Fritz Mauthner
Nach berühmten Mustern
Fritz Mauthner

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J. V. Scheffel.

Humor ist mit Rechten naß –
Incipit fidelitas.

Der Peter von Säkkingen.

                 

'ktober war's und gutes Weinjahr.
Denn ein fruchtbarer Kometschwanz
Zeitigt' Trauben, zeitigt' Liebe.
Selbst ein wenig mostbenebelt
Schwankt einher der helle Luftlump
Und er denkt im hohlen Innern:
»'s ist ein hundemäßig Dasein,
Für die Menschen Wein zu kochen,
Für die Menschen Vers zu schreiben,
Menschen, die sich keck noch über
Unsereinen lustig machen.
Lieb wär's mir und unsrem Vollwerth
Angemess'ner, wenn wir uns an
Wein und Vers allein berauschen
Könnten, heimlich, ohne Zeugen,
Unbelauscht vom Nachtfernrohrglas,
Welches unsrem Schwanze nachforscht,
Unsrer Gangart Wanken anmerkt,
Nachspürt, ob uns nicht der Kern fehlt.« –
Und Komet zieht fluchend weiter,
Zieht gleichgiltig über Deutschlands
Abgeschaffte Urmainlinie,
Zieht dann über altes Raubschloß,
Wo noch heut' ein alter Freiherr
Mit der Tochter Grethe Liebreiz
Bürgerlicher Trinker Herz plackt.
Schimpfen hört Komet den Freiherrn:
»Bin, weiß Gott! kein Feind des Rheinweins!
Junger Bursch dünkt mich nicht schlechter,
Wenn er allzu tief in's Glas schaut.
Aber auch die schönste Sauflust
Die als Mann ich anerkenne,
Doch als Vater muß verleugnen,
Giebt kein Recht auf Freiherrntöchter.
Daß Du trinkst, das freut mich, Peter.
Doch dafür, daß Du der Tochter
Junges Herz mir willst entwenden
Dafür soll der Teufel lothweis' . . .«
Eilig flog's die Treppen 'runter.
Eilig flog Komet rheinaufwärts,
Dacht in seinem tiefen Lichtkern:
»Hier wird Einer 'rausgefeuert!«

Abschiednehmen, Abschiedsthränen!
Wer hat euch zuerst erfunden?
Als zu Askalon im Walfisch
Nubierländ'scher grober Hausknecht
Braven Burschen vor die Thür warf,
Als am Marmortisch 'ne Flasch' da
Baktrerschnapses halb geleert kaum,
Damals floß die erste echte
Warmgefühlte Abschiedsthräne.

Grethe stumm auf ihr ClosetScheffel: Ekkehard, S. 3, Zeile 11 v. u. ging,
Rang das fein battistne Schneuztuch
Und sie dachte: »Armer Peter!
Küssen kannst Du, trinken kannst Du!
Warum bist Du nicht von Adel?«

Vor dem Schloßthor schlich der alte
Cyniker, der Epenchorhund.
Herr Philosophieprofessor
Außer Diensten war sein Titel,
Hiddiwauwau war sein Name.
Ernst T. Amadeus Hoffmann
War – durch Kater Murr – sein Vater
Und auch Immermannes rühmte
Er sich als 'nes Blutsverwandten.
Hiddiwauwau sah voll Wehmuth,
Wie der arme Peter fortzog,
Und er dachte bei sich knurrend:
»Warum trinken denn die Menschen
Ueber'n Durst höchst unmanierlich?
's ist nicht Stolz, sie thun's auch heimlich.
's ist nicht Haß, sie thun's ganz heiter.
's kann auch nicht allein zum Löschen
Eines innern Brands geschehen,
Denn ich sah's auch Alte üben,
Kalte Herren, welche erst 'ne
Inn're Hitz' erzeugen wollten.
Warum also, frag' umsonst ich,
W'rum betrinken sich die Menschen?
W'rum wohl allermeist im Spätherbst?
Ueber diese Punkte will ich
Abends in der Hundehütte
Noch ein Stündlein spintisiren.« –

Also dachte Hiddiwauwau,
Schrieb ein Lied hinein in's Tagbuch,
Folgt im Geist dem armen Peter,
Der ein dürft'ger fahrend Schüler
Fürbaß zog auf allen Wegen
Und auf ihnen auch nach Rom kam.

