,« nickte der Pädär in einer Weise, welche seine Beklemmung verriet.

»Das war höchst überflüssig von ihm, denn ich kenne dieses Versteck bereits, und zwar ganz genau. Der Haddedihn liegt abgesondert im Raume rechts, wenn man von der Treppe aus in die nächste Kammer kommt; geht man aber geradeaus, so sieht man das Drahtgitter, hinter welchem Kara Ben Nemsi und der Pischkhidmät Baschi gelegen haben!«

»Bi Khatir-i-Khuda – um Gottes willen!« schrie da der Pädär auf. »Woher – – woher weißt du – – –« er hielt vorsichtig inne, denn er besann Sich, daß er im Begriffe stehe, ein Geständnis auszusprechen, und verbesserte sich, indem er es in die Worte veränderte: »Wir wissen nicht, was du meinst. Wir haben nicht die geringste Ahnung davon, was dieser dein Ausspruch zu bedeuten hat!«

»Wirklich nicht? So mache ich euch darauf aufmerksam, daß ich nicht gesagt habe, daß diese beiden Männer noch dort liegen, sondern daß sie dort gelegen haben. Sie sind nämlich nicht mehr gefangen. Euer Säfir – –!«

»Säfir, Säfir!« rief da Aftab höchst unvorsichtig aus.

»Oh, du erschrickst darüber, daß ich den von euch so sorgfältig verschwiegenen Namen des sogenannten ›Gastes‹ kenne? Dieser dein Schreck überführt euch aller eurer Schuld! Also euer Säfir hat sich in Kara Ben Nemsi stark verrechnet. Dieser Franke ist klüger und geschickter, als ihr alle miteinander in Summa seid. Er hat das Innere des Birs Nimrud gekannt, längst ehe er von euch hineingeschafft wurde, und heimlich über den Säfir gelacht, als dieser vor ihm stand und von den Qualen sprach, mit denen er ihn martern wollte.«

»Ich – – ich – – – wir – – – du – – du siehst uns fast ohne Sprache vor Erstaunen über das, was du sagst und was wir nicht begreifen können!« stammelte der Pädär.

»Nicht vor Erstaunen, sondern vor Angst! Als Kara Ben Nemsi und Halef beim Tamariskengebüsch am Euphrat in deine Hände fielen, hast du gejubelt, vor Freude darüber, daß du ihnen die Hiebe, welche ihr von ihnen erhalten habt, nun zurückzahlen könntest. Jetzt nun kommst du zu der Einsicht, daß es allerdings Hiebe, gewaltige Hiebe geben wird, aber nicht für sie, sondern für euch!«

Da hielt der Pädär es für angemessen, seine Bestürzung niederzudrücken und den unschuldig Beleidigten herauszukehren. Er richtete sich hoch auf und fragte:

»Herr, wie kommst du dazu, all dieses unverständliche Zeug uns zu –--«

»Schweig?« donnerte der General dazwischen. »Ich werde nicht Herr, sondern Hazret genannt, was zu thun du bis jetzt sorgfältig vermieden hast; es wird euch aber die vorgeschriebene Höflichkeit bald beigebracht werden! Und wenn du von ›unverständlichem Zeuge‹ redest, so soll dir sofort das Verständnis kommen. Schau hin! Du kennst sie wohl!«

Er deutete nach dem Vorhange. Ich hatte den Kammerherrn, diesen Augenblick erwartend, schon längst zu mir gewinkt und trat mit ihm hinaus. Die Wirkung unseres Anblickes war noch stärker, als wir erwartet hatten. So frech und hartgesotten diese Menschen waren, dem Schrecke, den dieser Augenblick ihnen brachte, konnten sie doch nicht widerstehen. Sie knickten förmlich zusammen, und der Pädär retirierte nach der Thür. Da eilte ich hin, stellte mich zwischen sie und ihn, zog den Revolver, hielt ihm die Mündung vor die Brust und drohte:

»Weg von der Thür, sonst schieße ich dich augenblicklich nieder!«

Dies trieb ihn einige Schritte weiter; da er aber dabei mit der Hand nach dem Gürtel fuhr, fügte ich hinzu:

»Und weg dort mit der Hand! jetzt hat der Scherz ein Ende, und es wird Ernst gemacht. Onbaschi, komm herein!«

Der Korporal folgte diesem Rufe, er kam mit seinen Leuten herein und postierte sich mit ihnen vor der Thür. Während ich den Persern den Revolver noch immer entgegenstreckte, nahm ihnen der General die Messer und Pistolen ab. Gewehre hatten sie nicht mit. Sie machten keinen Versuch, dies nicht geschehen zu lassen.

