Karl May
Von Bagdad nach Stambul
Karl May

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In Stambul

Da saßen Zwei in einem Zimmer des Hôtel de Pest in Pera, tranken den famosen Ruster, den ihnen der Wirth, Herr Totfaluschi, eingeschenkt hatte, rauchten dazu und langweilten sich entsetzlich, wie es schien.

Sie sahen nicht gar sehr ›geschniegelt und gebügelt‹ aus. Das Äußere des Einen bestand in langen, starken Juchtenstiefeln, einer braunen Hose, braunen Jacke, sonnverbranntem Gesichte und braunen Beduinen-Händen. Das Äußere des Andern war ›grau in grau gemalt‹, die Nase ausgenommen, welche sich mit einem ausdauernden holden Erröthen präsentirte. Sie tranken und rauchten, und rauchten und tranken in allertiefster Schweigsamkeit. War es wirklich aus Langeweile, oder trugen sie sich mit großen, weltbewegenden Gedanken, für welche die Sprache der Menschen glücklicher Weise keinen passenden Ausdruck fand?

Es schien das Letztere der Fall zu sein, denn plötzlich öffnete der Graue seinen Mund, schüttelte die Nase und schloß die Augen; er konnte es nicht länger verhindern; einer seiner großen Gedanken befreite sich und riß sich los in den siegreich hervorgestoßenen Worten:

»Master, was haltet Ihr von der orientalischen Frage?«

»Daß sie nicht mit einem Frage-, sondern mit einem Ausrufzeichen zu markiren ist,« lautete die Antwort des Braunen.

Der Graue that seinen Mund wieder zu, riß die Augen auf und machte ein Gesicht, als habe er soeben einen Band von Keladi's ›Sprüche eines Weisen‹, Großfolio und in Schweinsleder gebunden, verschlingen müssen.

Der Graue war Sir David Lindsay, und der Braune, der war ich. Ich habe mich niemals leidenschaftlich mit Politik beschäftigt, und die orientalische Frage ist mir gar ein Gräuel. Wer sie erst definiren kann, der mag sie darnach lösen. Sie und der sogenannte ›kranke Mann‹ haben mich selbst in der lebhaftesten Gesellschaft stets zum sofortigen Schweigen gebracht. Ich habe nicht politische Medizin studirt und kann also nicht sagen, an welcher Krankheit dieser Mann leidet; aber ich meine sehr, daß grad ganz in seiner Nähe Zustände herrschen, welche ich nicht gesund nennen möchte.

Der Türke ist ein Mensch, und einen Menschen macht man nicht damit gesund, daß die Nachbarn sich um sein Lager stellen und mit Säbeln ein Stück nach dem Andern von seinem Leibe hacken, sie, die sie Christen sind. Einen kranken Mann macht man nicht todt, sondern man macht ihn gesund, denn er hat ein ebenso heiliges Recht, zu leben, wie jeder Andere. Man entzieht seinem Körper die Krankheitsstoffe, welche ihm schädlich sind, und reiche ihm dagegen das Mittel, welches ihn heilt und wieder zu einem leistungsfähigen Menschen macht. Der Türke war einst ein zwar rauher, aber wackerer Nomade, ein ehrlicher, gutmüthiger Gesell, der gern einem Jeden gab, was ihm gehörte, sich aber auch Etwas. Da wurde seine einfache Seele umsponnen von dem gefährlichen Gewebe islamitischer Phantastereien, Lügen und Widersprüche; er verlor die Klarheit seines ja sonst schon ungeübten Urtheiles, wollte sich gern zurecht finden und wickelte sich desto tiefer hinein. Da ward der bärbeißige Gesell zornig, zornig gegen sich und Andere; er wollte sich einmal Gewißheit schaffen, wollte einmal sehen, ob es wahr sei, daß das Wort des Propheten auf der Spitze der Schwerter über den Erdkreis schreiten werde. Er hing sich den Köcher um, griff zu Speer und Bogen, bestieg sein zottiges Roß und nahm den ersten, den besten Nachbar beim Schopfe. Er siegte und siegte wieder; das begann ihm zu gefallen. Er fühlte mit den Siegen seine Kräfte und sein Selbstvertrauen wachsen; darum marschirte er mit kühnen Schritten weiter. Es lagen ihm Tausende zu Füßen; er konnte in Gold und Perlen wühlen, aber er aß seinen trockenen Schafkäse zu dem harten Haferbrode nach wie vor, denn das gab ein festes Knochengerüste und eine eiserne Muskulatur.

Das blieb so, bis er gezwungen wurde, bis an den Leib in dem Sumpfe byzantinischer Heuchelei und griechischer Raffinerie zu waten. Man schmeichelte ihm, man machte ihn zum Halbgott; man zerstreute ihn durch hundert Aufmerksamkeiten; man erfand tausend Sünden, um Einfluß auf ihn zu gewinnen, und lehrte ihn Bedürfnisse, die ihn zu Grunde richten mußten. Seine Natur widerstand lange; aber als er einmal zu siechen begann, nahm die Krankheit Riesenschritte an, und nun liegt er da, umgeben von eigennützigen Rathgebern, welche sich sogar nicht scheuen, noch zu seinen Lebzeiten sein Erbe an sich zu reißen.

Nur ein Einziger steht von ferne, mit christlicher Theilnahme im Herzen. Er war ihm einst ein ehrlicher Feind und möchte ihm nun auch ein ehrlicher Freund sein. Er hat eingesehen, daß der Türke ein ebenso großes Recht hat, sein Land zu behalten, wie Preußen sein Schlesien, Sachsen und Hannover behalten hat. Dem Kranken, um welchen die Geier lauern, ist schon der aufrichtige Blick dieses Einen eine Bürgschaft der Genesung, und darum fühlt er sich bereit, ihm zu Liebe selbst das zu thun, was er sich von Anderen nie erzwingen ließe.

Dieser Einzige ist der Deutsche. Ist dem Germanen wirklich die weltgeschichtliche Rolle zugetheilt, der Träger christlicher Humanität zu sein, so ist er sicher überzeugt, daß Mekka einst veröden wird, wenn die Liebe dem Hasse das Schwert aus der Hand gewunden hat. Oder ist es vielleicht Wahnsinn, zu glauben, daß der Türke ein Christ werden könne? Das hieße nichts Anderes, als die Macht des Evangeliums verleugnen. – – –

Warum aber diese Einleitung? Einfach darum: Ich hasse den Türken nicht, sondern er dauert mich, weil ich ein Christ bin, und es thut mir immer wehe, wenn ich einen Türkenfresser behaupten höre, daß dem Osmanen nicht zu helfen sei. Das ist Pharisäer-Hochmuth, aber kein Christensinn. Die Streiter unserer heiligen Kirche besitzen mächtigere Waffen, als Schwerter und Kanonen es sind. Diese Waffen haben Weltreiche ohne Blut erobert. Warum soll diese Eroberung des Friedens nicht still und kräftig weiter schreiten? Das ist die Lösung der orientalischen Frage, wie der Christ sie sich denkt. – – –

Drunten im goldenen Horn liegt die ›Bouteuse‹. Sie hat die Flügel eingezogen und sich an die Kette legen lassen. Vorher aber war sie eine gute Seglerin und zeigte sich unserem amerikanischen Klipper gewachsen, denn sie war einen vollen Tag eher als wir in Stambul angekommen.

Als wir an das Land stiegen, war mein erster Ausflug zur ›Bouteuse‹. Der Kapitän derselben empfing mich mit der liebenswürdigen Freundlichkeit, welche den Franzosen im gesellschaftlichen Leben eigenthümlich ist.

»Sie wünschen, mein Schiff zu besehen?« fragte er mich.

»Nein, Kapitän; ich wünsche, mich bei Ihnen nach einem Ihrer letzten Passagiere zu erkundigen.«

»Ich stehe zu Ihren Diensten!«

»Es ist in Tripoli ein Mann bei Ihnen an Bord gegangen – –«

»Ein einziger, ja.«

»Darf ich fragen, unter welchem Namen?«

»Ah, Sie sind Polizist?«

»Nein, ich bin ein einfacher Deutscher; der Mann, nach dem ich frage, hat in Damaskus einem Freunde von mir sehr werthvolle Pretiosen gestohlen. Wir folgten ihm, kamen aber in Tripoli erst an, als Sie im Begriffe standen, die See zu gewinnen. Wir konnten nur in Beirut Gelegenheit finden, Ihrem Curs zu folgen. Das die Gründe meines Besuches auf Ihrem Fahrzeug.«

Der Mann strich sich sehr nachdenklich das Kinn.

»Ich bedauere Ihren Freund von Herzen, weiß aber nicht, ob ich Ihnen von Nutzen werde sein können, so gern ich das auch möchte.«

»Dieser Mann ist sofort vom Bord gegangen?«

»Sofort. Ah, da fällt mir ein, daß er einen Hammal an Bord winkte, um sich seine Sachen tragen zu lassen; sie waren nicht bedeutend, denn er hatte nur ein Packet. Ich würde diesen Hammal wieder erkennen. Der Mann nannte sich Afrak Ben Hulam.«

»Das ist ein falscher Name!«

»Wahrscheinlich. Kommen Sie einmal wieder an Bord. Ich will Ihnen versprechen, diesen Hammal anzureden, wenn er mir begegnen sollte.«

Ich ging. Die Anderen erwarteten mich am Ufer. Jacub Afarah stellte sich an unsere Spitze, um uns nach dem Hause seines Bruders zu führen. Weder ich, noch Lindsay hatte die Absicht, die Gastfreundschaft desselben zu benutzen; aber uns ihm vorzustellen, das konnten wir schon wagen.

Maflei, der Großhändler, wohnte in der Nähe der Jeni Dschami, der neuen Moschee, und das Äußere seines Hauses ließ keinen Schluß auf die Größe seines Reichthums machen. Wir wurden, ohne daß wir unsere Namen nannten, in das Selamlik geführt, wo wir nicht lange auf den Eintritt des Hausherrn warten durften.

Er schien über den zahlreichen Besuch erstaunt zu sein; als er jedoch seinen Bruder erkannte, vergaß er ganz die dem Moslem sonst so unveräußerliche Gravität und eilte mit großen Schritten auf ihn zu, um ihn zu umarmen.

»Maschallah, mein Bruder! Begnadigt Allah meine Augen mit wahrem Lichte?«

»Du siehst richtig, mein Bruder!«

»So segne Allah Deinen Eintritt und den Deiner Freunde!«

»Ja, es sind Freunde, welche ich Dir bringe.«

»Kommst Du in Geschäften nach Stambul?«

»Nein. Doch davon sprechen wir weiter. Ist Isla, der Sohn Deines Herzens, in Stambul oder auf Reisen?«

»Er ist hier. Seine Seele wird sich freuen, Dein Angesicht zu sehen.«

»Er wird auch noch andere Freude empfinden. Rufe ihn!«

Es vergingen einige Minuten, ehe Maflei zurückkehrte. Er brachte Isla Ben Maflei mit, und ich trat bei seinem Anblick ein wenig zur Seite. Der junge Mann umarmte seinen Oheim und sah sich dann im Kreise um. Sein Blick fiel auf Halef, und sofort erkannte er ihn:

»Allahu! Hadschi Halef Omar Agha, Du hier? Du bist in Stambul!« rief er erstaunt. »Sei mir gegrüßt, Du Diener und Beschützer meines Freundes! Hast Du Dich von ihm getrennt?«

»Nein.«

»So ist er auch in Stambul?«

»Ja.«

»Warum kommt er nicht mit Dir?«

»Sieh Dich um!«

Isla wandte sich um und lag mir im nächsten Augenblick an dem Halse.

»Effendi, Du weißt nicht, welche Freude Du mir bereitest! Vater, sieh Dir diesen Mann an! Das ist Kara Ben Nemsi Effendi, von dem ich Dir erzählt habe, und das ist Hadschi Halef Omar Agha, sein Freund und Diener.«

Jetzt gab es eine Scene, bei welcher selbst das Auge des Engländers leuchtete. Diener mußten springen, um Pfeifen und Kaffee zu holen. Maflei und Isla schlossen sofort ihr Geschäft, um sich nur uns zu widmen, und bald saßen wir erzählend auf den Polstern.

»Aber wie kommst Du mit dem Effendi zusammen, Oheim?« frug Isla Ben Maflei.

»Er war mein Gast in Bagdad. Wir trafen uns in der Steppe und sind Freunde geworden.«

»Warum bringst Du uns nicht Grüße von Afrak Ben Hulam, dem Enkel meines Oheims?«

»Grüße kann ich Dir nicht bringen, aber Nachricht habe ich für Dich.«

»Nachricht, aber keine Grüße? Ich verstehe Dich nicht.«

»Es ist ein Afrak Ben Hulam bei mir angekommen, aber es war der richtige nicht.«

»Allah 'l Allah! Wie ist das möglich? Wir gaben ihm einen Brief mit. Hat er ihn Dir nicht überbracht?«

»Ja. Ich nahm ihn auf, wie Ihr es begehrtet; ich gab ihm einen Platz in meinem Hause und in meinem Herzen, aber er war nur dankbar, indem er mir für viele Beutel Diamanten stahl.«

Die beiden Verwandten vermochten bei dieser Kunde kein Wort zu sagen, so erschracken sie. Dann aber sprang der Vater auf und rief:

»Du irrst! Das thut kein Mensch, der das Blut unserer Väter in seinen Adern hat!«

»Ich stimme Dir bei,« antwortete Jacub. »Der, welcher mir Deinen Brief brachte und sich Afrak Ben Hulam nannte, war ein Fremder.«

»Glaubst Du, daß ich einem Fremden solche Briefe gebe?«

»Es war ein Fremder. Früher hieß er Dawuhd Arafim, dann nannte er sich Abrahim Mamur, und jetzt – –«

Da sprang Isla auf.

»Abrahim Mamur? Was sagst Du von ihm? Wo ist er? Wo hast Du ihn gesehen?«

»In meinem Hause war er, unter meinem Dache hat er gewohnt und geschlafen; ich habe ihm Schätze anvertraut im Werthe von Millionen, ohne zu ahnen, daß es Abrahim Mamur war, welcher Euer Todfeind ist!«

»Allah Kerihm! Meine Seele wird zu Stein!« meinte der Alte. »Welch ein Unglück hat da mein Brief angerichtet! Aber wie ist er in seine Hand gekommen?«

»Er hat den ächten Afrak Ben Hulam ermordet und ihm den Brief abgenommen. Nachdem er diesen gelesen hatte, entschloß er sich, als mein Verwandter zu mir zu gehen und meinen ganzen Laden zu leeren. Nur diesem Effendi allein danke ich es, daß es nicht geschehen ist.«

»Was hast Du mit ihm gethan?«

»Er entfloh uns, und wir sind ihm nachgejagt. Er ist gestern mit einem französischen Schiffe hier angekommen, wir aber kamen erst heut.«

»So werde ich mich gleich bei dem Franzosen erkundigen,« meinte Isla, sich erhebend.

»Du kannst bleiben,« sagte ich. »Ich war bereits dort; der Dieb hatte das Schiff sofort verlassen, aber der Kapitän versprach, uns behülflich zu sein. Er hat mich eingeladen.«

»So martert unsere Seelen nicht und erzählt diese Begebenheit, wie sie geschah,« bat Maflei.

Sein Bruder kam dieser Aufforderung nach und erzählte in der ausführlichsten Weise die ganze Begebenheit, welche natürlich die größte Bestürzung hervorbrachte. Maflei wollte sofort zum Kadi und zu allen oberen Richtern gehen; er wollte ganz Stambul nach dem Verbrecher durchsuchen lassen. Er schritt im Selamlik umher, wie ein Löwe, welcher seinen Feind erwartet.

Auch Isla war im höchsten Grade erregt. Als das zornige Blut ruhiger durch die Adern floß, kam auch die Überlegung zurück, welche nothwendig war, über einen solchen Gegenstand einen Beschluß zu fassen.

Ich rieth von jeder Herbeiziehung der Polizei für jetzt ab; ich wollte sehen, ob es mir oder einem Andern von uns nicht gelingen könne, eine Spur des Verbrechers zu entdecken. Diese Ansicht kam zur Geltung.

Als ich mit Halef und dem Engländer aufbrechen wollte, gaben dies Maflei und Isla um keinen Preis zu. Sie verlangten unbedingt, daß wir während unsers Aufenthaltes in Stambul ihre Gäste sein sollten. Damit wir ungestört wohnen könnten, boten sie uns ein abgesondert gelegenes Gartenhaus an, und wir waren gezwungen, zu willfahren, wenn wir sie nicht auf eine unverzeihliche Weise beleidigen wollten.

Dieses Haus stand im hintersten Theile des Gartens; seine Räumlichkeiten waren nach türkischer Weise sehr gut ausgestattet, und wir konnten in unserer Abgeschlossenheit ganz nach unserm Wohlgefallen leben, ohne unsere Freiheit durch die Gebräuche des Orientes beeinträchtigt zu sehen. Wir hatten Zeit, uns vollständig auszuruhen und die Art und Weise zu besprechen, wie wir die Spur unseres Feindes entdecken könnten. Das war für Constantinopel, in dessen Gedränge der Einzelne so leicht verschwinden kann, eine sehr schwierige Aufgabe. Es blieb uns nicht viel Anderes übrig, als uns auf den Zufall zu verlassen und daneben die Stadt in allen ihren Theilen fleißig zu durchsuchen. Es schien, daß wir Glück haben sollten, denn bereits am dritten Tage nach unserer Ankunft kam zu uns ein Hammal, welcher erklärte, daß er einem Schiffskapitän begegnet sei, der ihn zu uns geschickt habe.

Ich fragte ihn nach dem Passagier, dessen Gepäck er vom Schiffe jenes Kapitäns getragen habe, und hörte, daß derselbe in ein Haus der großen Perastraße gegangen sei. Der Lastträger behauptete, sich dieses Hauses ganz genau erinnern zu können, und erbot sich, mich zu führen. Natürlich machte ich von diesem Anerbieten sofort Gebrauch.

In dem Hause wohnte ein Kitak, welcher sich allerdings genau besinnen konnte, daß zu der angegebenen Zeit ein Mann bei ihm gewesen sei, der ihn nach einer zu vermiethenden Wohnung gefragt habe; er sei darauf mit ihm gegangen, um ihm verschiedene Häuser zu zeigen, doch habe dem Fremden keine von all diesen Wohnungen gepaßt; sie waren nach der Bezahlung des Agenten aus einander gegangen, ohne sich weiter um einander zu kümmern.

Das war Alles, was ich erfahren konnte. Dafür aber hatte ich auf dem Heimwege eine sehr interessante Begegnung, welche mich entschädigen zu wollen schien. Ich trat nämlich in ein Kaffeehaus, um mir eine Tasse Mokka nebst einer Pfeife geben zu lassen, und hatte mich kaum auf mein Polster gesetzt, als ich seitwärts von mir eine Stimme in deutscher Sprache rufen hörte:

»Hurrjeh, is et möglich oder nich? Sind Sie dort wirklich, oder is et een Anderer?«

Ich drehte mich nach dem Sprecher um und erblickte ein dicht bebartetes Gesicht, welches mir allerdings bekannt vorkam, ohne daß ich mich aber sofort zu besinnen vermochte, wo ich es gesehen hatte.

»Meinen Sie mich?« fragte ich den Mann.

»Ja, wem denne sonst! Kennen Sie mir nicht mehr?«

»Freilich müßte ich Sie kennen, doch bitte ich Sie, meinem Gedächtnisse ein wenig zu Hülfe zu kommen!«

»Haben Sie denn Hamsad al Dscherbaja verjessen, der Ihnen da droben am Nil dat schöne Lied von Kutschke vorgesungen hat, und nachher mit – –«

Ich unterbrach ihn schnell:

»Ah, richtig! Ihr großer Bart machte mich irre. Grüß Sie Gott, Landsmann; setzen Sie sich an meine Seite! Sie haben doch Zeit?«

»Mehr als genug, wenn Sie so gut sein wollen, meinen Kaffee zu bezahlen. Ik bin nämlich, so was man sagt, een Bisken abjebrannt.«

Er nahm an meiner Seite Platz und wir konnten uns unterhalten, ohne besorgen zu müssen, daß unser Deutsch von den anwesenden Muselmännern verstanden werde.

»Also Sie sind ein Bißchen abgebrannt! Wie kommt das?« frug ich. »Erzählen Sie mir, wie es Ihnen ergangen ist, seit wir uns nicht gesehen haben!«

»Wie soll es mich jegangen sind? Schlecht! Damit is Allens jesagt. Dieser Isla Ben Maflei, dem ich bediente, hat mir fortgejagt, weil er meinte, daß er mir nich mehr brauchte. So kam ik nach Alexandrien und jing mit einem Griechen nach Candia und von da aus als halber Matrose nach Stambul, wo ik mir etablirt habe.«

»Als was?«

»Als Vermittler von Vieles, als Führer durch die Stadt, als Jelegenheitsdiener und Aushülfe für Allens, womit ik mich Jeld verdienen kann. Aber es jiebt Keinen, dem ik vermitteln soll; sie laufen Alle ohne mir durch die Stadt; ik finde keine Jelegenheit, Jemand auszuhelfen, und so jehe ik spazieren und hungere, daß der Magen pfeift. Ik hoffe, daß Sie sich meiner annehmen werden, Herr Landsmann, denn Sie wissen ja, wie jut ik Ihnen bei dem damaligen Abenteuer an die Hand jegangen bin!«

»Wir werden ja sehen! Warum haben Sie sich hier nicht einmal an Isla Ben Maflei gewendet? Er ist ja hier in Stambul.«

»Danke sehr! Von ihm mag ik nichts wissen. Er hat mir jekränkt; er hat mir bei meiner Ehre anjegriffen und verletzt; er soll nie nicht dat Verjnügen haben, mir bei sich zu sehen!«

»Ich wohne bei ihm,« bemerkte ich.

»O, dat is unanjenehm, denn da kann ik Ihnen nicht besuchen!«

»Sie besuchen ja nicht ihn, sondern mich.«

»Wenn auch! Ik werde sein Haus unter keinem Umstande betreten; aber lieb wäre es mich, wenn ik Ihnen auf irjend eine Weise dienen könnte.«

»Das können Sie. Erinnern Sie sich noch genau jenes Abrahim Mamur, dem wir das Mädchen nahmen?«

»Sehr jenau. Er hieß eijentlich Dawuhd Arafim und ist uns ausjerissen.«

»Er ist hier in Constantinopel, und ich suche ihn.«

»Daß er hier ist, weiß ik janz jenau, denn ik habe ihm jesehen.«

»Ah! Wo?«

»Droben in Dimitri, wo ik ihm bejegnet bin, ohne daß er mir erkannt hat.«

Ich wußte, daß Sankt Dimitri nebst Tatavola, Jenimahalle und Ferikjöi zu den verrufensten Stadttheilen gehört, und frug daher:

»Sind Sie oft in St. Dimitri?«

»Sehr. Ik wohne da.«

Nun wußte ich genug. Dieser Barbier aus Jüterbogk hatte sich bei dem griechischen Gesindel Dimitri's eingebürgert, welches den verkommensten Theil der Bevölkerung Stambul's bildet. Dort ist das Verbrechen ebenso zu Hause, wie in der berüchtigten Wasserstraße New York's oder in den Blackfriarsgäßchen London's. Des Abends ist es gefährlich, sich dort sehen zu lassen, und selbst am Tage öffnen sich bei jedem Schritte rechts und links die Höhlen, in denen das Laster seine Orgien feiert oder unter den ekelhaftesten Krankheiten sein Dasein verjammert.

