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St. Bonifatius.

Lenz war's; der Harz lag still im Morgenduft,
Des Auerhahnes Ruf in blauer Luft,
Des Windes Säuseln droben in den Tannen,
Als zöge durch den weiten, grünen Dom
Ein halbverklung'ner Kirchenchor von dannen;
Wie eine Botschaft von Apostellippen
Klingt es herab vom steinernen Altar,
Und webt um Wald und Tal, um Fels und Klippen.
Doch in den maiengrünen Frühlingsschleier
Hüllt sich der deutsche Wald zu heil'ger Feier.

Hier war es, wo dereinst in grauen Zeiten
Ein Mönch die Felsenstiege kühn erklomm,
Das Kreuz errichtet er im Waldesdom,
Und predigte das Heil der Welt den Heiden.
Hart ist des Harzes Boden – wild verwachsen
Mit Fels und Stein – und schwere Rodung galt's –
Doch härter war der Sinn der alten Sachsen.
Ihn aber focht's nicht an, er schafft und schafft
Mit seiner gottgeweihten Lebenskraft.
Wie oft er auch das Kreuz zertrümmert fand,
Ein neues zimmert er im Morgengrauen,

Und pflanzt mit unentwegtem Gottvertrauen
Das heil'ge Zeichen an die Felsenwand. –
Doch Sonn und Regen wechseln über Nacht,
Und über Nacht war Gottes Saat gewachsen.
Es schwur den Treueid, eh man's gedacht,
Dem Christengott der stolze Stamm der Sachsen,
Und hat im Glücke wie im Ungemach
Ihn fest bewahret bis auf diesen Tag.

Und wieder ging die Zeit, der Mensch wird alt,
St. Bonifatius schlief im Sachsenwald.
Doch was er pflanzte, war zum Baum erblüht,
Der sein Gezweige um die Erde zieht,
Zum Kleinod vieler Tausender hienieden,
Zum heil'gen Siegeszeichen und zum Frieden.

Still ruht der Harz, als läg in seinem Schoß
Ein tief Geheimnis, wie die Welt so groß.
Und wie ein Traumbild zieht die Zeit vorbei:
St. Bonifatius mit dem Kreuzeszeichen,
Wie ein Eroberer von tausend Reichen,
Mit großem Volk und hellem Siegsgeschrei.
Doch am Altar klingt, wie in alter Zeit,
Die heil'ge Botschaft aus der Ewigkeit.


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