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Georg Ebers.
Mumienmoder, Todtengraus – Maskenscherze lächeln draus. |
Eine Erzählung aus dem alten Ägypten.
Die SonneHieroglyphische Inschriften in dem ältesten Tempel von Memphis machen es höchst wahrscheinlich, daß schon in so entlegenen Zeiten die Sonne auf die Erde geschienen habe. Es ist darum gar kein Grund vorhanden, weßhalb es nicht auch Photographen gegeben haben sollte. schien glühend nieder auf das Land der Pharaonen. Es war kurz nach dem großen Siege des Pharao Wilih-Elempsi I., welcher ganz Nordägypten unter seinem Szepter vereinigte; nur Südägypten widerstrebte noch, sonst könnten wir bereits von einem einigen »ägyptischen Reiche« sprechen. Feindliche Nachbarn waren emsig bemüht, das Werk der Einigung zu hintertreiben. Im Westen lauerte der tückische König der Frenkis; er hatte eine krumme Nase und dickbäuchig, mattäugig, schnurrbartspitzig war sein Ausdruck. Im Süden, jenem verbunden, nährte der Oberpriester Klephth IX.Ein Fries im Tempel von Gizeh stellt einen Zug von Priestern dar, in welchem, gemäß den Gesetzen des Basreliefs, einer auf den andern folgt. Es steht nichts im Wege, den neunten in der Reihe dadurch auszuzeichnen, daß wir ihn, wenn er wirklich Klephth hieß, »Klephth IX.« nennen. Gewiß ist, daß im alten Aegypten die Zahl 9 bereits bekannt war. Siehe: Ebers, Aegypten, Seite 9. die Unzufriedenheit der Südägypter.
Ua-Ghusta, ein holdes Mädchen aus der Kaste der WeißnäherinnenDie Binden von Linnen, in welche die Mumien eingehüllt sind, lassen keinen Zweifel darüber, daß es eine Kaste der Weißnäherinnen im alten Aegypten gegeben hat. Ob auch Nähmaschinen? Ich persönlich bin der festen Ueberzeugung, daß eine vollständig verwitterte Zeichnung auf dem bekannten Obelisk »Nadel der Kleopatra« eine solche Nahmaschine darstellt. Warum hieße das Werk sonst auch »Nadel der Kleopatra«?, unterließ es niemals, am heiligsten Tage des Jahres die Todtenstadt zu besuchen, allwo sie die Grüfte der drei Bräutigame, deren sie bereits genossen, mit geweihten Oelen zu benetzen beflissen war. Weißnäherin war sie und weiß war darum ihr Gewand, wie das Gewand der Göttin Isis. Nach gethaner Arbeit pflegte sie auf einem öden Felde hinter der Todtenstadt zu rasten und nach dem Geliebten ihrer Seele auszublicken. BlaubeerenEine genaue Untersuchung des berühmten Papyrus Cactus L. im britischen Museum läßt es als Thatsache erscheinen, daß die alten Aegypter die süße Frucht der Blaubeere und ihre heilsame Wirkung wohl gekannt haben. wuchsen reichlich auf dem Felde. Den Genuß derselben hatte der weise Arzt Nebbsicht ihr gerathen, denn derselbe war HomöopathEs ist bekannt und durch die dichtbevölkerten Todtenstädte bewiesen, daß es Homöopathen und andere Aerzte schon im alten Aegypten gegeben hat. Siehe: Papyrus Ebers. und wußte Bescheid in den Heilkräften der Natur.
Als die schlanke Ua-Ghusta eines morgenländischen Abends einmal wieder also dasaß, betraten drei KinderDie Existenz von Kindern im alten Aegypten zu bestreiten, kann nach den eingehenden Forschungen von Champollion und Lepsius nur eingefleischten Skeptikern einfallen. Schon die Auffindung zahlreicher Kindermumien ist für mich beweiskräftig. das Feld, um Blaubeeren zu suchen. Neben Ua-Ghusta aber weidete eben eine liebliche KuhDie Kuh war das heilige Thier der Isis. Ihr Gatte hieß Osiris. Unter den alten Aegyptern lebten, wie zahlreiche Bildwerke beweisen, Kühe und Ochsen in großer Zahl.. Da zweifelten die Kinder nicht im Mindesten, sondern stürzten auf die Kniee nieder und beteten zu der Göttin Isis. Und eilten nach Memphis und berichteten daselbst, daß sie die ehrwürdige Allmutter Isis mit ihrer Kuh auf dem Blaubeerenfelde geschaut hätten.