»In St. Dimitri wohnen Sie?« frug ich deßhalb. »Gab es keinen andern Ort, wo Sie eine Wohnung finden konnten?«

»Jenug Orte, aber in Dimitri is et janz schön, besonders wenn man Jeld hat, um diese Schönheit zu jenießen.«

»Haben Sie Abrahim Mamur vielleicht beobachtet, als Sie ihm begegneten? Es kommt mir sehr darauf an, seinen Aufenthaltsort zu erfahren.«

»Ik habe ihm laufen lassen, denn ik war nur froh, daß er mich nicht bemerkte. Aber ik kenne dat Haus, aus welchem er kam, und ich werde mir dort einmal erkundigen.«

»Haben Sie nicht Lust, dieses Haus mir jetzt gleich zu zeigen?«

»Ja; ik bin einverstanden.«

Ich bezahlte für mich und ihn; dann nahmen wir zwei Pferde, welche ganz in der Nähe zu vermiethen waren, und ritten durch Pera und Tepe Baschi hinauf nach Sankt Dimitri.

Man sagt, Kopenhagen, Dresden, Neapel und Constantinopel seien die vier schönsten Städte Europa's; ich habe keine Veranlassung, dieser Behauptung entgegenzutreten. Aber in Beziehung auf Constantinopel muß ich doch erwähnen, daß man diese Stadt nur dann schön zu finden vermag, wenn man sie nur von außen, vom goldenen Horn aus, betrachtet; sobald man dagegen ihr Inneres betritt, wird die Enttäuschung nicht ausbleiben. Ich erinnere mich dabei jenes englischen Lords, von welchem man erzählt, daß er zwar mit seiner Dampfjacht Constantinopel besucht, aber dabei nicht sein Fahrzeug verlassen habe. Er fuhr von Rodosto am Nordufer des Marmarameeres hin bis Stambul, lenkte in das goldene Horn ein, in welchem er bis hinauf nach Eyub und Sudludje dampfte, kehrte zurück und ging im Bosporus bis an dessen Mündung in das schwarze Meer und fuhr dann wieder zurück, in dem Bewußtsein, sich den Totaleindruck Constantinopel's nicht durch Eingehen auf die garstigen Einzelnheiten verdorben zu haben.

Betritt man hingegen die Stadt, so kommt man in enge, krumme, winkelige Gäßchen und Gassen, welche unmöglich Straßen zu nennen sind. Pflaster gibt es nur selten. Die Häuser sind meist aus Holz gebaut und kehren der Gasse eine öde, fensterlose Fronte zu. Bei jedem Schritte stößt man auf einen der häßlichen, struppigen Hunde, welche hier die Wohlfahrtspolizei zu versehen haben, und wegen der Enge der Passage muß man jeden Augenblick gewärtig sein, von Lastträgern, Pferden, Eseln und anderen thierischen oder menschlichen Passanten in den Koth gerannt zu werden.

So war es auch auf unserem Wege nach St. Dimitri. Die Gassen waren von den Überresten, welche die Fisch-, Fleisch-, Obst- und Gemüsehändler weggeworfen hatten, verunreinigt; Melonenschalen faulten in ungeheuren Mengen am Boden; neben den Fleischereien stank das Blut in breiten Löchern; Cadaver von Hunden, Katzen und Ratten, abgerissene Stücke von gefallenen Pferden hauchten einen fürchterlichen Geruch aus; Geier und Hunde waren die einzigen Wesen, welche für die Milderung dieses unerträglichen Zustandes sorgten. Wir konnten kaum den Hammals ausweichen, welche große Steine, Bretter und Balken durch die verwahrlosten Gassen schleppten, und begegnete uns einmal ein bepackter Esel, ein dicker, berittener Muselmann oder ein mit Ochsen bespannter Frauenwagen, so war es geradezu eine Kunst, vorüber zu kommen, ohne zerquetscht zu werden.

So gelangten wir endlich nach Dimitri. Hier stiegen wir ab und gaben unseren Atdschis ihre Pferde zurück. Zunächst zeigte mir der Jüterbogker seine Wohnung; sie lag im Hintertheile einer halb verfallenen Hütte und war einem Ziegenstalle ähnlicher als einer menschlichen Behausung. Die Thür wurde von einigen zusammengeklebten Papierbogen gebildet; das Fenster war einfach ein durch die Wand gestoßenes Loch, und an Geschirr und Geräth hatte er nichts aufzuweisen, als einen henkellosen Wasserkrug, über dessen Öffnung eine Kreuzspinne ihr Netz gewoben hatte, und ein Stück von einem zerfetzten Segel, welches als Ottomane und Schlafstelle diente.

Ich sah mir diese traurige Einrichtung wortlos an und folgte ihm dann wieder hinaus auf die Straße. Er führte mich in ein Haus, dessen Äußeres nichts Gutes verhieß, und dessen Inneres diese Weissagung vollständig bestätigte. Es war eines jener griechischen Wein- und Kaffeehäuser, in denen der Werth eines Menschenlebens gleich Null ist, und deren Bevölkerung und Besucher nach ihrem Leben und Treiben unmöglich beschrieben werden können.

Ohne sich in dem vorderen Raume aufzuhalten, führte mich der Barbier in ein hinteres Gemach, wo man Kartenspiele machte und – Opium rauchte. Die Raucher lagen in den verschiedensten Stadien auf einem langen, schmalen Strohpolster, welches sich an zwei Wänden des Zimmers hinzog. Da war ein alter Kerl eben beschäftigt, das Gift in Brand zu setzen. Seine skelettartige Gestalt hatte sich vor Begierde aufgerichtet; seine Augen, sonst erloschen, funkelten vor Verlangen, und seine Hände zitterten. Er machte einen abscheulichen Eindruck auf mich. Daneben lag ein junger, kaum zwanzigjähriger Bursche im Betäubungstraume; er lächelte, als befinde er sich im siebenten Himmel Mahommed's; auch er war bereits dem Teufel des Opiums verfallen, der Keinen wieder aus seinen Krallen läßt. In seiner Nähe wand sich ein langer, hagerer Dalmatiner im Paroxismus des Rausches, und unweit desselben grinste die widerliche Fratze eines verkommenen Derwisches, welcher sein Kloster verlassen und diese Höhle aufgesucht hatte, um seine Lebenskraft den wahnsinnigen Bildern der trügerischen Narkose zu opfern.

»Rauchen Sie etwa auch?« fragte ich ahnungsvoll meinen Führer.

»Ja,« antwortete er; »aber et is noch nicht lange her.«

»Um Gottes willen, dann ist es vielleicht noch Zeit, davon zu lassen! Wissen Sie denn noch nicht, wie hinterlistig, wie teuflisch dieses Gift wirkt?«

»Teuflisch? Hm, dat scheinen Sie doch nicht zu verstehen! Es wirkt im Jegentheile ganz himmlisch. Wollen Sie es 'mal versuchen?«

»Fällt mir gar nicht ein. Was kann man hier trinken?«

»Wein. Ik werde bestellen; dat Andere ist Ihnen Ihre Sache!«

Wir erhielten einen dicken, rothen, griechischen Wein, dessen schlechten Geschmack man nicht begreifen kann, wenn man weiß, wie köstlich die großbeerigen griechischen Trauben sind. Das also war das Haus, in welchem Abrahim Mamur verkehrte. Ich erkundigte mich bei dem Wirth nach ihm; da ich aber aus Vorsicht keinen Namen nennen durfte und auch denjenigen nicht wußte, welchen er sich jetzt beigelegt hatte, so war diese Nachforschung vergeblich.

Aus diesem Grunde trug ich dem Barbier auf, die Augen offen zu halten und mir es sofort wissen zu lassen, wenn er den Gesuchten fände. Ich versah ihn mit einer kleinen Summe Geldes und verabschiedete mich, hatte aber das traurige Lokal noch nicht verlassen, so saß er bereits bei den Spielern, um das Geld im Hazardspiele zu verlieren und den Rest dann wohl in Opium zu verrauchen. Ich gab den Mann an Leib und Seele verloren, nahm mir aber vor, ihn womöglich von der eingeschlagenen Bahn wieder abzulenken.

Der andere Tag war ein Freitag, und Isla, welcher in Pera zu thun hatte, lud mich ein, ihn zu begleiten. Wir gelangten auf dem Rückwege an ein moscheeartiges Gebäude, welches in der Nähe des russischen Gesandtschaftshôtel lag und von der Straße durch ein Gitter getrennt wurde. Isla blieb stehen und fragte:

»Effendi, hast Du einmal die Chora-teperler gesehen?«

»Ja, doch nicht hier in Constantinopel.«

»Dies ist ihr Manastyr, und wir haben grad jetzt die Stunde ihrer Exerzitien. Willst Du einmal mit mir eintreten?«

Ich bejahte diese Frage, und wir traten durch den weit geöffneten Thorflügel des Gitters in den mit breiten Marmorplatten gepflasterten Hofraum. Die linke Seite desselben wurde durch einen ebenfalls umgitterten Friedhof begrenzt. Zwischen dem Gitter erblickte man unter dem Schatten hoher, dunkler Cypressen eine Menge weißer Leichensteine, welche oben mit einem turbanähnlichen Aufsatze verziert waren. Die eine Seite dieser Steine enthielt den Namen des Todten und einen Spruch aus dem Kuran. Eine beträchtliche Anzahl türkischer Frauen hatte sich diesen Friedhof zur Nachmittagspromenade ausersehen, und wohin man nur blickte, da schimmerten die weißen Schleier und farbigen Mäntel durch die Bäume. Der Türke liebt es, die Orte zu besuchen, an denen seine Todten ihren ewigen ›Kef‹ halten.

Den Hintergrund des Hofes nahm ein runder Pavillon ein, welcher mit einer Kuppel bedeckt war, und die rechte Seite wurde von dem Kloster gebildet, einem einstöckigen, auch mit einem Kuppeldache versehenen Gebäude, dessen Rückseite der Straße zugekehrt war.

In der Mitte des Hofes stand eine hohe, bis zur Spitze mit Efeu umrankte Cypresse. Der Hof selbst war voll von Menschen, welche alle nach dem Pavillon drängten; Isla jedoch führte mich zunächst in das Kloster, um mir das Innere eines türkischen Derwischhauses zu zeigen.

Derwisch ist ein persisches Wort und bedeutet: ›Armer‹; das arabische Wort dafür ist ›Fakir‹. Derwisch wird jeder Angehörige eines religiösen islamitischen Ordens genannt. Dieser Orden gibt es sehr viele; doch legen deren Angehörige kein Gelübde ab; das Gelöbniß der Armuth und Keuschheit und des Gehorsams kennen sie nicht. Die Tekkije und Khangah sind oft sehr reich an Grundstücken, Kapitalien und Einkünften, wie überhaupt die ganze türkische Geistlichkeit keineswegs in Dürftigkeit lebt. Die Mönche sind meistentheils verheirathet und beschäftigen sich mit Essen, Trinken, Schlafen, Spielen, Rauchen und Nichtsthun. Früher hatten die Derwische eine nicht gewöhnliche religiöse und politische Bedeutung; jetzt aber ist ihr Ansehen gesunken, und nur von dem Pöbel wird ihnen noch eine Art Achtung gezollt. Darum sind sie auf Künste bedacht, durch welche sie sich den Anstrich von Gottbegeisterten oder Zauberern zu geben vermögen. Sie verrichten allerlei Kunst- und Taschenspielerstückchen und führen Komödien auf, in denen sie sich in eigenthümlichen Tänzen und heulenden Gesängen produziren.

Hinter der Klosterpforte traten wir in einen hohen, kühlen Querraum, welcher die ganze Breite des Gebäudes einnahm. Von hier aus lief zur linken Hand ein Gang rechtwinklig mit der Langseite des Klosters parallel. Auf dieser Galerie öffneten sich die Zellen der Derwische; die Fenster der Zellen gingen nach dem Hofe hinaus. Thüren gab es nicht, und so konnte man von dem Gange aus in jede der offenen Zellen blicken. Ihre Einrichtung war außerordentlich einfach: – sie bestand nur aus einem schmalen Kissen, welches rings an den Wänden sich hinzog. Auf diesen Divans saßen die Derwische mit ihren tutenförmigen, zuckerhutähnlichen Filzmützen auf dem Kopfe, genau so, wie sie in unseren Circusvorstellungen von den Clowns getragen werden. Einige rauchten, Andere machten Toilette zu dem bevorstehenden Tanze, und noch Andere saßen ohne Bewegung und in sich versunken da, wie Statuen.

Von hier aus begaben wir uns nach dem Pavillon, wo wir zunächst einen viereckigen Vorsaal betraten, aus welchem man in den großen, achteckigen Hauptsaal gelangte. Eine von schlanken Säulen getragene Kuppelwölbung bildete das Dach desselben, und die Rückseite des Raumes nahm eine Reihe großer, offen stehender Fenster ein. Der Boden war spiegelglatt parkettirt. Zwei Reihen von Logen – die eine zur ebenen Erde und die andere in halber Saalhöhe – liefen um alle acht Wände des Saales; einige der oberen Logen waren mit vergoldeten Stäben vergittert und für die weiblichen Zuschauer bestimmt. Eine andere, auch in der oberen Reihe befindliche Loge bildete den Aufenthalt des Musikchores. Diese Logen waren alle besetzt, und auch wir nahmen in einer der unteren Platz.

Die Komödie, welche als gottesdienstliche Handlung gelten sollte, nahm ihren Anfang.

Es zogen durch die Hauptthüre gegen dreißig Derwische ein; voraus ging ihr Vorsteher. Dieser war ein alter, graubärtiger Mann und trug einen langen, schwarzen Mantel; die Anderen waren in braune Kutten gekleidet, Alle aber hatten die hohe, konische Filzmütze auf dem Kopfe. Sie schritten langsam und in würdevoller Haltung dreimal im Saale herum und dann hockten sie sich nieder: der Anführer dem Eingange gegenüber, und die Übrigen rechts und links von ihm in zwei Halbkreisen. Nun begann eine Musik, deren Disharmonie mir die Ohren zerreißen wollte, und dazu ertönte ein Gesang, welcher, nach dem Worte eines deutschen Dichters, ›Steine erweichen und Menschen rasend machen konnte‹.

Nach diesen Klängen machten die Derwische allerlei Verbeugungen und sonderbare Bewegungen theils gegen sich, theils gegen ihren Vorsteher. Sie wiegten sich mit untergeschlagenen Beinen von rechts nach links, von hinten nach vorn, schraubten den Oberkörper im Kreise auf den Hüften, verdrehten die Köpfe, schwenkten die Arme, rangen die Hände, klatschten sie zusammen, warfen sich platt auf den Boden und schlugen auf denselben mit ihren tutenförmigen Filzmützen, daß man es klatschen hörte.

Dies war der erste Theil der sonderbaren Feierlichkeit und währte wohl eine halbe Stunde. Dann verstummten Musik und Gesang, und die Derwische blieben ruhig auf ihren Plätzen hocken. Auf mich machte das Exercitium den Eindruck, daß ich es mit verrückten Menschen zu thun habe; die Türken jedoch hatten ihm mit außerordentlicher Andacht und mit Staunen zugeschaut und schienen sehr erbaut zu sein.

Jetzt begann die Musik von Neuem, und zwar in einem rascheren Tempo. Die Derwische sprangen auf, warfen ihre braunen Kutten ab und erschienen nun auf einmal in weißen Gewändern. Sie verbeugten sich in verschiedenen Tempi und verschiedener Tiefe von Neuem gegen den Vorsteher und gegen einander und begannen nun den Tanz, von welchem sie den Namen der ›Tanzenden‹ erhalten haben.

Es war eigentlich nicht ein Tanz, sondern nur ein Drehen zu nennen. Jeder blieb an dem Orte stehen, an welchem er sich befand, und drehte sich in langsamem Tempo um seine eigene Achse, und zwar immer nur auf einem Fuße stehend. Dabei hatten sie bisweilen die Arme auf die Brust gekreuzt und zuweilen streckten sie die Hände weit von sich ab, bald nach vorn und bald nach rechts und links. Die Musik ging in einen immer schnelleren Rhythmus über, und somit ward die Kreiselbewegung der Derwische eine immer schnellere; endlich war sie so schnell, daß ich die Augen schloß, um nicht vom bloßen Zuschauen drehend zu werden. Dies dauerte wohl auch gegen eine halbe Stunde, dann sank Einer nach dem Andern um, und die Komödie war zu Ende. Ihre Wirkung auf mich war eine derartige, daß ich sie nicht wieder zu sehen wünschte; die anderen Zuschauer aber, welche durchgängig den niederen Ständen angehörten, gingen höchst befriedigt von dannen.

Isla blickte mich an und sagte: »Wie gefiel es Dir, Effendi?«

»Mir ist beinahe übel geworden,« antwortete ich aufrichtig.

»Du hast recht. Ich weiß nicht, ob der Prophet solche Übungen geboten hat; doch weiß ich ebensowenig, ob überhaupt seine ganze Lehre gut ist für das Land und das Volk der Osmanen.«

»Das sagst Du, ein Moslem!«

»Effendi,« flüsterte er, »Senitza, mein Weib, ist ja eine Christin!«

Damit hatte er mir indirekt gestanden, was er nicht offen in Worte kleiden wollte. Ein braves Weib ist als die ›Seele des Hauses‹ eine erfolgreiche Trägerin der Kultur und des wahren Gottesbewußtseins.

Als wir über den Hof nach dem Ausgange schritten, fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich blieb stehen und kehrte mich um: ein junger Mann, der mir eiligst nachgesprungen war, stand vor mir, und ich erkannte ihn sofort.

»Omar Ben Sadek! Ist es möglich, Dich hier zu sehen?«

»Preis sei Gott, daß er mir die Freude sendet, die Sonne Deines Angesichtes zu schauen! Meine Seele hat sich nach Dir gesehnt viele hundert Male, seit ich so schnell von Dir scheiden mußte.«

Es war Omar, der Sohn jenes SadekSiehe 'Deutscher Hausschatz' VII. pag. 284, welcher mich und Halef über den Schott Dscherid geführt hatte, und dabei von Abu el Nassr erschossen worden war.

»Wie kommst Du nach Stambul, und was thust Du hier?« frug ich ihn.

»Siehst Du nicht, daß ich Hammal bin? Laß uns in ein Kaffeehaus treten, Sihdi, wo ich Dir Alles erzählen werde!«

Isla Ben Maflei hatte unser tunesisches Abenteuer bereits damals in Ägypten gehört und kannte also schon den Namen Omar's; er freute sich, den jungen Mann zu sehen, und ging gern mit uns in das erste beste Kaffeehaus.

Hier erfuhr ich, daß das Reitkameel, welches damals der Wekil von Kbilli so verrätherisch an Abu el Nassr überlassen hatte, demjenigen, das Omar von seinen Freunden erhielt, überlegen gewesen war. Gleichwohl aber hatte er ihn bis Derna nicht aus den Augen verloren; dort aber hatte sich sein Kameel erst erholen müssen, und als er dann auf der Spur des Verfolgten nach Bomba kam, war es diesem bereits gelungen, sich einer Eilkaravane nach Siwah anzuschließen. Omar mußte bis zur nächsten Gelegenheit warten und überdies sein Kameel gegen ein schlechteres vertauschen, um durch das Sümmchen, welches er herausbekam, sein Leben fristen zu können. Erst drei Wochen später hatte er sich einem Zuge angeschlossen, welcher durch die nördliche Wüste Barka und durch das Wadi Dschegabib nach der Oase Siwah ging. Dort angekommen, hatte er erst nach langem und vielem Suchen und Fragen erfahren, daß Abu el Nassr über Omm Soghir und Mogarrah nach dem Birket el Kherum gegangen sei. Als Omar diesen See erreichte, war all sein Nachforschen vergebens gewesen, und er hatte daraus geschlossen, daß Abu el Nassr einen andern Weg eingeschlagen habe und auf einer der südlicheren Karavanenstraßen vielleicht nach El Wah, Farafer oder Daket gegangen sei. In Folge dessen suchte er diese drei Oasen auf und konnte nichts erfahren; erst in Tafah, wohin er sich nun begab, errieth er aus einigen Andeutungen, welche ihm gemacht wurden, daß der Gesuchte unter einem andern Namen auf einem Nilschiffe stromabwärts gefahren sei. Er suchte nun alle Städte und Dörfer an den Ufern des Niles ab und kam ganz zerrissen und erschöpft in Kairo an.

Dort endlich war es ihm ganz unerwartet geglückt, Abu el Nassr am Platz Mehemed Ali's zu erblicken. Er hatte ihn durch den ganzen Boulevard Mehemed Ali's bis zur Esbekieh verfolgt, ihn aber dann aus den Augen verloren. Nun war er Tag und Nacht ruhelos in der Stadt herumgestrichen, und es war ihm doch endlich gelungen, Abu el Nassr im Hafen von Bulak wieder zu sehen, doch grad in dem Augenblick, als dieser ein nordwärts fahrendes Schiff betrat, um die Stadt zu verlassen; er selbst war von dem Reïs zurückgewiesen worden, weil er kein Geld hatte, die Passage zu bezahlen, und man ihn auch nicht gegen Schiffsarbeit mitnehmen wollte.

Brennend vor Zorn und Rache, hatte er zusehen müssen, daß ihm der Todfeind abermals entging; doch ein arabischer Scheik, welchem er seine Lage erzählte, hatte ihm ein Pferd geschenkt, um auf dem Landwege dem Schiffe folgen zu können. So war er denn über Terraneh, Giza, Nadir, Negileh und Dahari dem Rosette-Arm des Niles nachgeritten, aber endlich in Ramaniëh zu der Erkenntniß gekommen, daß das gesuchte Schiff den Damiette-Arm benutzt haben müsse. Er ritt nun über Kasr el Madschar und Mehallet el Kebir quer durch das Delta und erfuhr wirklich in Samanud, daß es hier angelegt habe und dann weiter stromabwärts gefahren sei. So folgte er der nun sichern Spur bis Damiette, wo er zu spät in Erfahrung brachte, daß der Gesuchte mit einem Kornschiffe nach Adalia gefahren sei.

Er war ganz mittellos und mußte sich durch Hafenarbeit erst so viel verdienen, um ihm folgen zu können, denn das, was er für sein Pferd löste, reichte nicht hin. Endlich gelang es ihm, unentgeltlich nach Cypern zu kommen, und von hier aus nahm ihn ein Fischer mit an das Festland. Er erreichte dasselbe gegenüber von Cypern in Anamar und kam dann zu Fuße über Selindi und Alaja endlich nach Adalia. Hier aber blieben alle seine Nachforschungen vergebens. Es war bereits eine zu lange Zeit vergangen, und er besaß nicht Mittel und Erfahrung genug, um seine Nachforschungen in der rechten Weise vorzunehmen.

Trotzdem verlor er die Ausdauer nicht, welche ihm von dem Gesetze der Blutrache befohlen war. Er schloß aus der Richtung, die Abu el Nassr eingeschlagen hatte, daß dieser beabsichtige, nach Constantinopel zu gehen, und bettelte sich quer durch Anadolien hindurch. Das ging sehr, sehr langsam, und in Kutahija wurde er krank; die erlittenen Strapazen warfen ihn auf mehrere Monate nieder, und es war ein Glück für ihn, daß er in einem Derwischkloster Pflege fand.

