Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
»Die Deutschen sind ein gut Geschlecht,
ein jeder sagt: Will nur, was recht;
recht aber soll vorzüglich heißen,
was ich und meine Gevatter preisen.«
Goethe
Ostpreußen ist kein heiteres Land, und um Landschaft und Menschen zu lieben, muß man wohl in ihrer Mitte geboren sein. Weite Ebenen grenzen mit Dünen und Hügeln ans Meer, Heideland und Dünenland, aber die Ostsee ist fast ein eingesperrtes Wasser. Schöne Buchenwälder gibt es dort auch, aber die Güter liegen meist im flachen Felde, und auch die Schlösser ragen nicht von Hügeln, es sind nur große feste Häuser in der Ebene, erbaut von Menschen, die ringsum niemand zu fürchten brauchen.
Wenn sich das Gutshaus des Junkers nicht trotzig erhebt, so war es nicht Bescheidenheit des Herrschenden, die ihn zurückhielt, sondern die volle Ruhe, in der er seinen Besitz gesichert wußte. Um Schmuck oder Schönheit zu suchen, fehlte ihm Kultur, Wissen und Welt; das Beste, was er sich denken konnte, waren zwei Kanonen, die er zur Erinnerung an eine Schlacht mit des Königs Gnade vor dem Tor seines Hauses aufstellen durfte. Sonst freilich spricht bis heute in dieser Provinz wenig von Kriegen, die nur selten darüber hinfegten, und auch daß alle diese Herren Offiziere waren, könnte man höchstens aus der Kunst und Leidenschaft des Reitens schließen, die alle besitzen.
Im Allgemeinen gleichen diese weiten, angebauten Strecken den benachbarten polnischen und russischen Kornfeldern und Waldgürteln, zu denen sie ehedem gehörten; Wege und Häuser sind besser, sonst ist alles wie früher, wenig Neuerung in der Landwirtschaft, Herr und Volk als Kavalier und Arbeiter übereinander geschichtet wie im Rokoko, dazwischen der vergebliche Versuch des Bauern sich zu verbessern und der gelungene Versuch des Junkers, mit wenig Geld, wenig Arbeit und viel Hypotheken im Stil eines großen Herrn zu leben, wie die Väter.
Auch die Hindenburgs, die früher nur Beneckendorff hießen und die als solche seit fünf Jahrhunderten in märkischen, später in ost- und westpreußischen Landstrichen auf ihren Gütern lebten, hatten als ostelbische Junker neben Verwandten und Standesgenossen dort residiert, manchmal ärmer als ein großer westfälischer Bauer, aber immer im Stile der Herren. Wenn der Knabe seine Ferien um 1855 bei den Großeltern verlebte und auf deren Stammgute Neudeck aus dem einfachen Gutshause trat, so hatte er sein Dachzimmer im hohen Giebel verlassen und ein rechtes Bauern-Frühstück hinter sich. Hühner und Enten trieben sich ums Haus herum, und die Fliederbüsche blühten schön und wild durcheinander, denn zum kunstgerechten Schneiden fehlte es an einem Gärtner, und die Großmutter hatte im Hause, in Stall und Küche genug zu tun. Irgend eine Magd mag sein Zimmer aufgeräumt, der alte Reitknecht des Großvaters sein Pferd geputzt haben. Anzäumen mußte er sich's selber und tat es gerne, denn es geschah drinnen im Stall.
Nun aber, da er es aus der alten Stalltür herauszieht, durch die seine Vorfahren ihre Pferde führten, nun sitzt der 10 Jährige auf, reitet los: plötzlich ist er »der junge Herr«. Der Knecht, der ihm das Gartentor aufmacht, steht mit der Mütze in der Hand, brummt: »Morgen, Herr Baron!« und der Junge führt die Peitsche leicht zur Mütze und ruft mit seiner Kinderstimme zurück: »Morgen, Gustav!« Er duzt ihn, aber jener siezt ihn bereits oder er wird es in zwei Jahren tun, während der alte, der mittlere und der junge Herr ihn, Gustav, zeitlebens duzen werden. Reitet der Knabe jetzt bis zum Flusse und kommt an der Schafherde vorbei, die im Staube der Straße leise vorüberrauscht, so grüßt ihn der Hirt, im Dorfe drüben grüßt ihn jeder Mann und jede Frau, denn sie sind alle Kinder von Erbuntertänigen, die älteren sind selber noch unfrei geboren, und drüben über der russischen Grenze sind es die Bauern noch immer.
Was hatte sich im Grunde seit 1807 verändert, als der Bauer in Preußen frei geworden? Wenn Hindenburgs romantischer jüngerer Bruder den Ton jenes Stammgutes beschreiben will, spricht er von der »alten, unermüdlichen Glocke, die sich nie so verwandelt und durch ein Jahrhundert oder länger täglich zur Arbeit frühmorgens und mittags gerufen hat.« Sie rief den Bauern mit Frau und Kind zur Arbeit, als der 10 jährige Hindenburg aus dem Gutshofe abritt, und der Bruder hört sie noch im Alter tönen und kann sich nicht denken, daß sie jemals aufhören sollte, seine Leute zur Arbeit zu rufen, während er selber der Herr bleibt, ziemlich müßig, auch wenn er dies und das im Laufe des Tages selber tut, auch wenn er ein paar Dutzend Rekruten drillt oder ein paar hundert Soldaten kommandiert.
Wenn der Bauer um 1860 vom Junker für seine Arbeit bezahlt wurde, so war es doch nur ein schmales Almosen, fast so freiwillig gegeben wie von den Vätern, denn die Macht des Herrn war damals und ist noch heute groß genug, jeden widerspenstigen Bauern in seinem Bezirke unmöglich zu machen. Der Junker ist der erste Mann im Lande, hat über die Hintersassen eigne Gerichtsbarkeit, und wenn ihn der Fiskus mit Steuern drückt, so hat er Mittel genug, den Fiskus zu drücken; Pfarrer und Lehrer stellt der Junker an, bestimmt den Tageslohn, wie es ihm gefällt, regiert durch den Vetter-Landrat den Kreis und durch den Onkel-Präsidenten die Provinz. Denn ihn schützt der mächtigste Mann in Preußen, ihn schützt der König in Berlin. Warum schützt ihn der König in Berlin? Weil der Junker den König vor seinem Volke schützt.
Der König ist die Quelle des Lebens, ihm muß man treu sein, weil und so lange er seine Hand über den Junker hält, ihm haben die Väter Treue geschworen, als sie als Reiteroffiziere oder auch als Gardeleutnants der Infanterie aus der Kadetten-Anstalt kamen. Denn ihnen hat der König die erste Macht im Staate gegeben, und wenn sie ihm zuweilen grollten, haben sie doch einander nachgegeben; schließlich ist es immer wieder zum ungeschriebenen, aber beschwornen Vertrage gekommen: daß König und Junker einander schützen und ehren, damit Bürger und Bauer nicht aufsässig werden und die neuen Ideen aus Welschland vergessen, die diese verrückten Franzosen in die Welt gesetzt haben. Darum sang man gegen die Junker: »Und der König absolut, wenn er unsern Willen tut!«
Der Großvater war über Achtzig, als der siebenjährige Knabe sich auf den Schemel setzte, um ihm zuzuhören. Er hatte einen freundlichen Kopf, weit besser als der Vater Hindenburgs, und wenn er von Napoleon erzählte, wird der Junge die Ohren aufgemacht haben. Wahrscheinlich saß der Alte nach Tische bei seiner Pfeife auf einem der beiden langen Sofas im Saale und sah auf die Bilder seiner Vorfahren, die dort von den Wänden niederblickten. Hier saß er jetzt über fünfzig Jahre, seit Neudeck ihm zugefallen war. Ein ruhmreicher Soldat war er grade nicht, früh abgegangen und Landwirt geworden; auch die Not der Zeit hatte diesen Ritter in besten Jahren nicht zu den Waffen zurückgeführt; während sein König auf der Flucht, der Feind im Lande war, ist der alte Hindenburg auf seinem Gute geblieben. Da erzählt der Alte wohl den Enkeln, wie er den großen Napoleon in Schloß Finkenstein aufgesucht hat, um Nachlaß von den Lieferungen für seinen Kreis zu erreichen, aber der böse Franzose hat ihn hart angefahren, er müsse seine Truppen ernähren. Damals kamen die Herren Franzosen auch hierher nach Neudeck, dort oben im Giebelzimmer ist durchs Fenster geschossen worden.
Wenn die Enkel nach den verblichnen Bildern an den Wänden fragen, so erzählt ihnen der Alte auf seinem Sofa – und wahrscheinlich schnupft er dazwischen –, daß die Beneckendorffs in den Schlachten von Brandenburg und von Preußen 23 Söhne verloren haben im Laufe der Jahrhunderte, daß ein Vorfahre Kanzler eines Kurfürsten war, und mancher war Offizier unter Friedrich dem Großen. Aber die Väter von diesen Vätern gingen zurück bis zur Stammburg bei Quedlinburg, die die aufrührerischen Bauern in der Reformation erstürmt und verbrannt hätten: das waren wüste Zeiten, dergleichen heute nicht mehr vorkommen könnte! Woher der Name kommt? Ben ist Galgen und Ecke ist Eiche: die Gerichtseiche, die sie im Wappen haben; woraus die Kinder sehen können, daß ihnen Recht und Macht seit Urzeiten zustehen.
Was Hindenburg heiße, wollten sie wissen? Die braune Hindin vor dem grünen Baum, dort über der Tür im Wappen, das bedeute Hirschkuh, aber auch Hund, wovon Hundertschaft kommt, und wieder der Gerichtsbaum: Führer einer Hundertschaft und Gerichtsherr, wieder die Herren und die Gebietenden. Aber Hindenburg, so erklärt der Alte und zeigt mit dem Stocke nach einem andern Bilde, hießen sie erst seit sechzig Jahren. Denn als der letzte unvermählte Oberst von Hindenburg zu Sterben ging, dem Neudeck hier und drüben Limbsee gehörte, – ja, das gehörte auch einmal ihnen, jetzt haben's leider die Dallwitze in den Krallen, – da vermachte er die beiden Güter seinen Verwandten von Beneckendorff mit dem Bedingen, Namen und Wappen des aussterbenden Geschlechtes der Hindenburgs neben dem ihrigen zu führen, was der König 1789 gnädig genehmigte. Woher der letzte Hindenburg die Güter hatte? Vom König natürlich! Für Tapferkeit, versteht sich! Sicher, denn als er neben dem großen Friedrich einmal in der Schlacht ritt, zerschlug ihm eine Kanonenkugel das Bein. Das war im Siebenjährigen Kriege. Für das zerschlagene Bein und für die Kugel, die seinem Herrn daneben gegolten, schenkte ihm sein gnädiger König die beiden Güter.
Nun läßt der Alte die Kinder eine Kassette bringen, die Schlüssel dazu und die Brille, und wenn er umständlich aufgeschlossen, liest er ihnen einen brüchig gewordenen Bogen vor, und wer von den Kindern schon lesen kann, liest über die Schulter mit: das letzte Schreiben jenes Mannes, dem sie die Güter und den Namen verdanken:
»Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die Du, Herr, an Deinem Knechte getan hast. Ich hatte nicht mehr denn einen Stab, als ich über die Weichsel ging, und nun bin ich zweier Güter Herr worden! Wer bin ich, Herr, Herr, und was ist mein Haus, daß Du mich hierher gebracht hast! Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich hiernach aus der Erde auferwecken, und werde hiernach mit meiner Haut umgeben werden und werde mit meinem Fleisch Gott sehen.«
Ganz anders erzählt die Großmutter und auch andere Dinge. Damals, als der Junge alle Ferien in Neudeck verbrachte, war sie erst um die Siebzig und überlebte noch lange ihren Mann. Die Hindenburgs und die Beneckendorffs waren ein gesundes Geschlecht, ohne Skrupel und Nerven, mit viel Landluft und wenig geistiger Tätigkeit, darum sind fast alle 70 und 80 und 85 Jahre geworden. Diese Großmutter, eine geborene Brederlow, hat unter allen Familienbildern den einzigen interessanten Kopf. Eine schöne, stolze, kräftige Frau mit dunklen Augen und eine Art von weißem Nonnentuch, die Hand auf der Bibel: so blickt sie den Beschauer entschlossen an, zusammenhaltend, rüstig, fest auf der wohlgeründeten Erde, Gestalt und Kopf aus Holz geschnitten, wie nach ihr der Enkel, der Feldmarschall. Vierzehn Kinder hat sie geboren und steht noch immer kerzengrade.
