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Siebentes Kapitel

Mr. Preston. – Der Mulatte Jean. – Die Verschleierte. – Marie. – Der Jaguar.

Zu derselben Zeit, in welcher die Pantherkatze mit ihren neuen Freunden und den rothen Kriegern am Fuße der Sierra das Lager aufgeschlagen, und die Tage mit Jagd und Fischen verbrachte, bewegte sich durch einen östlicheren Patz der Sierra, der jedoch sich gleichfalls nach dem Colorado hinzog, ein großer, von vier Maulthieren gezogener Planwagen, auf dessen Kutschersitz ein etwa vierzigjähriger Mann, die Zügel führend, saß. Es war eine Figur, die man eher in den belebten Straßen einer großen Stadt, als in der Wildniß zu sehen erwarten konnte, dorthin paßte wenigstens sein feiner Tuchanzug besser und die blendend weiße Wäsche, mit der er bekleidet, war zum wenigsten hier durchaus nicht am Platze. Auch die gutgepflegten Hände deuteten auf geringe Thätigkeit ihres Besitzers und doch lag in den tiefen, unstäten Augen, in dem scharfgeschnittenen, bleichen Gesichte etwas dämonischwildes, gepaart mit starker Energie. Seine kleine, schmächtige Gestalt ersetzte durch Geschmeidigkeit und Gewandtheit, was ihr an roher Kraft fehlte; auch schien Mr. Preston, wie der Mann hieß, durchaus die Gefahren zu kennen, die er möglicher Weise zu erwarten und zu bekämpfen hatte; das bewiesen die Pistolen, die in seinem Gürtel steckten, die Doppelbüchse, die neben ihm lehnte, das bewies seine Begleitung von fünf starken Männern, die mit allen möglichen Waffen behangen, den Wagen und zwei an dessen Rückseite befestigte sehr edele Rosse umgaben. An jeder Seite ritt ein Mann und zwei Berittene schlossen den Zug. Auch diese vier Männer waren Weiße, während die Vorhut ein einzelner Mann – ein Mulatte – bildete, welcher hochaufgerichtet auf seinem ungezähmten Prairiepferde, die Ufer des Flusses mit blitzendem Auge durchspähte. Sein ganzes Aeußere verrieth den mit der Wildniß bekannten und in deren Gefahren erprobten Jäger, auch die vier Reiter waren sonnengebräunte Trapper, von Mr. Preston zu sehr guten Preisen als eine Art Schutzwache gemiethet.

Es dürfte eigentlich Wunder nehmen, daß in Amerika, wo fast jeder Mensch verächtlich auf diejenigen seiner Mitbrüder herabblickt, die auch nur einen Tropfen schwarzes Blut in ihren Adern verrathen, die Trapper sich der Leitung des Mulatten unterordneten; doch darf man nicht vergessen, daß jene Schaar muthiger Männer, die unter den Namen »Trapper« entweder einzeln oder in kleinen Trupps die Wildniß durchziehen, theils vorurtheilsfreie Ausländer, theils der Art vom Schicksale zusammengerüttelte, verzweifelte Charaktere sind, daß sich keinen großen Unterschied zwischen der mehr oder weniger dunkeln Schattirung der Haut machen. Vor Allem aber erkennen diese kühnen, unverdrossenen Männer gern die Ueberlegenheit Anderer in solchen Dingen an, die hier an der Grenze der Civilisation von Werth sind; der beste Reiter, der nie fehlende Schütze, das ist ihr Mann, ob Nigger oder Weißer, was kümmert das die Waldläufer? Und vereinigt diese Person zu den oben bemerkten Geschicklichkeiten noch die Kenntniß der Sprache der verschiedenen Indianerstämme, ist er bekannt mit den Schlichen der schlauen rothen Krieger und im Stande, die Fährte eines wachsamen Feindes da zu erkennen, wo andere Augen nicht das geringste Verdächtige erblicken, dann ist eine solche Persönlichkeit an der Indianergrenze ein angesehener Mann, und wäre er schwarz wie Ebenholz.

Jean – der Mulatte – war einer dieser geprüften und mit allen Listen der Rothhäute bekannten Trapper. Mit riesiger Kraft und fabelhafter Ausdauer begabt, war der gelbbraune Bursche sicher einer der besten Führer durch die Wildniß; von Herrn Preston in einem Grenzorte engagirt, wurde es ihm auch gar nicht schwer, vier tüchtige Waldläufer für jenen zu verpflichten.

Die Vergangenheit Jeans ruhte allerdings sehr im Dunkeln, jedoch wollte man wissen, daß er vor wenigen Jahren einem Farmer entflohen sei, der ihn eines entsetzlichen Todes hätte sterben lassen wollen, da er gewagt, zu tief in die schönen Augen seiner jungen Herrin zu blicken, und das kaum vierzehnjährige bildschöne Mädchen seinen wilden Leidenschaften geopfert hätte, wäre nicht im entscheidenden Augenblicke der ergrimmte Vater als Retter seiner bereits ohnmächtigen Tochter herzugesprungen. Der wüthende Farmer solle auch den damals freien Mulatten sein Sklavenzeichen als Rache aufgebrannt und Tag und Nacht gesonnen haben, welchen Todes er sterben solle – da war dieser eines Morgens entflohen, nichts mit sich nehmend, als seine Waffen und seltsamer Weise jenes Brenneisen, dessen unvertilgbare Buchstaben er auf seiner Schulter trug. Auch munkelte man, daß der Mulatte in steter Verbindung mit den Ausgestoßenen aller Racen stehe, die vor den ihnen drohenden Strafen eine Zuflucht in der Wildniß suchend, ihr elendes Leben als weit und breit gehaßte und gefürchtete Prairieräuber fristeten.

Doch Alles dies waren nur Vermuthungen, wie sie sich überall verbreiten und von denen Niemand weiß, wo sie zuerst aufgetaucht, wo sie zuerst verbreitet worden. Etwas Sicheres über Jean's Vergangenheit wußte Niemand, ebensowenig konnte man ihm etwas Schlechtes mit Bestimmtheit nachsagen; hingegen hatte ihn sein tollkühner Muth, die fabelhafte Sicherheit seines Schusses, eine Art von Berühmtheit an der Indianergrenze verschafft.

