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Fünftes Kapitel

Nach Westen. – Die Ausrüstung. – Am Lagerfeuer. – Die Bärenfährte.

Nachdem William erst mit sich einig geworden, war er auch mit der ihm eigenen Energie bedacht, den einmal gefaßten Plan, Trapper zu werden, baldigst auszuführen. Seine Freunde waren ebenso eifrig bemüht, ihn in seinem Vorhaben zu bestärken und ihn vor allen Dingen wieder in gesündere Luft, das heißt in den Wald, auf Bill's neue Farm zu bringen.

Doctor Millers untersuchte William noch einmal auf das Allergewissenhafteste und gab dann freudig seine Zustimmung zu dessen Uebersiedelung, überzeugt, daß die noch zurückgebliebene Schwäche und Blässe des jungen Mannes durch die Waldluft baldigst weichen würde.

Drei Tage nach des Doctors erhaltener Erlaubniß sollte William Jackson verlassen, er beeilte sich daher seine sämmtlichen Angelegenheiten zu ordnen, theilte seinem Onkel und dem Rechtsanwalt Screw den gefaßten Entschluß mit und nahm dann eine genaue Zusammenstellung seines Vermögens vor. Der von Screw erhaltene Vorschuß war durch die Kunst des Wirthes glücklich auf achtzig Dollars zusammengeschmolzen. Er ließ sich nun von dem Friedensrichter die überwiesenen Eintausendsechshundert Dollars auszahlen und berathschlagte eben mit George, der seit dem Tage, an dem er die Farm verkauft, ebenfalls bei William wohnte, wie er seine Schuld an den liebenswürdigen Arzt abtragen solle, als derselbe in das Zimmer trat.

William theilte das vor ihm liegende Geld in zwei gleiche Theile und schob den einen dem Arzte zu, indem er bewegt dessen Hand ergriff und in herzlichen Worten zu ihm sprach:

»Lieber Doctor, Ihnen habe ich es zu verdanken, daß ich wieder gesund und kräftig geworden, nehmen Sie die Hälfte meines Vermögens und ich werde dennoch stets Ihr Schuldner bleiben.«

Mit weit geöffneten Augen starrte der Arzt den Sprechenden an, dann frug er mit erregter Stimme:

»Wie viel ist das?«

»Achthundert Dollars, lieber Freund.«

»Wie viel haben Sie Geld, George?« frug der Arzt weiter.

»Ich?« antwortete derselbe, »ich erhielt Sechshundert Dollar für meine Farm; noch unangerührt liegen sie in dem Kasten dort, Freund Willy machte es mir unmöglich, auch nur einen Cent auszugeben!«

»So legen Sie getrost noch zweihundert Dollars zu diesem Gelde,« wandte sich fast rauh der Arzt zu William und als dieser schweigend, doch sichtbar verstört durch Millers sonderbares Wesen, dessen Willen erfüllt, fuhr derselbe fort, indem er seine Hand fest auf Willy's Schulter legte:

»Junger Mann, Sie sind ein Thor und werfen mit Dollars um sich, als ob Sie ein Nabob wären. Sie sind auch undankbar und beleidigen die, welche Ihre Freunde sind. In den Städten mag es Sitte sein, den Dank mit Geld aufzuwiegen, hier im Walde, Gott sei Dank, noch nicht. Als Arzt bin ich einmal zu Ihnen gekommen, ein einzigmal; dann kam der Freund, der sich nicht bezahlen läßt. Die Gebühren für einen Besuch in der Stadt beträgt einen halben Dollar, und nun Mr. Warren, wagen Sie es, mir für meinen ersten Besuch fünfzig Cent in die Hand zu drücken, wagen Sie es und – der Teufel soll Sie holen,« murmelte der Alte, von William's Arme umschlungen und an dessen Brust gepreßt, daß ihm der Athem fast verging, mit halb erstickter Stimme.

Lange, lange hielten die beiden Männer sich umfaßt, endlich entwandt sich der Arzt William's all zu inbrünstiger Umarmung mit den Worten:

»So, das thut's Sir! Donnerwetter Mann, Ihr habt sonderbare Manieren, erst beleidigt Ihr Euren Freund und dann gebt Ihr Euch die erstaunlichste Mühe denselben zu erwürgen und das Alles aus Dankbarkeit. Na, na, laßt's gut sein, ich weiß, wie Ihr es meint, und nun sollt Ihr sehen, wie es der alte Millers meint. Diese Dollars, er zeigte auf die vor ihm liegenden Eintausend, behalte ich hier, wenn Sie mit George in's Weite ziehn, selbst verständlich für Euch, nicht für mich, obgleich ich es in meinem Nutzen anlegen will. Ich setze nämlich den Fall, daß es Euch draußen nicht ganz so gut geht, wie Ihr Beide denkt, so ist der Gedanke nicht ganz schlecht: irgendwo ein kleines Capitälchen stehen zu haben. Was nützt Euch in den Prairien so viel Geld? Nichts – gar nichts. Ich aber lege es für Euch an, so sicher, als nur möglich, im Grundbesitze.«

