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Die Kur der Eitelkeit.

Amalie von Osville war durch die Gunst der Natur und des Glücks nicht minder verzärtelt worden, als durch ihre Aeltern in der Kindheit und durch die Welt, seit dem Tage, wo sie eine Zierde dieser bunten Bühne ward. Zu früher Weihrauch hatte ihr den Kopf eingenommen und der Eitelkeit so viel Raum gemacht, daß für verständiges Nachdenken zu wenig übrig blieb. Doch bei einem sechzehnjährigen Mädchen voll Reiz und Anmuth übersieht man leichte Mängel. Die Eitelkeit einer Geliebten wird ihr als Gerechtigkeit gegen sich selber angerechnet, und man vergißt, daß sie durch Bescheidenheit noch mehr gefallen würde. Clairval liebte Amalien. Das leichteste und sicherste Mittel, ihr zu gefallen, Schmeichelei, führte ihn zum Ziele. Er besaß einen lebhaften Geist, eine regsame Einbildungskraft und das Talent, jene artigen Verse zu machen, welche kein anderes Verdienst haben, als daß sie auf den Augenblick passen, wie Funken glänzen und schnell vergehen, aber doch zuweilen einen tiefen Eindruck auf das Herz Derjenigen machen, die den Dichter begeisterte.

Seit zwei Jahren waren Clairval und Amalie vereint, und ein holdes Kind befestigte die Verbindung, die noch kein trüber Augenblick gestört hatte. Allmälig war jedoch in Clairval's Sprache und Benehmen eine unmerkliche Veränderung vorgegangen. Er liebte seine Frau noch mit der alten Zärtlichkeit, aber freilich feierte er sie nicht mehr durch zärtliche Verse, und mit dem Gedanken beschäftigt, sie glücklich zu machen, dachte er nicht mehr daran, ihr zu schmeicheln. Seine Sprache war die Sprache der Offenheit und des Vertrauens. Das Gefühl des Glücks, dachte er, müßte sich anders ausdrücken, als der Wunsch der Sehnsucht, und die Galanterie könnte im gesellschaftlichen Leben sehr angenehm sein, aber an der Seite der Frau, mit welcher man sein Leben zubringen wollte, nur abgeschmackt sich ausnehmen. Vor seiner Verbindung bemühte er sich, als der angenehmste Liebhaber zu erscheinen; einmal mit der Geliebten verbunden, strebte er nur nach dem Ruhm, ein guter Gatte zu sein.

Eine achtzehnjährige Frau liebt uns aber freilich nicht bloß wegen unserer guten Eigenschaften, weil erst ihr Herz allein und selten schon ihr Verstand mündig ist. Frau von Clairval bemerkte mit Empfindlichkeit die Veränderung in dem Betragen ihres Mannes. In der Blüthe ihrer Schönheit, von Anbetern umringt, wollte sie sich für dasjenige, was sie im häuslichen Kreise vermißte, durch die Huldigungen entschädigen, welche man ihr außer ihrem Hause so verschwenderisch darbrachte. Man bemerkte bald, daß Eitelkeit sie beherrschte, und der Weihrauch ward nicht gespart. Clairval sah, daß sie ihres Triumphes sich überhob, und er besorgte, diese ungemessene Gefallsucht möchte seinem Glücke und seinem Rufe schaden. »Du warst gestern ungemein fröhlich bei Frau von Belmont,« sprach er eines Tags zu Amalien, »und ich kann es nicht ohne Schmerz sehen, meine Liebe, daß Du im gesellschaftlichen Kreise Dich weit glücklicher fühlst, als in unserm Hause.«

»Die Bemerkung ist treffend,« antwortete sie ein wenig unfreundlich. »In der Welt giebt man mir, was mir gebührt; in meinem Hause rechnet man mich für nichts.« – »Du irrest sehr, liebe Amalie,« hob Clairval wieder an. »In der Welt schmeichelt man Dir als einer reizenden Frau, und das ist gut; in Deinem Hause behandelt man Dich als eine achtungswürdige Frau, als eine gute Mutter, eine zärtliche Gattin, und das, dächte ich, wäre noch besser. In der Welt bietet die Eigenliebe alle ihre nichtswürdigen Hülfsmittel auf, um Dir den Kopf zu verdrehen; in Deinem Hause spricht allein das Herz mit der ganzen Aufrichtigkeit des wahren Gefühls.«