Was nun Mr. Preston in dem Planwagen, eigentlich verbarg, wußten auch seine Begleiter mit Genauigkeit nicht zu sagen. Sie hatten wohl gesehen, daß Abends am Lagerfeuer der Vorhang des Wagens sich öffnete, daß auf Preston's Arm gestützt, eine tief verschleierte Frau sich an der frischen Luft erging, doch selbst das scharfe Auge der Trapper war nicht im Stande zu ergründen, ob die Verhüllte jung oder alt sei und Preston's Behauptung, er führe seine kranke, bereits bejahrte Frau nach seinem nördlichen Wohnsitze, stellte die Männer vollkommen zufrieden.

Auch an dem heutigen Abend war kaum das Lagerfeuer entzündet und für das einfache Abendmahl gesorgt, als Preston an die dem Feuer entgegengesetzte Seite des Wagens trat, die wieder sorgsam verhüllte Frauengestalt heraushob und mit ihr im Schatten verschwand.

Nur kurze Zeit waren Beide gegangen, als die Frau plötzlich stehen blieb und ihrem Begleiter zu flüsterte:

»Mir ist's, als hörte ich dort im Unterholze leise Schritte.«

Augenblicklich blieb Preston stehen, riß die Doppelbüchse von der Schulter und lauschte lange Zeit nach der angedeuteten Gegend, doch bald ließ er den Kolben sinken und sagte spöttisch:

»Es ist nichts. Deine Furcht ließ Dir Gespenster sehen, vielleicht löste sich ein dürres Aestchen vom Stamme.«

»Furcht Onkel?« frug traurig die Verhüllte, »ich dächte doch, daß ich bewiesen, wie fern mir ein solches Gefühl sei! Nur aus Sorge für Sie und das Mißlingen Ihrer Pläne, forderte ich Sie zur Vorsicht auf. Wie leicht kann uns auf unseren einsamen Gängen einer der Trapper folgen!«

»Du hast Recht,« sagte Preston rasch und sprang entschlossen zum Lagerfeuer zurück, die Verhüllte sich selbst überlassend; doch ruhig, ihre Pfeife rauchend, saßen die vier Jäger da, auch Jean lag schlafend hinter seiner Decke. Beruhigt eilte Preston seiner Gefährtin zu, derselben neue Vorwürfe über ihre Aengstlichkeit machend.

Niemand ahnte freilich, daß der Mulatte am Gange der verschleierten Frau schon längst ein junges Weib vermuthet hatte, daß hier also ein Geheimniß zu ergründen sei. Vergeblich frug er sich, warum Preston seine Gefährtin den Augen der Jäger entzog, warum er sie alt und gebrechlich nannte, da der elastische Gang doch auf Jugendkraft schließen ließ. Gewöhnt, der geringsten Sache Bedeutung beizulegen, nahm sich Jean vor, das Geheimniß zu ergründen. Darum hatte er auch an diesem Abend seine Decke als Schutz gegen den Rauch und die sprühenden Funken halbaufspannend, sich zeitig niedergelegt, um nachzusinnen, wie er sein Vorhaben ausführen könne, als er den Gegenstand seiner Betrachtungen an Preston's Arm auf der Prairie umherwandeln sah. Leise hob der Mulatte den Kopf, keiner der Jäger achtete auf ihn, und geräuschlos wie eine Schlange, glitt er in das nahe Gebüsch, sich dort aufrichtend, flog er nach der Stelle, wo er die beiden Spaziergänger sah und verwünschte sein Ungeschick, als er einen kleinen Ast beim Vorwärtsschleichen abbrach. Da hörte er den Ausruf der Frau, hörte, wie sie ihren Begleiter Onkel nannte, und für heute mit dem Ergebniß seiner Forschung zufrieden, eilte er schnell seinem Lager wieder zu, das er kaum erreicht, als sich auch bereits Preston über den, mit geschlossenen Augen Daliegenden, wie im Schlaf tief Athemholenden niederbeugte.

»Du siehst Marie!« sagte Preston, als er seine Nichte wieder erreicht. »Deine Besorgnisse sind unbegründet, doch dort steigt der Mond auf und Tageshelle wird uns bald umgeben; komm mein Kind, folge Deinem Onkel, der es so gut mit Dir meint und kehre in Dein kleines freundliches Haus zurück, der Nachtthau könnte Deiner zarten Gesundheit schaden!«

»Ja, ich will in meinen Kerker zurückkehren! Der aufsteigende Mond könnte mir die Erde so strahlend schön zeigen, daß ich mich dann noch unglücklicher fühlen würde. Onkel, Onkel! was that ich Ihnen, daß Sie mich so hart behandeln?«

»Ich Dich hart behandeln?« eiferte Preston. »Du siehst, ich habe Recht, Du bist krank, also geh' in Deinen Wagen und kränke Deinen Onkel nicht wieder so tief, der Dich so innig liebt, so innig,« fuhr der Mann mit blitzendem Auge und leidenschaftlicher Stimme fort – »daß er mit Freuden sein irdisch und geistig Wohl opfern würde, wenn er Dich damit beglücken könnte.«

»Onkel,« rief zurückschreckend das geängstigte Mädchen, »was reden Sie?«

»Was ich nur zu lang auf meines Herzens Grunde verborgen gehalten habe, daß ich Dich liebe mit aller Gluth, der ich fähig bin.«

»Onkel, Onkel,« versuchte das Mädchen zu scherzen, »wenn das Ihre Frau hörte!«

»Laß sie es hören Marie, was gilt es mir? In dem Lande, wohin wir ziehen« – fuhr der Mann, mit glühenden Blicken das Mädchen betrachtend, fort und seine Stimme wurde voller vor Begeisterung, »in dem Lande – bei den Mormonen – ist es Gott sei Dank gestattet, daß ein liebeathmendes Herz den Gegenstand seiner Verehrung sein eigen nennen darf, und zählte er daheim auch bereits zehn Frauen.«

»Onkel!« kreischte das gequälte Mädchen auf, indem sie drohend vor den Sinnlosen trat, »jetzt erkenne ich Ihre Schlechtigkeit; aus meiner Heimath haben Sie mich gelockt und jetzt, wo ich in Ihrer Gewalt bin, lassen Sie die Larve fallen. Meinen Vater, Ihren eigenen Bruder, sandten Sie zu den Indianern und hegten wahrscheinlich die stille Hoffnung, daß er nicht wiederkehrt!«

»Marie, wie verkennst Du mich!« murmelte der entlarvte Mormone unangenehm berührt, daß das junge Mädchen so sicher die Wahrheit getroffen.