»Im Grundbesitze, Doctor?«

»Ja! ja, im Grundbesitze,« schmunzelte behaglich lächelnd der Alte. »Bill hat mir merkwürdige Lust zu einer kleinen Farm gemacht, und eine solche ist gerade jetzt zu verkaufen.«

»Der Plan ist herrlich,« rief William jubelnd.

»Ja er ist gut,« sagte der bedächtigere George, »aber Doctor Ihr könnt –«

»Aber, aber,« brauste der Letztere auf, »aber ich weiß schon, Mosje Altklug, was Ihr sagen wollt; Ihr meint, diese Knochen seien zu alt, um die Axt zu schwingen und Bäume auszuroden, das ist leider richtig, doch drüben in der Mississippi-Niederung ist der alte Huston gestorben, seine Pflanzung, von drei tüchtigen Negern gut in Stand gehalten, ist famos, sie will ich kaufen.«

»Aber Doctor,« rief George, »wie mir der Friedensrichter sagte, soll diese Plantage zweitausend und einige hundert Dollars kosten!«

»Aber, schon wieder ein Aber! freilich kostet sie zweitausendvierhundert Dollars, aber der alte Millers ist nicht solch' Lump, wie Ihr zu denken scheint. Erhielt ich von meinen Patienten für einen Beinbruch zu kuriren oder ein Fieberchen zu verjagen auch nicht gerade immer achthundert Dollars, so bin ich doch im Stande, mit diesen Eintausend Dollars, wenn mir William dieselben leiht, die Plantage zu erstehen.«

»Doctor, was ich Ihnen schenken wollte, werde ich Ihnen doch wenigstens gern leihen! Ihr habt das Geld, wenn Ihr versprecht, mir ein Plätzchen auf der Pflanzung zu gönnen, sollte ich einst, getäuscht in meinen Hoffnungen, lebenssatt und abgestorben bei Euch einkehren!« antwortete William halb scherzhaft, halb im Ernst!

»Sollt den Platz haben,« sagte kopfnickend der Arzt, »sollt ihn haben und die nöthige Anleitung dazu, um wieder ein vernünftiger Mensch zu werden.«

»Wird es Euch denn aber so leicht, Doctor, Eure Kranken in Stich zu lassen?« frug George.

»Denke nicht dran! Von meiner Besitzung aus werde ich meine Besuche mit gleicher Bereitwilligkeit abstatten, als von hier, wo es mir anfängt unbehaglich zu werden. Es wird zu voll in Jackson, draußen ist's stiller, bin auch den gefährlich Kranken näher, die aus den Mississippisümpfen die prachtvollsten Fieber einsaugen.«

Noch lange sprachen die Männer über ihre Zukunft, dann empfahl sich der Doctor.

Am andern Tage, dem letzten, der in Jackson verbracht werden sollte, kaufte William bei dem Krämer eine Masse Kleinigkeiten, die jedoch im Walde, wo der nächste Nachbar oft so etwa sechszehn Meilen weit wohnt, von unschätzbarem Werthe sind. Es war Mittag und die Glocke im Speisehause rief die Kostgänger bereits zum Mahle, als das von William ausgesuchte Kistchen endlich gefüllt und durch den Krämer verschlossen wurde, welcher versprach, es noch an demselben Tag in das Hotel zu schicken, in welchem die Gäste mit der dem Amerikaner eigenen Hast schon eifrig speisten, als William nun eintrat und Platz nahm. Er war nicht sehr erstaunt, daß George fehlte, der natürlich auch noch mancherlei Besorgungen haben konnte, und verließ daher bald die Tafel, um sich auf sein Zimmer zu begeben, auf welchem sich auch nach Kurzem George und der Arzt einfanden. Die Freunde blieben noch den Nachmittag und Abend beisammen, doch legten sie sich zu früher Stunde nieder.

Beim Grauen des Tages bestiegen sie des Wirthes leichten Wagen. Bob ergriff die Zügel und glücklich erreichten sie in später Abendstunde Bill's Farm.

Zwei Tage blieb Millers bei den Freunden, dann versicherte er, seine armen Kranken nicht länger im Stich lassen zu können. Er verabschiedete sich von William und George in ergreifender Weise, da er wußte, daß die beiden ungeduldigen Wanderer bald nach dem Westen aufbrechen würden.