Den Enkeln zeigt sie das alte kleine Häuschen, in das sie als 17 jährige Braut einzog, bis sie dann später das Gutshaus bauten. Da hat sie Rinder und Schweine zerlegen gelernt, den Flachs vom eignen Felde, die Wolle von den eignen Schafen genommen und die Kleider für ihre Kinder selber spinnen helfen. Das Tischchen, an dem sie jetzt näht, hat keine Politur, sie zeigt's den Enkeln und sagt, wie sie daran mit dem heißen Messer Pflaster für die Verwundeten gestrichen habe in der Franzosenzeit; einer, den sie gepflegt hat, wäre lange dankbar geblieben. Aber ein anderer Offizier hat aus ihrem Strickkorbe die kleine goldne Tabatière ergriffen und vor ihren Augen eine Prise daraus genommen. Damals war sie sehr jung, aber sie sagt nicht, daß sie schön war; nur daß sie geklingelt hat und dem Diener befohlen, die Dose auszuschütten. So hochmütig waren damals die Franzosen.
Wenn sie mit der Alten nach der Kapelle hinübergehen, damit sie sieht, ob auch bei den Toten alles in Ordnung sei, da zeigt sie den Kindern das Grab der Schwester jenes letzten Hindenburg, der ihnen die Güter vermachte. Die hatte genau ihr Begräbnis bestimmt, bis wohin der Lehrer mit den Kindern mitzugehen habe, und dafür eine Stiftung von 500 Talern für ewige Zeiten gemacht, wovon der Schulmeister jedes Jahr 5 Taler für guten Unterricht in der Religion bekommen sollte. Dafür erzählen sich die Kinder im Dorfe, die alte Barbara reite mit goldnen Sporen auf einem Ziegenbock im Gutshause umher. Auch mit der Stiftung ging es nicht, wie die fromme Jungfrau sich's gedacht hatte. Die Behörden, gestützt auf ihre fünf Taler, wollten sich selber vorbehalten, wieviel sie zahlten, und schrieben in einen Vertrag: »Wenn sich der Lehrer Schiller so führt, wie es einem guten Lehrer zukommt, erhält er am Schlusse des Jahres ein generöses Douceur.« Das war dem Großvater Hindenburg auch noch zu viel, und er schrieb mit eigener Hand hinein: »ein zwar unbestimmtes, aber generöses Douceur.«
Diese Geschichte, die uns Hindenburgs Bruder in einem hübschen kleinen Buch überliefert, wird die Großmutter den Kindern nicht miterzählt haben. Aber grade all das, was Großeltern und Eltern ihren Kindern nicht miterzählen und was auch die Biographen des Feldmarschalls heute verschweigen, ist interessant, denn es beleuchtet das helldunkle Verhältnis des Junkers zum König, auf dem Macht und Leben Beider in Preußen beruhte.
Nicht daß die Hindenburgs eigensüchtiger waren als ihre Standesgenossen; was ihre Familie meldet, findet in andern seine Parallele. Seit Friedrich dem Großen gibt es drei Fakten, mit denen sie in den preußischen Geschichtsbüchern verzeichnet stehen. Das erste stellt die Schlacht bei Kolin dar, in der Friedrich 1757 entscheidend geschlagen wurde: der Kavallerie-General, der den von der preußischen Familie vergötterten König schlug, war ein Graf Beneckendorff, der unter den Hohenzollern in Ansbach geboren, trotzdem in sächsische Dienste ging und als den Höhepunkt seines Lebens jene Reiterattacke schildert, die die Schlacht gegen den Hohenzollern entschied. Ein Zweiter, 1783 in Reval geboren, nahm russische Dienste, wurde Graf und General und schuf die berühmte zaristische Polizei, die Vorgängerin der »Tscheka«.
Denn diese Familien waren gewohnt dort zu dienen, zu schwören und zu kämpfen, wo ihnen Ruhm und Stellung winkten, gleichviel, wie die fremden Herren und Staaten mit dem in ihrer Familie angestammten König von Preußen standen. So gab es außer dem Sachsen und dem Russen dort auch einen, der um 1650 Königlich Polnischer und Schwedischer Kammerherr, sogenannter Starost geworden war, ein Beneckendorff, der die heute recht gefährlichen drei Namen trug: Israel, Köhn, von Jaski.
Den dritten und berühmtesten Fall hatte ein Vetter des Großvaters, der Major von Beneckendorff zu verantworten, der die Festung Spandau bei Berlin gegen die Franzosen verteidigen sollte und dies am 23. Oktober 1806 in der üblichen Form versprach, er werde »die Zitadelle halten und dem Feinde nur die Trümmer überlassen … Am nächsten Tage berief er einen Kriegsrat, in welchem mit Ausnahme des Ingenieurhauptmanns Meinert alle Mitglieder für die Übergabe stimmten und zwar … unter Angabe trauriger Ausflüchte. Major von Beneckendorff wurde 1808 zum Tode durch Erschießen verurteilt, jedoch vom König zu lebenslänglicher Festungsstrafe begnadigt.« O. v. Lettow-Vorbeck. Der Krieg von 1806/7 Bd. II Berlin 1892 S. 219 f..
Eine solche Episode wird einen jungen Mann derselben Familie im selben Berufe zur höchsten Anspannung aufrufen. Sicher hat der Verrat dieses Beneckendorff, den er später las, den Feldmarschall angespornt, den kriegerischen Ruf der Familie wieder herzustellen, die seit dem Offizier mit dem zerschossenen Beine keine Helden mehr vorzuweisen hatte.
Eine andere Episode aus der Familie liegt weit zurück. Der deutsche Ordensritter Beneckendorff, hatte sich, um 1330 von einem Urlaub in die Heimat heimkehrend, eigene Pferde zum persönlichen Gebrauch mitgebracht. Der Ordens-Meister hatte dies getadelt, weil kein Ritter Eigentum besitzen dürfte, und die Pferde in den Stall des Ordens geschickt. Darüber ergrimmt der Ritter Beneckendorff so sehr, daß er den Ordensmeister, als er von der Messe aus der Kirche trat – nach anderer Überlieferung im Kampfe, – mit dem Dolch erstach; worauf er vom Papste Johann zum ewigen Gefängnis verdammt wurde. Diese Geschichte hat erst der Bruder des Feldmarschalls dem deutschen Volke erzählt und scheint, indem er sie ohne jede Kritik preisgab, damit zu beweisen, daß diese Rache eines Ritters einem Nachfahren noch 600 Jahre später nicht so übel gefällt. Der Feldmarschall aber, als ihm im Kriege sein Maler fragte, warum denn der Ahnherr den Meister erstochen, erwiderte nur: »Er wird sich wohl über ihn geärgert haben.«
Denn was ein Junker über Recht und Gewalt, König, Freiheit und Dienst denkt und fühlt, ist von besonderer Art, und ohne es zu begreifen, kann man Hindenburgs Charakter nicht verstehen, der ganz typisch ist und fast gar nicht individuell. Aus der Psychologie des preußischen Junker-Offiziers ist Hindenburg vor seinem Ruhme einzig und ist er vollständig zu erklären.
Aus der Armut des Bodens, aus der gefährlichen Lage zwischen fremden Staaten ergab sich schon für die ersten Kurfürsten von Brandenburg die Nötigung, dieses Lehensland, in das sie aus dem fruchtbareren Franken gezogen, als Militärkolonie zu behandeln, um, etwa wie die Ägypter aus dem Sudan, vor allem Soldaten darauszuziehen. Da ihnen zuerst der Kriegsdienst galt, dann erst der Ackerbau, entwickelte sich der Lehnsdienst hier reiner als anderswo zum Verhältnis des gegenseitigen Schutzes. Volksfremde Fürsten, Erben und Eroberer, konnten das Brot für ihr Land vom Bauern nur erzwingen, wenn sie ihn mit Hilfe ihrer Ritter in Zucht und Gehorsam hielten. Je weiter sie sich durch das kulturlose Land östlich der Elbe nach Rußland hin ausdehnten, umso weniger Widerstand war unter diesen dumpfen, beständig unterdrückten Bauern und Bürgern zu überwinden.
Die Kultur, die der preußische Adel in die eroberten östlichen Provinzen gebracht hat, konnte das Maß seiner eignen nicht übersteigen, und da die preußischen unter allen deutschen Adligen von alters her am wenigsten Kultur hatten, mußte die Kolonisierung des Ostens auf dem Niveau der Junker bleiben. In diesem einzigen Teile Deutschlands, dem Kultur und Wissenschaft bis in die Zeit des Rokoko fehlten, konnten die Junker regieren, in einem Staate, den Lessing noch unter Friedrich dem Großen »das sklavischeste Land Europas« genannt hat. Sehr früh, schon als sich jener Adel festsetzte, waren die Bauern der sandigen Mark Brandenburg zu Tausenden über die Elbe nach Osten gewandert, nicht wie die Pioniere Nord-Amerikas, weil andere Ansiedler nachdrängten, sondern um einen Rest von Freiheit zu retten: auf der Flucht vor den Junkern.
Unter den Fürsten, die sich aus den Nöten des Dreißigjährigen Krieges erhoben, hatten es die Hohenzollern am besten, eben weil ihr Land am meisten zerstört, jede Kraft und Lust zum Widerstande gebrochen, Jeder willkommen war, der einigen Schutz vor den raubenden Landsknechten versprach. So wurden die stehenden Heere, mit denen sich im 17. Jahrhundert die Fürsten zu schützen suchten, in dem verwüsteten und wehrlosen Brandenburg und Preußen von den Bürgern begrüßt, während sie in Österreich verhaßt waren, wo sich der Besitz der alten Landstände erhalten hatte. Die absolute Macht, die ein stehendes Heer dem Landesfürsten gab, ist in Preußen am spätesten, – eigentlich ist sie nie überwunden worden.
Hier hatten die Kurfürsten und Könige sich ihren Adel zum Schutz gegen ihr Volk auf russische Weise geschaffen, indem sie, wie Zar Nikolaus, die Familien ohne Heeres- oder Staatsdienst für erloschen erklärten, andere tüchtige Diener dagegen adelten, so entstand das Paradoxon des »Dienstadels«: plötzlich bekam einer nach rückwärts Ahnen, während der Mensch sonst nur nach vorwärts Kinder zu bekommen pflegt. Da drängten sich denn die herumliegenden, rasch verarmten »Kraut-Junker« zu einem Dienst, der leicht, einträglich und ehrenvoll war, und da sie alle gut reiten und schießen, auch alle das Kommandieren gelernt hatten, waren sie zu Erziehern und Führern kleiner Trupps geeignet, bewährten sich im Kriege, bekamen dann zum Danke für eine Reiter-Attacke ein neues Gut im Osten geschenkt, fuhren im Winter mit ihren Frauen zum Hofball nach Berlin, schimpften untereinander auf den König, schwärmten aber doch nach der Parade beim Burgunder von künftigen Schlachten. Wenn sie dann ihren Entschluß bekundeten, in den Krieg zu ziehen, das heißt den Beruf auszuüben, für den sie bezahlt wurden, so nannten sie das: für ihren König fallen.