Die Unterhaltung ward gestört durch die Ankunft zahlreicher Gäste. Frau von Clairval war bald umringt von zierlichen Herren. Ihr Lob war auf allen Lippen, in allen Blicken. Ein lebhaftes Gespräch, freilich ohne Gehalt und Zusammenhang, gab Jedem Gelegenheit, feinen Witz und feine Liebenswürdigkeit zur Schau zu tragen. Das unbedeutendste Wort, das Frau von Clairval sprach, wurde von Allen wiederholt und gepriesen. »Welcher Geist! welche Anmuth! welche Feinheit!« hörte Man von allen Seiten, und die Lobsprüche schmeichelten desto mehr, da sie nicht unverdient waren.

Unter den Bewunderern der schönen Frau zeichnete sich vor Allen Floreville aus, eine angenehme Gestalt, durch Alles geschmückt, was die Mode Gefälliges aufbrachte. Er hatte freilich, bei dieser angenehmen Außenseite ein sehr geziertes Betragen, und bei allem glänzenden Witze, den man ihm nicht absprechen konnte, waren ihm Verstand und Beurtheilungskraft um in einer äußerst geringen Gabe zugetheilt; aber vielleicht gerade, weil er so war, fand er Beifall in der Welt. Floreville hatte sich vorgesetzt, Frau von Clairval zu seinen Eroberungen hinzuzufügen, und glaubte schon viel über ihr Herz gewonnen zu haben. Er irrte nicht. Frau von Clairval hatte zwar gute Grundsätze und eine vollkommene Achtung gegen ihre Pflichten, aber es war hohe Zeit, ihrem Verstände zu Hülfe zu kommen. Eines Tage trat Clairval in ihr Zimmer. Er fand sie nicht, aber aus Unvorsichtigkeit hatte sie auf ihrem Schreibtische einen angefangenen Brief an eine Jugendfreundin liegen lassen. Neugierig las Clairval:

»Ich bin bei weitem nicht so glücklich, meine liebe Freundin, als Du glaubst. Mein Mann ist freilich noch immer ein vortrefflicher Mann, und ich zweifle nicht an seiner Liebe; aber er ist nicht mehr gegen mich, was er vor unserer Verbindung war. Wohin ist jene Zeit, da er meinem Willen, meinen Launen unterworfen war?! Jedes Wort, das ich von ihm hörte, war fein und schmeichelnd. Sein Betragen ist noch immer dasselbe, aber nicht mehr sein Ton, nicht mehr seine Sprache. Er behandelt mich ganz wie seines Gleichen. Denke Dir, er wagt es, mir seinen Rath zu geben, mir, die er sonst als sein Orakel betrachtete. Er vergißt immer mehr, durch welche Mittel es ihm einst gelang, mir zu gefallen, und ohne diese würde ich ihn nie geliebt haben. Unter diesen Umständen ist es ein Glück, daß junge liebenswürdige Männer sich um mich drängen, bei welchen ich die Aufmerksamkeiten wiederfinde, die mein Mann mir nicht mehr zu erweisen würdigt. Besonders Einer … O, wenn Du ihn sähest, ich wette, Du würdest ihn lieben. Er heißt Floreville. Man kann unmöglich liebenswürdiger sein. Wie viel Witz! Wie fein weiß er zu schmeicheln! Im Vertrauen will ich Dir gestehen, ich habe eine Eroberung an ihm gemacht …«

Hier hatte Frau von Clairval aufgehört. Ihr Mann las diese Zeilen nicht ohne tiefe Bewegung; aber als er ruhiger nachdachte, fand er noch einen Schimmer von Hoffnung und Trost. »Sie liebt mich noch,« sprach er zu sich selbst, »sie ist gerecht gegen mein Herz, und nicht mein Betragen, sondern die Art, wie ich mit ihr umgehe, hat ihr Mißfallen erweckt. Wohlan, ich muß davon abgehen. Sie vermißt den Weihrauch, den ich ihr sonst darbrachte. Den kann ich ja ihr zu Ehren wieder verbrennen! Ich werde, denke ich, meine Nebenbuhler noch einmal besiegen, wenn ich mich ihrer eigenen Waffen bediene. Amalie hat im Grunde Herz und Kopf auf dem rechten Flecke, und ich hoffe, sie wird wohl einsehen, was die galanten Abgeschmacktheiten werth sind, welche ich auf den offenen und einfachen Ausdruck wahrer Zuneigung folgen lasse.«