Wieder und wieder umschlang er die beiden jungen Männer, dann riß er sich los, schüttelte Bob die Hand und bestieg den Wagen, der die Reisenden hierher gebracht. Langsam fuhr er den Waldweg entlang, eine Minute noch, und er würde den Nachschauenden entschwunden sein, da hielt er noch einmal an. Mit lauter Stimme rief er nach Bob und übergab dem eilig Herzuspringenden ein Papier, dann winkte er nochmals grüßend mit der Hand und war im nächsten Augenblicke verschwunden. Das Papier aber, welches Bob seinem Herrn übergab, war ein gerichtliches Document, in welchem der gewissenhafte Arzt und Plantagenbesitzer Millers bekannte, von Mr. William Warrens Eintausend Dollars auf Zinseszins geliehen zu haben. In der Ecke des Blattes stand mit Bleistift: für Leben und Sterben. Lächelnd über des Doctors große Vorsicht barg William das Papier in der Tasche.

Nur wenige Tage noch blieben die beiden Freunde auf Bill's Farm; endlich kam der Tag der Abreise und nach kurzem, herzlichen Abschied von Bills Frau und Knaben ritten die Männer, von dem Farmer geleitet, dem Mississippi zu. An der Fähre, welche die Reisenden an das rechte Ufer des gewaltigen Flusses und damit auch gleichzeitig auf Louisiana's Boden bringen sollte, schied auch Bill. Schon stampften George's und William's Rosse, sowie Bob's Ponny die Bohlen des unbeholfenen Fahrzeugs, schon war die Bluthündin und Trust, mit starken Beißriemen versehen, angekoppelt, als die bootführenden Neger zum Einsteigen mahnten, noch ein Druck der Hand und mit kräftigem Stoße wurde die Fähre abgetrieben, da trat William noch einmal an die Brüstung und rief Bill zu:

»Unter dem Bette steht eine Kiste, deren Inhalt ich Eurer Frau und Eurem Buben in meinem Namen zu schenken bitte.«

Wohl wollte der Angerufene ihm einige Dankesworte zurufen, doch das Boot kam schnell in die stärkere Strömung und die am Bug anschlagenden Wellen machten eine weitere Conversation unmöglich. Bald landete das Boot, und sämmtliche Insassen wurden an's Land befördert.

Ohne jeden Aufenthalt, ohne jegliches Abenteuer durchzogen nun George, William und Bob, gefolgt von den trefflichen Hunden, Louisiana in gerader westlicher Richtung. Der Himmel war ihr Zelt, ihre sicheren Büchsen verschafften ihnen den Unterhalt und William fühlte sich, trotz der ziemlich langen Tagemärsche, immer wohler und kräftiger.

Durch Wald und Hügelland trugen die wackern Pferde ihre unermüdlichen Reiter; Ströme wurden durchschwommen. Berge erklommen und Ende Juni, nachdem sie bereits kleinere Prairien durchritten, erreichten die Wanderer endlich das Städtchen Austin, wo sie sich und ihre Thiere ausruhen und sich ordentlich equipiren wollten, wozu ihnen hier allerdings die beste Gelegenheit geboten war.

Austin, an den Ausläufern der Sierra de Texas gelegen und von den Fluthen des Rio Colorado bespühlt, ist einer jener Stapelplätze, in welchem die Trapper ihre Beute veräußern; der Sitz einer colossal ausgedehnten Pelzcompagnie, schließt es in seinen Mauern Waaren, hauptsächlich Pelze und Häute von beträchtlichem Werthe ein. Dafür bietet es aber auch den Jägern der Prairien Alles, was diese auf ihren gefahrvollen Streifzügen bedürfen: Kleidung aus Hirschhäuten, Sättel und Zaumzeug, Waffen und Munition in allerbester Auswahl und von den verschiedensten Gattungen.

Selbstverständlich wurde George's Vorschlag, ihm die Auswahl zu überlassen, angenommen, und unermüdlich schweifte er in den Waarenmagazinen herum, mit kundiger Hand das Beste auswählend.

Zu Bob's grenzenlosem Schmerze mußte er sich hier von seinem Ponny trennen, das nicht stark und flüchtig genug war, um mit den edeln Rossen der beiden Weißen Schritt halten zu können; er erhielt dafür aber einen prächtigen halbwilden Mustang, dem er den Namen seines Grauschimmels gab und den er in Kurzem auch mit gleicher Zärtlichkeit liebte.

Zwölf Tage nach ihrer Ankunft in Austin, setzten unsere Reisenden über den Colorado und dem Flusse stromaufwärts folgend, lagerten sie bereits des Mittags, durch viele Meilen von jeder Ansiedelung getrennt, auf neutralem Gebiete, das heißt, in einem Landstriche, den die Rothhäute eben so häufig durchzogen, wie die weißen Jäger. Nach kurzer Rast zogen die Reisenden weiter, um noch am selben Tage die eigentliche Sierra de Texas zu erreichen.