»Lassen Sie mich ausreden,« fuhr dieses mit Würde fort, »an Ihre Helfersknechte dort kann und werde ich mich nicht wenden, denn wer sich zu einem solchen Bubenstreich verbindet –«

»Marie! Zum Teufel! Mädchen, was ficht Dich an?'

»Kann eben nur ein Schurke sein,« fuhr das Mädchen fort. »Sie sehen Onkel, daß Sie Unrecht hatten, mich der Furcht zu zeihen, denn ich, ein schwaches Mädchen, ich allein gegen Sie und Ihre Genossen, ich verzage nicht, Gott wird meinen Vater beschützen, er wird auch mich nicht verlassen, er wird mir Hilfe senden, wenn Sie glauben, den Sieg schon in den Händen zu haben – dann Onkel, dann werden Sie nicht so spöttisch das Gesicht verziehen, wie jetzt, Sie werden sich beugen vor Gott.«

Im hellen Silberscheine des Mondes stand das schöne Mädchen, dem in der Erregung der Schleier herabgesunken war, vor dem erstaunten Manne; ihr klares braunes Auge haftete fest auf seiner Gestalt, auf der blendend weißen Stirn thronte die unnahbarste Hoheit und nur den kleinen süßen Mund umzuckte ein verächtliches Lächeln. Leicht den Schleier wieder um das Gesicht schlagend, wandte sich jetzt die Erzürnte und den Onkel keines Wortes mehr würdigend, schritt sie dem Lager zu.

»Tod und Teufel!« knirschte Preston ingrimmig, »muß mich das verdammte, heiße Blut zu solch dummen Streich hinreißen; wer konnte auch denken, daß die sanfte Taube so viel Widerstandsfähigkeit besitzt und dennoch erschien mir das Mädchen nie begehrenswerther, als in ihrem Zorne!«

»Ah! Marie, Du sollst und mußt mein eigen werden, und sollte ich Dich der Hölle abtrotzen,« fuhr der erregte Mann nach kurzer Pause fort, indem auch er dem Lagerfeuer zuschritt; kaum hatte er aber die ruhenden Gefährten erblickt, als er höhnisch lächelnd vor sich hinflüsterte:

»Das wäre doch ein verfluchter Witz gewesen, hätte Marie diese Esel zur Hilfe und Schutze angerufen; sie hatte aber den klugen Einfall, uns Alle für eines Schlages zu halten. – Soll die kleine Katze mir den an den Hals geworfenen Schurken auch büßen, so danke ich ihr heute doch dafür.«

Noch zwei Tage zog Preston mit seiner Karavane den Colorado stromauf, als der wie gewöhnlich voranreitende Mulatte zurückgesprengt kam und meldete, daß am Ausgang der Schlucht eine Indianerwache zu Pferde halte. Schnell verließ Preston den Kutschersitz, gab die Zügel einem der Trapper und sein Pferd vom Wagen abbindend, jagte er dem Indianer zu; es war der Falke, der seinen Mustang in das Gebüsch geleitet und die Flinte im Anschlag, dem Weißen ein drohendes Halt! gebot.

Ohne jede Antwort zog Preston ein rothes Tuch aus seiner Tasche und schwang es dreimal um sein Haupt, so das früher verabredete Erkennungszeichen gebend.

Sogleich erschien neben dem Späher der Comantschen die Pantherkatze, und auf die Büchse gestützt, frug der Sachem den ungeduldig werdenden Preston:

»Ist der bleiche Mann der, den die Comantschen das Geleit geben sollen?«

»Ja! zum Teufel, habt Ihr das Signal nicht gesehen?«

»Es ist gut, der bleiche Mann komme zum Feuer der rothen Krieger!«

»Ich danke schön, Freund Rothhaut, vorher will ich doch meine Gefährten herbeirufen!«

»Es sei!« war des Häuptlings spöttische Antwort, »mein Bruder hat Furcht, er mag die holen, die ihn beschützen sollen!«

Mit einem leisen Fluche wandte Preston sein Pferd und ritt zu den, seiner harrenden Gefährten. Nicht gering war die Verwunderung der Rothhäute, als bald darauf der große Wagen sich ihrem Lager näherte, doch bald wandten sie ihre Aufmerksamkeit dem Mulatten zu, sie schienen sichtbar erstaunt, denselben in ihrer Mitte zu sehen. Der sonst so trotzige, kühne Mann, fühlte sich auch keineswegs wohl, als er dem finster auf sich gerichteten Blicke der Pantherkatze begegnete und unwillkürlich wandte er den Kopf, um seine Gefühle besser bemeistern zu können.

Noch immer standen sich die beiden Abtheilungen fast drohend gegenüber, als der Häuptling vortretend das drückende Schweigen brach.