* * *

Wie der Peter in der Fremde
Von dem dunklen Trödler kummt,
Der ihm abnahm 's letzte Hemde,
Solches Lied er vor sich summt.

Lied Jung Peter's.

Das war der Herr von Radolfszell,
Der sprach: »Daß Gott mir helf!«
Trank vor dem Schlafengehn noch schnell
Der Seeweinschoppen zwölf.
»Seewein! Grimmender Blähwein!
Weiß noth, wie mir geschicht.
Er schmeckt mir nicht, er fleckt mir nicht.
Der Seewein täugt mir nicht!

Einst trank ich Rauenthaler Stoff
Und Ekkehard gelang,
Und als ich Wein aus Capri soff,
Jung Werner's Lied erklang.
Seewein! Blähender Schlehwein!
Ruhm, Gut mir nicht gebricht.
Doch schmeckt's mir nicht und fleckt's mir nicht.
Ruhm, Gut, das täugt mir nicht.«

Du edler Herr auf Radolfszell,
Kehr' um nach Heidelberg!
Student werd' wieder, Sanggesell!
Seewein ist Teufelswerk.
Flöhwein! Windiger Wehwein!
Er macht den Kopf nicht licht.
Er schmeckt dir nicht, er fleckt dir nicht.
Dein Seewein täugt uns nicht!

* * *

's war in Rom. Der Tiber wälzte
Brummend die antiken Wogen:
»Höchst barbarisch 'rumgebuddelt
Wird mein Bett, was gar nicht schicklich.
Bei der Brücke sollten graben,
Würden Hüt' vieltausend finden,
Wie sie frohen deutschen Burschen
Von den Köpfen flogen, wenn sie
Nachts die Tiberbrück' passirten,
Finden manchen alten Adam,
Welchen wackre deutsche Männer,
Luther, Winckelmann und Goethe,
Hier in Roma ausgezogen.«

Deutsches Fräulein kam zur Wallfahrt.
Grethe hieß sie. Suchte Heilung
Sich durch Römerwundertropfen.
Innocentius der Elfte
War kein trüber Spaßverderber,
Schickt das schöne deutsche Fräulein
In des Vatikanes Keller,
Wo gar mancher gute Tropfen
Schweren Sorgen Lind'rung darbeut.

Grethe tritt in düstern Keller,
Sieht bei einem dünnen Talglicht,
Sieht den braven Kellermeister.
Wetter! Steht er da der Peter!
Und das schöne deutsche Fräulein
Liegt im Arm des Kellermeisters. –
Weidlich lacht der gute Papst, da
Er den Hergang hat vernommen.
Weise spricht er: »Petern acht' ich,
Ist kein dummer Schatzbewahrer,
Wie mein Bibliothekarjus,
Der der Bücherei Juwelen
Hütet ohne je zu stehlen,
Ja, gar ohne je zu borgen.
Nein, der kennt den Keller, den er
Treu und fleißig durchstudiert hat.
Einem so gelehrten Trinker
Wär' verwehrt 'ne Freiherrntochter,
Weil der Peter nicht von Adel?
»Wer am meisten trinken kann, ist –
Nach geweihter Sitte – König.«
Kann ich auch – anathema sit! – –
Leider nicht mehr König schaffen,
Kann ich doch zum Ritter schlagen.
Peter sei hinfüro Ritter,
Aber Kellermeister bleib er.
Kann für so ein feines Hofamt,
Nicht des Deutschen Namens missen.
Ritter sei er und zwar taxfrei!« –

* * *

Wieviel Fässer edlen Rheinweins
Bei der stillen Hochzeitsfeier
Lustig wurden verschlampampet,
Hat die dürft'ge Chronik leider
Uns genau nicht aufgezeichnet.
Eins nur weiß die Weltgeschichte:
Tags darauf – den »lendemain« nennt's
Die verfeinerte Gesellschaft –
Stieg der Häring hoch im Preis.



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