Unter lustigen Gesprächen ritten sie dahin, und es dürfte wohl hier am Platze sein, ihre Ausrüstung etwas näher zu betrachten.

Alle Drei waren durchaus in Leder gekleidet, ein kurzes Jagdhemd bedeckte den Oberkörper, Leggins, eine Art Kniehose, und dauerhafte Moccassins umschlossen die Beine, während breitrandige Filzhüte Schutz vor Regen und Sonnenbrand boten; den Leib umschloß ein Gürtel, in welchem ein langes Messer zur Linken und rechts die von den Weißen adoptirte Streitaxt der Indianer, der Tomahawk hing, dicht daneben war im Jagdhemde eine Tasche, in welcher gut verborgen, für den Nothfall berechnet, ein Doppelpistol steckte. Im linken Pistolenhalfter befand sich gleichfalls eine große gezogene Pistole, während das rechte zur Aufbewahrung von Schießbedürfnißen eingerichtet war. An der linken Seite der Jäger hing eine tüchtige Jagdtasche mit darunter befindlichem Kugelsacke, in der ersteren waren Blasen mit eingestampftem Kaffe und Salz, sowie ein bedeutender Vorrath von Tabak, überhaupt war dieselbe zur Aufnahme von Proviant bestimmt. Jeder hatte noch eine übersponnene Trinkflasche und ein mächtiges Büffelhorn mit Pulver gefüllt an der rechten Seite hängen und vor ihnen auf den Sätteln schaukelte sich die sichere, gezogene Büchse. George hatte allerdings noch die von Jerry hinterlassene Büchse über dem Rücken hängen, er konnte sich trotz Williams Abrathen nicht von der treuen Waffe trennen, auch schleppte er das dazu gehörige Pulverhorn mit allem Zubehör mit sich herum. Die Sättel, sogenannte mexikanische Böcke, waren gleichfalls für weite Reisen, die bestgewähltesten, da sie nicht allein dem Reiter einen ungemein sicheren Sitz geben, sondern auch die Pferde wenig drücken und selbe somit vor dem in heißem Klima so gefährlichen Wundwerden geschützt waren, um so mehr, da unter dem Sattel noch eine leichte, aus Roßhaar geflochtene Decke lag, welche fortwährend den Rücken kühl hält. Hinter den Sätteln lagen die zusammengerollten großen Wollendecken, den aufgeschnallten Wasserschlauch verbergend; an der rechten Leite des Sattelknopfes hing der Lasso über einem kleinen, zum Kochen bestimmten Blechgeschirr.

So boten die Reiter in ihrer sorgfältigen Ausstattung, auf ihren tanzenden Rossen, gefolgt von den beiden riesigen Hunden, eine ganz respectable kleine Macht.

Als die Sonne mehr und mehr zur Rüste ging, wurde der Platz zum ersten Lager in der Wildniß ausgewählt; George übernahm die Herrichtung desselben und die Versorgung der Pferde, Bob sollte Feuer machen und William schulterte die Büchse, um etwas frisches Fleisch zum Abendbrod herbeizuschaffen. In Kurzem trat er auch wieder zu dem lustig prasselnden Feuer, einen feisten Welschen triumphirend emporhaltend. Bald war der Hunger gestillt, die dampfende Pfeife im Munde, warf sich George behaglich in das üppige Gras, William folgte seinem Beispiele und nur Bob blieb am Feuer sitzen, immer mehr Holz auf dasselbe werfend.

»Hollah, Bob!« rief endlich George lachend, »für wen baust Du denn diesen niedlichen Scheiterhaufen?«

»O Massa George,« grinzte der Schwarze, »ich sein in Gedanken.«

»In Gedanken? Na, das ist nicht übel, doch nach dem Essen soll man nichts thun, als höchstens rauchen. Liebst Du den Tabak nicht?«

»Wie dies Kind selber.«

» Well! Warum stopfst Du Deine Pfeife nicht?«

»O Golly, der Nigger neben Massa sitzen und rauchen, das sein lustig!«

»Bob komm hierher,« rief jetzt William, »ich werde Dir etwas sagen. Mit dem ersten Schritte, den wir auf die Prairien setzten, ist unser Verhältnis; ein Anderes geworden. Du siehst, von einem Stoff ist unsere Kleidung, gleiche Ausrüstung hat Freund George für sich, für Dich und mich ausgewählt, das heißt: wir Drei, eng verbunden, gehen Gefahren jeder Art entgegen, gleiches Recht und gleiche Berechtigung werde daher Dir, wie uns, und an dem Tage, an dem wir die Ansiedelungen wieder betreten, ist Dir Dein Freibrief so gewiß, als der Himmel über uns steht!«

Schluchzend ergriff der Schwarze seines Herrn Hand und die warmen Thränen, die darauf fielen, sprachen deutlicher sein Dankgefühl aus, als es Worte vermocht hätten. Bald dampfte auch seine Pfeife und in süßem Nichtsthun lagen alle drei auf ihren Decken.