»Meine Brüder sind willkommen im Lande der Comantschen,« begann er mit tiefer Stimme, »doch was soll der Wagen bei einem Zuge durch die Prairien? der Weg ist schmal und führt durch Ströme und Schluchten, die kaum einem Pferde Raum bieten!«

»So wählt einen anderen Weg Häuptling,« entgegnete Preston barsch, »Ihr gabt Euer Wort, mich und mein Eigenthum bis Santa-Fée zu geleiten, Ihr müßt es halten, wie? – das ist Euere Sache!«

»Der Vertrag lautet,« sprach ernst die Pantherkatze, »daß zehn Comantschen Dich, den Weißen, der als Geißel in unserm Dorfe weilt und fünf Gefährten durch ihr Land zu leiten und den Zug vor Gefahren möglichst zu schützen haben. Wie kann ich das, wenn Dein Haus, das langsam fährt wie eine Schnecke, Spuren hinterläßt, der unsere Feinde des Nachts folgen können? Nein, am Wagen dort steht ein freies Pferd, belade dasselbe mit Deinem Eigenthume, ich will auch gestatten, daß Du die Maulthiere bepackst, der Wagen aber bleibt zurück.«

»Den Teufel auch, das bleibt er nicht!« schrie Preston, »vorwärts Häuptling, haltet Euch nicht so lange bei der Vorrede auf, und laßt uns getrost die Wanderung beginnen.«

»Die Pantherkatze,« donnerte aber der Indianer, »ist ein Sachem, der Befehle gibt, aber nicht erhält. Mein Bruder gebe die versprochenen Büchsen und Decken, nebst Pulver und Blei meinen Kriegern und thue, was der Häuptling gesagt. Ich warte!«

»Dann warte, bis Du schwarz wirst,« erwiderte Preston. »Nein, so dumm bin ich nicht, wie Du denkst, also die versprochenen Geschenke willst Du nehmen und mich im Stiche lassen, wenn ich mich Deinem Willen nicht füge?«

»Wir sind bereit die Weißen unter der gestellten Bedingung zu geleiten, tritt mein Bruder zurück und will den eigenen Weg gehen, gut, er mag es versuchen, doch die Geschenke muß er herausgeben, oder glaubt er der Sachem mit seinen Kriegern sei zum Spaß den weiten Weg gewandelt?«

»Jedenfalls hat der Weg Eurer Gesundheit nichts geschadet,« höhnte der Mormone. »Seid Ihr nicht gewillt, uns nach der von mir beliebten Weise zu führen, so ist der Vertrag gelöst, Ihr habt Eueren Weg – ich den meinen umsonst gemacht, ich kehre um.« Trotzig warf Preston den Kopf empor, doch er erbebte, als er vier Büchsen und neun Bogen auf sich und seine Begleiter gerichtet sah, als er bemerkte, daß seine Gefährten, selbst der kühne Mulatte, nicht daran zu denken schienen, ihr Leben gegen die Uebermacht zu vertheidigen. Er wußte freilich nicht, wie die mit den Indianern bekannten Trapper, daß die leiseste Bewegung ihrerseits, die Geschosse ihrer Feinde entladen würde. Nur die Pantherkatze lehnte ruhig auf der Büchse und schien sich an der Verlegenheit seines Gegners zu weiden.

»Der bleiche Mann sieht, daß er in der Gewalt der Comantschen ist, er soll aber auch sehen, daß der rothe Krieger kein Verräther.«

»Bis jetzt sehe ich nur, daß ich in eine Falle gelockt worden bin,« war Preston's giftige Antwort. »Ja, Ihr habt Euch sogar mit zwei Weißen und einem Nigger verbunden, um Euere Uebermacht uns noch fühlbarer zu machen! nennt Ihr das vielleicht edel?«

Statt jeder Antwort winkte der Häuptling und augenblicklich senkten seine drei Freunde und der Falke die Büchse, während die nur mit Bogen bewaffneten Krieger die Pfeile von denselben nahmen. Jetzt kam aber auch Leben in Preston's Genossen, die kaum die drohenden Waffen hatten sinken sehen, als sie in flüchtigen Sätzen den Wagen zwischen sich und ihre Feinde brachten, die eigenen Waffen zum sofortigen Gebrauch erhebend. Hier fühlten sie auch die Uebermacht der Indianer weniger, da der Wagen ihnen doch einige Deckung bot, während jene im freien Felde standen, und die nummerische Ueberzahl der Comantschen Ausgleichung in der größeren Anzahl von Schußwaffen fand, welche in Preston's und seiner Genossen Besitze waren. Die Indianer hatten aber dennoch die größte Lust sich auf ihre Gegner zu stürzen, schwangen drohend die Tomahawks über ihren von den schwarzen, langen Haaren wild umwehten Häuptern und blutiger Kampf schien nicht mehr abzuwenden, als noch einmal ein einziger Wink der Pantherkatze dem wallenden Blute seiner Krieger Ruhe gebot.

Furchtlos trat er seinen verborgenen Feinden entgegen, und der Adel seiner ganzen Erscheinung verfehlte wohl auf Keinem der Anwesenden Eindruck zu machen. Besonders William betrachtete seinen rothen Freund mit inniger Theilnahme, ja von einem jener Antriebe geleitet, die den Menschen zu irgend einer That veranlassen, ohne daß er im Stande, sich über das Motiv Rechenschaft geben zu können, sprang er neben den Häuptling, welcher ihn mit einem warmen Blicke und einem Lächeln empfing, das wie ein Sonnenstrahl das edele, broncene Gesicht verschönte.

»Wenn der Häuptling und sein Begleiter noch einen Schritt wagen, ein Glied rühren, so schieße ich sie nieder,« tönte jetzt Preston's Stimme.

»Wah! Das Gebelle des feigen Coyoten schreckt die Pantherkatze nicht! Der bleiche Mann vergißt, daß sein Bruder im Dorfe der Comantschen weilt!«

»Der Bruder mag in's Gras beißen!« war des Mormonen rohe Antwort, die selbst seine rauhen Gefährten mit einem verächtlichen Blicke straften.

»Was ist das?« schrie der Indianer, »das niedrigste Thier vertheidigt seine Familie, und der Weiße, der so oft mit seinen Tugenden prahlt, läßt feig den Bruder im Stiche, welcher im Vertrauen auf sein Wort sich in unsere Gewalt gab? Bedenkt der bleiche Mann nicht, daß Jener die fürchterlichsten Martern ertragen muß, wenn Blut zwischen uns geflossen?«

»Macht mit ihm, was Ihr wollt!« entgegnete Preston eisig; »bin ich ihn los,« setzte er leise hinzu, »so brauch ich die gefahrvolle Reise nicht zu unternehmen, ich werde Mittel und Wege finden, Marie auch hier in meine Gewalt zu bekommen!«

Da unterbrach ein allgemeiner Schrei der Verwunderung des Mormonen Selbstgespräch und aufblickend, gewahrte er Marie – in William's Armen. Ein schauerlicher Fluch entschlüpfte Preston's Lippen und gefolgt von seinen, über diesen Zwischenfall ebenso erstaunten Gefährten, sprang er aus seinem Verstecke hervor, allen voran aber Jean der Mulatte, welcher in der plötzlich aufsteigenden Gestalt, Marie, jenes Farmers Tochter erkannt, deren Schönheit eine so folgenschwere Einwirkung auf sein Leben gehabt hatte.