»So!« sagte ich, zu dem Pädär gewendet. »Weißt du noch, was du mir angedroht hast; was bei unserm Wiedersehen geschehen solle? Das Wiedersehen ist da; was wird nun weiter kommen?«

Ich hörte seine Zähne aufeinander knirschen, eine andere Antwort gab er nicht.

»Ihr habt euch wunder wer weiß wie klug gedacht, und doch wie dumm, wie ganz unverzeihlich dumm seid ihr!« sprach ich weiter. »Es ist wirklich kaum glaublich, mich in den Birs Nimrud zu stecken und mir doch vorher zu verraten, wie man es anzufangen hat, in das Innere dieser Ruine zu kommen!«

»Wer hat das verraten!« fuhr er auf.

»Du!«

»Ich?!«

»Ja, du selbst!«

»Lüge, nichts als Lüge!«

»Pah! Hattest du nicht eine Schrift bei dir, welche die Zeichnung des Weges, des Einganges und sogar die auf dem Ziegel befindlichen Zeichen enthielt?«

Da ballte er die Fäuste, sprang auf mich zu, ohne sich aber ganz heranzugetrauen, und schrie:

»Du hast sie in der Hand gehabt? Du hast sie gesehen? Allah vernichte dich!«

»Ja, ich habe sie gehabt und die Zeichen wohl verstanden!«

»So mußt du allwissend sein oder dich mit teuflischer Zauberei befassen!«

»Es ist weder Allwissenheit noch Zauberei nötig; es gehört dazu weiter nichts, als daß man nicht ganz und gar so einfältig ist, wie ihr drei Kerle seid. Ich will aber darauf verzichten, euch eure Dummheit vor Augen zu halten, denn ihr würdet ja doch nicht zur Einsicht gelangen. Wir wollen es lieber so kurz wie möglich mit euch machen. Gieb einmal den Brief heraus, den du für den Sandschaki mitgebracht hast!«

Er zuckte unwillkürlich mit der Hand nach hinten, zog sie aber von der Stelle, welche er berührt hatte, schnell wieder zurück und antwortete:

»Ich habe keinen Brief!«

»Sprich keinen solchen Unsinn! Es ist ja geradezu zum Lachen, daß du jetzt etwas leugnest, was du vorhin wiederholt behauptet hast!«

»Der Brief war nur ein Vorwand; ich habe wirklich keinen!«

»Du hast ihn mit!«

»Und wenn ich einen hätte, so würde ich ihn doch nicht hergeben!«

»Ich werde ihn schon finden!«

»So such'!« brüllte er mich grimmig an und ließ ein erzwungenes Gelächter folgen.

Ich trat hinter ihn, legte die Hand auf die Stelle, welche er vorhin berührt hatte, und sagte:

»Hier steckt er!«

»Da im Gürtel? Nimm ihn doch heraus!«

»In dem Gürtel wohl nicht, sondern unter ihm, in der Sirjamä, denke ich.«

»Däwwab, du hast den Teufel!«

Er hatte dieses beleidigende Wort kaum ausgesprochen, gab ich ihm eine derartige Ohrfeige, daß er, so lang er war, zu Boden stürzte.

»Haltet ihn fest!« rief ich dem Korporal zu.

Dieser warf sich mit seinen Leuten auf den Pädär, noch ehe er aufstehen konnte. Er wollte sich zwar wehren, konnte aber gegen soviel kräftige Hände nichts machen. Da wurde der Vorhang auseinander gerissen; der Sandschaki kam aufgeregt und eilig herein und herrschte mich zornig an:

»Was hast denn du mit den Briefen zu schaffen, die an mich gerichtet sind? Bist du etwa mein Vormund oder bin ich ein Knabe, der, wenn er haben will, was ihm gehört, erst um Erlaubnis fragen muß? Wenn ein Brief an mich hier ist, so hat ihn kein anderer Mensch zu bekommen als nur ich allein!«

»Auch ich nicht?« fragte der General.