So langte er denn erst nach vielen, vielen Monaten, während welcher Zeit ich eine weit größere Reise gemacht hatte, in Stambul an. Er hatte noch keine sichere Spur gefunden, gab aber die Hoffnung nicht auf. Um leben und sich etwas sparen zu können, war er Lastträger geworden, gewiß eine große Überwindung für einen freien Araber; und als ich ihn fragte, wie lange er noch so aussichtslos in Constantinopel bleiben wolle, antwortete er:

»Sihdi, vielleicht verlasse ich die Stadt sehr bald. Allah hat mir erlaubt, einen sehr wichtigen Namen zu entdecken.«

»Welchen?«

»Sagtest Du nicht damals am Schott Dscherid, daß dieser Abu el Nassr eigentlich Hamd el Amasat heiße?«

»Allerdings.«

»Ich habe hier einen Mann entdeckt, welcher sich Ali Manach Ben Barud el Amasat nennt!«

»Ah! Wer ist es?«

»Ein junger Derwisch des Klosters, welches Du soeben besucht hast. Ich war dort, um in seiner Zelle mit ihm zu sprechen und ihn auszuforschen; da aber erblickte ich Dich und hatte also keine Zeit für ihn.«

»Ali Manach Ben Barud el Amasat!« rief Isla so eifrig, daß ich ihn auf die übrigen Besucher des Kaffeehauses aufmerksam machen mußte. »Er ist also der Sohn jenes Barud el Amasat, welcher mein Weib verkauft hat? Ich werde sofort in das Kloster gehen, um mit ihm zu sprechen!«

»Das wirst Du nicht,« sagte ich. »Amasat ist kein seltener Name. Vielleicht steht dieser Derwisch in gar keiner Beziehung zu dem Manne, welchen Du meinst. Und wenn es wirklich so ist, wie Du denkst, so muß man vorsichtig sein. Willst Du mir erlauben, hin zu gehen?«

»Ja, gehe, Effendi! Aber gleich! Wir werden Dich hier erwarten.«

Ich forschte weiter:

»Wie hast Du erfahren, daß der Derwisch den Namen Amasat führt?«

»Ich fuhr gestern mit ihm und einem seiner Genossen im Kaik nach Baharive Keui; sie sprachen mit einander, und da hörte ich seinen Namen nennen. Es war bereits dunkel, und ich ging ihnen nach; sie blieben vor einem Hause stehen, welches verschlossen war. Als es geöffnet wurde, fragte eine Stimme, wer eintreten wolle, und sie antworteten: ›El Nassr‹. Ich mußte mehrere Stunden warten, ehe sie wieder kamen; es gingen viele Männer aus und ein, und Alle sagten, wenn sie gefragt wurden, dieses Wort. Kannst Du dies begreifen, Sihdi?«

»Hatten sie Laternen bei sich?«

»Nein, obgleich des Nachts Niemand ohne Laterne gehen darf; es war kein Khawaß in der Gegend. Ich bin den Beiden dann nachgefahren und ihnen bis zum Kloster der tanzenden Derwische gefolgt.«

»Hast Du das Wort ›El Nassr‹ richtig verstanden?«

»Ganz genau.«

Omar's Bericht gab mir außerordentlich zu denken. Es fielen mir unwillkürlich die Worte ein, welche Abrahim Mamur zu mir sagte, als er mich in den Ruinen von Palmyra überwältigt hatte. Er hielt mich damals für vollständig unschädlich gemacht und erklärte mir prahlerisch, um mich zu peinigen, daß er das Haupt einer Mörderbande sei. Wenn dies auf Wahrheit beruhte, so mußte diese Bande über einen großen Theil der Türkei verbreitet sein, wie seine Beziehungen zu Ägypten und Damaskus bewiesen. Konstantinopel ist niemals frei von Verbrecherverbindungen gewesen, aber grad jetzt hatte die Unsicherheit den höchsten Grad erreicht. Man fand vollständig ausgeräumte Wohnungen und den Besitzer derselben ermordet oder verschwunden; man sah im goldenen Horn oder im Bosporus Leichen von Personen schwimmen, die allem Anscheine nach eines gewaltsamen Todes gestorben waren; es entstanden des Nachts in einer und derselben Minute an verschiedenen, weit von einander gelegenen Orten der Stadt Feuer, bei denen geraubt und gestohlen wurde und die in einem Zusammenhange mit einander zu stehen schienen; man begegnete des Nachts verdächtigen Gestalten, welche nicht mit Laternen versehen waren und, wenn sie von der Patrouille angehalten wurden, derselben förmliche Gefechte lieferten. Und unglaublich klingt es, wie die Gerechtigkeit mit solchen Menschen verfuhr. Einst wurde eine ganze Bande der gefährlichsten Menschen aufgehoben, und der Sultan verbannte sie nach Tripolis; nach einiger Zeit kehrte der Kapitän des Transportschiffes zurück und berichtete, daß er an der Küste von Tripolis Schiffbruch gelitten habe; alle Verbrecher, die sich an Bord befanden, seien ertrunken. Damit war die Sache abgemacht. Einige Tage später konnte man den ertrunkenen Spitzbuben in den Straßen der Stadt begegnen, und keinen Menschen schien das zu befremden.

Ich theilte den beiden Andern von meinen Gedanken noch nichts mit und erfuhr von Omar, daß der Derwisch Ali Manach in der fünften Zelle, vom Eingang an gerechnet, wohne. Dann begab ich mich nach dem Kloster zurück. Ohne mich um die Anwesenden zu bekümmern, schritt ich durch den Hof grad auf die Klosterpforte zu und trat in den Vorraum. Die Thür zu dem Gange stand offen. Die Derwische befanden sich wieder in ihren Zellen. Ich schritt langsam den langen Gang hinab und wieder zurück, um mir die Gemächer und deren Insassen zu betrachten, und kein Mensch kümmerte sich um mich. In der fünften Zelle saß ein junger Derwisch, welcher vielleicht zwanzig und einige Jahre zählen mochte; er sah starr zum Fenster empor und ließ die neunundneunzig Kugeln seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten.

»Sallam!« grüßte ich mit tiefer Stimme und würdevoller Haltung.

»Sallam aaleïkum!« antwortete er. »Was willst Du?«

»Ich komme aus einer fernen Provinz und bin mit den Gebräuchen dieses Hauses unbekannt. Ich habe Eueren Tanz gesehen und möchte Euch für die Erbauung danken, welche Ihr mir bereitet habt. Darfst Du eine Gabe nehmen?«

»Ich darf; gib her!«

»Wie groß muß sie sein?«

»Es wird jeder Para angenommen.«

»So nimm!«

Ich gab ihm nach meinen nicht bedeutenden Mitteln, er aber schien zufrieden zu sein, denn er sagte:

»Ich danke Dir! Soll dies für mich oder für den Orden sein?«

»Habe die Gnade und nimm es für Dich!«

»So sag mir Deinen Namen, damit ich weiß, wem ich zu danken habe.«

»Der Prophet sagt, daß die Gabe aus einer verschwiegenen Hand einst doppelt angerechnet werde; erlaube mir darum, daß ich schweige, und sage mir dagegen Deinen Namen, damit ich weiß, mit welchem frommen Sohne des Islam ich gesprochen habe.«

»Mein Name ist Ali Manach Ben Barud el Amasat.«

»Und welches ist der Ort, der Deine Geburt gesehen hat?«

»Iskenderiëh ist meine Vaterstadt,« antwortete er.

Das stimmte ja! Isla hatte mir schon in Ägypten erzählt, daß Barud el Amasat, welcher Senitza verkauft hatte, in Skutari gewohnt habe. Ich fragte weiter:

»Leben die Angehörigen Deiner frommen Familie noch dort?«

»Nein,« antwortete er.

Ich durfte nicht weiter fragen, sonst hätte ich seinen Verdacht erweckt; darum sprach ich noch eine Höflichkeitsformel aus und entfernte mich. Beim Kawehdschi hatten mich Isla und Omar mit Ungeduld erwartet.

»Was hast Du erfahren?« fragte Isla.

»Er ist der Sohn jenes Barud el Amasat; er stammt aus Skutari, und wenn mich nicht Alles trügt, so ist Hamd el Amasat, welcher sich Abu el Nassr nannte, sein Oheim.«

»Effendi, so muß er uns sagen, wo sein Vater sich befindet!«

»Er muß? Wie willst Du ihn zwingen?«

»Durch den Kadi.«

»So wird er einen falschen Ort nennen, oder, wenn er den richtigen sagt, seinen Vater benachrichtigen. Nein, wir müssen vorsichtig sein. Zunächst will ich mir das Haus ansehen, in welchem er gestern gewesen ist. Ich werde sogleich mit Omar nach Baharive Keui gehen und Dir dann vielleicht sagen können, was zu thun ist.«

»Du sollst Deinen Willen haben, Effendi, wir werden uns also jetzt trennen; dann aber bringst Du Omar Ben Saduk mit, denn er soll bei mir wohnen und nicht mehr Hamal sein!«

Isla kehrte nach Hause zurück, und ich begab mich mit Omar an das Wasser, wo wir ein Kaik nahmen und im goldenen Horn aufwärts fuhren, um in Eyub zu landen. Von hier aus gingen wir zu Fuße nach Baharive Keui, welches der nordwestlichste Stadttheil von Konstantinopel ist. Es war ein beschwerlicher Weg durch Schmutz, Unrath und Häusertrümmer, bis wir in eine Art Sackgäßchen gelangten, in welches wir einbogen.

Omar zeigte mir das betreffende Haus nur so im Vorübergehen, damit unser Verhalten nicht auffällig wäre. Es war ein schmales, doch, wie es schien, sehr tiefes Gebäude mit vorspringendem Oberstock; die Thür war mit starkem Eisenblech beschlagen, und die ganze Fronte zeigte außer einem kleinen, viereckigen Loche neben dem Eingange die kahle, fest geschlossene Wand. Diese Bemerkungen machte ich im Vorbeischreiten. Das Nachbargebäude hatte auch ein Oberstockwerk und war ebenso schmal; an seiner Thür klebte ein schmutziger Papierfetzen, auf welchem die Worte: »Arar-im bir Kiradschiji – ich suche einen Miethsmann« geschrieben standen.

Kurz entschlossen, hatte ich sofort den Thürdrücker in der Hand und trat ein; Omar folgte mir ganz erstaunt darüber, was ich hier suchen wolle. Wir befanden uns in einem sehr engen finsteren Flur, in welchem wir forttappten, bis ich an eine dem Eingange gegenüber liegende Thür stieß; ich öffnete sie und trat in einen Hof, welcher, wie das ganze Haus, vielleicht acht Ellen Breite besaß, dafür aber eine wohl zehnfache Länge hatte. Die beiden Langseiten und die hintere Breitseite wurden von drei holzschuppenähnlichen Gebäuden gebildet, welche sich schon im letzten Stadium des Verfalles befanden. Rechts und links von der Hofthür führte je ein Eingang in die zwei Parterreseiten, die aber nur schmale Löcher sein konnten; zum Oberstocke kam man auf einer halbfaulen Holztreppe, welcher von den dreizehn Stufen, die sie ursprünglich besessen hatte, sechs verloren gegangen waren.

Der Hofraum bildete eine einzige große Schlammpfütze, die aber zur Zeit von der Sonne ausgetrocknet und in eine feste, brüchige Masse verwandelt worden war. In derselben klebte ein unförmlicher Holzklotz, dessen Bestimmung unmöglich zu errathen war, und auf diesem räthselhaften Klotz saß ein Ding, welches mir noch viel räthselhafter gewesen wäre, wenn es nicht einen alten, schmierigen Tschibuk geraucht hätte. Das Ding hatte nämlich Kugelform und war in einen viel zerrissenen Kaftan gewickelt; auf dieser Kugel lag ein früher vielleicht blau oder meinetwegen auch roth gewesener Turban, und zwischen Kugel und Turban stahl sich eine, wie es schien, menschliche Nase und der soeben erwähnte Tschibuk hervor. Die Nase war nicht viel kürzer als die Pfeife.

Bei unserm Anblick stieß das igelartig zusammengerollte Wesen ein Grunzen aus, das halb behaglich, halb aber auch feindselig klang, und traf Anstalt, sich aus dem Kaftan zu wickeln.

»Sallam!« grüßte ich.

»Ssssss – – hmmm!« zischte und brummte es als Antwort.

»Dieses Haus ist zu vermiethen?«

In einem Nu kollerte die Gestalt von dem Klotz herunter und richtete sich dann nach menschlicher Weise auf.

»Ja, jawohl, allerdings, sofort zu vermiethen! Schönes Haus, herrliches Haus, prächtige Wohnung, fast für einen Pascha zu gut, Alles beinahe ganz neu! Wollen Sie sich das Haus ansehen, Hoheit?«

Das Alles kam jetzt auf einmal so schnell und hastig heraus wie aus dem Speiteufel einer Schrotmühle. Man sah, als Abmiether waren wir dem Manne ebenso willkommen, wie wir ihm in jeder anderen Beziehung unwillkommen gewesen wären. Es war ein Jude, der jetzt in seiner ganzen patriarchalischen Glorie vor uns stand, denn Alles an ihm schien auf ein paar tausend Jahre zurückzuweisen. Er war klein, sehr klein, aber desto dicker. Man sah an ihm nichts als ein Paar Strohpantoffel, den Kaftan, den Turban, die Nase und die Pfeife, aber das Alles, außer der Nase natürlich, schien bereits zu Methusalem's Zeiten in Gebrauch gewesen zu sein. Aus den Pantoffeln blickten alle zehn Zehen in rührender Eintracht hervor; der Kaftan war kein Zeug mehr, sondern nur noch Schmutz; der Turban hatte das Aussehen einer ungeheuren, runzeligen Backpflaume, und die Pfeife war nach und nach vorn so abgebissen worden, daß nur noch der Kopf übrig geblieben war, in welchen der glückliche Besitzer anstatt des Rohres einen hohlen Geierknochen gesteckt hatte; der war nicht so leicht durchzubeißen. Übrigens hatte der Kaftan keine Ärmel mehr, und die Ängstlichkeit, mit welcher ihn der Mann zusammengeschlagen und den Kragen emporgezogen hielt, ließ vermuthen, daß er die einzige Bedeckung des Vermiethers bilde.

Der Mann hatte mich ›Sie‹ genannt; ich gab ihm natürlich dasselbe Prädikat:

»Sind Sie der Besitzer dieses Hauses?«

»Nein, aber Hoheit kann versichert sein, daß ich trotzdem nicht zu den armen, verkommenen –«

»Bitte,« unterbrach ich ihn, »beantworten Sie mir meine Fragen so kurz wie möglich! Wem gehört das Haus?«

»Dem reichen Furundschi Mohammad in Khassim Pascha; er hat es geerbt.«

»Und was thun Sie hier?«

»Ich muß es bewachen und soll warten, ob ein Miether kommt.«

»Was bekommen Sie dafür?«

»Täglich einen Piaster und für einen halben Piaster Brod.«

»Das Haus ist unbewohnt?«

»Ja; ich wohne hier nebenan.«

»Wie viel Miethzins verlangt der Bäcker?«

»Für die Woche zehn Piaster, welche vorausbezahlt werden müssen.«

»Zeigen Sie uns die Räume!«

Er öffnete zunächst die beiden Pforten der Parterreseiten; wir erblickten zwei kellerartige Höhlen, in denen sich nichts als Schmutz und Ungeziefer befand. Dann kletterten wir zur Treppe empor und gelangten in drei Stuben, von denen ich die erste einen Taubenschlag, die zweite einen Hühnerstall und die dritte eine Kaninchenhöhle hätte nennen mögen.

»Hier ist das Selamlik, hier die Wohnstube und hier das Harem,« erklärte er mit solcher Gravität, als habe er uns ein fürstliches Palais zu zeigen.

»Gut! Was enthalten die Gebäude im Hofe?«

»Nichts. Sie sind für die Pferde und für die Dienerschaft.«

»Und wie ist Ihr Name?«

»Ich bin Baruch Schebet Ben Baruch Chereb Ben Rabbi Baruch Mizchah; ich kaufe und verkaufe Brillanten, Schmuck und Alterthümer, und wenn Sie einen Diener brauchen, so bin ich bereit, Ihnen täglich diese Zimmer auszufegen, die Kleider zu reinigen und alle Wege zu gehen.«

»Sie haben ja einen recht kriegerischen Namen! Wo ist das Lager Ihrer Brillanten, Schmucksachen und Alterthümer?«

»Hoheit, ich habe grad jetzt Alles verkauft.«

»So gehen Sie zu dem reichen Bäcker Mohammad und sagen Sie ihm, daß ich das Haus miethen werde. Hier sind für ihn zehn Piaster, welche er wöchentlich bekommen soll, und hier sind noch zehn für Sie selbst, damit Sie sich Tabak kaufen mögen.«

»Hoheit, ich danke Ihnen,« rief er erfreut; »Sie verstehen es, mit einem Manne zu verkehren, der nur in Brillanten und Alterthümern Geschäfte macht! Aber Mohammad wird mich fragen, wer Sie sind. Was soll ich ihm antworten?«

»Zunächst nennen Sie mich nicht Hoheit! Mein Kleid ist zwar neu und ganz, doch ist es mein einziges. Ich bin ein sehr armer Jazidschi, der froh ist, wenn er Jemand findet, für den er schreiben darf; und dieser mein Freund ist ein armer Hammal, der auch nur wenig Geld verdient. Wir werden hier zusammen wohnen, und vielleicht findet sich noch Einer, damit der Miethzins dem Einzelnen nicht zu theuer kommt. Ob Sie bei uns Beschäftigung finden, werden wir uns erst überlegen, denn wir müssen sparsam sein.«

Ich sagte dies, weil wir wegen unserer gefährlichen Nachbarschaft so arm und gering wie möglich erscheinen mußten. Der Jude antwortete:

»O, Effendi, ich brauche nicht viel. Wenn Du mir täglich zwei Piaster gibst, so werde ich Dir Alles thun und besorgen.«

»Ich werde sehen, ob ich mir so viel verdiene, daß ich zwei Piaster geben kann. Wann können wir einziehen?«

»Sogleich, Effendi.«

»Wir werden heut noch kommen, und ich hoffe, daß wir das Haus dann nicht verschlossen finden!«

»Ich werde sofort zu dem Bäcker eilen und Sie dann hier erwarten.«

Somit war dieses Geschäft abgemacht, und wir verabschiedeten uns von unserem guten Baruch ›Wurfspieß‹, Sohn des Baruch ›Säbel‹, Sohn des Rabbi Baruch ›Beinschiene‹. Bei Isla angekommen, erzählte ich ihm nebst seinem Vater und Oheim unser Erlebniß, und als ich ihnen meine Vermuthungen mitgetheilt hatte, willigten sie ein, daß ich mit Halef und Omar das Logis des Bäckers beziehe. Auch Lindsay wollte mitgehen, aber ich mußte ihn zurückweisen, da er mir nur schaden konnte. Er war darüber so erzürnt, daß er erklärte, allein und ohne mich nicht bei Maflei bleiben zu können, und zog auch wirklich am Nachmittag nach Pera.

Nachdem alles Nöthige besprochen worden war, packten wir unsere Waffen zusammen und fuhren nach Baharive Keui; mein Pferd ließ ich natürlich zurück.

Der Jude erwartete uns in unserer neuen Wohnung. Er hatte sie von seinem Weibe nach Kräften reinigen lassen und freute sich königlich, als ich ihm darüber meine Zufriedenheit äußerte. Ich beauftragte ihn, Brod, Kaffee, Mehl, Eier, Tabak, einiges Geschirr und von einem Trödler drei gebrauchte Decken für uns zu besorgen, und als er sich entfernt hatte, konnten wir unbeobachtet unsere Gewehre auspacken. Sie kamen in dasjenige Zimmer, welches außer uns Niemand betreten sollte.

Baruch kehrte bald zurück; sein Weib hatte ihm geholfen. Die Alte glich einer lebendig gewordenen Mumie und lud mich ein, heut zu ihr zum Abendbrode zu kommen. Ich nahm diese Einladung an, da mir die beiden Alten nützlich sein konnten und ich mir deßhalb gern ihr Wohlwollen erwerben wollte. Daß mir dies bereits einigermaßen gelungen war, sollte ich schon eher als bei meinem Besuche sehen, denn sie brachten uns freiwillig einige Strohsäcke geschleppt, welche uns als Divan dienen sollten. Diese Säcke schienen zwar aus lauter Rissen und Löchern zusammengesetzt zu sein, aber Baruch war ja arm, und man sah die Liebe; er hielt uns für mittellos und meinte es gut.

Als sich die Beiden entfernt hatten, machten wir Licht und zündeten unsere Pfeifen an, denn es war unterdessen dunkel geworden. Isla hatte uns eine kleine Blendlaterne mitgegeben, welche uns gute Dienste leisten sollte. Wir besprachen, daß während meiner Abwesenheit Omar an der leise geöffneten Hausthür Posto fassen solle, um die Passanten des Nachbarhauses möglichst zu beobachten; Halef sollte in den Hof gehen. Die beiden Häuser waren nur durch eine dünne Bretterwand von einander getrennt, wenigstens auf der Hofseite, und wenn der kleine Hadschi sich in den Schuppen stellte, so war zu vermuthen, daß er doch vielleicht etwas erlauschen könne.

Ich sah Baruch, welcher auf der andern Seite des Hauses wohnte, bereits auf mich warten. Die beiden Leute hatten ganz allein eine Hütte inne, die keinen Besitzer hatte, – ein Fall, der in Stambul nicht selten ist. Man konnte vermuthen, daß unsere Einkäufe ihnen einen kleinen Gewinn abgeworfen hatten; sie befanden sich bei ausgezeichneter Laune und empfingen mich mit unterwürfiger Herzlichkeit. Mit unserem Erscheinen war vielleicht eine kleine Hoffnung über ihrem Elende aufgegangen. Die alte Jüdin zeigte eine größere Sauberkeit, als ich vermuthet hatte, so daß ich das Wenige, welches mir vorgelegt wurde, so ziemlich mit Appetit genießen konnte, und als ich ihr ein Quantum Kaffee und dem Gemahl einen kleinen Vorrath von Tabak schenkte – Beides hatte ich für sie mitgebracht – so waren sie so entzückt, als hätten sie die werthvollste Gabe erhalten.

Leider beobachtete ich, daß der Kaftan allerdings fast die einzige Bedeckung Baruch's sei; die Hose bekam ich gar nicht zu sehen, und der Jackenärmel, welcher heute Abend aus dem Ärmelloche des Kaftans hervorblickte, war auch bereits aus ›Rand und Band‹ gegangen. Hier konnte mit Wenigem geholfen werden, und ich beschloß, es zu thun. Natürlich hatte Baruch mit seinem Juwelen- und Antiquitätengeschäft nur geflunkert, doch war dies nicht in böser Absicht geschehen; diese armen Menschen hatten von einem Piaster und für acht oder zehn Pfennige Brod täglich leben müssen, und ich machte sie ganz glücklich, als ich ihnen erklärte, daß sie die Aufwartung bei uns übernehmen und dafür täglich fünf Piaster erhalten sollten.

Im Laufe des Gespräches konnte ich mich unauffällig nach meiner andern Nachbarschaft erkundigen.