Neben dem Blaubeerenfelde stand von Alters her das WirthshausLeider gab es im alten Aegypten auch Wirthshäuser, und zwar wurden dieselben sowohl von Männern als von Frauen besucht. Mein gelehrter Kollega, der in Assyrien das Wirthshaus »zum schwarzen Walfisch« entdeckt hat, ist noch den keilschriftlichen Beweis für seine Namengebung schuldig geblieben. Uebrigens war das Trinken im alten Aegypten auch verboten. Papyrus Anastasi IV. »zur Isis«. Dasselbe hatte von Stund' an großen Zuspruch, da die Einwohner von Memphis begierig waren, die Allmutter Isis zu sehen. Da trat Ua-Ghusta aus der Kaste der Weißnäherinnen aus und wurde Isis. Sie erhielt vom Wirthe »zur Isis« ein auskömmliches Gehalt und mußte dafür des Abends in seinem Sommergarten unter dem Schatten von Platanen und SykomorenHehn, Kulturpflanzen &c. zum Klange ihrer HarfeWiikinson, II. 20. tanzen und singen.
Mit Trauer nur vernahm Ua-Ghusta's Geliebter den Standeswechsel seiner HerzensblumeDie alten Aegypter pflegten Vergleiche aus dem Pflanzenreiche anzuwenden, wenn sie verliebt waren.. Er hieß Me-Jer und gehörte der Kriegerkaste an. Doch durfte er jetzt nicht an Liebesangelegenheiten denken. Krieg war entbrannt zwischen seinem Herrn, dem Pharao Wilih-Elempsi I., und dem Könige der Frenkis. Zu gleicher Zeit erhob sich der Oberpriester Klephth IX., um die unzufriedenen Südägypter gegen den Pharao zu empören.
Wild wogte Kampf. »Was kraucht dort im Nilschlamm herum?« fragten einander mit besorgter Miene die Heerführer. »Es ist, es ist Nephtherium!« antwortete brüllend wie aus einem Munde die Kriegerkaste. Und mitten aus dichtestem PulverqualmOb die alten Aegypter das Pulver kannten? Unbedingt. denn das Nitroglycerin war noch nicht erfunden. Auch hatten sie schon Regeln zur Behandlung von Hieb- und Stichwunden aufgestellt. hervor rissen sie den König der Frenkis und Me-Jer legte den Gefangenen selbst nieder zu den Füßen seines Herrn. Großer Ruhm ward ihm dafür. Er aber gedachte am Lagerfeuer nicht seines Ruhmes, sondern seiner fernen Ua-Ghusta und ihres Standeswechsels. Streng hatte der Wirth »zur Isis« ihr das Heirathen verwehrt.
Indessen zitterte in seinem Tempel der Oberpriester vor den Folgen des Sieges. Wirkungslos verhallten seine heftigsten Verwünschungen in den öden Hallen des Vorhofes. Auf den Pylonen vor dem Tempel standen zwar BlitzableiterEine gelehrte Alterthumsforscherin hat überzeugend nachgewiesen, daß die alten Aegypter den Gebrauch der Blitzableiter kannten. Siehe: Vossische Ztg. 1877. Gewiß ist, daß sich an den Pylonen Krammen oder etwas Anderes befand, an welchem eine Art von Stangen oder sonst irgend etwas Anderes befestigt werden konnte. gegen die Blitze aus Gewitterwolken; aber gegen Blitze aus heiterem Himmel war der Oberpriester schutzlos.
Schrecklich die Folgen. Mehr und mehr schwand der Glaube an das Wunder der Isis. Die Papyrus-Blätter, welche Nachrichten vom Kriege brachten, wurden gekauft und gelesen. Niemand ging mehr hinaus hinter die Todtenstadt, um die Isis zu sehen. Das Wirthshaus »zur Isis« verödete, während das Wirthshaus »zum Pharao« neu aufblühte. Bald mußte der Wirth »zur Isis« zuschließen und Ua-Ghusta nähte wieder für mäßigen Lohn Verbandzeug für die Verwundeten und Mumienbinden für die Todten. Traurig saß sie oft auf dem Blaubeerenfelde und schaute nach ihrem Geliebten. Als sie so einmal in ihrem Schmerz versunken der Außenwelt nicht achtete, ergoß sich freundlich eine gewaltige Ueberschwemmung des Nils über die Felder. Plötzlich sah sich Ua-Ghusta rings von allerdings sehr furchtbarem Wasser umgeben. Der erhöhte Fleck Landes, auf welchem sie saß, wurde immer kleiner, das Wasser stieg immer höher. Sie war verloren.
An diesem Tage hielt der Pharao mit seinen Truppen einen glänzenden Einzug in Memphis. Auch Me-Jer befand sich unter den Rückkehrenden. Er war entschlossen, die ehemalige Weißnäherin nicht mehr zu heirathen. Denn er war ein Verehrer des KulturkampfesDer Kulturkampf im alten Aegypten. (Siehe: Ebers, Uarda.) und haßte die Isis.
Traurig wanderte er hinaus in das Wirthshaus »zur Isis«, um seinen Gram zu vergessen. Doch da war nichts als Wasser. Entsetzt wollte er umkehren. Da –
Kühn stürzte er sich in die Wogen und trug seine wiedergewonnene Geliebte in seinen Armen auf das Trockene, umarmte sie und sie waren fortan glücklich mit einander.