Dafür setzten diese Junker und »Krippenreiter« ihre Interessen drohend auch beim König durch, und wenn sie anfänglich 5 Hufe frei von Zins haben sollten, so erhöhten sie dieses Recht bald auf 25, ohne daß der Landesfürst wagen konnte, sie zu zwingen, denn andere Ritter als diese hatte er nicht. Er mußte ihnen auch die »Gutsherrlichkeit« kodifizieren, die Verfügung über den Bauern, der alle Lasten trug und vor dem Neger in Virginia unter den Baumwoll-Baronen nur das voraushatte, daß er nicht getötet und verkauft werden durfte.
Denn bis auf den heutigen Tag heißt das Rittergut in Preußen »Dominium«, Herrschaft, und bis vor hundert Jahren durfte kein Bauer seine Scholle verlassen, heiraten, ein Handwerk ergreifen, eine Kuh verkaufen, eh' es der Junker erlaubte. Dieser durfte ihn prügeln, ins Gefängnis stecken, wenn er etwas gegen die Bräuche tat, und wenn er sich brav verhielt, so mußte er dem Edelmann alles versteuern, Schafe und Bienen, Flachs und Hanf, das Wasser im Bache, den Docht auf der Lampe, sogar den Sumpf vor seinem Hause: 750 Nummern feudaler Herrenrechte hat man zusammengestellt. Dem Bauern blieb dagegen kein anderes Recht, als Sonntags für seine Herrschaft zu beten. Mit Bürgern durfte der Junker nicht umgehen, wie's ihm gefiel: trat er in eine Zunft ein, zu deren einer auch ein Teil der Gelehrten zählte, nahm er ein Mädchen aus dem geringen Bürgerstande, so verlor er den Adel.
Diese Rechte hat Hindenburgs Großvater noch in der Jugend ausgeübt, von ihrem Abbau durch die Zeit hat er dem Enkelsohn erzählt. Mußte der Alte, erschreckt durch diese demokratischen Unsitten, ihn nicht lehren, den Standesstolz wahren, ihm des Königs Grundsatz einprägen, Offizier dürfte nur der Adlige werden, um jede Revolte von unten zu ersticken?
König Friedrich nannte in seinen Schriften »die Anstellung bürgerlicher Offiziere den ersten Schritt zum Verfall des Staates.« Je nötiger unter dem Drucke fremder Völker eine starke Armee wurde, umso mächtiger wurden die Junker, denen der König Landgüter im Osten schenkte; man hat die neuen adligen Kompagnie-Chefs sogar Unternehmer in einer Waffen-Genossenschaft genannt, denn jede neue Kompagnie, die die Soldatenkönige aufstellten, bedeutete für diese Kaste ein neues Rittergut: daher der Kriegsgeist, die Beutelust, daher die Königstreue.
Dieser neue Dienstadel, der ein Drittel des preußischen ausmachte und dem König im großen Ganzen gehorchte, stellte allein den vornehmen Faktor im Staate dar, während Bürger und Bauer samt Universität, Musik und Handwerk etwas ziemlich Verächtliches, zumindest Inferiores waren, gut genug Steuern zu zahlen, zur Führung in Staat und Armee aber nicht zu brauchen. Diese Kerls wurden Kanonenfutter genannt, seit Friedrich Wilhelm I. mit seinem Cantonssystem eine Art Fronde oder Menschensteuer eingeführt, das heißt den Heeresdienst des Bürgers, wenn er nicht zahlt, erzwungen und damit die Dienstpflicht vorbereitet hatte. Als durch die Dritte Teilung Polens sich Preußen noch weiter vergrößerte, fanden die Krautjunker arme Leute zum Exerzieren vor, denen sogar sie an Kultur überlegen waren.
Da diese Kaste das Monopol der Offiziersstellen besaß, brauchten sie sich nur noch gegen die Konkurrenz von Talent und Tatkraft ihrer Freunde zu schützen, indem sie den König zur Einhaltung der sogenannten »Anciennität« zwangen. Ein paar Dutzend Familien, die im Staat ihren Pensionsvater sahen, liefen die Bahn nach oben nur auf Grund ihres Lebensalters, und kam einmal ein bürgerlicher Offizier dazwischen, so wurden sie durch ein »Spring-Avancement« über dessen Kopf weggehoben, so wie der Springer beim Schach.
Im wachsenden Heer stiegen zugleich die Einnahmen der Junker. Das Pauschale, das jeder für seine Kompagnie aus der Kriegskasse vom König erhielt, wurde stark von ihnen eingespart. Sie beurlaubten den größten Teil ihrer Rekruten für viele Monate, bekamen dadurch ihre Hörigen wieder, die ihnen den Acker bebauten, machten die Uniform-Röcke enger, strichen die Westen, schnitten die Ärmel oben ab, führten »Tote Seelen« weiter in ihren Fourage-Listen, weshalb der Feldmarschall von Boyen die preußischen Junker-Offiziere um 1780 »nicht mehr Soldaten, sondern wuchernde Krämer« nannte. Gegen ihre Macht konnte nicht einmal der Alte Fritz angehen, und als er nach den Kriegen die berühmten 24 Millionen Taler zum Wiederaufbau hergab, eine Art innerer Reparation, bekamen die Städte und Bauern so wenig, die Junker so viel, wie um 1930 bei der sogenannten »Osthilfe«. Da sie Jahrhunderte regierten, wurden sie die gerissensten Politiker in Preußen. Sie betrogen die befreiten Bauern schon nach fünf Jahren um ihre Rechte. Mit Trotz und Schlauheit der preußischen Junker ist seit 400 Jahren kein König, keine Regierungsform fertig geworden.
Kein Bürger hat die Junker tiefer begriffen als der Reichsfreiherr vom Stein, der ihnen an Zahl und Verdiensten seiner Väter nicht nachstand, aber als Christ und Edelmann von Königen und Fürsten mehr verlangte, nicht weniger als vom Bürger und darum 1808 schrieb: »Der Adel im Preußischen ist der Nation lästig, weil er zahlreich, größtenteils arm und anspruchsvoll auf Gehälter, Ämter, Privilegien und Vorzüge jeder Art ist. Eine Form seiner Armut ist Mangel an Bildung, Notwendigkeit, in unvollkommenen Kadettenhäusern erzogen zu werden, Unfähigkeit zu den oberen Stellen … Diese große Zahl halbgebildeter Menschen übte nun ihre Anmaßungen zur größten Last der Mitbürger in ihrer doppelten Eigenschaft als Edelleute und Beamte aus.«
Aber auch der Freiherr vom Stein blieb machtlos. Der Groll der Bürger und Bauern gegen sie wuchs stets bis zu einer gewissen Windstärke, um dann aus Ohnmacht wieder abzuflauen. Als einige von ihnen durch Verrat und Feigheit 1806 Napoleon das Land und die Festungen überließen, war die Freude der Bürger über die Niederlage der »Federbüsche« groß; als sie im November 1918 sich die Abzeichen von der Achsel reißen ließen, glaubte das Volk ihre Vorherrschaft gebrochen. In beiden Fällen war es im Irrtum.
Doch zuweilen gingen aus seltenen Kreuzungen von Junkern und Bürgern bedeutende Führer hervor, die bei glücklicher Mischung die besten Züge beider Klassen vereinigten: Bismarck, Gneisenau, Bülow, alles Junker mit bürgerlichen Müttern, hoben sich durch die geistigere Erziehung ihrer mütterlichen Vorfahren aus der Schicht ihrer Standesgenossen empor.
Auch Hindenburg stammt zur Hälfte von Bürgern, und die Verlegenheit der deutschen Biographen wird nur wenig dadurch gemildert, daß sie seine Mutter »ein Soldatenkind« nennen dürfen und seinen Großvater »Generalarzt der Division«. Weder der Feldmarschall noch sein Bruder, die sich beide über ihre adligen Vorfahren verbreiten, schreiben in ihren Memoiren ein Wort vom mütterlichen Stamme; erst nach dem Tode Hindenburgs hat ein Adelsforscher Peter von Gerhardt: Stammtafeln berühmter Deutscher: Hindenburg. 1934. diese Seite untersucht. Keine Erzählung aus ihrer Jugend weist darauf hin; auch die bürgerliche Großmutter Schwickhardt sprach den Kindern nur von Heldentaten und wie ihr Mann als Arzt über die Beresina gegangen sei. Dabei hatten diese Bürger, lauter ehrliche Leute, nichts zu verheimlichen.
Unter diesen bürgerlichen Vorfahren Hindenburgs sind Maurer, Tuchscherer, Heringsfänger, Seiler, Hufschmiede, auch Pfarrer gewesen: alles westdeutsche Katholiken, die erst später nach dem Osten kamen. Der wichtigste dieser Vorfahren war der Urgroßvater des Feldmarschalls, der Grenadier Schwickhardt, denn von ihm und nicht von den kürzeren Junkern hat er die Körperlänge geerbt. Dieser Vorfahr hatte seine Laufbahn wesentlich seiner Figur zu verdanken, da er mit 1,86 m. Höhe unter den Riesen Friedrichs des Großen diente; 39 Jahre war er Grenadier, später Totengräber und zwar als Katholik auf einem protestantischen Friedhof in Berlin. Diese Kleinbürger gingen mit der jeweils förderlichen Religion, so wie die Junker mit dem jeweils förderlichen Fürsten gingen; lauter Realisten mit und ohne Wappen. Jener Grenadier hatte Marie Puhlmann, Leibwäscherin bei der Prinzessin Wilhelmine zur Frau genommen, und der Stammforscher v. Gerhardt fügt hinzu: »Wann und wo Schwickhardt, der Grenadier, sie geheiratet hat, ist nicht festzustellen. Sein in Potsdam 1773 geborner Sohn Johann Franz wird im Garnison-Kirchenbuche noch als unehelich bezeichnet, während dieser Vermerk bei dem 1780 gebornen Karl Ludwig, dem Großvater des Feldmarschalls, von alter Hand durchstrichen ist.«
Dieser, der Arzt und später Militärarzt wurde, übernahm in der Schlacht bei Kulm gegen Napoleon 1813 die Führung der Kompagnie und bekam zur Belohnung vom General zwar keine Güter in Ostpreußen, doch eine Kassette mit Silberzeug für seine künftige Braut geschenkt. Das ist das einzige, was seine soldatischen Enkelsöhne von ihm erzählen, obwohl er nur an diesem einen Tag seines Lebens Menschen getötet, aber an tausend andern Tagen Menschen geheilt hat.
So sind die beiden Urgroßväter Hindenburgs wahrscheinlich im selben Potsdamer Schloß einander zuweilen begegnet: der eine, Riesige stand am Tor stramm und präsentierte das Gewehr, wenn der andere aus seiner Kutsche stieg, um zum Hofball beim König zu gehen. Die eine Urgroßmutter wusch die Wäsche der anderen, die sie, als Gast im Schlosse, morgen tragen wollte. Das Merkwürdige war nur, daß sie einander nicht kannten.
Von beiden Eltern, dem Lieutenant und späteren Major von Hindenburg und von der Tochter des Arztes, lernten die Kinder, von einer kleinen Garnison in die andere verschlagen, Religion, etwas Geographie und Französisch, vor allem aber, wie Hindenburg im Alter schreibt, »Liebe zu dem, was sie als die stärkste Stütze des Vaterlandes anerkannten, nämlich zu unserem preußischen Königtum.« Auch die Eltern erzählten gleich den Großeltern aus ihrer Jugend nichts als Kriegsgeschichten, – es müßten denn die beiden Brüder Hindenburg, die nur solche nacherzählen, alles andere vergessen haben. Als der Feldmarschall ein Jahr alt war, in der Revolution von 1848 in Posen, wo er geboren ist, fühlten sich alle Offiziere bedroht: »Für jeden war ein Meuchelmörder gedungen, der im passenden Augenblicke sein Werk tun sollte. Wenn die Eltern abends ausgingen, schlich ihnen, sich im Schatten der Bäume haltend, eine unheimliche Gestalt nach.« Und als Alle für die siegreiche Revolution Schwarz-rot-gold flaggen und die Fenster illuminieren mußten, ging die Mutter in ein Hinterzimmer, setzte sich an die Wiege des Kindes und dachte: heut ist der Geburtstag des Prinzen von Preußen, »so daß die Lichter an den Fenstern im Vorderzimmer in ihrem Herzen diesem galten.«
Mit diesen, in früher Kindheit erzählten Erinnerungen wurden die Knaben zum Haß gegen jede Freiheit des Volkes erzogen, mit Leidenschaft gegen alles erfüllt, was gegen den König und ihre Kaste sich zu erheben wagte und Schwarz-Rot-Gold trug. Zugleich lernten sie aber, wann man dem siegreichen Gegner seinen Gefallen tun durfte: man stecke die Lichter am Fenster an, wie es die Mutter in ihrer Sorge an jenem Revolutionstage getan, man darf es ruhig tun, wenn man dabei nur was Loyales denkt.