»Effendi,« sagte Baruch, »es wohnen lauter arme Leute hier in dieser Gasse. Manche sind gut und ehrlich, manche aber auch böse und schlimm. Sie sind ein Schreiber und werden hier in dieser Gegend keine Arbeit finden; Sie haben also mit diesen Leuten nichts zu thun, aber dennoch bitte ich Sie, sich ganz besonders vor dem anderen Nachbarhause in Acht zu nehmen.«

»Warum?«

»Es ist gefährlich, davon zu sprechen.«

»Ich bin verschwiegen!«

»Das glaube ich Ihnen, aber Sie werden vielleicht Ihre neue Wohnung sogleich wieder verlassen, wenn ich plaudere, und das würde mir leid thun.«

»Ich verspreche Ihnen, meine Wohnung trotzdem zu behalten. Ich hoffe, daß wir Freunde sind, und da denke ich, daß Sie ehrlich und aufrichtig gegen mich sein müssen. Ich bin nicht reich, aber auch ein armer Mann kann dankbar sein.«

»Ich habe Ihre Güte bereits kennen gelernt und will Ihrem Versprechen glauben. Alle Bewohner dieser Gasse wissen, daß in Ihrem Nachbarhause nichts Gutes vorgeht, aber sie bekümmern sich nicht darum; es hat einmal Einer sich in das andere, nebenan liegende Haus, welches unbewohnt ist, geschlichen, um zu lauschen; er war am andern Morgen noch nicht zurückgekehrt, und als die Seinen nach ihm sahen, fanden sie ihn an einem Balken aufgehängt. Er selbst hatte das sicherlich nicht gethan.«

»So meinen Sie, daß meine Nachbarn nicht nur verdächtige, sondern sogar gefährliche Leute sind?«

»Ja. Sie müssen sich vor ihnen sehr in Acht nehmen.«

»Aber man darf doch wenigstens wissen, wer das Haus bewohnt?«

»Es wohnt ein Grieche da, der ein Weib und einen Sohn hat. Sie haben Wein zu trinken und halten viele schöne Knaben und junge Mädchen, die man aber auf der Gasse niemals zu sehen bekommt. Mehrere Männer gehen von früh bis am Abend durch die Stadt, um Gäste herbei zu bringen. Da kommen vornehme Herren und gewöhnliche Leute, Einwohner von Stambul und Fremde; es wird gespielt und Musik gemacht, und ich glaube nicht, daß Alle wieder fortgehen, die gekommen sind. Man hört manchmal des Nachts einen Hülferuf oder ein Waffengeklirr, und dann sieht man gewöhnlich des Morgens eine Leiche auf dem Wasser schwimmen. Auch kommen oft des Nachts ganze Trupps von Männern, die keine Laternen haben, dafür aber mit allerlei Dingen bepackt sind, die in das Haus geschafft werden. Dann wird getheilt.«

»Sie sagen, daß sich Niemand um dieses Haus bekümmern mag, und dennoch wissen Sie das Alles so genau. Haben Sie vielleicht auch einmal gelauscht?«

»Effendi, das darf ich keinem Menschen sagen; ich wäre verloren!«

»Auch mir nicht?«

»Ihnen ganz und gar nicht, denn Sie wären im Stande, dasselbe zu thun, was ich gethan habe, und dabei könnte es Ihnen ganz so gehen wie jenem Manne, der aufgehängt ward.«

»Vielleicht sagen Sie bloß, daß Sie etwas gesehen haben, um mich furchtsam zu machen!«

»Effendi, wahrlich, ich lüge nicht!«

»Das denke ich wohl auch, aber vielleicht haben Sie nur geträumt.«

Das half. Der Alte wollte weder für einen Lügner noch für einen Träumer gehalten sein und meinte deßhalb:

»Ich will gar nichts sagen, aber ich bitte Sie nur, weder das Brett noch die Stange anzurühren.«

»Welches Brett?«

»In der rechten Wand Ihres Selamlik ist ein Brett locker; es hängt nur noch am obersten Nagel, und daher kann man es unten zur Seite schieben. Dann kommt ein kleiner Zwischenraum, hinter welchem sich die Bretterwand des Nachbarhauses befindet; auch da ist ein Nagel los; ich selbst habe ihn herausgemacht. Schiebt man das Brett zur Seite, so blickt man in das Gemach, in welchem die Opiumraucher liegen, und daneben hört man die Gläser klingen und die Knaben und Mädchen lachen.«

»Da sind Sie sehr unvorsichtig gewesen! Wenn man nun auch drüben einmal bemerkt, daß die Bretter locker sind!«

»Ich wollte doch sehen, was man drüben treibt, und so mußte ich den Nagel entfernen, anders ging es nicht.«

»Es wäre doch anders und besser gegangen. Sie brauchten nur in das Brett des Nachbarhauses ein kleines Loch zu bohren, so klein, daß es drüben nicht bemerkt werden kann.«

»Da hätte ich zu wenig sehen können.«

»Und was ist es mit der Stange?«

»Sie liegt in dem Schuppen, der an das Nachbarhaus stößt, und ist lang genug, daß man sie als Leiter gebrauchen und an ihr emporklettern kann. Auch die Wand des Hofgebäudes besteht nur aus Brettern, und ich kenne eines derselben, welches ein Astloch und eine große Ritze hat. Wenn man hindurchblickt, so sieht man eine große, lange Kammer, in welcher sich die Männer versammeln, wenn sie ihre Beute vertheilen.«

»Welches Brett ist es?«

»Ich habe, um es mir leicht merken zu können, einen Kalkstrich daran gemacht.«

»Aber wie kommt es, daß Sie keine Anzeige erstattet haben? Das wäre doch Ihre Pflicht gewesen!«

»Effendi, meine erste Pflicht ist, mir das Leben zu erhalten. Ich will nicht auch aufgehängt werden.«

»Sie wären aber von der Polizei ja doch nicht verrathen worden!«

»Herr, Sie wohnen wohl noch nicht lange in Stambul? Als ich durch das Astloch blickte, habe ich vornehme Herren gesehen; ich habe auch Derwische und Khawassen erkannt. Es gibt manchen hohen Mansubli, dem der Großherr kein Gehalt bezahlt und der deßhalb nur von dem Bakschisch lebt, welches er überall herauszupressen sucht. Und was soll ein solcher Mann thun, wenn auch das Bakschisch nicht hinreichend ist? Wer Ihren Nachbar anzeigt, der kommt wohl grad zu einem Karawulder oder Kadi, welcher mit da drüben in der Kammer gesessen hat, und dann ist es ganz sicher um ihn geschehen. Nein, ich weiß nun, was in jenem Hause vorgeht, und werde mich nicht weiter darum kümmern. Nur Ihnen allein habe ich es mitgetheilt, und ich hoffe, daß Sie sich von mir warnen lassen!«

Ich hatte nun genug erfahren und hütete mich, noch weiter in Baruch zu dringen. Ich hegte jetzt die Überzeugung, daß ich selbst mit meinen Gefährten mich in Gefahr befand. Der Grieche erfuhr jedenfalls, daß er eine neue Nachbarschaft bekommen habe; er erkundigte sich auf alle Fälle nach uns und ließ uns aufmerksam beobachten. Dies Letztere war ihm sehr leicht und konnte geschehen, ohne daß wir es merken mußten, da er nur durch eine Bretterwand von uns getrennt war. Des Tages über durften wir uns nur unter großer Vorsicht in den Hof begeben, denn es war ja möglich, daß uns Jemand sah, der uns von früher kannte. Deßhalb war es gut, daß ich Baruch unsere Bedienung übertragen hatte; auf diese Weise konnten wir ruhig in der Wohnung stecken bleiben.

Meine Gefährten hatten vielleicht das Licht brennen lassen. Das konnte durch irgend eine Ritze hinüber in das Nachbarhaus scheinen, oder sie sprachen an einem Orte zusammen, wo sie von drüben gehört werden konnten. Darum litt es mich nicht länger bei dem Juden, und ich kehrte nach Hause zurück. Vorher aber instruirte ich noch Baruch, wie er sich zu verhalten habe, falls er nach uns gefragt werde. Er hatte zu sagen, ein armer Schreiber, ein Hammal und ein noch ärmerer Araber hätten das Logis inne, also drei Männer, welche genug mit sich selbst zu thun hätten. Da die Wohnungen zusammenstießen, so brauchte ich, wenn ich des Juden bedurfte, nur an die Wand zu pochen; er mußte es hören.

Als ich unsere Vorderthüre erreichte, war sie nur angelehnt, und Omar stand auf der Wache. Er sagte mir, daß bereits mehrere Personen das Nachbarhaus betreten hätten. Dieselben seien durch das Loch neben dem Eingange nach ihrem Begehr gefragt worden und hätten dann mit dem Worte »El Nassr« geantwortet. Ich bat ihn, das Haus zu verschließen und mir nach der Wohnung zu folgen. Halef befand sich im Hofe; er hatte nichts gesehen und gehört und kam mit uns in die Wohnung. Hier brannte kein Licht, und ich zog es vor, im Dunkeln zu bleiben.

Nachdem ich ihnen meine Unterhaltung mit Baruch erzählt hatte, untersuchte ich die rechte Wand des Selamlik und fand sehr leicht das Brett, welches sich verschieben ließ. Ich zog es bei Seite und langte mit der Hand dahinter. In der Entfernung einer Balkenbreite fühlte ich die Bretterwand des Nebenhauses und zugleich das entsprechende Brett derselben. Ich schob auch dieses leise, ganz leise fort und bemerkte, daß der dahinter liegende Raum vollständig dunkel sei. Ich brachte also die Wand wieder in ihre vorige Ordnung, und dann zogen wir uns die Strohsäcke und Decken herbei, um im Finstern zu warten, ob wir vielleicht etwas erlauschen könnten.

So mochten wir wohl über eine Stunde gesessen haben, indem wir uns nur flüsternd unterhielten, als sich drüben ein Geräusch vernehmen ließ. Ich saß hart vor dem Brett und schob es zur Seite. Ich hörte schwere Schritte von mehreren Männern, und ein Ächzen; dann erklang eine Stimme:

»Hierher! So! Hassan mag sich zum Gehen fertig machen!« Und nach einer Pause fuhr die Stimme fort: »Kerl, Du kannst doch schreiben?«

»Ja,« hörte ich antworten.

»Hast Du Geld in Deinem Hause?«

»Du verlangst Geld! Was habe ich Euch gethan, daß Ihr mich hierher lockt und dann bindet?«

»Gethan? Nichts, gar nichts! Deinen Geldbeutel, Uhr und Ringe, auch Deine Waffen haben wir, aber das ist noch nicht genug. Wenn Du nicht geben kannst, was wir verlangen, so findet man Dich morgen früh im Wasser.«

»Allah kerihm! Wie viel verlangt Ihr?«

»Du bist reich; fünftausend Piaster ist nicht zu viel für Dich.«

»Es ist zu viel, denn ich habe sie nicht.«

»Wie viel hast Du daheim?«

»Dreitausend kaum.«

»Wird man sie Dir schicken, wenn Du einen Boten sendest? Belüge uns nicht, denn ich schwöre Dir, daß es Deine letzte Stunde ist, wenn wir das Geld nicht erhalten!«

»Allah 'l Allah! Man wird es Euch senden, wenn ich einen Brief schreibe und mit meinem Ring untersiegle.«

»Den Ring werde ich Dir borgen. Bindet ihm die Hände los; er mag schreiben!«

Von jetzt an war eine Weile kein Geräusch zu vernehmen und auch kein Wort zu hören. Ich legte mich auf den Strohsack nieder und langte in die Wand hinein. So leise und vorsichtig wie möglich schob ich auch das zweite Brett zur Seite, bis ein schmaler Spalt entstand, durch den ich zu blicken vermochte. Grad vor dem Spalte saß ein Mann, mit dem Rücken nach uns gekehrt. Sein Kopf war unbedeckt und die Kleidung zerrissen, als ob sie bei seiner Gegenwehr zu Schaden gekommen sei. Vor ihm standen drei bewaffnete Kerle: der Eine in griechischer Tracht, jedenfalls der Wirth, und die beiden Anderen in gewöhnlicher türkischer Kleidung. Sie sahen zu, wie er jetzt auf seinem Knie das Schreiben versiegelte.

Ich schob das Brett in seine vorige Lage zurück und horchte weiter. Nach ganz kurzer Zeit hörte ich den Griechen sagen:

»So! Bindet ihn wieder, und schafft ihn nebenan. Wenn er sich da nicht ruhig verhält, wird er einfach erstochen. Du hast's gehört, merke es Dir!«

Ich vernahm, daß man eine Thür öffnete und sich dann wieder entfernte.

Es wurde drüben wieder still, und ich sagte den beiden Anderen leise, was ich gesehen und gehört hatte.

»Das sind Diebe,« meinte Halef. »Was thun wir?«

»Das sind nicht nur Diebe, sondern Mörder,« flüsterte ich. »Glaubst Du denn, daß sie den Mann wieder frei geben? Sie wären ja sogleich verloren. Sie werden warten, bis sie die dreitausend Piaster erhalten haben, und ihn dann unschädlich machen.«

»So müssen wir ihm helfen!«

»Ohne Zweifel! Aber wie?«

»Wir werden die Bretter zerschlagen und ihn befreien.«

»Das macht Lärm und ist gegen unsern Zweck. Es kann einen Kampf geben, der uns gefährlich ist, und selbst wenn wir Sieger bleiben, werden sie das Haus verlassen, und wir haben das Nachsehen. Besser wäre es, wenn wir Polizei herbei holten; aber wer weiß, wann wir diese finden; bis dahin kann viel geschehen sein. Wer weiß auch, ob die Polizei sogleich bereit ist, sich in das Haus zu wagen? Am besten ist es, wir machen so leise wie möglich je hüben und drüben noch ein Brett los; dann entsteht eine Öffnung, durch welche wir kriechen können. Wir holen den Mann herüber, bringen die Bretter wieder in Ordnung und werden dann wohl erfahren, was weiter gethan werden muß.«

»Wir haben ja keine Zange für die Nägel!«

»Nein, aber ich habe mein Messer. Die Hauptsache ist, daß sie nichts von unserer Arbeit hören. Ich werde sofort anfangen.«

»Weißt Du auch, wo der Mann sich befindet?«

»Ja. Durch das Zimmer, von dem mir Baruch erzählte, daß dort die Knaben und Mädchen sind, haben sie ihn gebracht; es scheint jetzt leer zu sein. Gegenüber von unserer Wand gibt es einen zweiten Raum, dessen Thür ich gesehen habe; in diesem befindet er sich jedenfalls.«

Ich untersuchte unsere Wand durch das Tastgefühl und bemerkte, daß jedes Brett oben und unten nur durch einen Nagel befestigt war. Der Nagel auf unserer Seite schien sehr leicht herauszuziehen zu sein; ich brauchte nur ein Messer zwischen Brett und Balken zu stecken und das Brett vorsichtig loszusprengen. Es gelang, aber leider merkte ich, daß die Öffnung doch für die Gestalt eines Mannes zu schmal war; ich mußte noch ein drittes Brett lockern. Ich wurde auch mit diesem fertig, ohne daß das geringste Geräusch zu hören gewesen war. Die Bretter waren um ihre oberen Nägel leicht zu bewegen; ich schob sie empor, und Omar mußte sie halten. Nun betastete ich die gegenüber liegende Holzwand und fühlte, daß die Nägel derselben an den Spitzen umgeschlagen waren. Das erschwerte meine Arbeit um ein Bedeutendes; ich mußte die Messerklinge als Feile gebrauchen, um die Nägel zu durchschneiden; das konnte nicht ohne ein verrätherisches Geräusch geschehen, und die Hände ermüdeten so, daß ich öfters wechseln mußte.

So verging eine lange, sehr lange Zeit, und eben hatte ich die Arbeit glücklich beendet, als ich Schritte vernahm, die sich näherten. Es war der Grieche mit einem Lichte. Er öffnete die unserer Wand gegenüber liegende Thür, aber ohne einzutreten.

»Habt Ihr das Geld?« hörte ich den Türken fragen.

»Ja,« antwortete der Wirth mit einem kurzen Lachen.

»So laßt mich los!«

»Noch nicht; frei wirst Du erst am frühen Morgen sein. Ich will Dir nur sagen, daß bald Leute hier in dieses Zimmer kommen werden; sie dürfen nicht wissen, daß Du Dich hier befindest; hereintreten werden sie allerdings nicht, aber sie sollen Dich auch nicht hören. Darum werde ich Dich jetzt anbinden und Dir einen Knebel geben. Wenn Du Dich ganz und gar ruhig verhältst, wirst Du frei gelassen; machst Du aber Lärm, so kommst Du nur als Leiche aus diesem Hause!«

Der Türke bat, ihn doch frei zu lassen; er versprach, von dem heutigen Ereignisse zu keinem Menschen zu sprechen; es war vergebens. Er bat dann, ihn wenigstens nicht zu knebeln, da er sich vollständig still verhalten werde; auch dies half nichts. Aus dem ängstlichen Klange seiner Stimme war zu schließen, daß er die eigentliche Absicht des Griechen ahne; er wurde angebunden und geknebelt; dann entfernte sich der Wirth, nachdem er die Thür zugeriegelt hatte.

Jetzt galt es, schnell zu handeln, ehe die Leute kamen, von denen der Wirth gesprochen hatte. Es war ein Glück, daß ich fertig war. Ich steckte die Revolver und das Messer zu mir und kroch hinüber, nachdem die Bretter zur Seite geschoben waren. Die Gefährten folgten mir nicht, aber sie hielten sich bereit, mir beizuspringen, falls ich angegriffen werden sollte.

Ich zog den Riegel zurück und trat ein.

»Gib keinen Laut; ich will Dich befreien!« sagte ich dem Gefangenen und betastete sogleich seine Fesseln. Es waren Stricke; ich zerschnitt sie und steckte sie zu mir. Der Knebel bestand in einem Tuche, welches – dick zusammen gelegt – ihm vor den Mund und die Nase gebunden war; ich knüpfte es auf und steckte es ebenfalls ein.

»Maschallah,« meinte der Mann, indem er sich schnell aufrichtete; »wer bist Du, und wie – –«

»Still!« unterbrach ich ihn; »folge mir!«

Ich zog ihn hinaus, verriegelte die Thür wieder und schob ihn dann durch die von mir gemachte Öffnung in unsere Wohnung hinüber.

»Hamdulillah, Gott sei Dank!« flüsterte Halef. »Ich hatte große Sorge um Dich; aber es ist schneller gegangen, als ich dachte.«

Ich antwortete nicht, sondern schraubte den an meinem kleinen Taschenmesser befindlichen Korkzieher in das mittlere der drei jenseitigen Bretter, stieß das große Dolchmesser in den Balken und hing die beiden Griffe an einander; auf diese Weise waren die Bretter so befestigt, daß man drüben gar nicht merken konnte, daß sie geöffnet worden seien.

Jetzt hörten wir abermals Schritte. Man brachte einen Betrunkenen, der ganz einfach auf die Diele gelegt wurde, um seinen Rausch auszuschlafen. Nun war ich sicher, daß man die Kammer, in welche ich eingedrungen war, nicht mehr betreten werde, und ging mit den drei Anderen in unsere andere Stube hinüber. Dort machten wir Licht und betrachteten unseren Gast.

Er war von mittlerer Figur, mochte das fünfzigste Jahr noch nicht erreicht haben und besaß recht intelligente Gesichtszüge.

»Sei willkommen!« begrüßte ich ihn. »Wir waren zufällig Zeuge des Vorfalles im Nachbarhause und hielten es für unsere Pflicht, Dir beizustehen.«

»So gehört Ihr nicht zu jenen Schurken?« frug er mißtrauisch.

»Nein.«

»Ich wußte, daß man mir das Leben nehmen wollte, und dachte, Du holtest mich, weil der Augenblick dazu gekommen sei. Wer seid Ihr?«

»Ich bin ein Deutscher, und dies sind meine zwei Freunde, freie Araber aus der Sahara. Dieser Mann, Omar Ben Sadek, hat eine Blutrache gegen einen Feind, der in diesem Hause zu verkehren scheint; darum haben wir uns nebenan eingemiethet, um es beobachten zu können. Wir wohnen erst seit heut hier, und Allah hat es gewollt, daß wir gleich am ersten Abend Gelegenheit finden, eine böse That zu verhindern. Dürfen wir erfahren, wer Du bist?«

Er blickte finster vor sich nieder; dann schüttelte er den Kopf und antwortete: »Laßt mich schweigen! Ich will nicht meinen Namen, den Viele kennen, in dieser Angelegenheit öffentlich nennen lassen. Du bist ein Fremdling, und ich werde Dir danken können, auch wenn Du meinen Namen nicht erfährst.«

»Ich achte Deinen Willen und bitte Dich zugleich, nicht von Dank zu sprechen. Hast Du einen der Männer erkannt, welche da drüben sind?«

»Nein. Es sind viele Gäste da und auch Viele, welche nicht bloß Gäste zu sein scheinen. Ich werde diese Höhle noch in dieser Stunde durchsuchen lassen!«

»Wird Dir dies gelingen? Zwar bin ich überzeugt, daß dieser Grieche vor dem Morgen nicht erfährt, daß Du entkommen bist; er wird also von der Polizei vollständig überrascht werden, wenn er nicht auch für gewöhnlich Wächter ausstellt; aber ich habe erfahren, daß viele Polizisten und Beamte, ja sogar Derwische dieses Haus besuchen, und darum ist es zweifelhaft, ob Du Deinen Zweck in gewünschter Weise erreichst.«

»Polizei?« frug er geringschätzig. »Ich habe allerdings in eine Stube geblickt, in welcher Khawassen saßen; ich kannte sie, aber sie bemerkten mich nicht. Nein, zur Polizei werde ich nicht gehen. Wisse, daß ich ein Zabit bin – der Rang ist Nebensache; ich werde meine Dschengdschiler holen und mit dieser Spelunke kurzen Prozeß machen.«

Das war mir lieb und unlieb zu gleicher Zeit. Wenn er die Gesellschaft aufhob, so war es sehr wahrscheinlich, daß just die von uns Gesuchten nicht anwesend waren, und dann hatten wir sie von Neuem zu suchen. Aber der Stein war einmal in Bewegung; ich mußte ihn rollen lassen. Darum antwortete ich: »So erfülle mir die Bitte, mir die Gefangenen zu zeigen, welche Du machen wirst. Ich möchte wissen, ob die Männer dabei sind, welche wir suchen.«

»Du sollst Alle sehen.«

»Erlaube mir eine Bemerkung! Wer dieses Haus betreten will, der wird nach seinem Begehr gefragt und nur auf das Wort ›El Nassr‹ eingelassen. Vielleicht wird Dir dies von Nutzen sein.«

»Ah, also dies war das Wort, welches mein Führer in das Loch neben der Thür hineinflüsterte! Aber,« fuhr er in mißtrauischem Tone fort, »wie kommst Du dazu, dies Wort zu wissen?«

Da er in diesem Tone zu mir sprach, konnte sein Rang kein geringer sein. Ich antwortete ruhig:

»Omar Ben Sadek hat gelauscht und es vernommen.« Ich erzählte ihm das, was er zu wissen brauchte, und fuhr dann fort: »Es wird gerathen sein, Deine Truppen zu theilen. Die eine Hälfte kann sich mittels des Wortes Eingang durch die Thür verschaffen, und die andere Hälfte mag durch die Öffnung eindringen, durch welche Du entwichen bist. Das Erstere darf jedoch nicht eher geschehen, als bis Ihr Euch bereits vor der Öffnung befindet, denn es ist sehr zu vermuthen, daß der Wächter, welcher die Thür öffnet, beim Anblicke der Soldaten einen Warnungsruf ausstößt, um seinen Genossen Zeit zur Flucht zu geben.«

»Ich sehe, daß Du es ehrlich meinst, und werde Deinen Rath befolgen. Habt Ihr keinen Fez bei Euch? Diese Schurken haben das Haupt eines Gläubigen entblößt; das soll ihnen vergolten werden!«

»Ich werde Dir den meinigen geben; auch diese Pistolen will ich Dir leihen, damit Du nicht unbewaffnet bist.«

»Ich danke Dir, Franke! Du sollst Alles wieder haben. Seid wachsam; spätestens in einer Stunde kehre ich zurück.«

Ich begleitete ihn bis vor die Thür, und er entfernte sich eilig, indem er sich auf der entgegengesetzten Seite der Gasse hielt.