»Nein.«

Da legte ihm Osman Pascha die Hand auf die Schulter und belehrte ihn in gewichtigem Tone:

»Du scheinst noch immer nicht zu wissen, weshalb und wozu ich mich hier befinde. Es sei dir also kurz und deutlich gesagt: Ich bin die Hand des Padischah, welche sich ausstreckt, um das Buch deiner Thaten aufzuschlagen. Da giebt es keine Weigerung und keine Abwehr deinerseits. Ich handle nach der Vorschrift, die mir geworden ist, und werde, falls du dich widersetzest, deinem Ungehorsam zu begegnen wissen!«

Der Sandschaki wich einen Schritt zurück, sah ihm kampfbereit in das Gesicht, senkte aber vor dem Blicke, dem er begegnete, die Augen, besann sich eines Besseren und erwiderte:

»Ich weiß, daß ich gehorchen muß, wenn es sich um amtliche Angelegenheit handelt; dieser Brief aber ist in einer Privatsache an mich gerichtet!«

»Oh! So kennst du bereits seinen Inhalt?«

»Ja.«

»Und weißt also, daß dieser Mann, obgleich er es leugnet, im Besitze eines Schreibens für dich ist?«

»Behaupten kann ich es nicht; aber wenn er einen Brief für mich hat, weiß ich genau, daß der Inhalt ein persönlicher, aber kein amtlicher ist.«

»Warum dann die Angst des Überbringers? Warum die Weigerung, ihn vorzuzeigen?«

»Eben weil der Inhalt nicht mein Amt, sondern eine Privatangelegenheit betrifft, welche sich auf meine Familie bezieht, um die sich kein Mensch und selbst kein Vorgesetzter, auch nicht die ›Hand des Padischah‹, wie du dich nennst, zu kümmern hat!«

»Wohlan! Wenn es so ist, wie du sagst, so werde ich ihn dir lassen. Der Mann mag das Schreiben herausgeben!«

»Ich habe keins!« behauptete der Pädär verstockt, indem er einen ohnmächtigen Versuch machte, trotz der ihn niederhaltenden Hände vom Boden emporzukommen.

»Da er noch immer leugnet, scheint es doch, als ob das Schreiben nichts Unbedenkliches enthalte,« meinte Osman Pascha. »Man suche ihn aus!«

»Wir brauchen gar nicht lange zu suchen,« warf ich ein. »Der Bote hat sich selbst durch seine Hand verraten, mit welcher er nach dieser Stelle griff. Wir werden j a gleich sehen!«

Ich hatte mich bei diesen Worten niedergebückt und die Hand hinten unter den Gürtel des Persers, der sich nicht dagegen wehren konnte, geschoben. Ich fühlte sofort das, was ich suchte. Es befand sich im Innern der Hose hier, wo man sonst keine anzubringen oder zu suchen pflegt, eine Tasche, aus welcher ich das Schreiben zog. Ein schneller Blick zeigte mir die Adresse, mit der man den Brief vorsichtigerweise versehen hatte. Als ich mich wieder aufrichtete, schnellte der Sandschaki herbei, streckte die Hand aus, um mir meinen Fund zu entreißen, und sagte dabei:

»Her damit! Das gehört mir! Du hast ihn gar nicht zu berühren!«

Ich hielt den Brief ebenso schnell hinter mich, schob den aufgeregten Adressaten von mir weg und entgegnete:

»Nimm dir nur Zeit; es handelt sich um die Adresse!«

»Ist sie etwa die deinige?« brüllte er mich wütend an.

»Nein; aber sie enthält nicht bloß deinen Namen, sondern auch deinen Amtstitel. Der Abgesandte des Padischah mag entscheiden, ob darauf auf den amtlichen oder privaten Inhalt zu schließen ist.«

Ich gab das Schreiben dem General. Der Sandschaki fuhr rasch auf ihn los, um es ihm zu entreißen; ich faßte ihn aber hinten am Kragen, drehte ihn mit einem Schwunge um sich selbst herum und schleuderte ihn in die Ecke, wo er niederstürzte. Er raffte sich wieder auf, um seinen Angriff auf den Brief zu wiederholen, aber die anwesenden Offiziere, welche auch aus dem Nebenzimmer hereingekommen waren, stellten sich vor ihn und ließen ihn nicht aus der Ecke heraus. Da er wohl wußte, daß der Brief die Beweise seiner Schuld enthielt, wehrte er sich mit den Fäusten und mit ebenso kräftigen Worten, doch vergeblich. Der General las die Adresse, nickte mir zu und entschied:

»Du hast recht. Die Aufschrift läßt auf amtlichen Inhalt schließen. Der Brief gehört mir!«

Er öffnete ihn und las. Sein Gesicht wurde ernster und immer ernster. Als er zu Ende war, steckte er ihn zu sich, sah einige Augenblicke überlegend vor sich nieder und ging dann zur Thür des Vorzimmers, welche er öffnete.

»Kol Agasi!« rief er hinaus.

Der Alte kam herein.

»Giebt es eiserne Handfesseln hier?«

»Ja, Hazretin. Sie hängen an Ketten unten im Khabu es Sidschn, wo die gefährlichen Gefangenen untergebracht werden.«

»Sind diese Gefängnisse fest?«

»Fest? Allah, Wallah! Die Mauern sind mannesstark von Stein; der Boden ist von Stein, und die Decke ist auch von Stein. Es giebt kein Fenster, kein Loch darin, und die Thüren sind so dick, daß man stundenlang arbeiten müßte, um ein kleines Loch hineinzubringen.«

»Wieviel solcher Gelasse sind da?«

»Wohl zehn oder zwölf habe ich gesehen, als ich unten war.«

»Wer hat die Schlüssel?«

»Der Syndandschi. Soll ich ihn holen?«

»Nein; ich gehe selbst, und du wirst mich zu ihm führen.«

Er wendete sich hierauf zu mir und sagte deutsch:

»Der Sandschaki ist ein Verräter. Das Schreiben ist ein förmlicher Kontrakt, den er unterzeichnen sollte, und giebt sogar die Summen an, die er schon erhalten hat und noch bekommen soll. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Ich muß mich seiner Person so versichern, wie es die Größe meiner Verantwortung erfordert, und das Gefängnis also selbst in Augenschein nehmen. Werden Sie dafür sorgen können, daß während meiner kurzen Abwesenheit nichts geschieht, was ich vermeiden muß?«

»Gewiß. Sie brauchen keine Sorge zu haben, Excellenz. Hierbei möchte ich fragen, was Sie betreffs der drei Perser hier beschlossen haben?«

»Sie werden auch an Ketten gelegt. Der eine, den Sie Pädär nennen, hat den Brief aus Teheran gebracht; der Säfir ist der eigentliche Unterhändler und kennt den ganzen Inhalt dieses Schreibens.«

»Was sind das doch für Menschen! Sie betrügen hier und dort, auf beiden Seiten, ihre Auftraggeber, deren Vertraute sie doch sind. Es liegt uns eigentlich die Frage nahe, ob der Kammerherr, der als persischer Beamter doch nahe an der Quelle dieser Anzettelungen wohnt, nicht auch wenigstens etwas von ihnen weiß.«

»Ich habe auch schon daran gedacht. Welcher Meinung sind Sie darüber?«

»Er kommt mir harmlos vor.«

»Mir auch; aber dennoch werde ich dafür sorgen, daß er Hilleh nicht eher verläßt, als bis ich überzeugt, vollständig überzeugt von dieser seiner Unschädlichkeit bin. Also bitte, sorgen Sie dafür, daß, solange ich fort bin, nichts vorkommt, was ich nicht erlauben darf!«

Er entfernte sich mit dem Kol Agasi. Kaum war er hinaus, so machte der Sandschaki abermals einen angestrengten Versuch, aus der Ecke fortzukommen, und sprudelte denen, die ihn daran hinderten, die Drohung zu:

»Macht Platz! Wer mich zurückhält, wird ohne Nachsicht und auf das allerstrengste bestraft. Ich bin es, der hier zu befehlen hat, kein anderer Mensch! Meine Beschwerden werden nach Bagdad und sogar bis nach Stambul gehen. Ich lasse euch absetzen und einsperren! Hört ihr es? Oder fürchtet ihr euch vor dem Christenhunde dort? Dieser Ausbund von Schlechtigkeit und Niedertracht –--«

Da stand ich aber schon vor ihm und unterbrach ihn durch die Worte:

»Du meinst mich?«

»Ja, dich!« zischte er mich an.

