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Beim Baden

Das Plätzchen am Ufer des Loing war ganz entzückend. Familie Riour hatte es eines Tages beim Spazierengehen entdeckt und betrachtete es als ihr Eigentum. Niemand kam da vorbei; alte Weiden tauchten ins seichte Wasser, dessen sandiger Grund heraufschimmerte, dichte Hecken ermöglichten es, sich ohne Furcht vor Zuschauern zu entkleiden. So kam denn alle Nachmittage Hortense, begleitet von ihrem Bräutigam, Herrn Libon, hieher, um in Gesellschaft ihrer Schwestern und ihres Bruders zu baden, beschützt vom Mutterauge der Frau Riour und vom Großvater, den die Paralyse in seinem breiten Lehnstuhl festhielt.

Hortense, groß und weiß, mit sehr schwarzen Augen und sehr rotem Mund, zierte sich im Wasser, schrie auf, wenn ihr Bruder Viktor, ein Spitzbub von zwölf Jahren, ihr Wasser ins Gesicht spritzte und unterstützte mit mütterlicher Sorgfalt die Schwimmversuche ihrer Schwestern Berte und Renée, die viel jünger waren als sie.

An jenem Tage war das Bad besonders lustig gewesen und sollte nun beendet werden. Der zarte, schmächtige Herr Libon, der das kalte Wasser fürchtete und wegen eines leichten Schnupfens, den er vorschützte, nie ins Bad stieg, lächelte seiner Braut glückselig zu. Frau Riour hielt die Bademäntel bereit. Der Großvater in seinem Rollstuhl bewegte die Kinnladen wie ein Kaninchen vor lauter Wonne darüber, daß ihm die Sonne den Rücken wärmte.

Plötzlich fuhr ein jäher Schreck in diesen sicheren Frieden. Ein Körper plumpste ins Wasser, das nach allen Seiten hoch aufspritzte. Ein enormes Ding, wie der Rücken eines Nilpferdes, tauchte empor. Unter dem Angstgeschrei der jungen Mädchen zeigte ein dicker bärtiger Mensch mit zottiger Brust seinen Kopf und seinen Oberleib und grinste dazu, dumm und viehisch, als wäre er ganz entzückt über den gelungenen Streich, den er da ausgeführt hatte.

Hortense war auf einen schleunigen Rückzug bedacht, die kleinen Mädchen rissen die Augen vor Schreck weit auf, Frau Riour schrie:

»Sie grober Mensch! Wer erlaubt sich denn, so mir nichts dir nichts vom Mond herunterzupurzeln und die Leute zu erschrecken! Hortense, komm sofort aus dem Wasser!«

»Aber, was denn?« antwortete der Mann mit seiner pöbelhaften Gemütlichkeit. »Der Bach gehört allen. Die jungen Damen baden ja auch darin! Nur keine Angst, meine Kätzchen, ich bin nicht der Wolf!«

»Gehn Sie weg,« schrie Frau Riour. »Weg von da! Wie können Sie sich erfrechen? Herr Libon, sagen Sie doch diesem Menschen, er soll sich entfernen. Heraus da, Hortense, kommt rasch heraus, Kinder!«

»Aber ich sag' Ihnen doch, liebe Frau, daß ich sie gar nicht fressen will, Ihre Kinder. Ich hab' die vielen Gräten nicht gern, sie bleiben mir in der Gurgel stecken. Was das große Fräulein betrifft, da sag' ich nichts, das wäre wohl schon ein königlicher Bissen.«

»Herr Libon, man beschimpft Ihre Braut! Viki, aus dem Wasser! Ich verbiete dir, dich herumzuraufen! Herr Libon, so verteidigen Sie uns doch!«

Ganz außer sich warf sie die Mäntel auf die Schultern der beiden Kleinen, während Viktor dem Manne unerschrocken Wasser ins Gesicht spritzte; Hortense, bis an den Hals untergetaucht, maß den Fremden voll grenzenloser stummer Verachtung.