Er kam in eine der glänzenden Versammlungen, wo Amalie selten fehlte. Sogleich eilte er ihr entgegen und stellte sich unter die Bewunderer, welche sie umringten. Floreville führte das Wort in dem Kreise, und nie hatte sich sein Witz lebendiger und glänzender gezeigt. Er sagte der gefeierten Frau so reizende Schmeicheleien, daß seine Nebenbuhler verzweifelten, je diesen Grad von Liebenswürdigkeit zu erreichen. Clairval gab der Versammlung ein Schauspiel ganz neuer Art. Er setzte sich zwischen seine Frau und Floreville und überbot glücklich die Lobsprüche des begünstigten Liebhabers. Beide schienen einen Wettkampf einzugehen, es war ein wahres Lauffeuer von zärtlichen Epigrammen, und am Ende trug Clairval den vollständigsten Sieg davon.

Man schritt bald zu den kleinen Gesellschaftsspielen, die oft nur dem Namen nach unschuldig sind. Clairval, immer an der Seite seiner Frau, ließ keinen Augenblick vorübergehen, ohne ihr eine sinnreiche Schmeichelei zu sagen. Sie war äußerst verlegen über die Rolle, welche ihr Mann spielte. Sie erröthete, als sie das spöttische Lächeln der übrigen Frauen bemerkte, und hier und dort murmeln hörte: »Ist's nicht lächerlich, daß ein Mann öffentlich solche Lobsprüche an seine Frau richtet? Haben sie nicht Zeit, sich diese Albernheiten zu sagen, wenn sie allein sind? Die eheliche Liebe mag sehr gut zu Hause sein, aber sie nimmt sich sehr abgeschmackt vor andern Leuten aus.«

Man lösete die Pfänder, und Floreville sollte die Frau, welche er liebte, schildern. Man fand das Bild allerliebst, und alle Blicke richteten sich auf Frau von Clairval. Die spöttische Huldigung des Neides, die aber immer zum Vortheile der Schönheit ist! Clairval erhielt dieselbe Aufgabe. Auch er entwarf das Bild der Frau, die er liebte. Die glänzendsten Farben wurden verschwendet, alle Schätze der Blumengöttin erschöpft. Das Bildniß war so frisch, und Niemand konnte Frau von Clairval verkennen.

»Das war zu arg. Es ist kläglich!« riefen leise alle Weiber, »der arme Clairval hat den Kopf verloren.« – »Clairval beträgt sich in der That recht erbaulich,« sagten die jungen Herren; »wenige Männer würden ihre Weiber so schön schildern.«

Die Gesellschaft trennte sich endlich. Clairval erhob sich, um seiner Frau den Shawl zu bringen, und litt nicht, daß ein Anderer sie zum Wagen führte. Als er allein mit ihr war, nahm er keinen andern Ton an. Frau von Clairval beobachtete ein tiefes Stillschweigen; endlich aber, da sie zu Hause waren, konnte sie's nicht mehr aushalten.

»Ihr Betragen ist mir unbegreiflich!« sagte sie. »In der That, Sie müssen den Verstand verloren haben!« – »O, wer könnte ihn an Ihrer Seite behalten!« antwortete Clairval. – »Alle die Schmeicheleien, die Sie mir gesagt haben …« – »Sind sehr abgeschmackt gegen diejenigen, welche Sie verdienen.« – »Ihre Lobsprüche …« »Zu schwach für eine Göttin.« – »Das Bild, welches Sie entwarfen …« – »War nicht geschmeichelt.« – »Es war äußerst lächerlich …« – »Die Schwierigkeit, so viele Reize zu malen, muß mich entschuldigen.« – »Sie haben mich dem Gelächter aller Frauen ausgesetzt …« »Sie waren neidisch auf Amaliens Reize.« – »Alle Männer spotteten über Sie …« – »Sie waren neidisch auf mein Glück.« – »Sie haben mich hundertmal roth gemacht …« – »Beklagen Sie sich darüber nicht; was kann die Schönheit mehr schmücken, als die liebenswürdige Röthe der Bescheidenheit?«