Das arme gequälte Mädchen hatte aus dem sie verbergenden Wagen mit Entsetzen die Verhandlung, die sich entwickelnde feindselige Haltung verfolgt, doch als ihres Onkels Schurkerei klar an den Tag trat, als sie hörte, daß dieser den eigenen Bruder, ihren heißgeliebten Vater, seinen verderblichen Plänen opfern wollte, da suchte sie lieber Schutz bei den bis jetzt so gefürchteten Rothhäuten, umsomehr, als sie in deren Begleitung zwei weiße Männer erblickte und des Comantschenhäuptlings würdevolles Auftreten ihr Vertrauen einflößte. Schnell entschlossen zerschnitt sie die Plane des Wagens, und verließ denselben mit einem gewagten Sprunge, wobei sie jedoch das Gleichgewicht verlor und gestürzt wäre, hätte William sie nicht in seinen Armen aufgefangen. Noch war dieser mit der Wankenden beschäftigt, als Jean wie ein Tiger hervorsprang, ihm seine kostbare Beute zu entreißen; schon lag dessen eiserne Linke auf William's Schulter, schon schimmerte in der erhobenen Rechten die Streitaxt, als Bob seinem Herrn zu Hilfe sprang. Waffen konnte der muthige Schwarze nicht anwenden, um nicht den zu verletzen, den er retten wollte, aber er baute auf seinen steinharten Schädel. Die Arme zurückgezogen, den Kopf vorgebeugt, kam der Neger wie eine Kugel angesaust und traf des Mulatten Brust mit solcher Macht, daß der kräftige Stoß laut erklang und der riesige, kraftstrotzende Mann stöhnend zu Boden sank.

Augenblicklich lag der Neger über dem Gestürzten, ihm das entrissene Messer auf den Hals setzend, und das rollende Auge bekundete deutlich Bob's Ernst, als er drohend rief:

»Der Mulatte nehme sich in Acht, das Messer sehr scharf sein, es sticht, wenn Du Dich rührst.«

Wohl beabsichtigten die Trapper und Preston ihrem Gefährten zu Hilfe zu eilen, doch war ihre Niederlage ersichtlich, da sie augenblicklich von den doppelt überlegenen Indianern umringt wurden, die drohend ihre Waffen schwangen. Da richtete sich die Pantherkatze zu ihrer vollen majestätischen Größe auf und gebot mit fester Stimme Einstellung der Feindseligkeiten.

»Haltet ein!« rief der Sachem. »Eine Wolke ist vor unsere Augen getreten, daß wir die Waffen gegeneinander gehoben, nachdem der Wampum Der Wampum ist ein Streifen Zeug, den die Indianer mit ihren Zeichen – Totem– schmücken und in zwei Stücke schneiden, wenn sie einen Vertrag gültig machen wollen. Ist das Bündniß gelöst, so fordern sie die als Unterpfand ihrer Treue gegebene Hälfte zurück, und fühlen sich nun von jeder Verpflichtung frei. zwischen uns getheilt.«

Dann rief er zwei Krieger herbei, die sich neben Jean niederkauerten und ihm mit grimmigem Lächeln versicherten, daß sie ihm den Kopf zerschmettern würden, wenn er zu fliehen versuche.

Der Häuptling aber wandte sich an Preston und sagte mit Ruhe:

»Wir wollen uns berathen.«

In ernstem Schweigen lagerten nun Alle, die sich vor wenig Minuten noch mit den Waffen in der Hand einander gegenüber gestanden, friedlich im Kreise und das von dem Falken entzündete Calumet machte schweigend die Runde, nur des Mulatten Lippen berührten es nicht. Von Hand zu Hand gehend, erreichte die Friedenspfeife wieder den Häuptling, der bedächtig die Asche ausklopfte und die Pfeife in dem Gürtel barg; dann warf er einen langen Blick auf Marie, die mit Arrita seitwärts saß und deren Knaben liebkoste.

»Das Mädchen mit dem goldenen Haar,« begann der Häuptling mit freundlicher Stimme, »setze sich neben den Sachem, er will mit ihr reden.«

Bereitwillig folgte Marie dem Rufe und ließ sich an des Häuptlings Seite zwanglos nieder, leicht erröthend, als sie gewahrte, daß William aufstand, seine Büchse an einen Baum lehnte und dann neben ihr Platz nahm.

»Wie heißt meine Schwester?« frug die Pantherkatze.

»Marie Preston ist mein Name!«

»Wah! Der Mann, welcher im Dorfe der Comantschen seiner Gefährten wartet, trägt denselben Namen?«

,Ja! er ist mein Vater und der Bruder jenes Mannes in der dunkelen Kleidung dort!«

Ein finsterer, verächtlicher Blick des Indianers traf den Mormonen, doch ehe letzterer nur ein Wort sagen konnte, wandte sich der Häuptling wieder an Marie.

»Der Name meiner Schwester ist gut, doch des Indianers Zunge kann ihn schwer aussprechen, das bleiche Mädchen mit dem goldenen Haar gleicht aber der Blume, welche die rothen Krieger am meisten lieben, sie gestatte, daß ihre Brüder sie Magnolie nennen. Doch, warum begab sich meine Schwester auf die gefahrvolle Reise durch die Wildniß und warum verließ ihr Vater sie?«

»Häuptling, das weiß ich nicht, es geschah auf Veranlassung meines Onkels dort, der meinen armen Vater beredete, sich als Geißel zu den Indianern zu begeben und dessen Leben nun in Gefahr ist; und ich, die unglückliche Tochter, bin nicht einmal im Stande, ihm tröstend zur Seite zu stehen!«

»Die Magnolienblüthe kann ohne Sorge sein, die Pantherkatze bürgt für den Vater und wenn meine Schwester es will, soll sie in den Armen dessen liegen, den sie so innig liebt, ehe die Sonne sieben Mal die Nacht verdrängt hat.«

Noch ehe Marie im Stande war, ihren Gefühlen Worte zu geben, sprang Preston, welcher schon lange mit immer wachsender Ungeduld dem Gespräche seiner Nichte und des Comantschen gelauscht hatte, wüthend empor.