Kindern, die jeden Morgen den Vater seine Kompagnie drillen sahen, die ihre Kameraden immer wieder verlassen mußten, weil der Vater versetzt wurde, prägte sich dieser Wechsel als eine Notwendigkeit ein, nicht düster, aber schicksalsvoll, und wenn sie traurig fragten, warum sie schon wieder aufpacken mußten, so hieß es einfach: Der König will's!
In der Unruhe einer solchen Kindheit, die kein Verweilen erlaubte, blieb als Heimat nur das Stammgut Neudeck, das ihnen die Ferien bedeutete. Dorthin hatte sich nach dem Tode des Großvaters der Vater im Jahre 63 zurückgezogen, nach dreißig Dienstjahren pensioniert; dort waren die Kinder glücklich, denn dort waren sie frei und zugleich kleine Herren, und der Zusammenhang zwischen Dienst und Herrschaft wurde ihnen am Beispiel des Vaters deutlich. Weil er von diesen Rittergütern stammte, hatte er in einem vornehmen Regimente Offizier werden dürfen, zwar wenig erworben, das Wenige aber über seinen Abgang hinaus sicher, sein Leben lang vor Not geschützt, von Fünfzig ab auf seinem Gute schaltend, eigentlich immer arm, doch stets mit den Allüren der Herrschenden.
Krieg hatte der Vater nicht erlebt, und als er den Dienst verließ, ergriff er die gebietende Stellung im kleinen Kreise wieder, aus der er kam. Dies alles hatte den König zum unsichtbaren Motor. Das Wechselspiel von Gehorchen und Befehlen, von Dienst und Herrschaft, das das Junkerleben kennzeichnet, stellte sich dem heranwachsenden Knaben unter dem Zeichen des Königs dar, von dem die Gaben des Lebens ausgingen und dem dafür dieses Leben gewidmet wurde. Der gesunde älteste Sohn hatte eine vorgezeichnete Bahn im Dienen und Herrschen: mit 11 Jahren verließ er den bürgerlichen Weg und schlug den des gebornen Garde-Offiziers ein.
Diesen Abgang ins Kadettenhaus muß der ernste Knabe sehr schwer genommen haben, denn er schrieb vor der Abreise spontan sein Testament. Hier haben wir ein Testament Hindenburgs, das unbedingt echt ist, denn in diesem Falle besitzen wir die Urschrift. Darin verteilte er sein Spielzeug unter die Geschwister und bat, einem armen Kameraden auch weiterhin eine Semmel zum Frühstück abzugeben. »Daß ich dies wahr und wahrhaftig geschrieben habe, bescheinige ich hiermit.« Dann aber schrieb er in die Ecke darunter: »Friede und Ruhe bitte ich mir für immer aus.«
Dieser Zusatz, mit dem er auf rührende Weise aus der Rolle des Testators fällt, gibt schon den Grundzug seines Wesens wieder: Wille zur Ruhe, Gelassenheit, keine Aufregung, dies und die grandiose Gesundheit, die er durch 80 Jahre bewährte, bilden das Fundament, auf dem er seine nervenlose Existenz aufbauen konnte.
Es heißt, der Soldatenkönig habe das Kadetten-Korps (1717-1919) nur neu begründet und in Berlin vereinigt, um seinen »effeminierten« Sohn, den späteren Großen Friedrich für das Militär zu interessieren, das dieser als Jüngling verachtete. In acht preußischen Anstalten wurden die Jungen bis zum 17. Jahre, dann in Berlin erzogen. Dort brachten die reichen Adligen ihre zweiten und dritten, die armen oft alle Söhne unter, denn da sie dann mit 18 Jahren unbedingt Lieutenants wurden, gingen sie dem Vater von der Tasche, während sie einen Studenten bis 25 und länger erhalten mußten. Ein Junker sank zum Diplomaten oder gar Gelehrten nur herab, wenn er körperlich nicht ganz intakt war.
Der Reiz für den Jungen, der Kadett wurde, lag also nicht in glänzender Zukunft, sondern in sicherer Versorgung. Um diese Lebensform aus ihrer dienstlichen Eintönigkeit zu heben, wurde dem Jungen eingeprägt, er erhielte bald die höchste Ehrenstellung im Staate, zu der nur der Adel berufen war. In der Tat hat die Armut des preußischen Offizier-Korps während seiner besten Zeit, etwa von 1770-1890, das große Äquivalent der Ehre als zureichend empfunden; da sie die unbestrittenen Herren im Lande waren, akzeptierten sie ein karges Leben. Die »Offiziersehre«, die mit der Soldatenehre nicht zusammenfiel, gab ihnen Ehrenrat und Ehrengerichte, die auch »Meinung und Ansichten« durchaus im Sinne der Inquisition verfolgten, denn das Offizierskorps war eine Zunft, wenn auch keine freiwillige. Je höher ihr Standesgefühl gezüchtet wurde, umso größer wuchs in ihnen die Verachtung des Volkes. »Das Bewußtsein eines besonderen, persönlichen Verhältnisses zu seinem König, der Vasallentreue, – schreibt Hindenburg in seinen Memoiren, – durchdrang das Leben des Offiziers und entschädigte ihn für manche materielle Entbehrung … Das Wort »Ich dien'« hatte dadurch einen ganz besonderen Klang.«
Als er Kadett wurde, 1859, waren die meisten Offiziere der preußischen Armee von Adel; zu den höheren Posten und zu den vornehmen Regimentern war kein Bürgerlicher zugelassen. Von 2900 Offizieren waren 1800 aus dem Kadettenhaus hervorgegangen. Von diesen 2900 waren 2000 von Adel; prozentual zur Zahl der Adligen in Preußen wären es 80 gewesen. Der Adel war 25 mal so stark vertreten wie das Bürgertum. Bürgerliche Generale gab es nicht. Im Ersten Garde-Regiment zu Fuß waren alle 85 eigentlichen Offiziere von Adel, die 6 Ärzte aber, die Offiziersrang hatten, alle bürgerlich. Im selben Jahre 1859 waren von den 94 Offizieren, die das französische Erste Garde-Regiment zählte, 11 Adlige. In Preußen lebte damals der vierte Teil der gesamten 68.000 Adligen vom Militär-Budget, das also die verarmten oder untätigen Adligen von Staatswegen versorgte. Wenn später, um 1900, einmal ein Bürgerlicher General wurde, so wurde er schnell geadelt; die Badenden warfen dem armen Adam eine Badehose zu.
Die Volksverachtung des Kadettenhauses wird etwa in Roons Biographie geschildert: »Im Kadettenkorps atmete er eine Luft, die von den politischen Ideen der Reformzeit und der Freiheits-Kriege nicht einen Keim enthielt; man warnte die Kadetten vor den Idealen der Burschenschaften, ihrem Freiheits-Schwindel … Als strenger Absolutist verachtete Roon die politischen Bestrebungen des deutschen Volkes, schilderte noch drei Tage vor dem Untergange des absoluten Regimentes, im März 48, den Aufstand des Volkes als »das Treiben bezahlter und betrunkener Handwerksburschen,« und nannte das Frankfurter Parlament eine politische Menagerie.
Im selben Geiste wurden um 1860 die Kadetten erzogen, mit besonderem Mißtrauen gegen den gemeinen Soldaten; ein Freiherr von Manteuffel nannte es einen »gefahrvollen, ja unerträglichen Zustand, das Schicksal Preußens und seines Königtums von dem mehr oder weniger guten Willen von 50.000 Bauernjungen abhängig zu machen.«
Was das Kadettenkorps an trefflichen Gefühlen heranzog, Korpsgeist und Kameradschaft, Tugenden, durch die man sich beleben, von denen man aber nicht leben kann, das war nicht der Kern, der hieß: Gehorchen und Befehlen. Indem der Gehorsam bedingungslos gefordert wurde, bis zur Auslöschung der Persönlichkeit, wurde der Wunsch zu befehlen herangezüchtet; alle schweren Stunden und Jahre im Kadettenhause wurden erträglich, wenn man sich den Augenblick vorstellte, von dem ab man selber befehlen würde, wären 's auch nur 20 Mann. Indem eine spartanische Erziehung nur die Söhne des Adels traf, der sich für auserwählt halten durfte, fiel jede Demütigung fort, und der Junge, der angeschrien und eingesperrt wurde, konnte sich immer noch sagen: Wir sind die Edelsten der Nation, die große vorletzte Stufe der Pyramide, auf der der König steht.
So erzog das Kadettenhaus durch Gehorsam zum Befehlen, schloß Ideen aus, um Charaktere zu bilden, und nannte das Ganze Dienst. Damit wurde die Grundlage für den Charakter nicht eines siegenden, sondern eines dienenden Soldaten gelegt; die Begriffe Pflicht und Mut wurden herangezogen, und man nannte das Ganze »ein Leben für König und Vaterland«. Da der König durch Gottes Gnade regierte, waren die mittelalterlichen Verbindungen von Thron und Altar hergestellt, der Dienst am König war zur religiösen Handlung gesteigert, die Stufenleiter zu Gott hin war gebaut. »Die Anschauungen,« schreibt Hindenburg in seinen Memoiren, »die ich in der großen Schule der Pflichterfüllung, im deutschen Heere gewonnen habe, … gipfeln in dem Satze, daß Pflicht vor Recht geht, und daß jederzeit, besonders aber in den Tagen der Not, Einer für Alle und Alle für Einen einstehen müssen.« Diese Formel, die an die Gebote geistlicher Orden erinnert, nur daß an die Stelle Gottes hier der König trat, zeigte zugleich die befohlene Blindheit des Gehorsams an und durchdrang schon die Knaben mit dem Gefühl, daß sie nur nach unten, niemals nach oben Verantwortung übernehmen müßten. Auf solchen moralischen Grundlagen erzog das Kadettenhaus vorzügliche Männer des Dienstes: wenn sie von Natur schöpferisch waren, mußten sie ihre Gaben verheimlichen, bis sie sie später im Generalstab entwickeln durften. Das Kadettenhaus hat nur Feldherren zweiten Ranges hervorgebracht.
Wie verging ein solcher Tag, wie er Hindenburgs Jugend sieben Jahre lang, mit Ausnahme der Ferien, bestimmte?
In einem kalten Schlafsaal erwachten etwa 30 Kadetten früh um sechs in ihren schmalen, harten Betten vom Signal der Reveille, wuschen sich mit eiskaltem Wasser, fuhren schnell in ihre Kleider, liefen unter den ersten schallenden Kommandos, – alle Räume dieser steinernen Kasernen hallten durch ihre Leere wieder – zum ersten Turnen in den Hof, immerfort angetrieben, denn von jetzt ab mußte 15 Stunden lang alles schnell gehen. Eine dämonische Eile schien die Lehrer in ein immer erhöhtes Tempo zu treiben, der Zustand drohender Gefahr wurde beständig suggeriert, jede Pause der Betrachtung oder des Denkens war verboten. Dann zur Mehlsuppe, Butter in schmale Streifen abgeschnitten, auf Kommando werden die Teller an die Suppenschüssel geschoben, worauf das eigentliche Essen nur 3-4 Minuten dauern darf. »Die jüngeren Kadetten,« schreibt Hindenburgs Bruder, »mußten sogar Brot, das sie von den Mahlzeiten gesammelt hatten, in einen Kasten brocken, den sie auf dem Schoß hielten, damit es bei einer Besichtigung durch den Offizier nicht bemerkt wurde. Dies wurde dann zum Frühstück im Eßsaal in die gemeinsame Suppenschüssel geschüttet und mit der Mehlsuppe zu einem Pams verrührt.« Diese und die beiden anderen Mahlzeiten waren so schnell, die Räume so kalt, daß alle Kadetten-Briefe von Essen und Wärme zu Hause träumen und auch der junge Hindenburg sich schon vor Abreise in die Ferien besondere Speisen bei der Mutter erbittet.