Da hoben die Hunde die Köpfe, ein leichtes Rauschen im Gebüsch erregte ihre Aufmerksamkeit und George's Pferd betrat die kleine Lichtung; ein leiser Pfiff – und wiehernd trat es zu seinem Herrn, ein leichter Schlag mit der Hand – und es beugte seine Knie neben ihm in's Gras.

»Alter ehrlicher Bursche,« flüsterte George dem herrlichen Thiere leise in's Ohr, es schmeichelnd umschlingend.

»Alter Bursche? George!« frug William, der die Worte gehört.

»Freilich alt,« versetzte der Erstere, »auf diesem Pferde entfloh ich den Apachen!«

»Du erzähltest mir aber doch, daß es Dich abwarf, daß Du zu Fuß weiter flüchtetest?«

»Bis mich Jerry und sein Freund befreite, das ist richtig, doch William, ich will aufrichtig sein. Deinen Einwurf fühle auch ich nur als zu wahr, ich muß mir selbst sagen, daß es gar leicht möglich ist, nur das Grab meiner Mutter zu finden, wenn die rothen Hunde ihr ein solches vergönnt. Du weißt auch, daß meine Hoffnung nie zu hoch gespannt war.«

»Das ist auch vernünftig, George. Mit Freuden widme ich meine geringen Kräfte Deinem Plane, es sollte mich aber tief schmerzen, wenn wir unser Leben nutzlos auf's Spiel setzen würden. Nicht aber die Gefahren, die uns drohen, schrecken mich, sondern der Gedanke, daß in Deinem Herzen die Hoffnung zu fest steht, um etwaige Enttäuschungen gefaßten Muthes ertragen zu können, wenn wir Deine Mutter nicht mehr am Leben finden. Noch habe ich gar keine Idee, wie wir in's Gebiet der Apachen gelangen können, ohne unseren Schopf zu verlieren, und dann, ohne jeden Beistand wird Deine arme Mutter –«

»Willy, noch einmal! Ich will offen sein. Alles das, was Du mir sagst, habe ich mir schon oft selbst wiederholt und doch sind unsere Aussichten nicht allzu ungünstig.

Meine Mutter stand nicht ganz ohne Schutz, zwar schützte sie nur die Hand eines Kindes, doch dieses war die Tochter des alten Häuptlings Darhee, und wegen ihrer Schönheit und Anmuth der Liebling der Apachen! O gar oft schützte sie auch mich vor der Wuth meines übermüthigen Gebieters und tief grub sich ihr Bild in meine Brust, so tief, daß ich freudig mein Leben einsetzen würde sie zu erringen, und in rasender Wuth erbebe, wenn ich denke, daß sie jetzt vielleicht schon die Squahw Eines dieser Bande ist.«

»Ah, George, Du bist verliebt? In eine Indianerin – eine Apachin? Eine jenes Geschlechts, das die Deinen ermordete?« frug William verblüfft.

»Willy, sei nicht hart! Kann der Demant dafür, daß der Vulkan, der ihn erzeugte, Verderben speiet? Bleibt er nicht rein und fleckenlos und würdest Du ihn auch in Schmutz und Koth vergraben? Und dann bedenke, daß ich selbst ein halber Indianer bin und ich die Ueberzeugung hege, daß die Bande mit ihrem Stamme zerreißen, wenn sie mein Weib geworden ist. Doch jetzt fühle ich erst, wie Unrecht ich that. Dein Schicksal an das meine zu knüpfen, ohne Dir jede Falte meines Herzens geöffnet zu haben. Mich zieht das mächtigste Gefühl der Menschen: Liebe, doppelte Liebe nach Westen und Dich –«

»Führt innige Freundschaft dieselbe Bahn,« fiel ihm William in's Wort. »Mein Wunsch war, andere Menschen, andere Sitten zu sehen, zu jagen und herumzustreifen, bis wir einen Platz zum Ansiedeln gefunden, und ich werde Dich um so weniger verlassen, nun ich weiß, welch' edlem Wilde Du nachjagst.«