»Sihdi,« frug mich Omar, als ich wieder zurückkehrte, »wird man Abu el Nassr, wenn er drüben ist, mir überlassen?«

»Ich weiß es nicht.«

»Meine Rache geht doch vor!«

»Der Offizier wird vielleicht wenig danach fragen.«

»So weiß ich, was ich zu thun habe. Erinnerst Du Dich des Schwures, den ich auf dem Schott Dscherid an der Stelle, in welcher mein Vater verschwunden war, ablegte? Siehe, ich habe das Haar und den Bart wachsen lassen bis zur jetzigen Stunde, und nun soll mir der Feind, den ich heut so nahe habe, nicht entgehen!«

Er ging hinaus in das ›Selamlik‹ und setzte sich vor das lose Brett. Wehe Abu el Nassr, wenn er heut Abend von dem Rächer gefunden wurde!

Ich löschte das Licht aus und folgte Omar mit Halef. Drüben mußten sich jetzt mehrere Personen befinden. Ich hörte ein vielfaches Schnarchen und ein Stöhnen, wie es beim Beginne der Opiumnarkose ausgestoßen zu werden pflegt. Wir verhielten uns schweigsam, und als drei Viertelstunden vergangen waren, ging ich hinunter zur Hausthür, um den Offizier zu erwarten.

Es war doch weit über eine Stunde vergangen, als ich trotz der Dunkelheit eine lange Reihe von Gestalten auf der jenseitigen Zeile der Gasse lautlos sich nähern sah. Gewiß hatten dieselben schon vorher ihre Instruction erhalten, denn während die hintere Abtheilung drüben stehen blieb, wurde die vordere direkt auf den Eingang unseres Hauses zu geführt. An ihrer Spitze schritt der Offizier, noch immer in seiner vorigen Kleidung, aber mehr als hinreichend bewaffnet.

»Ah, Du erwartest uns!« flüsterte er. »Hier hast Du Deine Pistolen und hier auch Deinen Fez.«

Er nahm Beides aus den Händen des ihm Folgenden, der ein Hauptmann war. Während ich die Leute führte, deren gegen Dreißig sein mochten, blieb er an der Thür stehen. Meine drei Stuben waren grad voll, als er als der Hinterste eintrat. Trotz der schlechten Treppe war Alles ohne auffälliges Geräusch abgelaufen.

»Mache Licht!« sagte er.

»Hast Du die Thür unten verschlossen?« frug ich ihn.

»Der Riegel ist vorgeschoben.«

»Und eine Wache hingestellt?«

»Eine Wache?« lachte er. »Wozu?«

»Ich sagte Dir bereits, daß ich erst seit heute hier wohne; ich kenne also das Terrain noch nicht genau und muß also auch den Fall im Auge behalten, daß diejenigen, welche Du fangen willst, hier in den Hof hereinbrechen und sich durch meine Thür entfernen.«

»Das laß nur meine Sorge sein,« antwortete er überlegen; »ich weiß genau, was ich zu thun habe!«

Als das Licht brannte, setzte er es neben die Bretterwand und befahl, zu beginnen. Die Vordersten der Soldaten erhoben die Gewehre, um die Wand mit den Kolben einzuschlagen. Dies war geradezu eine Dummheit zu nennen, denn ehe der Erste hinübergelangte, waren die Insassen des Hauses gewarnt. Ein Einziger kam auf klügere Weise hinüber; kaum war der erste Schlag gefallen, so schob er die Bretter zur Seite, riß meine beiden Messer aus dem Holze und kroch hindurch. Er war längst verschwunden, als der Offizier an der Spitze der Seinigen durch die Bresche drang.

Ich hatte erst den Gedanken gehabt, nun selbst die Thür zu besetzen, kam aber schnell davon zurück, als ich bedachte, ich sei ja nicht da, um die Fehler ANderer zu verbessern. Ich drang also gleich hinter dem Offizier und neben dem Hauptmanne drüben ein. In dem Gemache lagen sechs oder sieben Betrunkene und vom Opium Berauschte. Wir sprangen über sie hinweg nach dem Nebenzimmer und sahen eben die letzte Gestalt hinter einer andern Thür verschwinden. Wir folgten.

Von unten tönte auch bereits wüster Lärm herauf: die Soldaten waren eingedrungen. Die Stube, in welche wir kamen, hatte noch zwei Thüren. Wir öffneten die eine und sahen ein Gemach vor uns, welches keinen andern Ausgang hatte; es war voll von Knaben und Mädchen, welche alle flehend am Boden knieten.

»Eine Wache an die Thür!« brüllte der Offizier.

Er sprang nach der andern Thür, und ich ihm nach. Da rannten wir mit Omar zusammen, welcher uns entgegenkam.

»Er ist nicht oben!« schnaubte er. »Ich muß hinunter!«

Die Blutrache hatte ihn, uns Allen voran, bis an das äußerste Ende des oberen Stockwerkes getrieben.

»Wer ist oben?« frug ihn der Offizier.

»Mehr als zwanzig Kerle, ganz hinten. Ich kenne Keinen davon.«

Er stieß uns bei Seite und eilte nach unten. Wir aber rannten durch mehrere Räume, welche alle erleuchtet waren. Der Überfall war so plötzlich gekommen, daß man vor Schreck vergessen hatte, die Lichter auszulöschen. Später hörte ich, daß der Thürwächter unten, als er die Soldaten erblickte, sofort ein Pistol abgeschossen hatte und im Dunkel des Hausganges verschwunden war. Wir im Nebenhause hatten unter dem Krachen der Kolbenschläge diesen Schuß nicht gehört, wohl aber war er von den Bewohnern des Hauses vernommen worden, die darauf, da der Schuß jedenfalls als ein Zeichen der höchsten Gefahr verabredet gewesen war, schleunigst die Flucht ergriffen. Dies war der Grund davon, daß wir bei unserer Ankunft bereits die vorderen Zimmer geleert fanden.

Endlich gelangten wir an die Thür des letzten Raumes. Sie war von innen verbarrikadirt. Während die Soldaten sich abmühten, sie mit ihren Kolben zu zertrümmern, vernahm man auch drinnen ein lautes Krachen. Die Thür war stark; sie widerstand zu lange; darum rannte ich durch die Räume alle zurück in unsere Wohnung, um meine Büchse zu holen, denn ich hatte nur die Revolver und Pistolen bei mir; die Messer hatte Omar an sich genommen.

Als ich mit dem Gewehre zurückkehrte, hatte die Thür immer erst nur einen kleinen Riß. Sie war so dauerhaft gearbeitet, jedenfalls weil der dahinter liegende Raum als letzter Zufluchtsort gegolten hatte und in Folge dessen besser verwahrt worden war; auch die Mauer war nicht von Holz, sondern von Ziegeln aufgeführt.

»Hinweg!« gebot ich den Leuten. »Laßt mich machen!«

Mein Bärentödter war allerdings ein anderer Mauerbrecher als die leichten Täfenks der großherrlichen Vaterlandsvertheidiger. Schon der erste Stoß mit dem stark mit Eisen beschlagenen Kolben gab eine Bresche; noch drei wuchtige Hiebe, und die Thür lag in kleinen Trümmern, uns aber empfing in demselben Augenblick eine Salve von mehr als zehn Schießwaffen. Mehrere Soldaten stürzten nieder, ich aber, der ich wegen der Kolbenhiebe zur Seite an der Mauer gestanden hatte, blieb unversehrt. Eben sah ich, daß der Offizier mit erhobener Waffe in den Raum drang, und wollte ihm folgen, als ich horchend stehen blieb.

»Sihdi, Hülfe, schnell, schnell!« hörte ich trotz des Lärms die Stimme Halef's vom Hofe herauf tönen.

Dies zeigte, daß der brave Hadschi sich in einer nicht gewöhnlichen Gefahr befinde. Natürlich mußte ich zu ihm. Wieder durch die Zimmerreihe nach unserm Wohnhause, durch dessen Stuben die Treppe hinab in den Hof: dieser Weg war zu lang; da konnten sie mir inzwischen den guten Halef erschlagen. Schon hörte ich seinen Ruf zum zweiten Male und dringender; ich sprang also an die Holzwand, welche an der Seite unseres Hofes stand, und stieß mit dem Kolben gleich einige Bretter hinaus.

»Halte aus, Halef! Ich komme!« rief ich hinab.

»Schnell, Sihdi, ich habe ihn!« tönte es wieder herauf.

Die alten morschen Bretter flogen hinab; drunten herrschte tiefe Finsterniß, aber Schüsse blitzten, und wirre, wilde Flüche erschollen. Da gab es kein Zaudern; ich holte aus und sprang hinab, in das Dunkel hinein. Es war zwar nicht besonders hoch, aber ich kam doch sehr unsanft auf dem Boden an. Hurtig raffte ich mich auf.

»Halef, wo bist Du?« rief ich.

»Hier an der Thür!«

Wahrhaftig! Der tapfere Hadschi hatte sich meine an den Offizier gerichteten Worte zu Herzen genommen, und statt uns in das Nachbarhaus zu folgen, war er hinunter an unsere Thür geeilt. Die in dem hintersten Zimmer zusammengedrängten Männer hatten auch wirklich die dünne Wand hinausgeschlagen und waren hinunter in unsern Hof gesprungen. Die Hälfte derselben hatte sich bereits unten befunden, als es mir oben gelang, die Thür zu zerschlagen. Sie hatten durch unser Haus fliehen wollen, waren aber auf Halef getroffen, der, anstatt sich hinter die Thür in den Flur zu postiren, sie offen und kühn vor derselben empfangen hatte. Die Schüsse, welche ich gehört hatte, waren auf ihn gerichtet gewesen; ob ihn einer derselben getroffen hatte, konnte ich nicht sehen, aber er stand noch aufrecht da und vertheidigte sich mit seiner langen, umgekehrten Flinte.

Es ist etwas Eigenes um so einen nächtlichen Nahekampf. Die Sinne schärfen sich auf das Doppelte ihres gewöhnlichen Vermögens; man sieht, was man sonst nicht sehen würde, und ein gewisser Instinkt, nach welchem man in solchen Augenblicken der Gefahr handelt, und zwar augenblicklich handelt, besitzt die Überlegenheit eines wohldurchdachten Entschlusses. Mein Kolben brachte den Hadschi schnell aus der Gefahr; ich sah, daß seine Angreifer unter unsern Schlägen stürzten oder zur Seite flohen; aber ich hatte nur an Eins zu denken:

»Wen hast Du denn, Halef?« frug ich ihn mitten im Kampfe.

»Abrahim Mamur!«

»Ihn? Ah! Wo?«

»Zu meinen Füßen. Ich habe ihn niedergeschlagen.«

»Endlich! Bravo!«

Die wenigen Männer, welche uns noch belästigten, waren bald nach rechts und links aus einander gestoben. Ich bekümmerte mich nicht um sie und bückte mich nieder, um Abrahim Mamur in Augenschein zu nehmen. Es herrschte noch großes Getümmel im Hofe, denn es sprangen noch immer Leute von oben herab, welche vor den Soldaten flohen; ich achtete nicht auf sie, denn Abrahim war mir werthvoller als alle Anderen. Ich zog ein Zündholz hervor, strich es an und leuchtete dem Daliegenden in das Gesicht.

»O weh, Halef; er ist es nicht!«

»Nicht, Sihdi? Unmöglich! Ich habe ihn beim Blitz eines Schusses deutlich erkannt!«

»So ist er entkommen, und Du hast einen Andern niedergestreckt. Wo ist er hin?«

Ich erhob mich und blickte wieder im Hofe umher. Da sah ich die Flüchtigen über die niederen Planken klettern, welche eine zwischen dem Hause und dem Schuppen befindliche Lücke ausfüllten, die nach dem Hofe Baruch's führte. Auch Halef hatte dies sofort bemerkt.

»Ihnen nach, Sihdi!« rief er. »Er ist da hinüber!«

»Sicher! Aber so bekommen wir ihn nicht. Er muß ja an unserer Vorderthür vorbei. Komm!«

Ich sprang durch den Flur nach vorn und öffnete die Thür. Es eilten mehrere Gestalten vorüber, welche aus Baruch's Hause kamen; es waren drei oder vier. Ein Fünfter, der ihnen folgte und uns nicht bemerkte, rief:

»Halt! Bleibt beisammen!«

Das war er! Das war seine Stimme, jene Stimme, mit welcher er in jener Fluchtnacht am Nile seine Diener zusammengerufen hatte. Auch Halef erkannte sie und rief unkluger Weise laut:

»Er ist's, Sihdi! Ihm nach!«

Abrahim hörte es und rannte, ohne sich vorher erst umzublicken, davon; wir hasteten hinter ihm her. Er bog, um uns zu entkommen, um mehrere Ecken und tauchte in verschiedene dunkle, winkelige Gäßchen; aber ich war stets höchstens fünfzehn Schritte hinter ihm, und Halef hielt gleichen Schritt mit mir. Der Sprung in den Hof war doch nicht ohne Einfluß auf mich geblieben, sonst hätte ich den Menschen sicher bald erreicht. Er war ein guter Läufer, und meinem Halef wollte der Athem ausgehen.

»Bleib stehen und schieße ihn nieder, Sihdi!« keuchte er.

Die Befolgung dieses Zurufes wäre mir ein Leichtes gewesen, aber ich that es nicht. Es hatten Andere ein größeres Recht auf den Menschen als ich, und ich wollte ihn lebendig haben. Die Jagd dauerte also fort. Da öffnete sich die Gasse, durch welche wir jetzt gelaufen waren, und das Wasser des goldenen Hornes lag vor uns. Gar nicht weit vom Ufer erkannte man trotz des nächtlichen Dunkels die Inselreihe, welche zwischen Baharive Keui und Sudludje im Wasser liegt.

»Rechts, Halef!« rief ich.

Er gehorchte, und ich sprang links hinüber. So hatten wir den Flüchtling zwischen uns und dem Wasser. Er blieb einen Augenblick stehen, um sich nach uns umzusehen; dann nahm er einen Anlauf gegen das Ufer und sprang in das Wasser, unter dessen Oberfläche er verschwand.

»O waïh!« rief Halef. »Aber er soll uns doch nicht entkommen!«

Er legte seine Flinte an, um zu schießen.

»Schieß nicht,« rieth ich ihm. »Du zitterst vom Laufen! Ich werde ihm nachspringen.«

»Sihdi, wenn es diesem Bösewicht gilt, so zittere ich nicht!« war die Antwort.

Da tauchte der Kopf des Schwimmenden aus der Fluth empor – der Schuß krachte – ein Schrei erscholl, und der Kopf verschwand unter lautem Gurgeln wieder in den Wellen.

»Ich habe ihn getroffen!« rief der Hadschi. »Er ist todt. Siehst Du, Sihdi, daß ich nicht gezittert habe!«

Wir warteten noch eine Weile, aber Abrahim Mamur kam nicht wieder empor, und wir beide waren überzeugt, daß der Schuß ein wohl gezielter gewesen sei. Nun kehrten wir wieder nach dem Kampfplatze zurück.

Zwar hatte ich während unseres Dauerlaufes auf die Richtung geachtet und mir auch möglichst die Zahl und Lage der Gäßchen gemerkt, aber es fiel uns dennoch nicht leicht, uns zurecht zu finden, und es dauerte eine geraume Weile, ehe wir unsere Wohnung erreichten.

Dort hatte sich unterdessen Vieles verändert. In der Gasse war es ziemlich hell geworden, denn ihre Bewohner und auch Leute aus den Nachbargassen standen mit Papierlaternen da. Ein Theil der Soldaten bildete Cordon vor den drei Häusern, und der andere Theil suchte entweder noch nach versteckten Flüchtlingen in den Höfen, oder er bewachte die Gefangenen, welche man gemacht hatte. Gefangen aber nannte man eine jede Person, welche heut in dem Hause des Griechen gewesen war. Dieser selbst war todt. Der Hauptmann hatte ihm mit einem Säbelhiebe den Kopf gespalten. Sein Weib aber stand bei den Mädchen und Knaben, welche man zusammengebunden hatte. Auch die Berauschten hatte man herbei geschafft. Im Tumulte des Kampfes war ihnen die Besinnung so ziemlich zurückgekehrt. Einige Soldaten waren todt, mehrere verwundet, und es stellte sich leider heraus, daß auch mein wackerer Halef einen Streifschuß in den Vorderarm und einen, glücklicherweise ungefährlichen, Stich gleich daneben erhalten hatte. Gefangen hatte man nur vier Männer, von denen sicher zu sein schien, daß sie Mitglieder der Gaunergesellschaft wären. Sechs waren getödtet worden, und den Übrigen war es geglückt, zu entkommen. Omar, der sich am meisten vorgewagt hatte, lehnte sehr verdrießlich an der Treppe; er hatte Abu el Nassr nicht gefunden und sich dann um das Weitere nicht gekümmert.

Der alte Baruch war schon schlafen gegangen, als geschossen wurde. Gleich darauf hatte man seine Flurthüren eingeschlagen, und er war vor Angst in seiner Stube eingeschlossen geblieben. Jetzt erst kam er hervor und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen, als er hörte, was geschehen sei. Endlich hatte man alle Gefangenen zum Transporte zusammengekoppelt, und nun gab der Offizier seinen Soldaten die Erlaubniß, das Haus des Griechen zu plündern. Dies ließen sie sich nicht zweimal sagen; in Zeit von zehn Minuten war Alles fortgenommen, was sich nicht gar zu schwer transportiren ließ.

Während dieser Zeit suchte ich den Hauptmann auf, den ich nach dem Offizier fragte.

»Er steht draußen vor dem Hause,« lautete die Antwort.

Das wußte ich bereits; aber es lag mir daran, etwas über diesen Mann zu erfahren. Erst hatte ich sein Schweigen geachtet; dann aber war er mir nicht in der Weise begegnet, die ich von ihm erwarten konnte; jetzt nach beendigtem Kampfe kümmerte er sich gar nicht um mich, und ich hielt es auch nicht mehr für nöthig, diskret zu sein.

»Welchen Rang bekleidet er?« fragte ich.

»Frage nicht,« erklang es ziemlich barsch. »Er hat verboten, es zu sagen!«

Eben deswegen mußte ich es erfahren! Einer der Soldaten war noch im Hofe Baruch's mit Suchen beschäftigt gewesen, als die Anderen plünderten. Er war also schlechter weggekommen als sie und wollte fluchend durch das Haus nach der Gasse gehen. Dort fing ich ihn auf.

»Du hast nichts bekommen können?« fragte ich ihn.

»Nichts!« brummte er höchst ärgerlich.

»So sollst Du Dir bei mir etwas verdienen, wenn Du mir eine Frage beantwortest.«

»Welche Frage?«

»Welchen Rang bekleidet der Offizier, welcher Euch heut angeführt hat?«

»Wir sollen von ihm nicht sprechen; aber er hat auch nicht an mich gedacht. Gibst Du mir zwanzig Piaster, wenn ich es Dir sage?«

»Du sollst sie haben.«

»Er ist Mir Alai und heißt – –«

Er nannte mir den Namen eines Mannes, der später eine bedeutende Rolle spielte und noch heut als hoher Würdenträger bekannt ist. Er ist kein geborener Türke und hat sich vom Lieblingsdiener seines einstigen Herrn durch nichts weniger als geistige Verdienste zu seiner jetzigen Stellung emporgearbeitet.

Ich bezahlte die ausbedungene Summe und warf dann einen Blick hinaus auf die Gasse. Der Mir Alai stand grad vor der Thür und konnte mich unmöglich übersehen.

Wie ich es erwartet hatte, trat der Mir Alai herbei und fragte:

»Sind die Franken alle so furchtsam wie Du? Wo warst Du, als wir Andern kämpften?«

War das eine Frage! Ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben.

»Auch wir kämpften,« antwortete ich gleichmüthig; »allerdings nur mit denen, welche Du unnöthiger Weise entschlüpfen ließest. Ein weiser Mann ist stets darauf bedacht, die Fehler Anderer gut zu machen.«

»Wen habe ich entkommen lassen?« fuhr er auf.

»Alle, welche hier entkommen sind. Da Du auf meinen Rath nicht hörtest, den Ausgang dieses Hauses zu besetzen, war ich mit meinem Diener nicht im Stande, die große Hälfte der Schurken festzuhalten, während Ihr Euch mit der kleineren beschäftigtet. Was wird mit den Gefangenen geschehen?«

»Allah weiß es! Wo wirst Du morgen wohnen?«

»Jedenfalls hier.«

»Du wirst nicht mehr hier wohnen.«

»Warum?«

»Das wirst Du bald merken. Also wo wirst Du morgen zu treffen sein?«

»Bei dem Bazirgian Maflei, welcher in der Nähe der Jeni Dschami wohnt.«

»Ich werde zu Dir senden.«

Er wandte sich nach diesen Worten ohne einen Gruß von mir ab und gab ein Zeichen. Die Gefangenen wurden herbeigebracht und eingeschlossen; dann setzte sich der Zug in Bewegung. Ich kehrte, ohne ihm nachzublicken, in den Hof zurück und da bemerkte ich allerdings sogleich, weßhalb ich morgen nicht mehr hier wohnen werde. Dieser freundliche Offizier hatte Feuer an das Haus des Griechen legen lassen, und die Flammen leckten bereits zu den Stubendecken empor. Das war eine ächt muselmännische Art und Weise, mit einer nicht sehr ehrenvollen Erinnerung fertig zu werden.

Ich sprang, ohne Lärm zu schlagen, in unser Logis empor, um unsere Gewehre, die wir nicht gebraucht hatten, und das wenige Andere, mit dem wir eingezogen waren, zusammen zu nehmen. Ich trug es in den Hof herunter, und nun schlug auch die Flamme so hoch empor, daß man sie und ihre Helligkeit auf der Gasse bemerken mußte. Das Geschrei und der Tumult, der sich nun erhob, ist ganz unmöglich zu beschreiben. Man muß Augenzeuge einer Feuersbrunst in Constantinopel gewesen sein, um sich einen Begriff von der unendlichen Panik machen zu können, welche durch einen Brand entsteht. Man denkt gar nicht an das Löschen; man denkt nur an die Flucht, und da die Häuser meist nur hölzerne sind, so legt ein solches Feuer oft ganz beträchtliche Complexe in Asche.