Die Schulstunden in den Zimmern, die je 6-10 Kadetten bewohnen, ohne darin zu schlafen, mit einem dem Gymnasium ähnlichen Lehrplan, werden von Offizieren gegeben, nur der Pfarrer ist ein halber Offizier. Der kahle Raum enthält außer dem Arbeitstisch und Schränken einen kleinen Eisenofen, einen Spucknapf, eine Uhr und das Bild des Königs. Während des Unterrichts reißt ein höherer Offizier die Tür auf, alle Stühle knallen zurück, der älteste Kadett meldet brüllend: »Stube belegt mit 8 Kadetten. 8 Kadetten zur Stelle,« alle Bücher knallen zusammen, der Offizier reißt irgend einen Schrank auf, prüft, ob in den vier Fächern, die jeder für seine Sachen hat, alles in Ordnung liegt: im zweiten die Waffenröcke gefaltet, Futter nach außen, Ärmel nach innen, im dritten Drillich-Zeug, alles gefaltet, im vierten Bürsten, Kamm, Nähzeug.
Das oberste Fach jedes Schrankes bildet den Winkel, in dem sich die Phantasie des Kadetten in bestimmten Grenzen äußern durfte: das Nippes-Fach, wo Photos, Muscheln und Andenken aufgehoben werden. »Ich will mir,« schreibt der 13 jährige Hindenburg nach Hause, »meinen Putzspind jetzt so einrichten: hinten an der Wand einen großen preußischen Adler, in der Mitte auf einer Erhöhung den alten Fritz mit seinen Generälen, am Fuße derselben eine Menge Schwarzer Husaren, vor das Ganze eine Kette gezogen, hinter welcher Kanonen stehen, und vor der Kette zwei Schilderhäuser und zwei Grenadiere zu Friedrichs des Großen Zeiten, doch hierzu fehlen mir die Sachen; ich hoffe auf Weihnachten.«
Liegt oder steht das Kleinste nicht in den rechten Winkeln oder Parallelen, so reißt der Offizier alle Kleider aus dem Schranke und läßt sie unter beständigem Anschnauzen den Kadetten in einer Minute wieder einräumen. Lacht einer oder sein Heft hat einen Klecks, so muß er zur Strafe das Putzbrett seines Schrankes mit den zerbrechlichen Nippesfiguren oder den wackligen Bleisoldaten herausnehmen, Kniebeuge machen, mit einem Zirkel zwischen den geschlossenen Fersen, dessen andere Spitze an seinem Hinterteil anliegt, drei Minuten unbeweglich das Brett halten, auf dem nichts klirren darf. Zittert er, so sticht ihn der Zirkel oben oder unten.
Dreimal am Tage muß jeder Kadett seine Stiefel und die Metallknöpfe seines Rockes putzen; dann tritt beim Exerzieren der Offizier vor ihn hin, prüft, ob er sich in jedem Knopfe spiegeln kann, dreht einen, der ihm nicht fest zu sitzen scheint, so lange herum, bis er abreißt. Plötzlich werden Alle vom Hof in ihre Stube gejagt, müssen nach vier Minuten in einer andern Uniform wieder zur Stelle sein, ausgerichtet, und der Offizier prüft mit dem Zentimetermaß, ob die schwarze Halsbinde, die ins Innere des Kragens gesteckt wird, 1,5 Zentimeter vorragt wie vorgeschrieben oder zwei, was strafbar ist.
Das beständige Stürzen, Brüllen, Knallen, Schnarren hält Alle den Tag über in Bewegung und Furcht, alles hallt wieder von: »Still gestanden! Richt Euch! Augen rechts! Erste Kompagnie stillgestanden! Richt Euch! Rührt Euch!« Bei »Stillgestanden!« werden die Füße nicht 90, sondern 85 Grad gegeneinander gestellt, bei »Hände an die Hosennaht« wird der Mittelfinger an die Naht gelegt, Brust heraus, Bauch herein, Kinn an die Binde, Augen fixieren, Schulter zurück, ganzer Körper in grader Linie leicht vornüber geneigt. Beim Exerzieren in Abteilungen immer 8 Schritte Abstand, bei Ehrenbezeugung 3 Schritte vor, 3 zurück, Hand an die Mütze fliegend. In drei Minuten müssen 18 Knöpfe so geputzt werden, daß sie spiegeln, aber kein Fleck vom Putzpulver auf dem Tuch entsteht; mit Bringen, Holen, Anziehen werden die Jungen über die Treppen gejagt, Kirchgang, Spaziergang, alles muß klappen, auf die Sekunde, auf den Zoll, nichts darf bequem sein, alles in beständiger Spannung, als wären die letzten Meldungen vom Feinde zu überbringen. Da zittern die Beine, die Hände schwitzen, Wut durchwühlt das junge Herz, aber der Mund muß schweigen.
Wenn sie dann abends eine halbe Stunde Briefe schreiben durften, die der Zensur unterliegen, wird getrommelt, im Zuge nach dem Schlafsaal marschiert, in 3 Minuten muß alles im Bette liegen, die Sachen parallel auf dem Stuhle neben jedem Bett, kein Wort ist erlaubt. Der Offizier, der durch ein Loch im Holzverschlage Alle übersehen kann, kommt plötzlich in der Nacht, findet eine Hose schräg gelegt, reißt alles durcheinander und läßt den Jungen im Hemd seine Kleider zusammenlegen.
Ist es ein Wunder, daß der junge Hindenburg, so berichtet der Bruder, einmal am Ende der Ferien das Gut durchaus nicht verlassen will und heulend erklärt: Nie wieder! Dafür kann er das nächste Mal nach Hause schreiben, sie hätten hohen Besuch gehabt, den Kronprinzen, und fügt hinzu: »Wir sahen fast alle bei dieser Gelegenheit zum ersten Male Mitglieder unseres Königshauses. Noch nie hatten wir beim Parademarsch unsere Beine so hoch geworfen.« Denn das ist die Form, in der der Kadett seine Gottheit verehrt, den König.
Mit Sechzehn darf er ihn leibhaftig sehn: in der Berliner Hauptanstalt. Zunächst von der Ferne, wie sich's für einen Gläubigen ziemt. Als Leib-Page der Königin-Witwe erhält er eine Uhr, die er sein Leben lang trägt. Dann »durfte ich endlich bei den Frühjahrs- und Herbstparaden meinen Allergnädigsten Herrn, König Wilhelm I. sehen.« Als er aber sein erstes Offiziers-Examen bestanden hat, in dem viele Kameraden durchfallen, werden die Glücklichen dem Könige vorgestellt und berichten über diesen schönsten Augenblick. Bismarck, 1863 die wichtigste Person in Preußen, fehlt in den Briefen ganz; nur immer König und Prinzen. Das Mißtrauen dieser Junker gegen ihren abenteuerlichen Standesgenossen kündigt sich schon in diesem Schweigen an, und was den Geist überhaupt betrifft, den en bloc gering zu achten zum guten Ton gehört, so spottet der 16 jährige Hindenburg über seinen lesenden und nachdenklichen Bruder, über seine »gelehrten Studien … Außerdem wirst Du hoffentlich den Geheimrat und Gutsbesitzer fahren lassen und Vorliebe für den Soldatenstand gewinnen.«
Zu dieser Zeit, als er als Stuben-Ältester zum ersten Male befiehlt, statt nur zu gehorchen, wird er von einem Kameraden aufs freundlichste geschildert: »Streng gegen sich selbst, wohlwollend, gütig gegen seine Untergebenen. Jeder Neue fühlte sich unter seinem Schutze wohl und geborgen. Das war nicht auf allen Stuben derartig. Er schloß seine Ermahnungen häufig mit den gewichtig ausgesprochenen Worten: Sie wollen Offizier werden! Er hatte keinen aktiven Humor, aber viel Sinn und Verständnis für fröhliche Laune und einen guten Witz … und war von der Bedeutung seines stolzen Berufes durchdrungen.«
In diese Welt des 17 Jährigen schlägt zum ersten Male die Trommel des Krieges, als er drei ältere Kadetten in den dänischen Krieg ziehen sieht und dann hört, wie sie dabei waren, als die Düppler Schanzen erstürmt wurden; einer schickte seine Sachen zurück. »Den Rock, den er beim Sturm getragen, – schreibt Hindenburg nach Hause – trägt jetzt ein Unteroffizier, damit wir ihn stets vor Augen haben. Prinz Karl erzählte, er habe nach dem Sturm einen Bombardier gefragt, ob er müde wäre, worauf er geantwortet hat, wie kann ich müde sein, wenn unsere Offiziere so tapfer sind und unsere jungen Kadetten so mutig allen voran eilen! Der König hat befohlen, daß alles dies in unser Archiv eingetragen werden soll.«
Mit so naiver Frische, mit den typischen Anekdoten von Ehre, Mut und Wetteifer betrachtet der junge Hindenburg den Krieg zuerst aus der Ferne. Kein Wunder, daß er auf einen neuen hofft, bald soll er ihn haben. Denn kaum hat der 18 jährige Lieutenant im Neudecker Saal vor dem Spiegel seine neue Garde-Uniform probiert, mit Stolz und sicher auch mit Sorge von den Eltern geprüft, so wird er einberufen, denn wir schreiben 1866, und Bismarck hat beschlossen, Deutsche auf Deutsche schießen zu lassen. Was Hindenburg in den wenigen Wochen vor Kriegsausbruch zu leisten hat, ist eine große Zeremonie, vergleichbar der Einkleidung des Mönches: er leistet seinem Könige den Treueid.
Dieser Eid war neu. Die deutschen Völker kannten den Heereseid nicht, als der Krieg nur von Freien geführt wurde. Die alten Söldner schwuren ihn nur für die Zeit eines einzelnen Krieges, damit sie Zucht hielten, Kaiser und König vereidigten weder Offiziere noch Beamte auf Lebenszeit. Der Schwur auf Zeit war frei; wer ihn nicht leisten wollte, weil ihm sein Führer nicht paßte, mochte daheim bleiben. Erst als das Reich in einzelne Länder zerfiel, die Fürsten ihre Untertanen zum Kriegsdienste zwangen, als also kein Vertrag mehr vorlag, formten sie den freien in einen Zwangseid um, den Soldateneid; diesen Akt umgaben die Priester mit heiligen Formen, um den Soldaten vor Flucht und Desertation zu schrecken. Hindenburg schwur:
»Ich, Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und Hindenburg, schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich Seiner Majestät dem Könige von Preußen, meinem Allergnädigsten Landesherrn, in allen und jeden Vorfällen, zu Lande und zu Wasser, in Krieg- und Friedenszeiten, und an welchen Orten es immer sei, getreu und redlich dienen, Allerhöchstdero Nutzen und Bestes fördern, Schaden und Nachteil aber abwenden, die mir vorgelesenen Kriegsartikel und die mir erteilten Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffenen, unverzagten, pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet und gebühret. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum und sein Heiliges Evangelium!«
Hindenburg sprach noch im 85. Jahre von seinem Soldaten-Eide zu einem Besucher, den wir kennen lernen werden. Erzogen im Glauben an den König, glühend in Offiziersehre und Vasallentreue, erlebte er diese Zeremonie mit der ganzen Kraft des Symbols und hat sie niemals vergessen.
Auf erstaunlichen Umwegen wird er im Alter mit diesem feurig geschworenen Jünglingseide zu kämpfen haben.