Amalie verließ ihn bei diesen Worten und ging in ihr Zimmer. Sie war äußerst unmuthig und erröthete noch über die Rolle, welche sie hatte spielen müssen, und über die beißenden Scherze, die sie angehört hatte. Am folgenden Morgen trat Clairval in ihr Zimmer, aber er nahte sich nur schüchtern. »Ist's erlaubt,« hob er an, »in das Heiligthum der Grazien zu treten?« – Frau von Clairval zuckte die Achseln. – »Wie frisch,« fuhr er fort und schien das Mißvergnügen seiner Frau nicht zu bemerken. »Alle Rosen des Morgens blühen auf Ihren Wangen.« – Frau von Clairval würdigte ihn keiner Antwort. Man brachte ihr Kind herein, das sie zärtlich umarmte. »O, welches holde Gemälde,« rief Clairval, »der Liebesgott in den Armen seiner Mutter!«

»Welche lächerliche Sprache!« hob endlich seine Frau an. »Spricht ein Mann so mit seiner Frau? Drückt sich ein Vater so über sein Kind aus? Laß, ich bitte Dich, laß diesen Ton abgeschmackter Galanterie, oder Du wirst mich erzürnen.« – »Erzürnen!« sprach Clairval lächelnd. »Unmöglich, so schöne Augen …« – »Es ist nicht auszuhalten,« fiel Amalie äußerst unmuthig ein; »wenn Sie in diesem Tone fortfahren, so werde ich vor Langeweile sterben. Ich bitte Sie, lassen Sie mich allein. Ich will lieber ganz einsam, als in der Gesellschaft eines Mannes sein, der mir nur abgeschmackte Dinge zu sagen weiß.« –

Clairval hatte seit langer Zeit einen wichtigen Rechtshandel, von dessen Entscheidung ein ansehnlicher Theil seines Vermögens abhing. Er hatte diese Angelegenheit immer mit Sorgfalt betrieben, und der Augenblick nahte, wo das Urtheil erfolgen sollte. Jetzt schien er Alles zu vergessen und nur an seine Frau zu denken. Sein Rechtsfreund kam zu ihm, um neue Nachweisungen und Aufträge einzuholen; aber Clairval machte ein Lied auf seine Frau. Sie trieb ihn, sich mit seiner Angelegenheit zu beschäftigen. – »Was soll ich thun?« antwortete er. »Mich auf einen Augenblick von Ihnen entfernen, um eines elenden Vortheils willen?« – »Sie werden Ihren Prozeß verlieren,« sagte sie. – »Lieber den Prozeß verlieren, als einen einzigen Ihrer Blicke!« – »Sie werden sich zu Grunde richten.« – »Aber Sie werden mir bleiben, und dann bin ich ja reich genug.«

Amalie wollte sich unmuthig entfernen, aber Clairval hielt sie zurück und zwang sie, sich zu ihm zu setzen. Er zeigte ihr das Lied, woran er arbeitete. Frau von Clairval mochte es nicht hören. »Ich will's Ihnen vorsingen,« sagte ihr Mann, »es sind erst zehn Strophen fertig.« – Sie war außer sich, aber Clairval bestand auf seinem Sinne und ließ sie nicht eher los, bis sie angehört hatte, wie er alle Göttinnen des Alterthums, alle berühmten Schönheiten, welche die Geschichte kennt, ihr zum Opfer brachte.

Kaum war sie wieder in ihr Zimmer getreten, und in ihren Augen standen noch die Thränen des Verdrusses und Unmuths, als man Floreville meldete. Er folgte dem Bedienten auf dem Fuße, grüßte die schöne Frau mit unnachahmlicher Anmuth und fing an, sie von dem letzten Balle zu unterhalten, dem sie nicht beigewohnt hatte. »War er glänzend?« fragte sie nachlässig. – »Glänzend?« erwiederte Floreville. »Wie wäre das möglich, Sie waren ja nicht da.« Er ließ alle Frauen, welche auf dem Balle gewesen waren, der Reihe nach vorübergehen, und Keine kam ohne ein beißendes Sinngedicht auf ihre Gestalt oder ihren Anzug davon. Frau von Clairval hörte ihm ein wenig zerstreut zu, und immer dachte sie wieder an den Auftritt, den sie mit ihrem Manne gehabt hatte. Floreville bemerkte, daß sie nicht aufgeräumt war und fragte nach der Ursache. »Ist Ihnen ein Unglück begegnet? Haben Sie Kummer, Sie, der Gegenstand des Neides aller Frauen?« – »Es ist ein Rechtshandel, der mich beschäftigt.« – »Wie! ein Rechtshandel?« antwortete Floreville. »O gewiß nicht gegen die Grazien, mit diesen haben Sie nie besser gestanden, als jetzt.« – »Ach! schon wieder die Sprache meines Mannes!« sagte Frau von Clairval zu sich selber. »Es ist ein wichtiger Rechtshandel,« fuhr sie nach einer Pause fort, »und ich fürchte leider, ihn zu verlieren.« – »Sie ihn verlieren? Unmöglich! Ihre Richter werden Menschen sein, und der Liebesgott wird Ihre Sache führen.«