»Hört Häuptling,« sprach er mit bebender Stimme, »das heißt doch die Unverschämtheit zu weit treiben; wie könnt Ihr wagen, die Tochter meines Bruders dem mir anvertrauten Schutze zu entreißen?«

»Die Pantherkatze gab ihr Wort, Euch, den Bruder und Euere Gefährten sicher zu geleiten, sie wird es halten. Das Mädchen aber begab sich freiwillig unter den Schutz des Comantschenhäuptlings, er wird sie zu ihrem Vater bringen.«

»Nun gut, und ich folge Euch mit meinen Gefährten,« rief der Mormone rasch.

»Es sei!« sprach nach einigem Nachdenken der Sachem, »Euch und die weißen Jäger nehme ich mit, der Mulatte jedoch darf das Dorf der Comantschen nicht betreten, er würde es nicht wieder verlassen können!«

Preston machte allerlei Vorstellungen, denn nur widerstrebend gab er Jean auf, dessen Muth und Kraft er schätzen gelernt.

Doch der Sachem schüttelte entschieden den Kopf. »Der gelbe Mann kehrt den Weg zurück, den er gekommen. Ich habe geredet!« war seine kurze Antwort.

Dann schritt er zu dem am Boden liegenden Jean, welcher in ohnmächtigem Grimme die Lippen sich blutig gebissen und seine durchbohrenden Blicke auf ihn richtend, sprach der Häuptling mit ernster Stimme: »Der Mulatte ergreife seine Waffen, besteige sein Pferd und reite, so rasch ihn dieses trägt, zurück. Er komme nie wieder in den Bereich meines Armes, ich würde seine Haut in Streifen von den Schultern ziehen! Ich kenne ihn! Geh!«

Schweigend erhob sich Jean, bestieg sein Roß und einen langen, verzehrenden Blick auf Marie werfend, ritt er langsamen Schrittes davon und war bald in dem Engpasse der Sierra verschwunden.

Preston war in einer verzweifelten Stimmung, seines kräftigsten und energischen Bundesgenossen beraubt, sah er sich gezwungen dem Indianer zu folgen, sah seine Pläne aufgedeckt und konnte sich eines sehr unbehaglichen Gefühles nicht erwehren, wenn er des Zusammentreffens mit seinem Bruder gedachte. Doch hegte er noch immer die Hoffnung, sich seiner unbequemen rothen Freunde entledigen zu können und Marie wieder in seine Gewalt zu bekommen. Sieben Tage waren ihm, nach des Häuptlings Aussage, Frist gegeben, er war überzeugt, daß sein erfinderischer Geist ihm in diesem langen Zeiträume Mittel und Wege zeigen werde, sein Vorhaben auszuführen. Der einzige verdrießliche Umstand war nur, daß seine Nichte so wenig Notiz von ihm nahm und sich ganz William's Schutze hingegeben zu haben schien, der mit fabelhafter Ausdauer bemüht war, dem schönen Mädchen zu dienen und jetzt zu George's nicht geringem Erstaunen ein Rindendach für seinen Schützling zu erbauen begann. Lächelnd klopfte dieser den schweißtriefenden Freund auf die Schulter und sagte:

»Schau' mal um Dich, Indianer und Weiße liegen friedlich am Feuer und stillen ihren Hunger, was Teufel quälst Du Dich denn hier ab?«

»Aber George, ich bitte Dich! Sei doch nicht so kindisch und hilf mir lieber einen nothdürftigen Schutz für das arme Kind herzustellen! wenn nun ein Gewitter käme?«

»Ein Gewitter?« lachte George, »na, das ist nicht übel! Dann würde das arme Kind doch jedenfalls den Schutz ihres Wagens aufsuchen!«

»Verflucht!« brummte William, »den hatte ich ganz vergessen!«

»Hm! Willy, ich dächte. Du hättest überhaupt Verschiedenes vergessen!«

»Ich? Wieso?«

»Erstens den Wagen, dann vorhin bei dem entstehenden Kampfe vergaßest Du die Hunde von dem Lasso zu befreien! Dann hattest Du auch vor wenig Tagen der schönen Arrita Deine Dienste angeboten und nun –«

»Und nun hältst Du gefälligst Deinen Mund. Höre George, ich glaube. Du hegst die Meinung, ich hätte mich bereits in das Mädchen verliebt! was?«

»Bis über die Ohren, mehr nicht!« lachte dieser.

»Doch Dein Pallast ist fertig; komm' nun zum Feuer und stärke Dich, Deine Zimmermannsarbeit wird Dir Appetit gemacht haben!«

William blickte auf und da er gewahrte, daß Marie auch am Feuer saß, machte er sehr plötzlich die Bemerkung, daß er in der That hungrig sei und folgte rasch seinem Freunde, überselig, als ihn das schöne Mädchen mit einem freundlichen Blicke empfing.

»Was haben Sie denn eigentlich dort gebaut?« frug sie, als William sich neben ihr niedergelassen hatte.