»Oho! Hohoho!« scherzte der. »Das Hühnchen da macht mir gar keine Angst. Ach, Fräulein, Sie können Ihre Augen aufreißen, wie Sie wollen, deshalb geh' ich doch nicht früher fort. Der Bach gehört allen! Ich wenigstens hindere niemanden, zu baden. Selbst der Herr da« – er zeigte auf Libon – »er soll nur kommen! Ich bin der letzte, der ihn davon abhält, ins Wasser zu steigen, das kann er selber sagen!«

Frau Riour schrie aus Leibeskräften:

»Hortense, willst du herauskommen! Ich werde klagen! Ich werde zu Gericht gehen! Wir wollen doch wohl sehen, ob so ein Narr wie vom Mond herunterfallen darf, um anständige Menschen beim Baden zu stören!«

»Was, anständig! Ich zahl' meine Steuern wie jeder andere! Und weil Sie gerade vom Monde sprechen, haben Sie ihn denn schon gesehen, meinen Vollmond?«

Er legte sich schwimmend auf den Bauch und zeigte höhnisch einen riesigen Doppelglobus, bedeckt von einer blaugestreiften Unterhose.

»Flegel! Schwein! Herr Libon, das hätte ich nie von Ihnen gedacht! Selbst Großpapa fühlt die Beleidigung, und Sie, Sie stehen still da, wie ein Stock.«

Tatsächlich zeigte sich Großpapa sehr erregt; er versuchte seine Krücke zu schwingen und stotterte immer:

»Ga, ga, ga! Se, se, se! Aber, aber!«

Nun ereiferte sich endlich auch Herr Libon und rief dem dicken Menschen zu:

»Gehn Sie aus dem Wasser!«

Der andere legte sich auf den Rücken, strampelte mit den Beinen und antwortete:

»Was beliebt?«

»Gehn Sie sofort aus dem Wasser!«

Der Mann legte seine Hände als Hörrohre um die Ohren, rollte seine kugelrunden Augen nach allen Seiten und fragte:

»Wie meinen Sie, bitte?«

»Sie sollen augenblicklich herausgehen!« schrie Herr Libon, der schon gelb und grün wurde.

»Sprechen Sie vielleicht zu mir?« sagte der Badende ruhig.

»Zu Ihnen, Herr, ja, zu Ihnen!«

»Ah!« machte der andere phlegmatisch. »Nämlich – ich kenne Sie gar nicht.«

»Ich werde dafür sorgen, daß Sie mich kennen lernen! Ich heiße Libon, ich habe Freunde und Protektoren, und Sie sind hier im Unrecht! Ich sage Ihnen das, ich! … Nein, Hortense, nein, bade nur ruhig weiter! Fürchte nichts, ich bin da!«

Sie aber zuckte wütend mit den Schultern und stieg ganz aus dem Wasser; ihr triefender Badeanzug legte sich eng um den geschmeidigen Körper. Libon sah sie purpurrot werden vor Scham, während sie sich in ihren Mantel hüllte; dann verschwand sie im Gebüsch.

»Ah,« rief der Mensch. »Das Fräulein geht jetzt fort, wo das Wasser gerade so gut ist? Sehr schade! Ah, wie gut!«

Und er pudelte, tauchte, wie eine Ente, die Beine in die Luft gestreckt, hielt inne, machte »Brrr! Brrr!« und grinste.

»Ah, freilich, das ist ein guter Platz da, ein sehr guter Platz, ich werde jetzt alle Tage herkommen baden. Der Bach gehört allen! Dafür leben wir doch in einer Republik, und da gibt's nichts!«

Er schnitt Grimassen, indem er die Backen bis zum Zerplatzen aufblies. Herr Libon, der ihn mit stummer Verachtung ansah, spie in den Bach.

»Oho! Machen Sie nur gefälligst mein Wasser nicht schmutzig! Daß Sie sich vor dem Schnupfen fürchten, ist noch kein Grund dafür.«

Aus dem Gebüsch erklang ein kurzes boshaftes Lachen, in dem Frau Riour ihren Zorn ausließ. Man hörte sie brummen:

»Schnell, schnell, Kinder; macht, daß wir fortkommen. Viki, laß den Kiesel liegen! Wenn du den Kiesel nach dem Mann dort wirfst, bekommst du es mit mir zu tun! Ah, ich werde mir nun meine Leute besser ansehen. Nicht einmal seiner Braut und seiner zukünftigen Schwiegermutter Respekt verschaffen zu können!«

Herr Libon tat, als hörte er nichts, hustete diskret und blinzelte aus dem Winkel des Auges nach dem Mann im Wasser hin, der still in seinen Wachtmeisterbart lachte. Großvater hatte sich beruhigt und zeigte sein Mißfallen nur mehr, indem er »Put, put« machte, wobei kleine Speicheltröpfchen von seinen Lippen sprangen.