Frau von Clairval verrieth nicht undeutlich, wie wenig sie Lust hatte, ihm weiter zuzuhören. Sie wollte ihrer Kammerjungfer klingeln, um dem jungen Herrn das Zeichen zum Abschiede zu geben, als Clairval mit freudigem Gesichte hereintrat. »Noch zwei Strophen habe ich hinzugesetzt!« rief er aus. »Ach!« wendete er sich darauf zu Floreville, »schön, daß Sie hier sind. Sie machen allerliebste Verse. Sie sollen über das Lied urtheilen, das ich gemacht habe.« Ohne Antwort zu erwarten, sang er ein halbes Dutzend Strophen. Er hielt am Ende einer jeden inne, um Floreville's Beifall zu empfangen, und Floreville mußte bewundern. Frau von Clairval saß auf Kohlen, und um sie vollends außer sich zu bringen, begann ein neuer Wettkampf zwischen Floreville und ihrem Manne. Der Liebhaber wollte liebenswürdiger als der Mann erscheinen, und Clairval ihm nicht nachstehen. Es regnete Witzspiele und Schmeicheleien auf die arme Amalie, die nahe daran war, ohnmächtig zu werden. Zum Glücke war Floreville's Vorrath bald erschöpft, und er nahm den Rückzug.

»In der That,« sagte Clairval, als er mit Amalien allein war, »ein sehr liebenswürdiger junger Mann!« – »Sehr abgeschmackt, denk' ich,« antwortete Frau von Clairval. – »Wie? Alles, was er sagt …« – »Ist unausstehlich albern,« fiel sie ein. – »Er weiß seinen Schmeicheleien eine so feine Wendung zu geben …« – »Ich verabscheue seine Schmeicheleien!« rief Amalie. – »Aber sein Witz …« – »Ist kläglich.« – »Freilich, was den Witz angeht, haben Sie allerdings das Recht, sich nicht leicht befriedigen zu lassen,« antwortete Clairval. – »Schon wieder!« rief sie. »O Gott, wann soll das ein Ende nehmen? Wann wollen Sie eine andere Sprache reden?«

»Wann Sie mir sagen, welche Sprache ich reden soll.« – »Fort mit dieser kalten Galanterie, ich bitte Dich,« sprach Amalie, und eine Thräne glänzte in ihrem Auge. »Sprich mit mir die Sprache des Vertrauens, der Achtung, der Zärtlichkeit. O Clairval! Du bist Dir ganz ungleich geworden. Sonst sprachst Du mit mir als ein liebevoller Freund. Hast Du aufgehört, es zu sein?«

»Ich bin es immer noch!« rief er, sich in ihre Arme werfend. »Verzeih' mir, meine Liebe, verzeih' mir die kleine Lehre, die ich Dir geben wollte. Ein wenig zu viel Eitelkeit verleitete Dich, die nichtswürdigen Huldigungen, deren wahren Werth Du jetzt kennst, zu sehr zu schätzen und zu suchen. Ich wollte Dir zeigen, daß dasjenige, was der Eigenliebe im geselligen Verkehr einen Augenblick schmeicheln kann, im gewöhnlichen Leben auf die Länge ganz unausstehlich und lächerlich sein würde.« – »Wie,« antwortete Amalie lächelnd, »eine Lehre wolltest Du mir geben? Du spieltest nur eine gelernte Rolle? Du willst nicht mehr galant gegen mich sein? O wie glücklich bin ich! Eine treffliche Lehre, die ich gewiß benutzen will. Ja, in der Welt mag die Galanterie an ihrer Stelle sein, aber im häuslichen Kreise – da soll trauliche Gemüthlichkeit leben!«


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