»Und wie wagtest du mich zu nennen?«

»Einen Christenhund, einen – –«

Er konnte den Satz nicht aussprechen, denn er bekam von mir einen Kopfhieb, der ihn besinnungslos niederwarf. Ich zog ihm das Machrami aus dem Gürtel und band ihm damit die Hände auf den Rücken.

»So; jetzt belästigt er uns nicht mehr. Für das weitere wird der Syndandschi sorgen!«

»Und vielleicht dann gar der Dschellad oder, zur Schonung der von ihm bekleideten Würde, die seidene Schnur,« fügte der Mir Alai meinen Worten hinzu. »Ich sehe, Effendi, daß deine Faustschläge jetzt noch ebenso kräftig sind wie früher. Du ersparst mit ihnen die Fesseln, welche sonst notwendig wären, die Hände und Füße der Gefangenen unschädlich zu machen. Dort wäre eigentlich auch ein solcher Hieb gut angebracht.«

Er deutete auf den Pädär, welcher, noch immer von den Soldaten niedergehalten, die Abwesenheit des Generals zu erneutem Widerstande benutzen zu müssen glaubte. Ich ließ ihn mit seinem eigenen Gürtel binden, und da der Korporal einmal bei dieser Arbeit war, so vollzog er sie, ohne daß ich ihn dazu aufzufordern brauchte, auch an den beiden andern Persern, welche nicht den Mut besaßen, auch nur den geringsten Einspruch dagegen zu erheben.

Die passivste Rolle hatte während der ganzen Zeit der Pischkhidmät Baschi gespielt. Immer bewegungslos wie eine Statue an die Wand gelehnt, hatte er kein Wort gesagt und nur durch seine Augen verraten, daß er an den sich abspielenden Scenen doch eigentlich auch nicht ganz unbeteiligt sei. Jetzt näherte er sich mir und sagte sein erstes Wort:

»Effendi, diese Menschen sind Verbrecher; ich gebe das zu. Sie müssen bestraft werden; auch das gebe ich zu. Aber hat der General das Recht, sie festzuhalten und einzusperren?«

»Gewiß!« antwortete ich.

»Obgleich sie persische Unterthanen sind?«

»Höre, sei vorsichtig, o Pischkhidmät Baschi! Das Recht des Generals ist gar nicht zu bestreiten, denn kein Konsul oder sonstiger Vertreter einer fremden Regierung kann etwas gegen die Arretur eines Verbrechers seiner Nationalität haben. Niemand kann zum Beispiele verlangen, daß man einen Mörder laufen läßt, weil er einem andern Volke angehört.«

»Ja, da hast du recht; aber warum mahnst du mich, vorsichtig zu sein?«

»Weil du, wenn du dich dieser Menschen annimmst, leicht in den Verdacht kommen kannst, ein heimlicher Verbündeter von ihnen zu sein.«

Mit einem ruhigen Lächeln, welches unmöglich gewesen wäre, wenn er sich nicht ganz rein gefühlt hätte, gab er mir die Versicherung:

»Ein solcher Verdacht kann mich ja gar nicht treffen! Ich wohne unter dem Schirm der Gnade unsers Beherrschers und freue mich meiner Stellung und meines Lebens. Warum sollte ich mir diese Freude dadurch vergällen oder gar rauben, daß ich mich in Dinge mische, welche sich mit der Behaglichkeit, die ich liebe, nicht vereinbaren lassen? Ich habe dir schon gesagt, daß ich ein tapfrer, ja sogar ein verwegener Krieger bin; aber mein schönes Dasein um schnöden Geldes willen durch Landesverrat und wie diese Dinge sonst noch heißen mögen, auf das Spiel zu setzen, das kann mir nicht im Traume einfallen; dazu halte ich mich auch für viel zu gut. Ich hasse Verschwörungen und alle ähnlichen heimlichen Anschläge, weil sie die Traulichkeit des Befindens stören und die Ruhe der Seele, welche so wohlthuend ist, in Aufruhr verwandeln. Das kannst du mir glauben, Effendi!«

Ja, ich glaubte es ihm ganz gern, aber auch noch aus einem andern Grunde, den er freilich nicht mit angeführt hatte: Er war nicht nur zu bequem, sondern auch zu feig, als daß er Veranlassung zu dem Verdachte geben konnte, von welchem ich vorhin mit Osman Pascha gesprochen hatte.