»Nun, Willy! jagen sollst Du, sollst Dich selbst im Blute baden können, wenn vielleicht auch Du einmal der Gejagte wirst, wenn Deine Büchse sich nicht scheuen darf, ihren Gruß Mitmenschen zu zusenden. Doch leg Dich jetzt nieder und schlaf, die Hunde werden für uns wachen. Wie wir die Apacharia erreichen, ist mir, wie bereits gesagt, selbst noch nicht klar, aber daß es uns gelingt, William, bei Gott, das weiß ich. Doch noch einmal, schlaf jetzt! aber vergiß nicht, daß wir uns im Indianergebiete befinden; so weit Dein Auge reicht, herrscht hier der Comantsche, bald werden wir mit ihm zusammenkommen und gebe Gott, daß wir im Stande sind, ihn zu unserm Freunde zu machen. Darauf setze ich meine größte Hoffnung. – Ich werde die Pferde jetzt in unserer Nähe anpflöcken, damit ihnen nicht etwa ein Panther einen Besuch abstattet, dann will auch ich mich niederlegen.«

Geschickt hatte George sein Vorhaben ausgeführt und Moro, sowie des Negers Mustang waren in der Nähe des Feuers gefesselt, dann trat er zu seinem Schecken, lehnte sich an dessen glänzenden Nacken und leise die mächtige Mähne durch die Finger gleiten lassend, sprach er träumerisch:

»O Tojolah – Du Blume der Prairie, könnte ich nur einmal noch Deinen schlanken Körper auf Deinem Lieblingspferde erblicken, ich wollte dann gern sterben.«

Die aufsteigende Sonne fand die Trapper wieder auf dem Wege, Immer den Lauf des Colorado stromauf folgend, begannen sie die Schluchten der Sierra des Texas zu verlassen, und die Bergpfade oberhalb des Flusses zu betreten. George's Vorsicht wurde immer größer, die Gegend immer wilder und schien noch von keinem Tritte entweiht zu sein. Am fünften Tage, nachdem sie die Sierra, betreten, wurde der Pfad, der schon lange sich in der Breite von kaum drei Fuß an hohen Felswänden hingezogen hatte, während rechts unterhalb des Weges der Colorado brauste, bei einer plötzlichen Wendung zu einem kleinen Plateau von sechszig Quadratfuß ausgedehnt, ein klares Wässerchen fiel von den Felsen, durchlief das kleine Plateau und stürzte sich dann aus einer beträchtlichen Höhe in den Colorado, an dem Ufer des Flüßchen war üppiges Buschwerk aufgeschossen und so bot es einen einladenden Ruheplatz. Hinter einander, nach indianischer Sitte, verfolgten die Drei ihren Weg – heute führte William und kaum hatte er diese kleine Oase erblickt, als er jubelnd vom Pferde sprang.

»Ist dieser Platz nicht herrlich George? Wasser und Futter für die Pferde, was willst Du noch weiter?«

»Vor allen Dingen, daß Du nicht so mörderlich schreiest, Willy. Der Platz hier, nun ja, er ist gut, wir wollen hier rasten, aber lange nicht, – er ist zu gut; doch will ich erst einmal etwas recognosciren; schon lange habe ich die Hunde betrachtet, nach ihrem gesträubten Nackenhaar spüren sie entweder einen Bär oder einen Indianer, die Race zeigt beide Witterungen auf gleiche Weise an.«

»Einen Bär George? Das wäre herrlich, sieh, auch Bob grinzt vor Vergnügen.«

»Wünscht Euch überall so eine Bestie, hin,« erwiderte sehr ernst der erfahrene Jäger, »als hier in Eueren Weg. Bedenkt, nur der Grislybär, der an Größe unsere braunen Burschen bei weitem überragt, kann in diesen Schluchten hausen, ein Kampf mit ihm wäre entsetzlich, hier, wo der Weg so schmal, daß bei einem Begegnen es unmöglich ist, vom Pferde zu springen, um zu feuern; vom Pferde herab ihn schießen ist aber ebenso unmöglich, da die Thiere vor ihrem grimmigen Feinde entsetzlich aufbäumen würden und überhaupt tödtet nur der Schuß zwischen die kleinen Schweinsaugen! Flucht hilft gleichfalls nicht, denn der Grislybär, der zwar nicht klettern kann, holt doch das schnellste Roß ein.«

»Das sind recht erfreuliche Aussichten,« sagte William, etwas niedergeschlagen.