Mein alter Baruch war vor Schreck ganz sprachlos, und seine Frau konnte sich nicht rühren. Wir trösteten Beide so gut wie möglich, packten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und versprachen ihnen eine freundliche Aufnahme bei Maflei. Einige Lastträger waren bald zur Stelle, und so verließen wir ein Logis, welches wir nicht ganz einen Tag bewohnt hatten, während doch die Miethe für eine ganze Woche entrichtet worden war. Der reiche Bäcker hatte an dem alten Hause jedenfalls keine Million verloren.

Wir fanden zu so später Stunde natürlich Maflei's Haus verschlossen, doch wurde uns auf unser Klopfen sehr bald geöffnet. Die Glieder der ganzen Familie versammelten sich; sie waren sehr enttäuscht, als sie hörten, daß unser Unternehmen auf diese Weise geendet hatte. Lieber hätten sie Abrahim Mamur in ihrer Gewalt gehabt, doch befriedigten sie sich schließlich mit der Überzeugung, daß er in den Fluthen seinen Lohn gefunden habe.

Baruch wurde mit seinem Weibe willkommen geheißen, und der Hausherr versicherte ihm, daß er für ihn sorgen werde.

Schließlich, als uns gesagt worden war, daß wir unser Gartenhaus wieder bereit finden würden, bemerkte Isla mit freudigem Angesichte:

»Effendi, wir haben heute, als Du abwesend warst, einen unerwarteten, aber sehr lieben Gast erhalten. Rathe einmal, wer es ist!«

»Wer kann da rathen! Kenne ich ihn?«

»Gesehen hast Du ihn noch nicht, aber erzählt habe ich Dir von ihm. Ich werde ihn rufen, und wenn Du ihn gesehen hast, sollst Du rathen.«

Ich war ein wenig gespannt auf diesen Gast, denn er mußte mit unseren Erlebnissen in Beziehung stehen. Nach kurzer Zeit trat Isla mit einem ältlichen Manne ein, den ich allerdings noch nicht gesehen hatte. Er trug die gewöhnliche türkische Kleidung und hatte nichts an sich, was mich auf die richtige Spur hätte bringen können. Seine sonnverbrannten Züge waren kühn und scharf geschnitten, doch die Falten, welche sein Gesicht durchfurchten, und der lange, schneeweiße Bart gaben ihm ein Aussehen, als habe er an einem schweren Kummer zu tragen.

»Dies ist der Mann, Effendi,« meinte Isla. »Nun rathe!«

»Ich errathe es nicht.«

»Und doch wirst Du es errathen!« Und an den Fremden sich wendend, bat er: »Rede ihn in Deiner Muttersprache an!«

Der Mann machte eine Verbeugung gegen mich und sagte:

»Szluga pokoran, wiszoko pocschtowani – Ihr ergebener Diener, mein hochgeehrter Herr.«

Dieser höfliche, serbische Gruß brachte mich sofort auf die rechte Fährte. Ich reichte dem Mann beide Hände entgegen und antwortete:

»Nubo, otatz Osco, dobro, mi docschli – sieh da, Vater Osco! Willkommen!«

Es war wirklich Osco, der Vater von Senitza, und ich richtete große Freude damit an, daß ich ihn an diesem serbisch-montenegrinischen Gruße erkannt hatte. Natürlich war jetzt von Schlaf noch keine Rede, denn ich mußte zunächst wissen, wie es ihm ergangen war.

Seit dem Verschwinden seiner Tochter, außer welcher er kein Kind besaß, war er ruhelos umhergewandert. Er hatte hier und da geglaubt, eine Spur von ihr gefunden zu haben, war aber immer bald zu der Einsicht gelangt, daß er sich getäuscht habe. Noth hatte er während dieser Irrfahrten, welche sich meist über Kleinasien und Armenien erstreckt hatten, nicht gelitten, denn er war mit reichlichen Mitteln versehen gewesen. In ächt orientalischer Weise hatte er den Schwur gethan, die Heimat und sein Weib nicht eher wiederzusehen, als bis er sein Kind gefunden habe, war aber durch die Vergeblichkeit seiner Bemühungen gezwungen worden, nach Constantinopel zu gehen. Eine solche Odyssee ist nur im Orient möglich; bei den geordneten Zuständen des Abendlandes würde sie ein Wahnsinn zu nennen sein. Man kann sich vorstellen, welche Freude der Montenegriner gehabt hatte, da er seine Tochter als das Weib des Mannes fand, für den er sie hatte suchen wollen, und nicht nur seine Tochter hatte er gesehen, sondern auch sein Weib, welches der Tochter nach Stambul gefolgt war.

Er hatte den ganzen Zusammenhang erfahren und strebte nun nach Rache. Er war entschlossen, den Derwisch Ali Manach aufzusuchen, um ihn zu zwingen, Auskunft über den Aufenthaltsort seines Vaters zu ertheilen, und ich hatte Mühe, ihn zu bestimmen, diesen Besuch mir zu überlassen.

Nun erst legten wir uns schlafen, und ich kann sagen, daß ich nach der überstandenen Anstrengung sofort in Schlummer fiel, und vielleicht wäre ich am Morgen noch nicht aufgewacht, wenn ich nicht geweckt worden wäre. Maflei schickte nämlich nach dem Gartenhause und ließ mir sagen, daß ein Mann da sei, der mich sehr nothwendig zu sprechen habe. Da man im Orient gezwungen ist, in den Kleidern zu schlafen, so war ich sofort bereit, dem Rufe Folge zu leisten. Ich traf einen Mann, welcher mich nach meinem Namen fragte und mir dann sagte, daß ich nach dem Hause in Sanct Dimitri kommen solle, wo ich mit dem Jüterbogker Barbier gewesen sei; dieser wolle mit mir sprechen, und es sei außerordentlich eilig.

»Was will er?« erkundigte ich mich.

»Ich weiß es nicht,« lautete die Antwort. »Ich wohne in der Nähe, und der Wirth kam zu mir, um mich zu bitten, zu Dir zu gehen.«

»So sage ihm, daß ich sogleich kommen werde!«

Ich bezahlte ihm den Gang, und er ging. Bereits fünf Minuten später war ich mit Omar unterwegs. Bei der Unsicherheit eines solchen Weinhauses hielt ich es für gerathen, nicht allein zu gehen, und Halef wollte ich nicht belästigen, da er verwundet worden war. Auf unseren kleinen Miethpferden, hinter denen die Besitzer hertrabten, indem sie sich am Schwanze festhielten, ging es ziemlich schnell durch die Gassen. Als wir anlangten, kam uns der Wirth bis unter die Thür entgegen. Er grüßte höchst demüthig und fragte:

»Effendi, Du bist der Deutsche, der kürzlich mit einem gewissen Hamsad al Dscherbaja bei mir gewesen ist?«

»Ja.«

»Er will mit Dir sprechen.«

»Wo ist er?«

»Er liegt oben. Dein Begleiter mag einstweilen unten einkehren.«

Die Worte: ›Er liegt oben‹ – ließen mich auf Krankheit oder gar auf einen Unfall schließen. Während Omar in die untere Stube trat, stieg ich mit dem Wirthe die Stiege empor. Oben blieb er stehen und sagte:

»Erschrick nicht, Herr, wenn Du ihn krank findest!«

»Was ist mit ihm?«

»O, weiter nichts, als daß er einen kleinen Stich erhalten hat.«

»Ah! Wer hat ihn gestochen?«

»Ein Fremder, der noch nie bei mir gewesen ist.«

»Weßhalb?«

»Sie saßen erst beisammen und redeten sehr eifrig mit einander; dann spielten sie, und als Dein Bekannter bezahlen sollte, hatte er kein Geld. Darüber wurden sie uneinig und zogen die Messer; er war betrunken und erhielt den Stich.«

»Ist es gefährlich?«

»Nein, denn er war nicht sogleich todt.«

Also nach der Meinung dieses guten Mannes war ein Stich nur dann gefährlich, wenn sogleich der Tod erfolgte.

»Du hast doch den Andern festgehalten?«

»Wie konnte ich das?« antwortete er verlegen. »Dein Freund hatte kein Geld und zog das Messer zuerst.«

»Aber Du kennst ihn wenigstens?«

»Nein. Ich sagte Dir bereits, daß er noch gar nicht bei mir gewesen ist.«

»Hast Du nach einem Arzt geschickt?«

»Ja. Ich ließ sogleich einen berühmten Hekim holen, der ihn verbunden hat. Du wirst mir doch bezahlen, was mir der Kranke dafür und für seine Zeche schuldig ist? Ich habe dem Fremden auch das geben müssen, was er von ihm gewonnen hatte.«

»Ich werde mir das zuvor ein wenig überlegen. Führe mich zu ihm!«

»Tritt durch die hintere Thüre. Ich habe unten zu thun.«

Als ich in die bezeichnete Stube trat, welche nichts als eine Art Matratze enthielt, sah ich den Barbier todesbleich und mit eingefallenem Gesichte auf derselben liegen. Ich war sogleich überzeugt, daß der Stich gefährlich sei, und beugte mich zu ihm nieder.

»Ich danke Ihnen, daß Sie kommen!« sagte er langsam und mit Mühe.

»Dürfen Sie sprechen?« frug ich ihn.

»Es wird mir nichts mehr schaden! Es ist aus mit mir!«

»Fassen Sie Muth! Hat Ihnen der Arzt keine Hoffnung gelassen?«

»Er ist ein Quacksalber.«

»Ich werde Sie nach Pera bringen lassen. Sind Sie im Besitze eines Schutzscheines vom preußischen Gesandten?«

»Nein. Ich wollte nicht für einen Franken gelten.«

»Woher war der Mann, mit dem Sie sich stritten?«

»Der? Oh, wissen Sie das nicht? Ich soll ihn ja für Sie suchen! Es war Abrahim Mamur!«

Ich fuhr zurück, als ich diesen Namen hörte.

»Das ist unmöglich; er ist ja todt!«

»Todt? Ich wollte, er wäre es!«

Es war eigenthümlich: jetzt auf dem Kranken- oder Sterbelager redete der Barbier auf einmal nicht mehr seinen märkischen Dialekt, sondern das reinste Hochdeutsch! Das mußte mir natürlich auffallen.

»Erzählen Sie!« bat ich ihn.

»Ich war noch spät hier; da kam er, ganz naß, als ob er durch das Wasser geschwommen sei. Ich erkannte ihn sogleich, er mich aber nicht. Ich machte mich an ihn, und wir zechten; dann spielten wir, und ich verlor. Ich war betrunken und mag wohl verrathen haben, daß ich ihn kenne und aushorchen wolle; ich hatte kein Geld, und deßhalb kamen wir in Streit; ich wollte Ihnen einen Gefallen thun und ihn erstechen, er aber war rascher als ich. Das ist Alles!«

»Ich will Sie nicht tadeln; das führt zu nichts, und Sie sind krank. Haben Sie nicht bemerkt, ob Abrahim Mamur mit dem Wirthe bekannt ist?«

»Sie schienen sich sehr gut zu kennen; der Wirth gab ihm trockene Kleider, ohne daß er darum gebeten wurde.«

»Seien Sie aufrichtig! Sie sind nicht aus Jüterbogk?«

»Sie errathen es. Ich weiß, daß der Stich tödtlich ist, und darum will ich es sagen: ich bin ein Thüringer. Das ist genug; ich habe keine Verwandte und durfte nicht in die Heimat zurück. Lassen Sie das gut sein! Wollen Sie mich wirklich nach Pera schaffen lassen?«

»Ja. Vorher jedoch will ich Ihnen einen verständigen Arzt senden, der untersuchen soll, ob Sie transportfähig sind. Haben Sie einen Wunsch?«

»Lassen Sie mir Scherbet geben und vergessen Sie mich nicht!«

Er hatte mir immer nur mit Mühe und unter vielen Unterbrechungen geantwortet. Jetzt schloß er die Augen; die Besinnung schwand ihm. Ich ging hinunter zum Wirthe, gab ihm die geeigneten Instructionen und versprach ihm, seine berechtigten Auslagen ehrlich zu bezahlen. Dann ritten wir schleunigst nach Pera. Hier begab ich mich zunächst in die preußische Gesandtschaft, deren Kanzler, welcher ein Perote war, meine kurze Darstellung schweigend anhörte und sich sodann in liebenswürdigster Weise bereit erklärte, sich des Verwundeten anzunehmen; auch die Sorge für den Arzt nahm er auf sich und ersuchte mich nur, ihm Omar als Führer da zu lassen. Natürlich fühlte ich mich trotzdem nicht der Theilnahme und Sorge für den Landsmann entbunden, konnte aber ruhig heimkehren, da ich ihn unter guter Obhut wußte.

Sofort nach meiner Ankunft suchte ich zunächst Isla auf, um ihm zu sagen, daß Abrahim Mamur heute Nacht nicht von Halef erschossen worden sei, sondern noch lebe. Er befand sich in einem mit Büchern und allerhand Waarenproben angefüllten Gemache, welches sein Comptoir zu sein schien. Er war sehr wenig erbaut von meiner Botschaft, beruhigte sich aber bald durch den Gedanken, daß es uns nun doch noch gelingen könne, den Menschen lebendig zu fangen. Was den Barbier betraf, so äußerte er kein Mitleid mit demselben und sagte mir, daß er ihn fortgejagt habe, weil er von ihm mehrfach bestohlen worden sei.

Während dieser Unterredung war mein Blick wiederholt auf das aufgeschlagene Buch gefallen, welches er vor sich liegen hatte. Es schien ein Contobuch zu sein, dessen Inhalt mich nichts anging und mich auch gar nicht interessirte. Im Laufe des Gespräches irrten seine Finger wie spielend durch die Blätter, welche von ihnen hin und her gewendet wurden, und jetzt – eben blickte ich ganz zufällig wieder hin – fiel mein Auge auf einen Namen, der mich veranlaßte, meine Hand schnell auf das Blatt zu legen, damit es nicht umgewendet werde. Es war der Name ›Henri Galingré, Schkodra‹.

»Galingré in Schkodra?« fragte ich. »Dieser Name interessirt mich ganz außerordentlich. Du stehst mit einem Galingré in Skutari in Verbindung?«

»Ja. Es ist ein Franzose aus Marsilia, einer meiner Lieferanten.«

»Aus Marseille? O, das stimmt ja ganz auffällig! Hast Du ihn vielleicht einmal gesehen und gesprochen?«

»Öfters. Er ist bei mir gewesen, und ich war auch bei ihm!«

»Weißt Du nichts von seinen Schicksalen und von seiner Familie?«

»Ich erkundigte mich nach ihm, ehe ich das erste Geschäft mit ihm machte, und später hat er mir auch Manches erzählt.«

»Was weißt Du von ihm?«

»Er hatte ein kleines Geschäft in Marsilia, und das genügte ihm nicht; darum ging er nach dem Orient, erst nach Stambul, dann nach Adrianopel; dort lernte ich ihn kennen. Seit einem Jahre aber wohnt er in Skutari, wo er einer der wohlhabendsten Männer ist.«

»Und seine Verwandten?«

»Er hatte einen Bruder, dem es auch nicht in Marsilia gefiel. Dieser ging erst nach Algier und dann nach Blidah, wo er solches Glück hatte, daß der Bruder in Adrianopel ihm seinen Sohn sandte, damit derselbe im Geschäft zu Blidah seine Kenntnisse verwerthe. Dieser Sohn nahm sich ein Mädchen aus Marsilia zum Weibe und kehrte dann zu seinem Vater zurück, wo er nach längeren Jahren das Geschäft übernahm. Einst mußte er nach Blidah zu seinem Oheim, um ein größeres Geschäft mit ihm zu besprechen, und grad als er sich dort befand, wurde der Oheim ermordet und seiner ganzen Kasse beraubt. Man hatte einen armenischen Händler in Verdacht, und der jüngere Galingré zog aus, um nach ihm zu forschen, da er meinte, daß die Polizei nicht fleißig genug suche. Er ist niemals zurückgekehrt. Sein Vater ist Erbe des Oheims geworden und hat dadurch sein Vermögen verdoppelt, aber er weint noch heut um den Sohn und würde viel geben, wenn er eine Spur von ihm fände. Das ist es, was ich Dir sagen kann.«

»Nun wohlan, ich kann ihn gleich auf diese Spur bringen.«

»Du?« fragte Isla erstaunt.

»Ja. Wie konntest Du so lange schweigen! Ich habe Dir ja bereits in Ägypten erzählt, daß Abu el Nassr, welchen Omar sucht, im Wadi Tarfaui einen Franzosen erschlagen hat, dessen Sachen ich zu mir nahm. Habe ich Dir nicht auch mitgetheilt, daß dieser Franzose Paul Galingré geheißen hat?«

»Den Namen hast Du nicht genannt.«

»Ich habe noch heute den Trauring hier an meinem Finger, welcher ihm gehörte; die anderen Gegenstände gingen leider mit der Satteltasche verloren, als mein Pferd im Schott Dscherid versank.«

»Effendi, Du wirst dem alten Manne noch Nachricht geben!«

»Das versteht sich!«

»Schreibst Du ihm?«

»Ich werde sehen. Durch einen Brief kommt die Nachricht zu plötzlich über ihn. Der Weg in meine Heimat führt mich vielleicht in jene Gegend. Man muß sich diese Angelegenheit überlegen.«

Nach diesem Gespräche suchte ich Halef auf, der es zunächst gar nicht glauben wollte, daß sein Schuß fehl gegangen sei; endlich aber gab er dennoch zu:

»Sihdi, so hat mein Arm also doch gezittert!«

»Jedenfalls.«

»Aber dieser Mensch stieß doch einen Schrei aus und versank. Wir haben seinen Kopf nicht wieder gesehen!«

»Das hat er mit kluger Absicht gethan; er muß ein guter Schwimmer sein. Mein lieber Hadschi Halef Omar, wir sind rechte Thoren gewesen. Glaubst Du wirklich, daß ein Mensch, welcher eine Kugel mitten durch den Kopf bekommt, noch schreien kann?«

»Ich weiß das nicht,« meinte er, »denn ich habe noch keine Kugel durch den Kopf erhalten. Wenn man mich einmal durch den Kopf schießt, was Allah um meiner Hanneh willen verhüten möge, so werde ich versuchen, ob es mir möglich ist, zu schreien. Aber Sihdi, glaubst Du, daß wir seine Spur wiederfinden werden?«

»Ich hoffe es.«

»Durch den Wirth?«

»Entweder durch ihn oder durch den Derwisch, denn ich ahne, daß er diesem bekannt ist. Ich werde noch heut mit ihm sprechen.«

Auch den Juden, welcher mit seinem Weibe ein kleines Gelaß unseres Gartenhauses bewohnte, besuchte ich. Er hatte sich in die Veränderung ergeben und klagte nicht mehr über die kleinen Verluste, die ihm das gestrige Feuer verursacht hatte. Er wußte ja, daß der reiche Maflei sein Versprechen, für ihn zu sorgen, leicht halten könne. Während meiner Abwesenheit in Dimitri und Pera war er bereits in Baharive Keui gewesen und sagte mir, daß sehr viele Häuser von dem Feuer verzehrt worden seien.

Wir sprachen noch mit einander, als ein schwarzer Diener Maflei's kam, um mir zu sagen, daß ein Offizier da sei, der mit mir sprechen wolle.

»Was ist er?« fragte ich ihn.

»Er ist ein Jüsbaschi

»Führe ihn in meine Wohnung.«

Ich hielt es nicht für angezeigt, dieses Mannes wegen einen Schritt zu thun, und begab mich deßhalb, anstatt das Hauptgebäude aufzusuchen, nach meinem Zimmer, wo ich Halef fand, dem ich sagte, welchen Besuch ich zu erwarten habe.

»Sihdi,« meinte er, »dieser Jüsbaschi ist grob gegen Dich gewesen. Wirst Du höflich sein?«

»Ja.«

»Du meinst, dann muß er sich vor uns schämen? Wohlan, so werde auch ich sehr höflich gegen ihn sein. Erlaube, daß ich ihn als Dein Chizmetkiar empfange!«

Er trat hinaus vor die Thür, und ich setzte mich auf meinen Divan, mir eine Pfeife anbrennend. Nach wenigen Minuten hörte ich die Schritte des Nahenden und gleich darauf die Stimme des kleinen Hadschi, welcher den Schwarzen fragte:

»Wohin willst Du?«

»Ich soll diesen Agha zu dem fremden Effendi bringen.«

»Zu dem Emir aus Dschermanistan meinst Du! Du kannst umkehren, denn Du mußt doch wissen, daß man bei einem Emir nicht so eintreten darf, wie bei einem Paputschi oder Terzi. Der Emir, welchen Allah mir als Herrn gegeben hat, ist gewohnt, daß man nur mit der größten Höflichkeit mit ihm verkehrt.«

»Wo ist Dein Herr?« hörte ich barsch die Stimme des Hauptmanns fragen.

»Erlaube mir, Hoheit, Dich erst zu fragen, wer Du bist!«

»Das wird Dein Herr wohl sehen!«

»Aber ich weiß ja nicht, ob es ihm beliebt, es zu sehen. Er ist ein sehr strenger Herr, und ich darf es nicht wagen, Jemand zu ihm zu lassen, ohne ihn zuvor um Erlaubniß zu fragen.«

Ich sah im Geiste mit Vergnügen das demüthig-freundliche Gesicht des kleinen Schlaukopfs gegenüber den grimmigen Zügen des barschen Offiziers, der den Befehl seines Vorgesetzten auszuführen hatte und also nicht umkehren durfte, was er jedenfalls am liebsten gethan hätte. Er antwortete:

»Ist Dein Herr wirklich ein so großer und vornehmer Emir? Solche Leute pflegen anders zu wohnen, als wir es gestern bemerkten!«

»Das that er nur zu seinem Vergnügen. Er langweilte sich und beschloß, einmal zu sehen, wie unterhaltend es ist, wenn sechzig tapfere Krieger zwanzig Knaben und Mädchen fangen, die Erwachsenen aber entlaufen lassen. Das hat ihm sehr gefallen, und nun sitzt er auf seinem Divan und hält seinen Kef, wobei ich ihn nicht stören möchte.«

»Du bist verwundet. Warst Du nicht gestern auch dabei?«

»Ja. Ich war es, der unten an der Thür stand, wo eigentlich eine Wache hingehörte. Aber ich sehe, daß Du Dich gern mit mir hier unterhalten willst. Erlaube, Hoheit, Dir einen Sitz zu bringen!«

»Halt, Mensch! Ich glaube gar, Du sprichst im Ernste! Sage Deinem Herrn, daß ich mit ihm reden möchte!«

»Und wenn er mich fragt, wer Du bist?«

»So sage, daß ich der Jüsbaschi von gestern Abend sei.«

»Gut! Ich werde ihn einmal bitten, seine Güte über Dir leuchten und Dich eintreten zu lassen, denn ich weiß, was man um einen Mann von Deiner Würde wagen darf.«

Er trat herein und zog die Thür hinter sich zu. Sein ganzes Gesicht funkelte vor Vergnügen.

»Soll er sich neben Dich setzen?« frug er leise.

»Nein. Lege ihm das Kissen grad mir gegenüber nahe an die Thür, aber mit der größten Höflichkeit; dann bringst Du ihm eine Pfeife und Kaffee.«

»Dir auch Kaffee?«

»Nein; ich trinke nicht mit ihm.«

Er öffnete jetzt und ließ unter einem demüthigen ›der Emir erlaubt es‹ den Wartenden eintreten. Dieser grüßte nur mit einer leisen Verneigung seines Hauptes und begann:

»Ich komme, um das Dir gestern gegebene Versprechen zu – –«

Er hielt inne, denn eine rasche Handbewegung meinerseits hatte ihm auf ganz unzweideutige Weise Schweigen geboten. Ein höflicher Gruß einem Franken gegenüber dünkte ihm wohl gar nicht nöthig, und so hatte ich große Lust, ihm zu zeigen, daß auch ein Christ an Achtung gewöhnt sein kann.