»Ich?« meinte dieser hastig kauend, »ich dachte – ich habe nur –«

»Mein Freund hat für die Squahw des Häuptlings ein Rindendach gebaut,« – ergänzte George – »er hat ihr vor einiger Zeit seine Dienste angeboten und fürchtet, es könne ein Gewitter kommen und sie naß machen.«

Das helle Lachen Arrita's erhöhte William's Verwirrung vollends; die Sorgfalt, des weißen Mannes erschien dem einfachen Naturkinde auch gar zu spaßig und fröhlich den Kopf schüttelnd, versicherte sie:

»Der klare Himmel mit den blitzenden Sternen ist Arrita's liebstes Zelt.«

»Es muß sich aber doch reizend an dem schönen Plätzchen schlafen!« sagte Marie, »vorzüglich für mich, die ich nun schon so lange in dem dumpfen Wagen eingeschlossen gewesen; wenn Sie es gestatten,« wandte sie sich an William, »so werde ich heute dort mein Lager aufschlagen.«

William war überglücklich und freute sich schon seines Triumphes, als Preston, trotz des Enttäuschten wüthenden Blicken, sein veto einlegte; doch er hatte das Uebergewicht über Marie verloren, die fest auf ihrem Willen bestand, die jetzt sogar aufstand und freundlich sich zu William wendend sagte:

»Ich habe, seit wir auf der Reise, jeden Abend einen kleinen Gang in die Prairie gethan, und will die mir lieb gewordene Bewegung auch heut nicht missen. Mein Onkel, der mich bisher stets begleitet hat, wird mit dem Häuptlinge zu reden haben, wollen Sie so gütig sein und mir heute Ihren Arm reichen, oder vielleicht Ihr Freund?«

»Soll ich die Dame geleiten, William?« frug George, sich langsam erhebend, doch stürzte sein Gefährte in solcher Hast zu Marie, daß er ihn bald über den Haufen gerannt hätte; mit freudestrahlendem Auge nahm William des erröthenden Mädchens Arm und wanderte mit dieser, glücklich wie noch nie, am Rande des Gebüsches, das die Prairie begrenzte, dahin.

Silberhell glänzte das Licht des Mondes auf der weiten, stillen Landschaft, dort sich in den Wellen des Colorado wiederspiegelnd, hier tiefe, gespensterhafte Schatten bildend; eine erhebende Ruhe erfüllte rings die Natur, nur leise rauschten die Blätter in der erquickenden Abendluft, und murmelnd erzählten sich die eilig dahinziehenden Fluthen von fernen Ländern, die sie durcheilt, von den Abenteuern, deren Zeuge sie gewesen waren.

Schweigend wandelten Beide dahin, die großartige Natur verfehlte nicht einen tiefen Eindruck auf ihre frischen, unverdorbenen Herzen zu machen und keines von ihnen wagte die feierliche Stille zu unterbrechen; jetzt hatten sie die Stelle erreicht, wo weithin nach der offenen Prairie der Strom wie ein breites silbernes Band sichtbar wurde, während derselbe auf der anderen Seite in dem dunkeln, in tiefem Schatten ruhenden Felsenpasse verschwand. Das herrliche Schauspiel, welches so plötzlich sich ihren Augen darbot, hemmte ihre Schritte und von gleichen Gefühlen übermannt, schmiegte sich Marie, von William's Arme fester umschlungen, mit einem offenen, vertrauensvollen Blick an des Ueberglücklichen hochschlagende Brust, ihre Augen begegneten sich und sich niederbeugend, wagte William einen leisen Kuß auf die reine Stirn der Erröthenden zu hauchen.

»Marie,« sprach er mit bebender Stimme, indem er ehrfurchtsvoll zurücktrat, »nicht im Stande bin ich Ihnen zu sagen, was meine Seele erfüllt; ich kann auch nicht wagen, diese heilige Stunde durch Worte zu entweihen, aber,« fuhr er mit sich steigernder Innigkeit fort, »gestatten Sie mir, daß ich mich Ihrem Dienste weihen darf – und vergessen Sie dieses Augenblickes nicht!«

Tief ergriffen reichte Marie dem jungen Manne die Hand und der warme Druck, ihr seelenvoller Blick, sprachen deutlich ihre Gefühle aus.

»Lassen Sie uns zum Lager zurückkehren,« bat sie nach einer süßen Pause mit leiser Stimme, »es wird spät. Ihren Schutz nehme ich dankbar an, vertrauungsvoll gebe ich mich demselben hin und nie, nie werde ich dieser Stunde vergessen.«

Entzückt beugte sich William auf Marie's kleine Hand, dieselbe mit leidenschaftlichen Küssen bedeckend, als plötzlich neben ihm die Büsche brachen und unter lautem Gebrüll ein Jaguar in's Freie sprang. Es war ein mächtiger Bursche, unter dessen glatter, spiegelnder Haut man im hellen Mondenlichte das Spiel der Muskeln erkennen konnte; er schien über die beiden Wanderer so erschrocken zu sein, daß er augenscheinlich die größte Lust hatte, sich wieder still zu wenden, doch war William keineswegs geneigt, ihm den Schrecken zu verzeihen, den sein Hervorspringen dem Mädchen verursacht hatte, um so weniger, als er in dem Thiere einen der äußerst seltenen schwarzen Jaguar erkannte. Entschlossen, dessen kostbares Fell zu erbeuten und durch des Raubthiers scheinbar ängstliches Wesen angefeuert, nahm er die Büchse von der Schulter.

Es ist aber ein merkwürdig unsicheres Schießen, mit einer weichen Frauengestalt an der Brust, deren Zittern unsere Nerven aufregt und so ging's auch William, dessen sonst so ruhige Hand lange Zeit schwankte, endlich berührte sein Finger den Stecher und die Kugel vergrub sich tief in den Weichen des vor Schmerz laut heulenden Thieres. Jetzt war aber auch dessen Zögern einer muthigen Kampfbegier gewichen und eben duckte er sich zum Sprunge auf seinen Feind nieder, als Trust und Diana, von George ihrer Fesseln befreit, das Raubthier so grimmig anfielen, daß dieses es doch für gerathener fand, Fersengeld zu geben. Mit einem prachtvollen Sprunge erreichte der Jaguar einen freistehenden Ahorn und fuhr mit Blitzesschnelle an dem glatten Stamm in die Höhe, trotzdem das Blut fort und fort aus seiner Wunde floß. Da lag nun das gereizte Thier ingrimmig auf die den Baum umspringenden Hunde niederfauchend, dicht auf einen Ast geschmiegt, während die glühenden Lichter unheimlich funkelnd auf die durch den Schuß aufgeschreckten und herbeigeeilten Indianer starrten. Auch George, Bob, sowie die Trapper und Preston erschienen, jetzt und Letzterer war eben im besten Zuge Marie auszuschelten und William mit einigen gereizten Bemerkungen zu beglücken, als George dem verlegenen Freunde zu Hilfe kam.