»Ich freue mich über die bunt bewegte Zukunft, für einen Soldaten ist ja der Krieg der Normalzustand, und außerdem stehe ich in Gottes Hand. Falle ich, so ist es der ehrenvollste Tod, eine Verwundung muß ja auch nur zum Besten dienen, und kehre ich unversehrt zurück, umso schöner …«
»Wenn ich die Gefühle schildern soll, die mich vor der Schlacht befielen, so wären es ungefähr folgende: zunächst eine gewisse Freudigkeit, daß man nun auch einmal Pulver riechen lernt, dann aber auch ein banges Zagen, ob man auch seine Schuldigkeit als so junger Soldat genügend tun wird. Hört man dann die ersten Kugeln, so wird man in eine gewisse Begeisterung versetzt (sie wurden teils mit Hurra begrüßt), ein kurzes Gebet, ein Gedanke an die Lieben in der Heimat und den alten Namen, und dann vorwärts! Mit der Zahl der Verwundeten macht die Begeisterung einer gewissen Kaltblütigkeit oder mehr Gleichgültigkeit gegen die Gefahr Platz. Die eigentliche Aufregung kommt erst nach dem Gefecht, wo man die Greuel des Krieges in den schrecklichsten Gestalten mit mehr Muße übersehen muß; dies zu beschreiben, vermag ich nicht …«
»Mein Ziel auf dem Kriegsfelde ist erreicht, das heißt, ich habe Pulver gerochen, die Kugeln pfeifen gehört, alle Arten, Granaten, Kartätschen … bin leicht verwundet worden, somit eine interessante Persönlichkeit, habe fünf Kanonen genommen etc. etc.!!! Vor allem aber habe ich die göttliche Gnade und Barmherzigkeit an mir kennen gelernt, ihm sei Ehre, in Ewigkeit, Amen!«
Alle Gefühle des feurigen, jungen Offiziers sind in diesen Briefstellen aus den Kriegen von 1866 und 70 enthalten: Gläubigkeit und Fatalismus, Pflichtgefühl und Stolz auf die alte Familie, Freude am Sieg und Schrecken beim Anblick der Sterbenden. Nimmt man hinzu, wie er nach der Schlacht bei St. Privat berichtet, er habe alle wichtigen Momente des Gefechts mit der Uhr festgestellt, wie er sich über den ersten Orden freut, den man sich damals ernstlich verdienen mußte, so ergibt sich das Bild eines vorzüglichen Offiziers, den keine falsche Schneidigkeit zur Übertreibung verlockt. Alles ist Dienst im besten Sinn. Wie sehr ihn das Standesbewußtsein treibt, zeigt eine Stelle aus dem Briefe des 18 Jährigen vor seiner ersten Schlacht: »Es ist die höchste Zeit, daß die Hindenburgs mal wieder Pulver riechen. Unsere Familie ist darin leider seltsam vernachlässigt.« Hier hört man, wie ihn die Unehre von Spandau nach 60 Jahren kränken mag.
Als er in dieser Schlacht, bei Königgrätz verwundet wurde, schreibt er: »Mir fuhr eine Kugel durch den Adler meines Helmes, streifte den Kopf, ohne mich schwer zu verwunden und ging hinter dem Adler wieder heraus.« Diesen Helm hatte der Feldmarschall bis zum Lebensende auf seinem Schreibtische stehen. Früher hatten ihn die Eltern aufgehoben, eine Bibelstelle in den verbrannten Adler gesteckt, und der gläubige Vater, der nur als Leiter eines Spitals am Kriege teilnahm, schrieb damals seiner Frau: »O Du heiliger Gott, welche Zuchtrute ist die Fackel des Krieges in Deiner Hand! Gelobt sei Jesus Christus, der unser geliebtes Kind so gnädig behütet und nicht in diesen Raum gebracht, wo das Bild des Entsetzens einem entgegenstiert und die Tränen des Jammers so zahlreich geflossen sind und lange fließen werden!«
Zugleich mit dem Brief ihres Mannes las Hindenburgs Mutter diese Zeilen ihres Sohnes: »Die Trennung von dem lieben Vater ist Dir gewiß recht schwer geworden, doch ist er ja hingegangen, um eine edle ritterlich christliche Pflicht zu erfüllen. Welch wunderbares Verhältnis ist es doch, die Wunden, die der Sohn schlagen mußte, darf der Vater heilen, und doch tun beide ihre Pflicht.«
Bis zu diesem Punkte vermag ein redlicher junger Offizier, Nachkomme vieler Offiziere, den Widersinn der Kriegsmoral durchzudenken. Kann man von ihm erwarten, daß er, der hier in einem einzigen Satze die ganze Paradoxie des christlichen Krieges enthüllt, kann man von einem 18 jährigen Junker erwarten, daß er den Zwiespalt zwischen Gottes und des Königs Gebot durchdringt und sich für einen entscheidet? Schon hier erreicht Hindenburg die äußerste Grenze seiner Denk- und Gefühlskraft und wird noch sechzig Jahre später versuchen, solch widerstrebende Pflichten, sei es für Gott und König oder für Volk und König, zu vereinen.
Auch politisch wurden die Grundlagen seines Denkens in den beiden Kriegen gelegt, die ihn in der preußischen Armee mit 18 und 23 Jahren von Sieg zu Siege führten. Im ersten Kriege trug der Süddeutsche Feind die schwarz-rot-goldne Armbinde. Der Haß gegen diese Farbe, den ihn bei jenen Erzählungen aus der Revolution schon Vater und Mutter gelehrt haben, mußte sich in Augen und Herzen bestätigt fühlen, als er dieselbe Farbe der Revolution und Demokratie beim Feinde fand. Daß er diese Leute jetzt töten, während er vier Jahre später mit ihnen verbündet gegen Frankreich kämpfen sollte, dieser Widersinn des deutschen Bruderkrieges konnte ihm nach seiner Erziehung so wenig klar werden, wie der zwischen dem schießenden Sohn und dem heilenden Vater. Der Befehl des Königs entschied, Dienst war Gebot, Pflicht war das Wort der Stunde und blieb das Wort seines Lebens.
Damals hat ihn Thomas Couture, in Versailles aushaltend, in einem reizenden kleinen Bilde festgehalten, weil ihm der schlanke Lieutenant wohlgefiel. Es zeigt einen noch immer etwas romantischen Jüngling, der gegen die Photos der zurückliegenden Jahre an Männlichkeit zugenommen, aber noch nichts von der harten Gefaßtheit hat, die ihn von Dreißig ab kennzeichnet.
Nach der Schlacht von Sedan spricht er schon wie ein Habitué des Schlachtfeldes: »Man muß es den Franzosen lassen, daß sie sich brav geschlagen haben … Das Gefecht war insofern originell, als wir, die von Nordosten kamen, uns bei den Bewegungen vorsehen mußten, nicht auf belgisches Gebiet zu treten.« Vielleicht wird einst der Augenblick kommen, wo an Hindenburgs Beurteilung derselben Frage die Zukunft des Reiches hängen soll.
Vier Monate später stand der junge Lieutenant in der Galerie des Glaces zu Versailles, da er »zur Kaiser-Krönung kommandiert war … Um 1 Uhr ist große Cour und Erklärung von Kaiser und Reich, und wir sind dann zur Tafel befohlen.« Auch damals waren Blick und Herz ganz auf seinen König gerichtet, und noch fünfzig Jahre später kommt in den Memoiren seine Begeisterung für diesen König, dagegen Bismarcks Name auch an dieser Stelle nicht vor. Wie sehr er Soldat ist, wie wenig Politiker, zeigt die Kühle, mit der er über Sedan und Versailles berichtet, sachlich, ohne Phrasen; als aber Paris fällt, gibt es plötzlich einen Ausbruch, und er schreibt den Eltern: »Hurrah, Paris hat kapituliert!!!«
Zwei Orden auf der Brust, zwei Einzüge durchs Brandenburger Tor: die Chance, seinen schleppenden Beruf so jung zur stolzen Verwirklichung zu steigern, ersparte ihm zugleich die Spannung jüngerer Kameraden. Durch Siege und Schreckbilder war Hindenburg mit 23 Jahren saturiert; sicher hat er in seinem Leben keinen Krieg mehr gewünscht. Die heroische Epoche dieses Lebens war sehr früh vorüber. Was folgte, war 40 Jahre lang nichts als Kommiß, nur noch Handwerk, Theorie, nur noch Dienst im Frieden.
Umso stärker mußte alles Fühlen und Denken dieses Mannes, während er in die Breite ging und schließlich alterte, auf jene Jahre der Jugend zurückgreifen. Durch glückliche Rettung aus mehreren Schlachten mußte sein Glaube sich gestärkt fühlen, und wenn auch sein protestantisch-einfaches Wesen an keine Mission dachte, so konnte er sich doch für ein Kind des Glückes halten und einen Mann des Erfolges dazu. In dem Maße, wie sich der Glanz jener Kriege in der Erinnerung steigerte, mußte sein simples Denken auch sozial und politisch hier die erreichbaren Höhepunkte, er mußte in den Siebziger Jahren Deutschlands Kulmination erkennen und zu dem natürlichen Konservatismus des Junkers noch den persönlichen eines Mannes fügen, dessen Gefühlsleben keine Steigerung erwartete oder vertrug. Den Franzosen-Kaiser hatte er gefangen nehmen, Paris kapitulieren sehen, seinen König zum Kaiser erhoben, alles mit eignen Augen, alles in begeisterter Jugend: wie hätte er von da aus weiter fortschreiten, die Gefahren des Kaiserreiches, die Verführungen der Macht und des Geldes im Offizierskorps und in der Dynastie erkennen können! Durch vierzig Jahre kreiste das Seelenleben dieses Offiziers um den Polarstern jenes Tages, da er in die eroberte Hauptstadt des Erbfeindes mit einreiten durfte.
Wie wenig er in den folgenden vierzig Jahren innerlich erlebte, zeigt die Beschränkung seiner Memoiren auf 20 Seiten, die er diesem Zeitraum widmet. Der König und die Fahne, das waren die Symbole, in denen sein inneres Pathos Genüge fand, wobei er wohl, ähnlich Wilhelms eigenen Gefühlen, im Kaiser weiter den König, in der deutschen die preußische Fahne verehrte. Preußen hatte als das einzige Land der Welt eine Fahne ohne Farben: schwarz-weiß, eine korrekte Fahne, die Tag und Nacht kalt nebeneinander setzte. Nun war zu diesen beiden Nichtfarben das Rot getreten, das der schlaue Bismarck dem Könige gegenüber aus dem Rot-Weiß der Brandenburgischen, den Hansa-Städten und Holsteinern aus dem Rot-Weiß ihrer Fahne erklärte. Hindenburg blieb im Herzen ein Preuße und ahnte damals nicht, in welch phantastischer Zwangslage er 60 Jahre später, im höchsten Alter für das Reich und gegen Preußen optieren sollte.
Nur die Ehe, die er im 32. Jahre mit einer Generalstochter schloß, ist als Ereignis jener vierzig Jahre anzusprechen; sie hat ihm Glück und Zufriedenheit gebracht und während vierzig Jahren ein Leben erwärmt, in dem weder Freundschaft noch Reisen noch Studien den grauen Dienst verschönten. Seine natürliche Ruhe ist durch dieses Leben bestätigt und vertieft worden, und wie er von nun an, den Zügen der vornehmen väterlichen Großmutter sich nähernd, den wuchtigen, quadratischen Schädel entwickelte, so bekommt sein Blick eine gewisse Bauernschlauheit, die ihm die kleinbürgerlichen Vorfahren der Mutter als brauchbare Erdengabe überliefert haben mögen.
