Mackay
Die Menschen der Ehe
Mackay

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II.

Die Gesellschaft der Stadt setzte sich leicht erkennbar aus drei Grundelementen zusammen: aus Großhändlern, Beamten und aus Militär.

Seit sehr langen Jahren saßen die Ersteren hier fest. Sie waren der Urstamm des Bürgerthums. So lange hatten sie fast nur untereinander geheirathet, daß sie gewissermaßen eine große Familie geworden waren, welche sich in ererbten Anschauungen und Bräuchen so lange wie irgend möglich fortzubewegen suchte und unter sich mit einem harten Anklang an den Dialekt der Gegend sprach.

Million zu Million häufend hatten sie hier eine moderne Zwingburg des Kapitals errichtet, gegen welche anzukämpfen eine Unmöglichkeit schien. Noch nie war es versucht worden.

So hatten sie – die unumschränkten Herrscher dieser Stadt – ihr lange den Stempel aufgedrückt; den Stempel eines souveränen, starren, fortschrittfeindlichen Willens.

Das waren die »Alldahiesigen!« …

Dann hatte der Staat große Betriebe errichtet, und eine unzählige Schaar von Beamten jeder Art war hier zusammengeströmt, aus allen Theilen des Reiches, neue Sprachen, neue Sitten, neue Kochrezepte mit sich führend. Neues Leben kam mit ihnen nicht. Machtlos zu irgend einer Initiative hatten sie sich willenlos einzuschmiegen als Räder in das Werk der großen Maschine Staat, welche sie verbrauchte. Aber die Luft begann zu schwirren von neuen Titeln, vom Morgengang zum Büreau bis zum letzten – immer sehr späten – Abendschoppen im »Münchener Kind’l,« und die Eingesessenen zogen sich mürrisch mehr und mehr zurück unter die dicke Haut ihrer sicheren Privilegien …

Waren sie zehn Jahre hier gewesen, alle diese Fremden, ohne nach einer anderen Stadt weiterversetzt zu sein, so wurden sie zu »Hiesigen.« Bis dahin blieben sie, was sie waren –: die »Hergeloffenen.«

Unweit der Grenze lag die Stadt. Seit dem gräßlichen Kriege mit dem »Erbfeind« war unablässig Militär über Militär hergezogen, bis zwei Regimenter hier festlagen. Ueberall an den sich erweiternden Grenzen der Stadt entstanden weißgetünchte Baracken von Holz und große, rothe, viereckige Ziegelhaufen von abscheulicher Häßlichkeit, hinter deren Umfassungsmauern die rohen Flüche brutaler Unteroffiziere und die stampfenden Schritte schwerer und keuchender Menschenmassen hervortönten, und die bis dahin so friedlichen Straßen der Städte erzitterten unter dem Klirren rasselnder Schleppsäbel.

Furchtbarer aber noch waren die Verheerungen, welche diese neue Macht in den Herzen der Großbürgertöchter der Stadt anrichtete und murrend nur sahen die Väter, wuthschnaubend aber die betrogenen Vettern der großen Familie eine der lieblichen Blüthen nach der anderen gepflückt von der kecken Hand eines adeligen Sekonde-Lieutenants, der die Geldsäcke nicht nur zu verachten, sondern auch mit Grazie zu leeren verstand.

Und war es nicht in Ordnung so? – Das Kapital verband sich mit der Gewalt, welche seine Privilegien schützte.

Dazwischen lebte ein träges Kleinbürgerthum und ein machtloser Handwerkerstand so hin, von Tag zu Tag, kleine Kannegießer und schlechte Musikanten. Sie verlangten kaum etwas anderes, als beständig über etwas brummen zu dürfen …

Das waren die Leute der Städte.

Von geistigen Bedürfnissen verspürte man hier noch nichts.

Draußen aber, dort, wo die Schlote dampften und die Feuer lohten, wo die Erde bis in ihre Tiefen hinein durchwühlt wurde in rastlosem Kampfe, dort, wo kolossale Arbeitermassen aneinander gekettet durch den Schweiß ihrer furchtbaren Arbeit lagen, dort fielen die Gedanken der Zeit in den Boden der Fruchtbarkeit.


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