»Ich weiß wahrhaftig nicht,« sagte er zu dem noch immer eifernden Mormonen, »worüber Sie so in Hitze gerathen? Wenn Sie über einen feigen Panther außer sich werden, so begreife ich nicht, wie Sie die junge Dame den vielfachen Gefahren der Wildniß überhaupt aussetzen konnten!«

»Das ist meine Sache,« war Preston's malitiöse Antwort, »vielleicht sprächen Sie auch etwas weniger muthig, wenn das feige Thier Ihnen allein gegenüber stände und nicht, wie jetzt, von so und so viel Büchsen bedroht würde.«

»Meine Brüder schießen nicht!« ertönte plötzlich des Häuptlings sonore Stimme.

»Nicht schießen?« frug hastig Preston, »zum Teufel, was fällt Euch ein? Wollt Ihr das Beest schonen, damit es uns die Nacht über die Ohren vollheult und unseren Pferden gefährlich wird?«

»Der bleiche Mann soll die Nacht ohne Furcht vor dem Thiere schlafen, es wird keinem Pferde mehr schädlich werden.«

»Zum Henker, dann schießt es doch über den Haufen!«

»Nein! Du sollst sehen, daß ein muthiger Mann leicht Sieger wird!«

»Ihr wollt mit ihm kämpfen?«

»Der Panther wird sich mit dem Jaguar messen,« sagte stolz der Indianer, indem er sein Obergewand abwarf, das scharfe Messer in die Zähne nahm und mit der sehnigen Rechten die stählerne Streitaxt ergriff.«

Alle sahen mit der größten Spannung auf des Häuptlings Gebühren, als Preston spöttelnd begann:

»Der Bursche glaubt sich dort oben sicher, es wird ihm nicht einfallen zu Euch herabzusteigen.«

»So steigt der Comantsche zu ihm hinauf!«

»Alle Wetter, sind denn Euch Euere gesunden Knochen so wenig werth? und jetzt, in der Nacht?«

»Uah in der Nacht? dringt das Licht des Mondes nicht erhellend in die kleinste Spalte?« rief der Indianer, und sich plötzlich hochaufrichtend, donnerte er mit erwachender Wildheit:

»Der Panther dürstet nach Blut, er muß das Fell des schwarzen Jaguars haben!« Den entsetzlich gellenden Kriegsschrei seines Stammes ausstoßend, stürzte er nach dem Ahorn, ehe Jemand hindernd einschreiten konnte, wenn dies überhaupt Jemand gewagt, warf seinen Lasso über den niedrigsten Ast des Baumes und das herabfallende Ende ergreifend, schwang sich der kühne Mann behend empor und befand sich unter dem athemlosesten Schweigen der Zuschauer im nächsten Augenblick auf demselben Aste, welcher den wüthend die Weichen peitschenden Jaguar trug.

Dicht an dem Stamm gelehnt stand trotzig der rothe Mann; im hellen Mondlicht sahen die Untenstehenden deutlich sein rollendes Auge, hörten, wie er vergeblich durch lautes Rufen und Schütteln des Astes seinen Feind zum Angriff zu reizen suchte. Der Jaguar aber lag ruhig, fast am Ende des Astes und nur sein drohendes Brüllen verrieth den aufsteigenden Zorn.

»Die Pantherkatze will Blut,« rief mit wilder Stimme der Häuptling und rückwärtsgreifend erfaßte er einen höheren Ast und schon im nächsten Augenblicke befand er sich fast vier Fuß über seinem Feinde. Von der raschen Bewegung erschreckt, stand der Jaguar auf, doch er schickte sich trotzdem nicht zum Kampfe an und wollte sich eben wieder auf den Ast niederkauern, als der Comantsche, dessen ganze Wildniß jetzt erwacht, demselben mit den Worten: »Auf! feiger Bruder, die Pantherkatze muß Dein Blut haben!« das Messer mit sicherem Wurfe in die Seite schleuderte. –

Entsetzlich war das Gebrüll, das der zur höchsten Wuth gereizte Jaguar ausstieß und seine Muskeln spannend, schnellte er sich mit flüchtigem Sprunge nach seinem übermüthigen Quäler; dicht neben des Häuptlings Füßen schlug er die kräftigen Pranken ein und schon hob er die Vordertatze, den Gegner niederzureißen, als dessen Tomahawk sausend niederfuhr und dem Thiere den Schädel zerschmetterte; noch einmal hieb dieses mit den Pranken wild um sich, dann stürzte er dröhnend hinab.

Mit unsäglicher Anstrengung hielten George und William die Hunde zurück, welche sich immer wieder auf das verhaßte, mit dem Tode ringende Thier werfen wollten. Da sprang auch der Häuptling herab, ergriff eine Büchse und trat keck an dasselbe heran, das in ohnmächtiger Wuth den Boden zerkratzte, der Schuß donnerte durch die stille Abendluft und als der Pulverdampf sich verzogen, stand der kühne Indianer stolz auf die Büchse gelehnt neben dem verendeten Jaguar.

»Der bleiche Mann kann nun ruhig schlafen, er hat gesehen, was ein sicheres Auge und ein fester Arm vermag!« sprach er mit leichtem Spotte, dann wandte er sich an zwei seiner Krieger, welche mit strahlendem Auge ihren geliebten, tapferen Sachem betrachteten und sagte:

»Meine Söhne werden diese Haut abziehen und sorgfältig zurichten, die Pantherkatze will sie ihrer weißen Schwester schenken, damit sie ein sanftes Lager habe!«

Ruhig das abgeworfene Jagdhemd ergreifend, reichte der Comantsche Marie die Hand und geleitete sie sorgsam zum Lagerfeuer, seine Gefährten folgten rasch, nur Preston zögerte etwas; er war von dem Gesehenen nicht sehr erbaut und gestand sich, daß es kein leichtes und sicher ein gefährliches Unternehmen sei, sich und Marie der Gewalt des rothen Kriegers zu entreißen.


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