In dem Kommißleben, das er bei der Truppe während etwa 30 von diesen 40 Jahren führte, hatte Hindenburg so wenig wie ein anderer Offizier Gelegenheit sich hervorzutun. Während es ihn stufenweise bis zum Kommandierenden General hinaufführte, hat doch kein Biograph ein Aktenstück, einen Einfall oder Vorschlag ausgraben können, die ihm des Zitierens wert wären. Fiel er also durch persönliche Talente niemand auf, so hat ihn auch keiner schneidig, scharf oder hochnäsig geschildert wie viele seiner Berufsgenossen; vielmehr wird er von allen als geduldig, gutartig und objektiv im Urteil, als Lehrer wie als Organisator gleich tüchtig gerühmt; nie unschlüssig, weil nie nervös, überall fest, einfach, in der Art eines Holzschnittes, wie es sein Kopf anzeigt. »Die Strenge seines Wesens,« schreibt ein Kamerad, »zeigte sich weniger in seinen Worten als in seiner Haltung und seinen Augen, die dann eine eigentümliche Schärfe annahmen … War bei Besichtigungen das Urteil anderer Vorgesetzter zu scharf ausgefallen, dann wußte er den Tadel zu mildern oder, wenn nötig, zu entkräften.« Sein Lieblingspferd, einen Goldfuchs nannte er »Geduld«.
Da er niemals »Kommißhengst« wurde, immer patriarchalisch mit den Leuten umging wie auf dem Gutshofe, sah man ihn als älteren General noch jungen Rekruten Gewehrgriffe zeigen, sich mit seinen Soldaten in den Schützengraben legen, damit sie lernten Deckung suchen. Nur im Anzug ließ er nichts nach, und wenn einmal im heißen Sommer Kragen und Halsbinde hervorragten, wurde er grob, denn das war gegen die Disziplin. Daß er ein vorzüglicher Offizier war, zeigt seine Berufung als Kommandierender an eine der 24 höchsten Stellen der Armee, für die immer zwei Generallieutenants kandidierten. Diesen Posten erreichte er, belastet mit einer bürgerlichen Mutter, ohne Protektion des Kaisers, ohne Geld und ganz ohne Hofgängerei oder Streberei, denn Hindenburg hatte sein Leben lang wenig Ehrgeiz, aber viel Standesgefühl.
Da hatte er denn, als er in Magdeburg als Korps-Kommandant mit Mitte Fünfzig landete, vor seinem Dienstpalais an der großen Auffahrt endlich die beiden Schilderhäuser, die er sich als Kadett in seinen Putzspind gewünscht hatte. Daß er in dieser vornehmen Stellung, die sogar über den Oberpräsidenten hinausging, den Habitus und die Bequemlichkeit eines großen Herrn in der Fülle seiner Gesundheit kennenlernte, mußte dem Standesherrn in ihm als letzte Genugtuung erscheinen.
In diesen hohen und unter einem jungen Könige gefährlichen Stellungen sind Geduld und Nervenruhe bei ihm sprichwörtlich geworden. Sein großes Kaiser-Manöver, für einen preußischen General weit aufregender als ein Krieg, hat er samt der gefürchteten Parade trotz plötzlicher Launen seines kaiserlichen Herrn mit größter Ruhe bestanden; da konnte er inmitten eines lärmenden Saales auf hartem Stuhl einschlafen und zur rechten Zeit erfrischt wieder aufwachen. Als bei einer Kritik der General Bernhardi nicht aufhörte zu deduzieren, sagte Hindenburg nachher nur: »Im Kriege verläuft doch alles anders.« In seinem Casino sieht man ihn beim Wein oder Biere sitzen, gute Witze erlauben und belachen, aber keinerlei Zoten, dazu war er zu sauber.
Diese eintönige Laufbahn wurde durch acht Jahre Generalstab unterbrochen, der durch mehrere schwierige Examina gesperrt und nur begabten Offizieren zugänglich war. Als Hindenburg sich auf der Kriegsakademie darauf vorbereitete, 1873-76, wurde der Lehrplan grade grundsätzlich verändert: Waffenlehre, Kriegsgeschichte, Militärrecht vermehrt, dafür Literatur-Geschichte halb und Philosophie ganz gestrichen.
Über diese Jahre im Generalstabe, die im Berlin von 1885-93 eine dramatisch bewegte Zeit umfaßten, schreibt Hindenburg in seinen Memoiren nur 4 Seiten, die Anekdoten inbegriffen. Mit den großen Politikern oder Gelehrten, deren Verkehr jedem Generalstäbler offen stand, hatte er so wenig Fühlung wie mit den unteren Ständen. Bismarck, den die Junker haßten, zuletzt auch stürzten, muß ihm unheimlich und antipathisch wie seinen Freunden gewesen sein. Daß er es war, der den Offizieren erst Gelegenheit gegeben, den Degen zu ziehen, wurde in diesen Kreisen bestritten oder vergessen; nicht er, sondern das Schwert hätte das junge Reich gegründet, von dessen Werden damals alles erfüllt war.
Bismarck war in diesen Kreisen, die die Kreuz-Zeitung hielten – und Hindenburg hat sie bis ins höchste Alter 60 Jahre lang gelesen –, Bismarck war damals auch den Protestanten als der Mann suspekt, der die Schule verweltlichte, die Zivilehe und andern liberalen Unglauben stützte, sich vor dem Reichstag demütigte, das Volk mitregieren ließ. Eifersucht auf den, Fürst und Millionär gewordnen Standesgenossen kamen hinzu, worüber Bismarck in seinen Memoiren einen kapitalen Satz gegen die Junker schrieb. Niemand erkannte im Generalstab, wie unsicher dieses Reich für den Kriegsfall gebaut war, weder konstitutionelle noch absolute Monarchie, nur ein Bismarck-Staat, in dem zwar die Rechte der Hohenzollern, nicht aber die Gaben der Bismarcks vererbt wurden. Niemand fühlte voraus, daß dieses Reich, von einem Diktator gebaut, das Schicksal aller Diktaturen teilen mußte: nach seinem Tode zu zerfallen, was nur ein weltgeschichtlicher Zufall um 25 Jahre verschoben hat.
Wie der Generalstab die Lage ansah, das wurde 1909 in die Sätze zusammengefaßt: »Der Frankfurter Friede hat dem Kampfe zwischen Deutschland und Frankreich nur scheinbar ein Ende gemacht. Blieben die Waffen auch niedergelegt, so dauerte doch ein latenter Krieg fort. Einer der beiden Gegner erfand ein schneller schießendes Gewehr, ein weiter tragendes Geschütz, wirksamere Geschosse, … bis der andere binnen kurzer Zeit ein noch schneller schießendes Gewehr … herstellte … Wer noch mitreden wollte in Europa wie auf der ganzen Erde, durfte in der Bewaffnung seiner Soldaten hinter den beiden tonangebenden Staaten nicht allzu weit zurück bleiben.«
Diese Darstellung stammt von einem der feinsten Köpfe jener Zeit, vom Grafen Schlieffen, der zu Zeiten Hindenburgs Chef des Generalstabes und in allem das Gegenspiel seines Vorgängers war, des alten Moltke. Moltke war es, den Hindenburg bewunderte, als er den 85 jährigen Chef dort noch vorfand: der Alte sprach nicht, das genügte, um dem schweigsamen Offizier zu gefallen. Schlieffen aber, unter dessen Führung und Plänen Hindenburg die längste Zeit diente, kommt in seinen Memoiren nicht vor; man weiß, daß er diesen glänzenden und erfinderischen Chef nicht leiden konnte.
Denn Schlieffen, ganz Antipode Hindenburgs, war Grandseigneur, scharf, ironisch, weltlich, entschieden schöpferisch, ein Mann, der reden und schreiben konnte: jener den Deutschen stets unheimliche Typus, den sie nur walten lassen, weil etwas Geist auch im Generalstabe nicht entbehrt werden kann. »Vor jedem, der Feldherr werden will,« schrieb Schlieffen einmal, »liegt ein Buch, Kriegsgeschichte betitelt, das mit dem Zweikampfe Kains mit Abel anhebt und mit dem Sturm auf die Lissaboner Kloster (das damals letzte Ereignis) lange nicht abgeschlossen ist. Die Lektüre ist, ich muß es zugeben, nicht immer pikant, … aber dahinter gelangt man doch zu Tatsachen.«
Wie konnte Hindenburg ein Mann gefallen, der so schöne Worte machte und überdies forderte: »Der Feldherr muß Genie haben, … muß etwas in sich fühlen, einen göttlichen Funken … Nein, sagte Moltke, Genie ist Arbeit. Das ist der hochverständige Ausspruch eines Mannes, der 65 Jahre lang unausgesetzt gearbeitet hatte und erst in den Abendstunden seines Lebens daran ging, zwei Großmächte aufs Haupt zu schlagen.«
Hindenburg war schon diese Forderung eines göttlichen Funkens nicht angenehm. Strategische Probleme, die er natürlich studiert hatte, lagen ihm in all diesen 8 Jahren fern, er bearbeitete sie im Generalstabe nicht und erwähnt ihrer nur bei Manövern und Kriegsspielen, die er als Truppenführer abzuhalten hatte, wo sie zum Dienst gehörten. In Berlin wurde er verwendet, um sich in technische Einzelheiten zu vertiefen, und schildert als eine seiner »anregendsten Aufgaben, die Schaffung einer Pionier-Vorschrift über die Einführung der Verwendung der schweren Artillerie in der Feldschlacht.«
Wenn er sich trotzdem als ein ernster und hoher Offizier wie alle Kameraden mit dem nächsten Kriege beschäftigte, so fand Hindenburg in den Debatten und Zeitschriften des großen roten Hauses am Königsplatze immer wieder zwei Probleme, die das strategische Denken des Großen Generalstabes erfüllten. Das erste war: Angriff oder Abwehr im drohenden Zweifronten-Kriege? Schlieffen war leidenschaftlich für den Angriff:
»Führt den Krieg angriffsweise wie Alexander, Hannibal, Caesar, Gustav Adolf, Turenne, Eugen und Friedrich! Lest die Geschichte ihrer 83 Feldzüge, lest sie nochmals, ahmt sie nach: es ist der einzige Weg ein großer Feldherr zu werden … Sucht nicht Teilerfolge zu erzielen, sondern große, vernichtende Schläge. Kein Krieg, der sich endlos hinzieht, bis die eine Volkskraft von der andern gelähmt ist … Lange sich hinschleppende Kriege sind … zu einer Zeit unmöglich, wo die Existenz der Nation auf einen ununterbrochenen Fortgang des Handels und der Industrie begründet ist, und durch eine rasche Entscheidung das zum Stillstand gebrachte Räderwerk wieder zum Laufe gebracht werden muß. Eine Ermattungs-Strategie läßt sich nicht treiben, wenn der Unterhalt von Millionen den Aufwand von Milliarden erfordert.« So kam's, daß in diesem großen Hause niemand Kriegswirtschaft studierte und vorbereitete.
Das zweite Problem der Generalstäbler war damals Schlieffens neuer Gedanke, den Zweifronten-Krieg im Westen zu entscheiden. Der Plan des alten Moltke, sich in den westlichen deutschen Festungen gegen Frankreich abwehrend zu halten, inzwischen im Osten auf dem rechten Weichselufer die Russen in großem Anprall zu schlagen, war von Schlieffen umgedreht worden. Da der französische Festungsgürtel einen direkten Vormarsch hinderte, wollte er den Krieg in großer Umfassungsschlacht sofort entscheiden, etwa auf der Linie Verdun-Lille, deshalb den rechten Flügel mit allen Kräften stärken, dagegen im Elsaß nur 4½ Brigaden, in Lothringen nur 3½ Korps stehen lassen, alle Reserven an Landsturm und Ersatztruppen dem rechten Flügel noch hinzusetzen und mit diesem dann von Norden her auf Paris stoßen. Alles hing an der Schnelligkeit; drei Tage mehr oder weniger konnten den Krieg entscheiden.