»Sehr!« meinte trocken Bob, der im Grase saß und aus langer Weile die umhergestreuten dürren Aeste mit dem Fuße fortstieß; plötzlich sprang er auf, sein blitzendes Auge heftete sich fest zu Boden, dann rief er:

»Hier sein Bär gewesen, hier Boden weich – Massa kann Spur sehen!«

Ohne jedes weitere Wort fesselte George vor Allem die Hunde, dann trat er zu dem Neger und rief hastig:

»Bei Gott! Du hast Recht Bob! und ein tüchtiger Bursche ist's; augenscheinlich war er erst vor Kurzem hier, der Teufel mag wissen, wohin er sich gewandt. Bob: dort an der Ecke, wo unser Weg wieder beginnt, mache ein tüchtiges Feuer. Du Willy an jener Ecke von woher wir gekommen; ich muß wissen, wo der Bursche ist, ich klettere hier hinunter und werde ihn schon finden. Sollte wider Erwarten der Bär Euch einen Besuch abstatten, dann feuert um Gottes Willen zwischen die Augen, zielt bedächtig, es gilt Euer Leben!«

Bald loderte an den beiden Ecken ein tüchtiges Feuer, um die Bestie abzuschrecken, hinter dem einen wachte der Neger mit gespannter Büchse, am anderen William!

George war sorgfältig bedacht, daß die Hunde die Spur des Bären nicht witterten und sprang dann, von ihnen gefolgt, den Abhang, von Stein zu Stein, muthig hinunter; jetzt verbarg ein vorspringender Fels den kühnen Mann den ängstlich Nachschauenden.

Doch in Kurzem erschien George wieder an der Felsecke und rief William zu sich herab, den Neger nochmals bedeutend, sorgsam Wache zu halten.

Mit viel weniger Geschick folgte William den Weg zu George; derartige Wanderungen waren ihm noch zu neu, dennoch erreichte er glücklich den Platz, wo Jener seiner harrte und bald waren sie den Blicken des Negers entschwunden.

»Sehr schön das,« brummte dieser, keineswegs erbaut von seiner Lage, »sehr schön das! Massa George fort, Massa Willy fort, Hunde fort, ah, ich wollte Bob sein auch fort! Also Wache halten, puh! das Feuer wird nicht fliehen, Pferde sein angebunden, Bob sich also selber bewachen.« Mit diesen Worten wandte er sich und einen neuen Holzstoß zum Feuer schleppend, warf er selben, leider aber auch eine Masse Laub und Gras, das er gleichzeitig mit ergriffen, auf das Feuer. Ein dicker, stickender Rauch stieg empor und Bob, die gespannte Büchse im Arm, schüttete eben den ganzen nicht unbedeutenden Reichthum seiner Scheltworte über Rauch und Feuer aus, als beides urplötzlich eine dunkele Gestalt übersprang und vor dem erstarrten Neger ein hoher, schlanker Indianer, den Tomahawk in der Rechten stand.

»Wah!« schrie die Rothhaut, fast ebenso erstaunt, als Bob.

»Ja Wah! Wieso Wah?« rief der Neger – langsam die Büchse nach dem Indianer richtend.

»Dies Pantherkatze!« sprach stolz der rothe Mann auf seine Brust deutend.

»Dies Bob.«

»Dort aber Bär!« rief rasch der Indianer nach der Seite zeigend, woher er gekommen, indem der Schein eines Lächelns flüchtig über seine broncenen Züge glitt.

»Dort ist Bär! dort ist Gefahr! der schwarze Mann wende das Rohr seiner Waffe dahin – Comantsche ist nie ein Feind der Schwarzen.«

Mit erstaunlicher Geschwindigkeit wandte Bob den Kopf nach der angedeuteten Richtung und in einiger Entfernung erblickte der Ueberraschte wirklich einen großen, kräftigen Bär. Wohl überschlich ihn ein unbehagliches Gefühl, doch Furcht kannte der Schwarze nicht; die Lippen fest aufeinander gepreßt, ließ er sich auf ein Knie nieder und hob die treue Büchse.

»Der schwarze Mann ist doch seines Schusses gewiß? sonst gebe er der Pantherkatze die Büchse!« flüsterte der Indianer.

»Nein, Freund Wahwah,« war die Antwort. »Bob schießt nie fehl.«

»Dann warte er,« entgegnete der rothe Krieger »bis der Bär auf fünfzehn Schritt sich genaht und schieße gerade zwischen die Augen.«

»Weiß Bob alles schon.«

»Uah! Bob hat großen Mund, der Bär naht, die That mag für ihn sprechen!«

Näher und näher kam jetzt das wilde Thier, wieder erhob der Neger die Büchse, doch noch einmal legte der Indianer die Hand auf dessen Schulter.