Er stand noch an der Thür. Halef brachte das Kissen und legte es ihm grad vor die Füße; dann verließ er den Raum. Es war ein wirkliches Schauspiel, das Gesicht des Jüsbaschi zu beobachten, in welchem Empörung, Erstaunen und Scham um die Herrschaft rangen. Er fügte sich aber doch in das Unvermeidliche und ließ sich nieder. Es mußte den stolzen Moslem eine bedeutende Überwindung kosten, bei einem Christen nur an der Thür Platz zu nehmen.

Bei der orientalischen Art und Weise, stets kochendes Wasser für den Kaffee über dem Feuer zu haben, dauerte es nur sehr kurze Zeit, bis Halef ihm eine Tasse des Getränkes und Feuer brachte. Er nahm beides, trank den Kaffee und ließ sich die Pfeife anbrennen. Halef blieb hinter ihm stehen, und nun konnte die Unterhaltung beginnen.

»Mein Sohn,« begann ich in väterlich freundlichem Tone, obgleich das Wort eigenthümlich klingen mußte, da ich auch nicht älter war, als er selbst; »mein Sohn, ich ersuche Dich, Dir Einiges zu merken, was mein Mund Dir zu sagen hat. Wenn man die Wohnung eines Bilidschi betritt, so sagt man ihm einen Gruß, sonst wird man entweder für stumm oder für unwissend gehalten. Auch darf man die Rede nie zuerst beginnen, sondern muß warten, bis man angesprochen wird, denn der Hausherr hat das Recht, das Zeichen zum Beginn zu geben. Wer einen Andern beurtheilt, ohne ihn vorher kennen gelernt zu haben, der wird sich sehr viel irren, und vom Irrthum ist oft nur ein kleiner Schritt zur Demüthigung. Du wirst meine gut gemeinten Worte dankbar beherzigen, denn die Erfahrung hat die Pflicht, die Jugend zu belehren. Und nun magst Du mir sagen, welche Bitte Du auszusprechen hast!«

Der Mann hatte die Pfeife sinken lassen und öffnete den Mund vor Erstaunen über mein Verhalten. Jetzt aber platzte er rasch los:

»Es ist keine Bitte, sondern ein Befehl, welchen ich Dir bringe!«

»Ein Befehl? Mein Sohn, es ist sehr vortheilhaft, langsam zu sprechen, denn nur auf diese Weise vermeidet man es, Dinge zu sagen, welche man nicht überlegt hat! Ich kenne in Stambul keinen Menschen, der mir zu gebieten hätte. Du meinst wohl, daß Du selbst einen Befehl erhalten hast und in Folge dessen zu mir kommst, denn Du bist ein Untergebener, ich aber bin ein freier Mann. Wer sendet Dich zu mir?«

»Der Mann, welcher uns gestern kommandirte.«

»Du meinst den Mir Alai – –?«

Ich fügte den Namen hinzu, welchen ich gestern von dem Soldaten erfahren hatte. Der Jüsbaschi machte eine Bewegung der Bestürzung und rief:

»Du kennst ihn und seinen Namen?«

»Wie Du hörst! Hat er einen Wunsch an mich?«

»Ich soll Dir befehlen, nicht nach ihm zu forschen und von der gestrigen Begebenheit zu keinem Menschen zu sprechen.«

»Ich habe Dir bereits gesagt, daß mir Niemand etwas zu befehlen hat. Sage dem Mir Alai, daß die Begebenheit in der nächsten Nummer des Bassiret erscheinen wird! Da ich keine Befehle entgegennehmen kann, so ist unsere Unterredung beendet.«

Ich erhob mich und ging in das Nebenzimmer. Der Jüsbaschi aber vergaß vor Erstaunen sowohl das Sprechen als auch das Aufstehen, und erst nach einer ganzen Weile kam Halef, um mir zu melden, daß der Besuch mit einigen kräftigen Flüchen verschwunden sei.

Es war für gewiß anzunehmen, daß der Mir Alai sofort wieder schicken werde; ich fühlte aber keine Verpflichtung, auf seinen Boten zu warten, und rüstete mich zum Ausgehen. Mein Weg war nach dem Derwischkloster gerichtet, wo ich mit Ali Manach sprechen wollte. Ich fand ihn, wie gestern, in seiner Zelle, wo er saß und betete. Als er mich grüßen hörte, blickte er auf, und seiner Miene nach schien mein Besuch ihm nicht unangenehm zu sein.

»Sallam!« dankte er. »Bringst Du vielleicht wieder eine Gabe?«

»Ich weiß es noch nicht. Wie soll ich Dich nennen, Ali Manach Ben Barud al Amasat oder el Nassr?«

Mit einem schnellen Sprunge war er vom Divan empor und stand ganz nahe vor mir.

»Pst! Schweige hier!« raunte er mir ängstlich zu. »Gehe hinaus auf den Friedhof; ich werde in kurzer Zeit nachkommen!«

Ich ahnte, daß ich gewonnenes Spiel hatte; freilich mußte ich mir auch eingestehen, daß ich mich auf einige diplomatische Gesprächswendungen einrichten müsse, wenn ich mich nicht verrathen wollte. Ich verließ das Klostergebäude, schritt quer über den Hof und trat durch die Gitterpforte auf den Gottesacker.

Da ruhten sie, die Hunderte von Derwischen. Sie hatten ausgetanzt, und nun lag ein Stein zu ihren Häuptern, auf dem der Turban thronte. Ihre Komödie war ausgespielt. Wie werden sie über die ›Brücke der Prüfung‹ gelangen!

Ich hatte mich noch nicht weit zwischen die Gräber vertieft, als ich den Derwisch kommen sah. Er schritt, scheinbar in fromme Betrachtung versunken, einem abgelegenen Winkel zu, und ich folgte ihm. Wir trafen dort zusammen.

»Was hast Du mir zu sagen?« fragte er.

Ich mußte außerordentlich vorsichtig sein; darum antwortete ich:

»Erst muß ich Dich kennen lernen. Kann man sich auf Dich verlassen?«

»Frage den Usta; er kennt mich genau!«

»Wo ist er zu finden?«

»In Dimitri, bei dem Rum Kolettis. Bis gestern waren wir in Baharive Keui, aber man hat uns entdeckt und vertrieben. Der Usta wäre beinahe erschossen worden. Nur durch Schwimmen konnte er sich retten.«

Diese Worte sagten mir allerdings, daß Abrahim Mamur der Anführer dieser Freibeuter sei; er hatte mich also in Baalbeck nicht belogen. Aber der Derwisch hatte einen Mann genannt, der mich an ein früheres Ereigniß erinnerte. Hatte nicht jener Grieche, welcher während des Kampfes im ›Thal der Stufen‹ in meine Hände fiel, Alexander Kolettis geheißen? Ich erkundigte mich weiter:

»Sind wir bei Kolettis sicher?«

»Vollständig. Weißt Du, wo er wohnt?«

»Nein. Ich bin erst seit kurzer Zeit in Stambul.«

»Woher kommst Du?«

»Aus Damask, wo ich den Usta getroffen habe.«

»Ja, er war dort, aber das Werk ist ihm nicht gelungen. Ein fränkischer Hekim hat ihn erkannt, und er mußte fliehen.«

»Ich weiß es; er hat dem reichen Schafei Ibn Jacub Afarah nur einen Theil seiner Geschmeide abnehmen können. Ist es verkauft?«

»Nein.«

»Weißt Du dies genau?«

»Ganz genau, denn ich und mein Vater sind seine Vertrauten.«

»Ich komme, um dieser Sachen wegen mit ihm zu sprechen. Ich weiß einen sichern Mann, der Alles kauft. Hat er es sofort bei der Hand?«

»Es steckt im Thurm von Galata an einem sichern Orte. Vielleicht kommst Du zu spät, denn der Bruder Kolettis' hat auch einen Mann gefunden, welcher heut kommen will.«

Das machte mir Sorge, doch ließ ich mir nichts merken.

»Wo ist Barud el Amasat, Dein Vater? Ich habe eine wichtige Botschaft an ihn.«

»Bist Du treu?« fragte er nachdenklich.

»Probire es!«

»Er ist in Edreneh bei dem Kaufherrn Hulam zu finden.«

Jetzt erschrack ich förmlich, denn hier war gewiß wieder eine Heimtücke im Spiele, doch faßte ich mich schnell.

»Ich weiß es,« bemerkte ich zuversichtlich. »Dieser Hulam ist der Verwandte jenes Jacub Afarah in Damask und auch des Händlers Maflei hier in Stambul.«

»Ich sehe, Du weißt Alles. Ich kann Dir vertrauen.«

»So sage mir noch, wo sich Dein Oheim Hamd el Amasat befindet!«

»Auch diesen kennst Du?« frug er verwundert.

»Sehr genau. Er war in der Sahara und in Ägypten.«

Sein Erstaunen wuchs. Er schien mich für ein ganz bedeutendes Mitglied seiner sauberen Verbrüderung zu halten, denn er frug:

»So bist Du wohl gar der Usta in Damask?«

»Frage jetzt nicht, sondern antworte mir!«

»Hamd el Amasat ist jetzt in Skutari. Er wohnt bei einem fränkischen Kaufmann, welcher Galino oder Galineh heißt.«

»Galingré willst Du sagen.«

»Herr, Du weißt wahrhaftig Alles!«

»Ja; aber Eins weiß ich noch nicht. Wie nennt sich der Usta jetzt?«

»Er ist aus Koniëh und heißt Abd el Myrrhatta.«

»Ich danke Dir. Du wirst bald mehr von mir hören!«

Er antwortete auf meinen Abschiedsgruß mit einer Unterwürfigkeit, welche mir bewies, daß es mir vollständig gelungen war, ihn zu täuschen. Nun aber galt es, keinen Augenblick zu versäumen, sonst konnte meine jetzige Errungenschaft schnell wieder verloren gehen. Ohne mich erst zu Maflei zurück zu begeben, ritt ich nach Dimitri, um mich in dem Weinhause nach Kolettis zu erkundigen. Ich fand den Wirth nicht anwesend, aber sein Weib war da. Meine erste Frage war nach dem Barbier, und ich erfuhr, daß ein Arzt gekommen sei und ihn anders verbunden habe. Später, vor noch nicht langer Zeit, sei er abgeholt worden. Nun fragte ich nach Kolettis. Die Frau blickte mich ganz erstaunt an und sagte:

»Kolettis? So heißt ja mein Mann!«

»Ah! Das wußte ich nicht. Ist hier nicht ein Mann aus Koniëh zu finden, welcher Abd el Myrrhatta heißt?«

»Er wohnt bei uns.«

»Wo ist er jetzt?«

»Er ist nach dem Thurme von Galata lustwandeln gegangen.«

»Allein?«

»Mit dem Bruder meines Mannes.«

Das traf sich ja ganz außerordentlich! Wollten sie die Schmucksachen holen? Ich mußte ihnen nach. Ich erfuhr noch, daß sie erst vor ganz Kurzem fortgegangen seien. Ich erfuhr auch, daß Omar noch dagewesen war, als sie gingen, und er hatte gleich hinter ihnen das Haus verlassen. Der Rächer war also bereits hinter dem Mörder her. Ich stieg zu Pferde und trabte nach Galata hinab. In den finstern Straßen dieses Stadttheiles wimmelt es von Matrosen, Schiffssoldaten, schmutzigen Töpfern, Hammaliks, zudringlichen Schiffern, spanischen Juden und anderen eilfertigen Persönlichkeiten, so daß nicht leicht durch das Gedränge zu kommen ist.

Am größten wurde dieses Gedränge, als ich den Thurm erreichte. Es mußte irgend etwas ganz Außerordentliches geschehen sein, denn ich bemerkte ein Schieben und Stoßen, welches beinahe lebensgefährlich zu werden drohte. Ich bezahlte den Besitzer meines Miethgaules und trat hinzu, um mich zu erkundigen. Ein aus dem Chaos sich wieder heraus arbeitender Kaïkschi gab mir Auskunft:

»Es sind Zwei auf die Galerie des Thurmes gestiegen und über das Geländer gestürzt; sie liegen ganz zerschlagen auf der Erde.«

Da wurde mir Angst. Omar war den Beiden nachgegangen; war ihm vielleicht ein Unglück passirt?

Ich drängte mich mit aller Gewalt und Rücksichtslosigkeit vorwärts; ich hatte allerdings manchen Puff und Stoß, manchen Hieb und Tritt hinzunehmen, aber ich kam hindurch und sah nun innerhalb eines engen, von der Menschenmenge umschlossenen Kreises zwei menschliche Körper liegen, deren Anblick ein entsetzlicher war. Die Galerie des Genueserthurmes in Galata hat eine Höhe von ca. 140 Fuß; man kann sich also denken, wie die Leichen aussahen. Omar war nicht dabei, das sah ich an den Kleidern. Das Gesicht des Einen war unverletzt, und ich erkannte augenblicklich jenen Alexander Kolettis, welcher den Haddedihn wieder entkommen war. Aber wer war der Andere? Er war schlechterdings unmöglich zu erkennen. Er hatte einen fürchterlichen Tod gehabt, wie mir einer der Nahestehenden bemerkte, welcher es mit angesehen hatte. Es war ihm nämlich geglückt, schon während er im Stürzen war, mit der Hand den unteren Theil eines der Gitterstäbe zu erfassen; aber er hatte sich kaum eine Minute lang fest halten können, dann war er herabgestürzt.

Unwillkürlich warf ich einen Blick auf seine Hände. Ah, er hatte quer über die rechte Hand einen Schnitt; dies war jedenfalls diejenige, mit der er sich festgehalten hatte; er war nicht verunglückt, sondern er war herabgestürzt worden. Wo war Omar?

Ich drängte mich nach dem Thurme zu und trat ein. Ein Bakschisch erwarb mir die Erlaubniß, ihn zu besteigen. Ich eilte auf den fünf Steintreppen durch die fünf untersten Stockwerke, dann die nächsten drei Holztreppen bis in den Kaffeeschank empor. Nur der Kawehdschi war zu sehen, aber kein Gast. Bis hier herauf sind 144 Stufen zu steigen. Nun stieg ich noch die 45 Stufen bis zu dem Glockenstuhle empor, der mit Blech gedeckt und sehr abschüssig ist. Von hier aus schwang ich mich hinaus auf die Galerie. Ich suchte den etwa fünfzig Schritt betragenden Umkreis derselben ab und fand auf derjenigen Seite, wo unten die Todten lagen, mehrere Blutflecken. Es hatte ein Kampf Statt gefunden, ehe sie hinabgeworfen worden waren. Ein Kampf in dieser Höhe, auf glattem, abschüssigem Boden, und zwar Einer gegen Zwei, wie ich vermuthete! Es war schrecklich!

Ich stieg, ohne mich in der Kaffeestube zu verweilen, eilig wieder nach unten und lief nach Hause. Der Erste, welcher mir im Selamlik entgegentrat, war Jacub Afarah. Sein Gesicht glänzte vor Freude; er umarmte mich und rief:

»Emir, freue Dich mit mir; ich habe meine Juwelen wieder!«

»Undenkbar!« antwortete ich.

»Und dennoch ist es wahr!«

»Wie hast Du sie wieder erhalten?«

»Dein Freund Omar hat sie mir gebracht.«

»Woher hat er sie?«

»Ich weiß es nicht. Er gab mir das Packet und ging sofort hinüber in das Gartenhaus, wo er sich in seine Stube eingeschlossen hat. Er will keinem Menschen öffnen.«

»Ich werde sehen, ob er nicht mit mir eine Ausnahme macht.«

An der Thür des Gartenhauses stand Halef. Er trat mir nahe und sagte halblaut:

»Sihdi, was ist geschehen? Omar Ben Sadek kam nach Hause und blutete. Jetzt wäscht er sich die Wunde aus.«

»Er hat Abrahim Mamur getroffen und ihn vom Thurme gestürzt.«

»Maschallah! Ist es wahr?«

»Ich vermuthe es, doch wird es nicht viel anders sein. Natürlich dürfen nur wir davon wissen. Schweige also!«

Ich ging an Omar's Thür, pochte an und nannte meinen Namen. Er öffnete sogleich und ließ auch Halef eintreten. Er erzählte uns ganz unaufgefordert, was geschehen war.

Er war erst mit dem Arzte, den er zurückbegleitete, und dann wieder mit den Trägern, welche den Barbier holen sollten, nach Kolettis' Wohnung gekommen und hatte dort Abrahim Mamur und Alexander Kolettis im leisen Gespräche sitzen sehen, ohne jedoch einen von ihnen zu kennen. Er hatte einige zerstreute Worte ihres Gespräches vernommen und war aufmerksam geworden. Er stand auf und verließ das Zimmer, kehrte aber durch die zweite Thür des Flures in die leere Nebenstube zurück, wo er das Gespräch der Beiden hörte, da sie sich unbeachtet glaubten und also lauter redeten.

Sie hatten von den Kleinodien aus Damaskus gesprochen, welche sie aus dem Thurme holen wollten, wo einer der Wächter zu den Leuten Abrahim's gehörte. Omar kannte die Geschichte von dem Raube in Damaskus; er hatte sie von Halef gehört und glaubte nun, Abrahim Mamur gefunden zu haben. Der weitere Verlauf ihres Gespräches überzeugte ihn, daß seine Vermuthung die richtige sei, denn Abrahim erzählte von seiner gestrigen Flucht über das goldene Horn.

Der Lauscher kehrte nun in die Stube zurück und beschloß, den Beiden nach dem Thurme zu folgen. Er hatte sie so unbeobachtet belauschen können, weil die Wirthin draußen im Hofe beschäftigt gewesen war. Als sie gingen, folgte er ihnen. Sie waren mit einem der Wächter lange Zeit in dem schmutzigen Erdgeschoß des Thurmes geblieben, welches als Hühnerstall benutzt wird, und dann die Treppen emporgestiegen. Er folgte. In der Kaffeestube hatte Jeder eine Tasse getrunken; dann waren sie noch weiter hinauf gegangen, während der Wächter zurückkehrte. Auch hier folgte Omar. Als er die Glockenstube betrat, hatten sie draußen auf der Galerie gestanden und ihm den Rücken zugekehrt, im Glockenstuhle aber lag das Päckchen. Er war ihnen näher getreten und auf die Galerie hinausgestiegen, und da hatten sie ihn nun sehen müssen.

»Was willst Du?« hatte Abrahim gefragt. »Warst Du nicht soeben auch bei Kolettis?«

»Was geht das Dich an?« hatte Omar geantwortet.

»Willst Du uns vielleicht belauschen, Hund?«

Da hatte sich Omar erinnert, daß er ein Sohn der freien und tapferen Uëlad Merasig sei, und es war wie der Stolz und Muth eines Löwen über ihn gekommen.

»Ja, ich habe Euch belauscht,« hatte er freimüthig gestanden. »Du bist Abrahim Mamur, der Mädchenräuber und Juwelendieb, dessen Höhle gestern von uns ausgeräuchert worden ist. Die Rache ist Dir nahe. Ich grüße Dich von dem Emir aus Frankistan, der Dir Güzela wieder nahm und Dich aus Damask vertrieb. Deine Stunde ist gekommen!«

Abrahim hatte wie versteinert dagestanden; das hatte Omar benutzt und ihn blitzschnell ergriffen und über das Geländer hinausgeschwungen. Kolettis hatte einen Schrei ausgestoßen und nach dem Dolche gegriffen. Nur einen Augenblick lang hatten sie gerungen. Omar war im Nacken etwas tief geritzt worden, und das hatte ihm doppelte Kraft verliehen; auch der Zweite war über das Geländer hinausgeflogen. Da aber hatte Omar bemerkt, daß Abrahim sich mit einer Hand festgehalten hatte; er nahm sein Messer und versetzte dem Todesängstigen einen Schnitt über die Hand, welche nun nachließ.

Dies war so schnell geschehen, wie man es nicht erzählen kann. Er kroch wieder in den Glockenstuhl hinein, nahm das Packet und entfernte sich. Es gelang ihm, unten unbemerkt zu entschlüpfen, trotzdem sich bereits viele Menschen um die beiden Leichen versammelt hatten.

Das Alles erzählte er so gleichmüthig, als habe er etwas ganz Alltägliches gethan. Auch ich machte nicht viele Worte und verband ihm seine ungefährliche Schramme. Dann mußte er uns nach dem Vorderhause folgen, wo sein Bericht allerdings einen ganz anderen Erfolg hatte. Nur einige laute Ausrufe ausstoßend, sprangen Maflei, sein Bruder und Isla auf und rannten, ihre Muselmanns-Gravität ganz verleugnend, fort, um sich die Todten anzusehen. Sie kehrten erst nach längerer Zeit zurück und berichteten, daß man die Leichen einstweilen in das Erdgeschoß des Thurmes geschafft habe. Niemand kenne jene, und auch sie hatten mit keiner Miene verrathen, daß sie eigentlich Auskunft geben könnten.

Ich fragte Halef, ob er seinen alten Bekannten, den griechischen Dolmetscher Kolettis, nicht einmal ansehen wolle, und er antwortete darauf mit verächtlichem Achselzucken:

»Wenn es Kara Ben Nemsi oder Hadschi Halef Omar wäre, so würde ich hingehen:; dieser Grieche aber ist eine Kröte, die ich nicht sehen mag.«

Es dauerte lange, ehe Maflei mit seinen Verwandten sich in die Thatsache gefunden hatte und sich in Ruhe über dieselbe äußern konnte.

»Es ist dies keine genügende Strafe für ihn,« sagte Isla. »Ein kurzer Augenblick der Todesangst ist nicht genügend für Alles, was er gethan hat. Man hätte ihn lebendig in die Hände bekommen sollen!«

»Nun bleiben noch die beiden Amasat,« fügte sein Vater hinzu. »Ob wir wohl je Einen davon zu sehen bekommen werden?«

»Für Euch genügt der Eine: Barud el Amasat; der Andere hat Euch nichts gethan. Wenn Ihr mir versprecht, nicht gewaltthätig gegen ihn zu verfahren, sondern ihn dem Richter zu überliefern, so sollt Ihr ihn haben.«

Diese Worte riefen eine neue Aufregung hervor. Ich wurde mit Fragen und Bitten bestürmt, doch ich blieb fest und sagte nichts, bis ich das verlangte Versprechen erhalten hatte. Dann erzählte ich ihnen meine heutige Unterredung mit dem Derwisch.