Dieser kam jetzt zurück. Ihm folgte der Kol Agasi, und ich sah dabei durch die geöffnete Thür, daß das ganze Vorzimmer voller Soldaten stand. Die Gefangenen wurden abgeführt; der Sandschaki aber mußte getragen werden, weil er noch nicht wieder zu sich gekommen war. Der General ging selbst wieder mit, um sich zu überzeugen, daß jede Anforderung der gebotenen Vorsicht erfüllt werde.

Als er hierauf wiederkehrte, mußte ich ihn darauf aufmerksam machen, daß ich mich nun beeilen müsse, nach dem Birs Nimrud zurückzukehren.

»Ja,« stimmte er bei; »wir haben länger zugebracht, als du wohl eigentlich wolltest; aber es ist dabei auch zum vernichtenden Schlage gegen den Sandschaki gekommen, was ich nur dir allein verdanke. Wer aber soll bestimmen, was nun zu geschehen hat, du oder ich?«

»Ich bitte, du!«

»Das ist eine Aufgabe, deren Lösung dir wohl leichter würde als mir, weil du die Örtlichkeiten und sonstigen Verhältnisse besser kennst als ich. Ich bitte dich also wenigstens um deinen Rat, um einen guten Vorschlag, nach welchem ich mich richten kann!«

»Gern! Aber wir wollen dabei deutsch sprechen!«

»Wie Sie wollen!« stimmte er sofort in dieser Sprache bei. »Es giebt wohl etwas, was nur wir beide wissen dürfen?«

»Ja.«

»Was?«

»Der große Wert des Schmuggellagers. Ich meine, daß da nur Vertrauenspersonen Zutritt erhalten sollten.«

»Ganz auch meine Meinung. Aber ist es nicht wahrscheinlich, daß es zu einem Kampfe in diesen unterirdischen Räumen kommt?«

»Möglich wohl, doch glaube ich, ihn vermeiden zu können. Wenn das Lager in unsere Hände fällt, gehört es natürlich der Regierung des Padischah. Excellenz sind da wohl auch meiner Meinung?«

»Gewiß. Selbstverständlich ist eine angemessene Prämie für diejenigen Personen, denen wir diesen Gewinn zu verdanken haben werden.«

»Gut, ich halte Sie beim Worte!«

»So? Sie wollen – –für sich – –?« fragte er etwas ungläubig. »Es ist jawohl gewiß, daß nur Sie allein es sind, durch den es ermöglicht –--«

»Bitte,« unterbrach ich ihn, »das bin nicht ich, sondern das ist mein alter Bimbaschi in Bagdad. Hätte er uns nicht erzählt, was ihm im Birs Nimrud geschehen ist, so wäre es jetzt gar nicht möglich, dem Säfir das Handwerk zu legen. Er hat sein ganzes Vermögen hergeben müssen, und so ist er es, für den ich um die mir zugestandene Prämie bitte, Excellenz!«

Osman Pascha reichte mir seine Hand und sagte in gerührtem Tone:

»Dachte es mir! So ähnlich erwartete ich es! Da kommt der bekannte Kara Ben Nemsi zum Vorschein, der stets nicht für sich, sondern für die Braven und Geschädigten sorgt! Ihr Bimbaschi soll soviel haben, wie Sie für ihn erbitten werden. Nun aber: Wir brauchen Militär; von welcher Truppe, und wieviel?«

»Nur Kavalleristen, der Schnelligkeit wegen.«

»Die haben wir ja.«

»Ich weiß nicht, wieviel Mitglieder von der eigentlichen Bande des Säfir zugegen sein werden, und wieviel Ghasai-Beduinen er angeworben hat; aber ich meine, daß wir mit fünfzig Reitern mehr als genug haben werden.«

»Wenn Sie es verlangen, lasse ich die ganze Garnison ausrücken!«

»Danke! Wenn ich die Sache auf mich zu nehmen hätte, würde ich viel weniger als fünfzig brauchen.«