»Wenn der Bär den Sassafrasbusch dort erreicht, wird die Pantherkatze den Ruf des Hirschkalbes ertönen lassen, der Bär wird halten und dem Rufe lauschen, dann mag mein Bruder schießen!«

Laut und täuschend erklang der Ruf des Hirschkalbes, als die Bestie den gelben Busch erreicht hatte, sie hielt an auf dem schmalen Pfade, den Kopf nach dem Laute wendend, noch einmal ahmte der Indianer den klagenden Ruf nach, und nun ließ sich der Bär auf das Hintertheil nieder und richtete sich zu seiner ganzen mächtigen Größe empor.

»Jetzt schieß,« flüsterte der Comantsche und donnernd hallte durch das Felsenthal Bob's Schuß, der augenblicklich mit weitem Satze zurückflog, für den Fall, daß der Bär nur verwundet worden. Unbeweglich lehnte aber der rothe Mann, an dem Felsen, dann trat er auf den Neger zu und sprach:

»Mein Bruder ist ein großer Jäger. Die Pantherkatze war ohne Schießwaffen, sie mußte vor dem Bär fliehen, der schwarze Mann hat seinem rothen Bruder das Leben gerettet, er ist sein Freund,« und mit unendlicher Würde reichte der Comantsche dem Neger die Hand.

»Wo aber Bär sein?« frug dieser geschmeichelt. Stumm wies der Indianer den Abhang hinab, weit unten lag eine graue Masse, es war der Bär, den Bob's Kugel von dem schmalen Wege in die Tiefe geschleudert. Der Comantsche ergriff jetzt wieder seine stählerne Streitaxt und stieg, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zur Tiefe hinab, in die der Bär gestürzt war und Bob, welcher nichts anderes glaubte, als die Rothaut entferne sich auf Nimmerwiedersehen, blickte ihr ziemlich verdutzt nach und brummte:

»Sehr kaltblütig das! – erst reißt Indianer aus vor Bär und nun Bob's Schuß ihn von seinem Feinde befreit, geht er, sagt nicht einmal God-by.« Doch war er versöhnt, als er den Comantschen wieder zu sich empor steigen sah, welcher im Arme die vier Pranken des Bären trug und kaum die Lichtung erreicht hatte, als er auch schon ein neues Feuer an Stelle des verlöschten anzündete. Beim Zusammensuchen der abgebrochenen Aeste erblickte er erst die im Gebüsch angebundenen Pferde und ein leises »Hugh« drückte sein Erstaunen aus; einen Augenblick starrte er vor sich nieder, dann trat er zu dem Neger und frug ernst:

»Der schwarze Mann ist nicht allein?«

»Nein, Mister Indian, Bob wartet auf zwei Weiße.«

»Wah!, Die Pantherkatze hat in der Gefahr treu neben ihrem schwarzen Bruder gestanden, sie sind Freunde. Werden die Begleiter Bob's zürnen, wenn sie den rothen Mann in ihrem Lager finden?«

»O Golly, nein! sie werden sich freuen, Mister Wahwah zu sehen.«

»Es ist gut! die Pantherkatze glaubt, daß des schwarzen Mannes Zunge nicht gespalten – sie wird warten!«

Schweigend ließ er sich bei diesen Worten in das Gras nieder, nahm die bereits an's Feuer gelegten Tatzen wieder hinweg und seine Pfeife stopfend, lehnte er sich zurück und überließ Bob ganz seinen Gedanken, der nicht recht wußte, was er aus der Rothhaut machen sollte und selbe verwundert betrachtete.

Durchaus in Leder gekleidet, das sorgfältig an den Näthen mit bunten Fransen geschmückt war, zeigte der Indianer eine solch muskulöse, zugleich aber schlanke Gestalt, und aus dem kühnen, broncenfarbenen, von langem schwarzen Haar umwallten und einer Adlerfeder überragten Gesicht glühten zwei so dämonisch funkelnde Augen, daß Bob durchaus keinen großen Gefallen an seinem schweigsamen Genossen fand und sehnsüchtig nach seinen beiden Gefährten ausschaute. –

Da klang aus weiter Ferne der leise Ruf einer menschlichen Stimme durch die Stille, und wie von der Feder emporgeschnellt, fuhr der Comantsche in die Höhe.

»Wah!« schrie er mit loderndem Auge, »was war das?«

In selbem Augenblicke krachte ein Schuß, ein zweiter folgte nach kurzer Pause und deutlich hörte man das Anschlagen von Hunden, dann herrschte wieder unheimliche Stille ringsumher; plötzlich ertönte noch einmal der grelle Ruf, der den Indianer vorher so erschreckt, und wieder krachte ein Schuß dröhnend durch das Felsenthal.

Schneller fährt kaum der Blitz aus dunkelen Wolke, als der Indianer mit geschwungener Streitaxt, den trotzigen Kriegsschrei seines Stammes ausstoßend, den Abhang hinuntereilte und in wenigen Secunden den Augen des verblüfften Negers entschwunden war.


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