Ich hatte kaum geendet, so sprang Jacub Afarah empor und rief:

»Allah kerihm! Ich errathe, was diese Menschen wollen. Sie haben es auf unsere ganze Familie abgesehen, weil Isla diesem Abrahim Mamur Senitza abgenommen hat. Erst sollte ich arm werden; das ist nicht gelungen. Nun gehen sie nach Adrianopel, und dann kommt auch Maflei dran; bei seinem Lieferanten beginnen sie bereits. Wir müssen sofort schreiben, damit Hulam und Galingré gewarnt werden!«

»Schreiben?« entgegnete Isla. »Das ist nichts! Wir selbst müssen nach Adrianopel gehen, um diesen Barud el Amasat zu fangen. Effendi, gehst Du mit?«

»Ja,« antwortete ich. »Es ist das Beste, was gethan werden kann, und ich begleite Euch, weil Adrianopel auf dem Wege nach meiner Heimat liegt.«

»Du willst heimkehren, Effendi?«

»Ja. Ich bin nun viel länger in der Ferne gewesen, als ich eigentlich beabsichtigte.«

Ich kann sagen, daß dieser Entschluß nur Gegner fand, doch als ich ihnen meine Gründe des Näheren auseinander setzte, gestanden sie mir ein, daß ich Recht habe. Während dieses ganzen Freundschaftsstreites war's nur Einer, welcher kein Wort sagte, nämlich Halef; aber es war seiner zuckenden Miene anzusehen, daß er eigentlich mehr zu sagen hatte, als alle die Andern.

»Und wann gehen wir?« fragte Isla, der es sehr eilig hatte.

»Sogleich!« antwortete Osco. »Ich mag keinen Augenblick verlieren, bis ich diesen Freund Barud el Amasat in meinen Händen habe.«

»Ich glaube, daß wir einiger Vorbereitungen bedürfen,« bemerkte ich. »Wenn wir morgen mit dem Frühesten aufbrechen, so ist es nicht zu spät, und wir haben den ganzen Tag vor uns. Fahren oder reiten wir?«

»Wir reiten!« entschied Maflei.

»Und wer geht mit?«

»Ich, ich, ich, ich!« rief es rund im Kreise.

Es stellte sich heraus, daß Alle mitreisen wollten. Nach einer längeren Debatte wurde beschlossen, daß sich Folgende betheiligen sollten: Schafei Ibn Jacub Afarah, welcher mit Barud eigentlich nichts auszugleichen hatte, aber diese seltene Gelegenheit, seinen Verwandten zu besuchen, einmal benützen wollte; Isla, der es sich nicht nehmen ließ, den Verräther seines Weibes fest zu fassen; Osco, der seine Tochter zu rächen hatte; Omar, welcher von Adrianopel nach Skutari wollte, um mit Hamd el Amasat abzurechnen; ich, der ich nach der Heimat wollte. Maflei hatte sich nur mit Mühe bestimmen lassen, zurückzubleiben; allein es war unbedingt nothwendig, daß die Interessen seines Geschäftes gewahrt blieben, und da Isla sich uns anschloß, war er es, der ausgeschlossen bleiben mußte.

Halef hatte kein Wort verloren; als ich ihn fragte, antwortete er:

»Denkst Du etwa, daß ich Dich allein ziehen lasse, Sihdi? Allah hat uns zusammengeführt, und ich werde bei Dir bleiben!«

»Aber denke an Hanneh, die Blume der Frauen! Du entfernst Dich immer weiter von ihr.«

»Sei still! Du weißt, daß ich stets thue, was ich mir einmal vorgenommen habe. Ich reite mit!«

»Aber einmal müssen wir uns doch trennen!«

»Herr, diese Zeit wird bald genug kommen, und wer weiß, ob wir uns dann im Leben noch einmal wiedersehen. Ich werde mich jetzt wenigstens nicht eher von Dir trennen, als die Andern, und bis ich weiß, daß Du dies Land verlässest!«

Er stand auf und ging hinaus, um jeden weiteren Einwand abzuschneiden; ich war also gezwungen, seine Begleitung anzunehmen.

Meine Reisevorkehrungen bereiteten mir wenig Mühe; ich brauchte mit Halef nur die Pferde zu satteln, so waren wir fertig. Eine Pflicht aber hatte ich vorher zu erfüllen: ich mußte Lindsay aufsuchen, um ihm das Geschehene und unser Vorhaben mitzutheilen. Als ich in seine Wohnung kam, war er soeben von einem Ausfluge nach Bujukdere zurückgekehrt. Er bewillkommnete mich, halb erfreut und halb schmollend, und meinte:

»Welcome! Schlechter Kerl! Zieht da hinauf nach Baharive Keui, ohne mich mitzunehmen! Was wollt Ihr bei mir, he?«

»Sir, ich muß Euch melden, daß ich nicht mehr in Baharive Keui wohne.«

»Nicht mehr? Ah! Schön! Zieht bald her zu mir, Master!«

»Danke! Ich werde morgen früh Constantinopel verlassen. Wollt Ihr mit oder nicht?«

»Verlassen? Ah! Oh! Schlechter Spaß! Yes!«

»Es ist Ernst; das versichere ich Euch!«

»Also wirklich? Warum so schnell? Habt ja dieses Nest kaum erst betreten!«

»Ich kenne es genugsam, und wenn diese Abreise auch schneller kommt, als ich es dachte, so mache ich mir nichts daraus.«

Ich erzählte ihm nun umständlich, was geschehen war.

Als ich mit meinem Bericht zu Ende war, nickte Lindsay befriedigt und meinte:

»Schön! Prächtig, daß dieser Kerl seinen Lohn erhalten hat! Werdet auch noch die beiden Andern bekommen. Well! Möchte gern dabei sein, kann aber nicht; bin engagirt.«

»Wodurch?«

»War auf dem Consulate und habe einen Vetter getroffen, auch ein Lindsay, aber kein David. Er will nach Jerusalem, versteht aber das Reisen nicht und hat mich gebeten, mitzugehen. Schade, daß Ihr nicht auch mitkönnt! Yes! Werde heut Abend Maflei besuchen, um Abschied zu nehmen.«

»Das ist es, was ich von Euch erbitten wollte, Sir. Wir haben im Verlaufe einiger Monate durchgemacht, was Andere während der ganzen Zeit ihres Daseins nicht erleben, und das kettet zusammen. Ich habe Euch sehr lieb gewonnen, und das Scheiden thut mir weh, aber man muß sich in das Unvermeidliche fügen; es bleibt ja doch die Hoffnung auf ein Wiedersehen!«

»Yes! Oh! Ah! Well! Wiedersehen! Miserables Scheiden! Gefällt mir ganz und gar nicht!« meinte er mit unsicherer Stimme, indem er mit der einen Hand seine Nase beruhigte und mit der andern nach dem Auge langte. »Aber da fällt mir ein: Was wird mit dem Pferde?«

»Mit welchem?«

»Mit dem Eurigen – Rih!«

»Was soll da werden? Ich reite es.«

»Hm! Immer? Nehmt Ihr es mit nach Deutschland?«

»Das weiß ich noch nicht.«

»Verkauft es, Sir! Das macht ein schönes Geld. Überlegt es! Wenn Ihr es auch jetzt noch braucht, so bringt es doch wenigstens später nach Old England. Ich handle nicht, sondern bezahle, was Ihr verlangt. Well!«

Dieses Thema war mir nicht sehr angenehm. Was konnte ich als armer Literat mit einem solchen Pferde thun? In der Heimat trat ich ja in Verhältnisse, welche mir durchaus verboten, ein Reitpferd zu halten. Aber verkaufen? Das Geschenk des Scheik der Haddedihn? Und welch' einen Herrn würde mein wackerer Rappe bekommen! Nein; ich konnte ihn allerdings nicht behalten, aber verkauft wurde er sicherlich auch nicht; ich wußte, was ich zu thun hatte! Ich war dem herrlichen Thiere, welches mich durch so manche Gefahr getragen hatte, schuldig, ihm einen Herrn zu geben, der es zu behandeln verstand. Es sollte nicht im kalten Norden verkommen; es sollte die Weiden des Südens, es sollte sein Geburtsland, die Lagerplätze der Haddedihn wiedersehen.

Da wir uns am Abend treffen wollten, so brauchte ich mich nicht lange bei Lindsay zu verweilen. Ich ging noch einmal nach der Gesandtschaft, wo ich abermals den Kanzler traf. Er erzählte mir, daß der angebliche Barbier aus Jüterbogk uns keine Mühe mehr mache, da er gestorben sei. Man war mit ihm nicht sonderlich rücksichtsvoll verfahren; er hatte gestehen müssen, wer und was er sei, und so hatte man erfahren, daß er aus einer der kleinen Residenzen Thüringen's stamme und ein entwichener Verbrecher sei. Ich bemitleidete den jungen Mann, der bei seinen ungewöhnlichen Fähigkeiten ganz andere Aussichten gehabt hatte, als so elendiglich in dem fernen Lande um das Leben zu kommen.

Der Kanzler begleitete mich bis an die Thür. Noch standen wir daselbst, einige höfliche Worte wechselnd, als zwei Reiter an uns vorüber kamen. Ich beachtete sie nicht, aber der Eine hielt sein Pferd an und dadurch wurde der Andere gezwungen, ein Gleiches zu thun. Der Kanzler trat mit einem Abschiedsgruße in das Haus zurück, und ich schickte mich an, den Platz zu verlassen, als ich den einen Reiter rufen hörte:

»Maschallah, ist es wahr? Emir!«

Galt dies mir? Ich wandte mich um. Die beiden Reiter waren Offiziere. Der Eine von ihnen war – jener Mir Alai, dessen Boten ich heut so höflich empfangen hatte, und der Andere, welcher in dem gleichen Range stand, war jener Adjutant, den ich bei den Dschesidi am Bade erwischt hatte, und der sich mir dann so dankbar erzeigte.

Ich trat hinzu, herzlich erfreut, den Mann wiederzusehen, und reichte ihm die Hand, die er mir freundlich schüttelte.

»Sallam, Effendi!« grüßte ich. »Erinnerst Du Dich noch der Worte, welche ich sprach, als wir schieden?«

»Was sagtest Du?«

»Ich sagte: ›Möge ich Dich als Mir Alai wiedersehen!‹ Und Allah hat meinen Wunsch erfüllt. Aus dem Nasir Agassi ist der Commandeur eines Regimentes geworden.«

»Und weißt Du, wem ich dies zu verdanken habe?«

»Nein.«

»Dir, Emir. Die Dschesidi hatten sich bei dem Großherrn beschwert, und der Statthalter von Mossul wurde bestraft nebst vielen Anderen. Der Anadoli Kasi Askeri kam und untersuchte die Angelegenheit; sein Urtheil war gerecht, und da ich mich der Dschesidi um Deinetwillen ein wenig angenommen hatte, wurde ich befördert. Erlaubst Du mir, Dich einmal zu besuchen?«

»Du sollst mir von Herzen willkommen sein! Aber leider ist es heut der letzte Tag, an welchem ich in Stambul bin. Morgen früh reise ich ab.«

»Wohin?«

»Nach dem Abendlande. Ich habe das Morgenland besucht, um die Sitten und Gebräuche desselben kennen zu lernen, und werde den Bewohnern des Abendlandes sehr viel zu erzählen haben, was sie nicht für möglich halten.«

Diese Worte waren mit einer kleinen Malice gegen seinen Begleiter gesprochen; er mochte den Stich fühlen, denn er sagte:

»Ich habe heute abermals nach Dir geschickt, aber Du warst ausgegangen. Erlaubst Du, daß ich zu Dir komme?«

Ah, der Umstand, daß der Andere so freundlich und achtungsvoll mit mir sprach, schien seine Wirkung zu haben! Ich antwortete kalt:

»Ich werde Dich empfangen, obgleich die Zeit mir karg bemessen ist.«

»Wann?«

»In einer Stunde; später nicht.«

»Allah akbar, auch Ihr kennt Euch!« verwunderte sich Nasir. »Gut, so kommen wir zusammen!«

Er reichte mir die Hand zum Abschiede, worauf wir uns trennten. Ihm hätte ich am allerwenigsten zu begegnen vermuthet. Es war wirklich, als ob mir hier in Constantinopel eine Recapitulation meiner Erlebnisse beschieden sei.

Auf dem Heimwege hatte ich Gelegenheit, mir noch Einiges einzukaufen, was ich für die bevorstehende Reise brauchte. Ich war zwar überzeugt, daß mein Gastfreund alle bei dem Ritte entstehenden Kosten tragen werde, aber ich wollte mich doch nicht ganz und gar von seiner Dankbarkeit abhängig machen.

Als ich meinem Halef erzählte, daß ich Nasir Agassi begegnet sei, und daß derselbe mich besuchen werde, hatte er große Freude. Er begann sofort, die Pfeifen zu reinigen und noch manches Andere vorzubereiten, was gar nicht nothwendig war, und gab mir sogar höchst ernsthaft zu verstehen, daß der Mir Alai, dessen Jüsbaschi wir heute an der Thüre hatten sitzen lassen, nun höflich zu behandeln sei, da er mit einem Freunde und Bekannten von uns komme.

Die Stunde war noch nicht vergangen, so traten die beiden Offiziere bei mir ein. Sie wurden herzlich empfangen und nach Möglichkeit bewirthet. Ich merkte es, daß sie von mir gesprochen hatten, denn das Benehmen des Älteren war ein außerordentlich verbindliches. Das Gespräch drehte sich natürlich meist um unsere Erlebnisse bei den Teufelsanbetern. Ich erzählte auch mein Zusammentreffen mit dem Makretsch von Mossul und erfuhr, daß ihn die Soldaten wohlbehalten nach Mossul zurückgebracht hätten, worauf er dann verschwunden sei. Der Anadoli Kasi Askeri wußte sicher, in welchem Gefängnisse sich der abgesetzte Richter befand.

Als wir nahe am Scheiden waren, erinnerte sich der Andere daran, daß es nun an der Zeit sei, seine Angelegenheit zu regeln.

»Emir,« frug er, »ich habe gehört, daß man morgen etwas im ›Bassiret‹ lesen wird. Kann dies nicht rückgängig gemacht werden?«

Ich zuckte die Achseln und antwortete langsam und nachdrücklich:

»Du bist mein Gast, Effendi, und ich bin gewohnt, allen Menschen, also auch meinen Gästen, die ihnen gebührende Ehre zu erweisen; aber erlaube mir, aufrichtig mit Dir zu sein! Wenn ich nicht gewesen wäre, so lebtest Du heut nicht mehr; was ich that, das that ich als Mensch und Christ, und ich fordere dafür keine Belohnung; doch hättest Du das berücksichtigen sollen. Anstatt dessen aber behandeltest Du mich gestern wie einen Deiner Soldaten, und heut schickst Du mir sogar diesen Jüsbaschi zu, welcher es wagt, mir befehlen zu wollen. Du darfst mir nicht zürnen, daß ich dies gerügt habe. Ich bin nicht gewohnt, behandelt zu werden wie ein Mann, der griechische Weinhäuser besucht, um sich ein Vergnügen zu machen; ich denke, daß ich gestern mehr als meine Schuldigkeit gethan habe, und wenn Du bereit bist, mir einen Wunsch zu erfüllen, so mag die ganze Angelegenheit vergessen sein.«

»Sage diesen Wunsch!«

»Deine Rettung hast Du eigentlich einem braven Juden zu verdanken. Er wohnte neben mir und hat mich auf die Öffnung aufmerksam gemacht, durch welche ich Dich aus der Taverne entführte. Du hast diese Spelunke in Brand stecken lassen, und ihm ist durch das Feuer sein ganzes Besitzthum verloren gegangen. Wolltest Du diesem armen Manne eine kleine Entschädigung geben, so würdest Du ihn glücklich machen, und ich würde Dich für einen Mann halten, dem ich ein freundliches Andenken widmen kann.«

»Ein Jude ist er? Weißt Du, Effendi, daß ein Moslem einen Juden verachtet, der eines andern Glaubens ist? Ich werde – –«

»Effendi!« unterbrach ich ihn mit stärkerer und sehr ernster Stimme, »bedenke, daß auch ich kein Moslem bin! Du selbst bist ein Inselgrieche und erst vor kurzer Zeit zur Lehre Muhammed's übergetreten. Wenn Du den Christen verachtest, so bedauert er Dich dafür, und was mich betrifft, so würde ich niemals das verachten und verleugnen, was ich so lange gewesen bin!«

»Emir, ich meinte ja nicht Dich! Wo befindet sich der Jude?«

»Der Arme genießt die Gastfreundschaft dieses Hauses.«

»Willst Du ihn einmal rufen lassen?«

»Sogleich!«

Ich schickte Halef, und gleich darauf trat Baruch ein. Der Mir Alai maß ihn mit kaltem Auge und frug, nur halb zu ihm gewendet:

»Deine Sachen sind Dir gestern verbrannt?«

»Ja, Herr,« antwortete Baruch demüthig.

»Hier, nimm dafür. Kaufe Dir andere!«

Er griff in seine Börse und reichte ihm etwas dar, was ich nicht erkennen konnte; aber an der Stellung seiner Finger bemerkte ich, daß es nicht sehr viel sein konnte. Der Jude bedankte sich und wollte sich entfernen; ich aber hielt ihn zurück.

»Halt, Baruch Schebet Ben Baruch Chereb. Zeige mir, was Du empfangen hast! Der Effendi wird mir meine Neugierde verzeihen, denn ich will es ja nur sehen, um ihm mit Dir danken zu können;«

Es waren zwei Goldstücke zu fünfzig und zwanzig Piaster, in Summa also siebzig Piaster oder zwölf bis vierzehn Mark nach deutschem Gelde. Das war mehr als sparsam und auch mehr als geizig; das war lumpig. Ich konnte mir denken, daß der Mir Alai gestern, bevor er die Erlaubniß zum Plündern gab, alles im Hause vorgefundene Geld an sich genommen und jedenfalls auch die Taschen der Todten und Gefangenen durchsucht hatte. Zwar war es mir nicht eingefallen, aber ich kannte die Art und Weise dieser Herren zur Genüge.

Deßhalb frug ich ihn jetzt:

»Du hast Deine dreitausend Piaster wieder erlangt, Effendi?«

»Ja.«

»Und diesem Manne, dem Du sie verdankst und das Leben dazu, gibst Du fünfundsiebenzig für sein verbranntes Eigenthum? Schenke ihm tausend, so scheiden wir als gute Freunde, und im ›Bassiret‹ wird Dein Name nicht genannt!«

»Tausend, Emir? Wo denkst Du hin? Er ist ein Jude!«

»Ganz wie Du willst! Baruch, gib ihm die fünfundsiebzig wieder! Wir werden nachher zum Kadi gehen, Du als Kläger und ich als Zeuge. Wer Dir Dein Eigenthum verbrannt hat, der muß es Dir ersetzen, selbst wenn er ein Regiment kommandirt und mein Gast gewesen ist. Ich werde mich durch den Gesandten meines Herrschers beim Divan erkundigen lassen, ob der Sultan seinen Offizieren erlaubt, die Straßen Stambul's niederzubrennen! «

Ich stand auf und gab das Verabschiedungszeichen, auch die beiden Gäste erhoben sich, und der Jude näherte sich dem Mir Alai, um ihm sein Geld zurückzugeben; dieser aber winkte ihn von sich ab und sagte mit unterdrücktem Grimme:

»Behalte es! Ich werde Dir das Fehlende senden!«

»Thue dies bald, Effendi,« bemerkte ich, »denn in einer Stunde gehen wir zum Richter!«

Das war eine keineswegs angenehme Scene, aber ich mache mir noch heut keine Vorwürfe darüber, daß ich den Weg der Nöthigung betrat, um den Offizier für seine Arroganz zu bestrafen und dem armen Juden zu einer Entschädigung zu verhelfen. Tausend Piaster klingt allerdings wie eine große Summe, aber es sind doch nur im höchsten Falle zweihundert Mark; damit war dem braven Baruch geholfen, wenn es auch zu wenig war, um einen Handel mit ›Juwelen und Alterthümern‹ damit zu begründen.

Der Mir Alai verließ mit einem stolzen Kopfnicken das Zimmer; Nasir aber nahm den freundlichsten Abschied von mir.

»Emir,« sagte er, »ich weiß, wie schwer es Dir wird, mit einem Gaste so scharf zu sprechen; aber ich hätte es an Deiner Stelle wenigstens ebenso gemacht. Er ist ein Günstling des Ferik-Pascha, weiter nichts. Lebe wohl, und gedenke meiner, wie ich auch Dein gedenken werde!«

Noch vor dem Verlaufe einer Stunde brachte ein Onbaschi einen Beutel, welcher die an den tausend Piastern fehlende Summe enthielt. Baruch tanzte vor Freude, und seine Frau nannte mich den gütigsten Effendi der Welt und versprach, mich täglich in ihr Gebet einzuschließen. Das Glück der alten Leute söhnte mich mit meinem Bruch der Gastfreundschaft vollständig aus.

Am Abend waren wir alle vereint; es gab ein Abschiedsmahl, bei dem sich auch Senitza einfand. Sie als Christin durfte uns ihr Gesicht sehen lassen, wenn Isla ihr auch nicht erlaubte, unverschleiert auf die Straße zu gehen. Sie ging mit uns noch einmal ihre Erlebnisse durch: die Trauer, in welcher sie bei ihrer Gefangenschaft befangen gewesen war, und das Glück, als sie sich aus Abrahim Mamur's Gewalt gerettet sah.

Am Schlusse nahm Lindsay Abschied. Seine Nase war so ziemlich von ihrer Beule befreit, so daß er sich auch wieder in London zeigen konnte. Als er ging, begleitete ich ihn nach seiner Wohnung. Dort entkorkte er noch eine Flasche Wein und gab mir die Versicherung, daß er mich wie einen Bruder liebe.

»Bin mit Euch vollständig zufrieden,« meinte er. »Nur Eins ärgert mich.«

»Was wäre das?«

»Habe mich von Euch herumschleppen lassen, ohne einen einzigen Fowling-Bull zu finden. Verdrießliche Geschichte! Yes!«

»Ich glaube, es gibt in England auch welche zu finden, die man gar nicht auszugraben braucht. Da laufen vielleicht genug John-Fowling-Bulls herum!«

»Soll das mir gelten?«

»Fällt mir gar nicht ein, Sir!«

»Habt Ihr Euch das mit dem Pferde überlegt?«

»Ja, ich verkaufe es nicht.«

»So behaltet es. Aber Ihr müßt trotzdem einmal nach England kommen; in zwei Monaten bin ich daheim. Verstanden? Und nun noch Eins! Ihr seid mein Führer gewesen, und ich habe Euch Euer Salair noch nicht bezahlt. Hier, nehmt!«

Er schob mir ein kleines Portefeuille zu.

»Macht keinen dummen Spaß, Sir!« sagte ich, es zurückschiebend. »Ich bin als Freund und Genosse mit Euch geritten, nicht aber als Euer Diener, den Ihr zu bezahlen habt.«

»Aber Master, ich denke, daß –«

»Denkt, was Ihr wollt, aber nicht, daß ich Geld von Euch nehmen werde,« unterbrach ich ihn. »Lebt wohl!«

»Werdet Ihr wohl gleich diese Brieftasche nehmen?«

»Adieu, farewell, Sir!«

Ich umarmte ihn schnell und eilte zur Thüre hinaus, ohne auf sein Rufen zu achten, welches hinter mir erscholl.

Den Abschied am andern Morgen von Maflei und Senitza kann ich übergehen. Als die Sonne sich im Osten erhob, hatten wir beinahe schon Tschatalsche erreicht, durch welches die Straße über Indschigis und Wisa nach Adrianopel führt. – – –

Sieh den Abschnitt 'Stambul' im IX. Jahrgang des 'Deutschen Hausschatzes'. Die Fortsetzung dieser Reise-Erinnerungen hat sich deßhalb so lange verzögert, weil der Herr Verfasser – kaum von einer großen Reise nach Deutschland zurückgekehrt – einen Ausflug nach Ägypten während des verflossenen Sommers gemacht hat. D.R.


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