»Also, gehen wir, gehen wir!" sagte Frau Riour und schichtete die Bademäntel in den Rollstuhl. »Herr Libon, wollen Sie Großvaters Sessel schieben, um sich doch auch irgendwie nützlich zu machen!«

Man setzte sich in Bewegung, während der fremde Mensch, der parallel mit ihnen schwamm, wie um ihnen im Wasser ein wenig das Geleite zu geben, trällerte:

»Ja, mit dem tralalala,
Ja, mit dem tralalala,
Ja, mit dem traderidera
Tralala!«

»Vorwärts!« wiederholte Frau Riour, sehr erregt. »Vorwärts, Herr Libon! Wir kriechen wie die Schildkröten! Viki! Mein Gott, wo ist denn Viki!«

Viki kam gelaufen, ein Päckchen unter dem Arm, das er nun eiligst zu Füßen des Großvaters unter die Wäsche hineinstopfte.

»Was ist denn das da?« fragte Frau Riour.

»Nichts, ein Bademantel und andere Sachen, die ihr vergessen habt.«

»Was für Sachen denn?«

»Aber nur vorwärts! Gehn wir doch! Treten Sie ab, Herr Libon, ich werde Großpapa schieben.«

Er stemmte sich an den Rollstuhl und brachte ihn so schnell vorwärts, daß man alsbald den Schwimmer überholt hatte, den auch, zu ihrer großen Genugtuung, eine Wand von Bäumen jetzt ihren Blicken entzog. Viki lief noch immer und Großvater stammelte erschreckt:

»Ga, ga, ga, nein, nicht!«

Erst als die Häuser begannen, ließ sich Viktor herbei, zu halten. Er zog das Paket, das er unter die Mäntel gesteckt hatte, aus dem Rollstuhl, machte es auf und zeigte: eine blaue Hose, einen grauen Rock, Schnürschuhe, ein Gilet und ein Hemd, das hinten beschmutzt war.

»Da!« sagte er, »ich hab' ihm seine Kleider stibitzt, die ich hinter einem Baum gefunden habe. Jetzt kann er ihnen nachlaufen, wenn er will. Stellt euch nur das Gesicht vor, das der jetzt machen wird!«

Die Riours, Mutter und Kinder, sahen einander an. Und Hortense, so verdrießlich sie war, und Berte und Renée, die Kleinen, brachen mit Viktor zusammen in ein tolles Lachen aus, ein langes und kreischendes Lachen, in das Herr Libon die Flötentöne seines Gelächters mengte. Aber Frau Riour warf ihm einen so verächtlichen Blick zu, daß er plötzlich abbrach.

»Kinder,« sagte sie, »jetzt können wir nur eines tun, und das ist, diese Kleider dem Gendarmen zu bringen. Jener … Herr kann sie sich dort holen, wenn er will. Und wenn ihm was nicht recht ist, so haben wir ja Onkel Anselm zu Hause, und der wird uns schon Respekt zu verschaffen wissen, der schon! Komm, Viki, ich muß dir einen Kuß geben! Aber so lache doch, Hortense, denk nur an das Gesicht, das dieses dicke Schwein, dieser verrückte Kerl machen wird, wenn er aus dem Wasser steigt!«

Sie schüttelte sich in herzlichem Lachen; die Kinder lachten im Chore mit. Alle zusammen gingen sie zum Gendarmen, der versprach, die Amtshandlung einzuleiten. Als man dann den Fall dem Onkel Anselm erzählte, schwur er, mit der Faust drohend, daß er diesen Mann auf der Stelle erschlagen hätte.

Herr Libon machte sich zwei Tage später unter irgendeinem Vorwande aus dem Staube. Hortense hielt ihn nicht zurück, und die Verlobung wurde schmerzlos gelöst.


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