»Aber warum wollen und warum thun Sie das nicht?«

»Der Verantwortlichkeit wegen.«

»Pah! Ich bin hier fremd. Sehen Sie denn nicht ein, daß Sie mir einen außerordentlichen Gefallen erweisen würden, wenn Sie mich von dieser Sache befreiten, indem Sie die Ausführung übernehmen? Ich kenne Sie und weiß, daß ich die Vollmacht in keine bessern Hände legen könnte. Also bitte, thun Sie es, und – – schlagen Sie ein!«

Er hielt mir die Hand hin und fügte, als ich noch zögerte, lächelnd hinzu:

»Ich verspreche sogar, Sie pränumerando durch eine Freude zu belohnen, die ich Ihnen und einem andern mache!«

»Welche Freude?«

»Warten Sie einen Augenblick! Wie heißt der Kol Agasi, für den Sie sich verwendet haben?«

»Amuhd Mahuli.«

»Gut; ich komme in zwei Minuten wieder!«

Er winkte dem Mir Alai, ihm zu folgen, und ging mit ihm in das nächste Zimmer, wo es Schreibzeug gab. Als sie wieder kamen, nickte mir der Oberst, welcher wohl Auskunft hatte geben sollen, mit beistimmendem Lächeln heimlich zu; der General aber hatte einen Papierbogen in der Hand, den er mir mit den Worten gab:

»Amuhd Mahuli ist von heut an Bimbaschi; hier haben Sie die Interimsbestätigung als Garantie für die eigentliche Ernennung, welche in einigen Tagen erfolgen wird. Sie können sie ihm geben, wenn es Ihnen beliebt; von mir und dem Mir Alai wird er jetzt noch nichts erfahren. Vielleicht machen Sie eine Belohnung daraus. Sie sehen, ich komme Ihnen entgegen. Und nun nochmals meine Hand; werden Sie jetzt endlich einschlagen?«

»Ja, von Herzen gern,« antwortete ich, indem ich ihm die Hand reichte und dann das Papier zusammenfaltete und in die Tasche steckte.

»Gut! Bestimmen Sie also, was zu geschehen hat! Aber nehmen Sie nicht weniger als fünfzig Köpfe mit, denn es ist auf alle Fälle besser, Sie haben zehn Mann zuviel als einen zu wenig!«

»So bitte ich um sechzig, denn zehn müssen bei den Pferden bleiben.«

»Schön! Und weiter?«

»Diese sechzig Leute kommandiert aber mein alter Amuhd Mahuli, der natürlich in allen Stücken mir zu gehorchen hat.«

»Einverstanden! Ferner?«

»Ein Paket Lichter und Zündhölzer.«

»Weiter nichts?«

»Ja, weiter nichts. Ich bin fertig und habe nur noch die eine Frage: Würden Excellenz hinauskommen können, wenn ich einen Boten schickte?«

»Wenn Sie nach mir senden, brauchen Sie mich; also werde ich kommen.«

»Dann bitte, das Detachement schnellstens marschfertig, und ein Pferd für den Pischkhidmät Baschi!«

»Der soll wieder mit?«

»Ja, ich brauche ihn.«

»Ich halte ihn aber nicht für sehr mutig!.«

»Ich will nur ihn haben, nicht seinen Mut, den er allerdings auch gar nicht besitzt. Er ist mir zu einer ganz und gar passiven Rolle nötig.«

»O, ich vermute, Sie geben, wie das so Ihre Art und Weise ist, der Angelegenheit eine etwas interessante Wendung?«

»Allerdings.«

»So bin ich begierig auf das, was Sie mir erzählen werden. Ich erteile sofort die nötigen Befehle.«

»Aber bitte, die Ausführung in der möglichsten Stille: Und dann gestehe ich, daß ich Hunger und Durst habe.«

»Diesen Übeln soll sogleich abgeholfen werden,« lachte er vergnügt.

Zehn Minuten später saßen alle Anwesenden bei kaltem Lahhm maschwi, und eine Viertelstunde hierauf meldete der Kol Agasi, daß die Mannschaften zum Aufbruche fertig seien. Es war meines Erachtens auch die höchste Zeit dazu. Der Kammerherr weigerte sich nicht, mit von der Partie zu sein; bei sechzig Mann Begleitung fühlte er sich sicher. Hätte er aber gewußt, wozu ich ihn bestimmt hatte, so wäre er wohl lieber in Hilleh geblieben. Amuhd Mahufi hingegen freute sich wie ein Kind auf den Streich, den wir vorhatten. – – –


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