Um diesen Vormarsch zu beschleunigen, mußte man durch Belgien, wahrscheinlich auch durch Holland marschieren. Niemand schien sich die Folgen ganz klar zu machen; daß bei Bruch der belgischen Neutralität England die Waffen ergreifen würde, wußte Bismarck, aber seine Nachfolger hatten es vergessen. War es mehr Leichtsinn oder mehr Hochmut, der den Generalstab diese Frage mit der politischen Leitung nie klar verhandeln ließ? In jener Zeit wurde auf der Kriegsakademie das lebensgefährliche Axiom gelehrt, »niemals dürfte man der Politik einen Einfluß auf die Kriegsführung gestatten.«
»Um gegen Frankreich offensiv zu werden,« schreibt Ludendorff in geheimer Denkschrift vom Dezember 1912, »wird es nötig sein, die belgische Neutralität zu verletzen. Nur bei einem Vorgehen über belgisches Gebiet kann man hoffen, das französische Heer im freien Felde anzugreifen und schlagen zu können. Wir werden auf diesem Wege das englische Expeditions-Korps und – wenn es nicht gelingt, mit Belgien zu einem Vertrage zu kommen – auch die belgischen Truppen vor uns finden. Gleichwohl ist diese Operation aussichtsreicher als ein frontaler Angriff gegen die befestigte französische Ostfront. Ein solcher Angriff würde der Kriegsführung den Charakter des Festungskrieges aufzwingen, viel Geld kosten und dem Heere den Schwung und die Initiative nehmen, deren wir umso mehr bedürfen, je größer die Zahl der Feinde ist, mit denen wir abzurechnen haben.«
Diese, bis in das Wort »abzurechnen« bedeutungsvollen Sätze, die bereits auf den englischen Krieg zählen, hätten zu einer großen Aussprache zwischen Kaiser, Kanzler und Generalstab führen müssen. Nichts davon ist geschehen.
Den Generalstab traf keine Schuld. Denn während in der ganzen Welt, sogar in Bayern, der Chef des Generalstabes dem Kriegsminister, also der Regierung unterstellt ist und im Kriege bei der Entente zuweilen abgesetzt wurde, war er in Preußen nur seinem Könige verantwortlich. Wie diese Anormalität, die aus Bismarcks Konflikts-Zeit stammt, im Weltkriege zur Diktatur der Heeresleitung führte und ihn dadurch entschied, wird sich hier im weiteren entfalten. Bethmann Hollweg, der Kanzler, erhielt im Beginn des Krieges den Befehl, »die politischen Maßnahmen nach den Bedürfnissen des für unabänderlich erklärten Feldzugs-Planes zu formen … An seiner Aufstellung ist die politische Leitung nicht beteiligt gewesen.« In einem Militärstaat ist der Kriegsplan das »Unabänderlich Erklärte«. Nicht nach der besonderen Art der feindlichen Koalition wurde Deutschland mobilisiert, sondern nach dem Schlieffenschen Plane, der seit etwa 20 Jahren fertig im Schranke lag.
Aus dieser Isolation wird die Hybris des Berliner Generalstabes deutlich erklärbar, die Verachtung des »Zivils«, zu dem die politische Reichsleitung gehörte, und des Völkerrechtes. Wie darüber noch in der deutschen Republik die Kenner dachten, zeigt die Darstellung eines streng nationalen deutschen Professors Johann Hohlfeld, 1926.: er nennt den Einmarsch in Belgien »eine Maßnahme, völlig unabhängig von dem eigenen Verhalten Belgiens; … so daß Schlieffen sogar den Bruch der holländischen Neutralität ins Auge gefaßt hatte. Deutschlands wahre Rechtfertigung hätte der Gewaltakt allein darin finden können, daß durch ihn der Krieg infolge rascher Entscheidung … abgekürzt worden wäre; das Unrecht hätte sich dann in höchstes Recht gewandelt, wenn ihm der Erfolg Recht gegeben hätte.«
Da sich die moralpolitische Stimmlage dieser Auffassung auf Professoren des Rechts und der Geschichte stützen konnte, führte sie nicht bloß zur Besetzung, auch zur Besitznahme Belgiens unter dem Beifall der Nation. Sie war empört, daß König Albert nicht kurzer Hand nachgegeben, sondern dem Kaiser zu trotzen gewagt hatte in einem »hochfahrenden« Briefe, den die Geschichte unsterblich nennen wird.
Die geringe Schätzung des Zivilisten durch den Soldaten, des Diplomaten durch den Generalstäbler ist in der Welt so allgemein, daß nur durch geistigen Mut des Zivilisten der Krieger in seine Schranken gewiesen werden kann. Der Feldherr hält den Minister des Äußern für einen Librettisten, gut genug, um ihm einen geeigneten Text vorzulegen, an dem er nun erst seine Kunst erproben könne; dieser Text erscheint ihm zudem lückenhaft, er verändert ihn zu seinen Gunsten.
In Deutschland steigt dieser natürliche Gegensatz aus jener großen Antithese zwischen Geist und Staat hervor, die zur Spaltung in die zwei Deutschland geführt hat; zu jenem Zwiespalt, der von Erasmus bis zu Freud durch vier Jahrhunderte sich erweisen ließe. Die Entfremdung des deutschen Bürgertums von der Politik, die vor unseren Augen zum Zusammenbruch erst des Kaiserreiches, dann der Republik geführt hat, liegt nicht in einem den Deutschen angebornen Mangel an politischer Begabung, denn sie sind ebenso schlau wie andere, politischere Völker, nur in einer Verkümmerung der Organe durch jahrhundertelangen Nichtgebrauch. Die Prävalenz des Militärs ist die tragische Folge der Volksfremdheit der preußischen Fürsten und der sie schützenden Kreise. Gibt der Fürst seinen Junkern in Heer und Staat die höchsten Stellen, weil er dem freieren Bürger mißtraut, und dieser Zustand dauert ein paar Jahrhunderte an, so zieht sich der Bürger von der Staatsführung zurück, geht Geschäften, Kunst, Handwerk oder Wissenschaft nach, läßt Jene dort oben kommandieren und ist am Ende froh, daß sie ihm die Verantwortung abnehmen.
Kann man von einem beständig von oben scheel angesehenen Bürgertum verlangen, daß es auf die Dauer um seine Rechte kämpft, so lange kein unglücklicher Krieg ihm Ruhe und Wohlstand zerstört? Soll man sich über steigenden Hochmut des herrschenden Adels wundern, wenn er sein militärisches Wissen wie eine geheime Alchemie hütet, die der Laie nicht verstehen kann? In Deutschland kümmerte sich bis zum Kriege nicht einmal ein Historiker um die Kriegswissenschaft, und während im Militärstaat alle einen Krieg erwarteten, an dem das Leben ihrer Söhne hing, überließen sie doch der eingebornen Kaste die Sorge für das Instrument dieses Krieges.
Mit bewunderndem Mißtrauen sah der Bürger auf das von Posten umstandene Gebäude des Großen Generalstabes, während der General mit verachtendem Mißtrauen auf den gegenüber liegenden Reichstag blickte, der ihm nie genug Truppen bewilligte. Der Kriegsminister, der in allen Ländern in Zivil vor dem Parlament erscheint, um sich zu verantworten, betrat in Berlin sporenklirrend und fordernd die Tribüne und wurde dafür sogar von denen heimlich bewundert, die ihm zu opponieren wagten. Drei Monate vor dem Kriege rief der Kriegsminister von Falkenhayn von dieser Tribüne die schneidigen Worte herunter: »Wenn die Kultur-Fortschritte es dahin brächten, daß wir nicht mehr mit dem Vertrauen auf unser Heer in den Krieg ziehen könnten, dann kann mir die ganze Kultur gestohlen bleiben!« 20 Jahre später hallt das Echo des Dritten Reiches: »Wenn ich das Wort Kultur höre, dann entsichere ich meinen Revolver!«
Eine Stufe tiefer trat der Kommandierende General, der das ganze Jahr nichts tat als Truppen inspizieren, Manöver vorbereiten, Kriegsspiele leiten, Mobilmachung organisieren, mit hörbarem Hochmut und der Geste des wohlwollenden Vorgesetzten dem Oberpräsidenten der Provinz gegenüber, der ungefähr den gleichen Kreis zivil beherrschte. Setzte sich dieser Gegensatz in der Hierarchie nach unten fort, so stand am Schlusse der Hauptmann dem Professor gegenüber und hatte in der Gesellschaft entschieden den Vortritt, während der Leutnant das Ideal der Mädchen war, wie heut ein Filmstar. Männer von internationalem Namen hoben in der Heimat ihre Stellung, indem sie auf ihre Visitenkarten »Leutnant der Reserve« drucken ließen, und um einen Orden zu erwischen, machten die besten Köpfe demütigende Vorstellungen.
Und doch hätten Ausnahmen einen neuen Weg anzeigen können. Der Feldmarschall Moltke war jahrelang im Orient studierend und instruierend tätig gewesen, verstand Ausgrabungen, schrieb Novellen; General von Podbielskì war Abgeordneter und Minister für Landwirtschaft; Haushofer ließ sich nach Japan abkommandieren, wurde später Professor der Geographie; von der Goltz wirkte in der Türkei, andere lernten im China-Feldzug, in Kolonialkriegen, an deutschen Botschaften. Sie wurden mit Kasino-Witzen von ihren Kameraden bedacht. Den typischen General in Preußen stellte weit besser Hindenburg dar, der später schrieb:
»Wir sind schlichte Soldaten, denen es nicht gegeben ist, ihre Gefühle in viele und bewegte Worte zu kleiden. Ich schreibe nicht, Literatur und Kommando-Führung, das sind zwei ganz verschiedene Dinge. In der Regel ist die Begabung für das eine mit der für das andere nicht vereint und auch nicht zu vereinen. Zwischen Wort und Tat sind tiefe Wesensunterschiede. Die herzhafte Tat hatte den Vorrang vor den Künsteleien des Verstandes auch jetzt noch behalten. Geistesgegenwart und Charakterfestigkeit blieben höher im kriegerischen Kurs als Feinheit der Gedankenführung.«
Diese, tief in den Charakter des Redenden führenden Sätze zeigen allgemein einen Mann an, der nach eigner Erkenntnis geboren und geschult ist, an zweiter Stelle zu wirken, einen Mann des Dienstes und der Pflicht, dem nach seinen Worten die Haupt-Elemente schöpferischer Taten fehlen. Denn die Tat des schlichten Soldaten ohne Geist und Wort steht nur in der Fibel. Die Geschichte aller großen Feldherrn beweist, daß Verstand und Gedankenführung, das Wort und die Phantasie neben Mut und Entschlossenheit die Hälfte ausmachen und meistens mehr.
Aus einer so ungeistigen Erziehung und sogar Prätention folgte für Hindenburg wie für fast alle Kameraden eine politische Haltung, die auch den komplizierten modernen Staat in der Art des sogenannten »schlichten«, d. h. autokratischen Soldaten verstand und deshalb mißverstand.
Das erste war die Verachtung des Bürgers, der, als Träger des Geldes und des Geistes angesehen, in diesen beiden Funktionen wenig unterschieden, auf jeden Fall von den Kommando-Stellen fernzuhalten war. Während kein Bürgerlicher ein Garde-Offizier und ein Sozialist nicht einmal Nachtwächter werden durfte, dachte niemand daran, daß bei Dezimierung der alten Regimenter durch große Schlachten der nachrückende Landwehr-Offizier eben Bürger oder Sozialist sein würde. Bismarck war wohl der einzige Junker, der im Alter, natürlich nur im Privatgespräch, nach einem verlornen Kriege die sozialistische Republik über Deutschland hereinbrechen sah, sogar die drei Parteien bei Namen nannte, die 30 Jahre später diese Republik begründeten. Während die Sozialisten unter Bismarck über tausend Jahre Gefängnis und Zuchthaus als politische Strafen erhielten, dafür unter Wilhelm dem Zweiten von 1½ auf 4½ Millionen Stimmen stiegen, stieg der natürliche Haß der Junker und Generale gegen den Arbeiter, als die gewohnte, patriarchalische Behandlung nicht mehr verfing. Unten, beim gemeinen Manne vertraute die Generalität auf den moralpolitischen Einfluß der Kasernen bei dreijähriger Dienstzeit, oben, bei den Offizieren auf den des Kadettenhauses.
Während ihre eignen Güter im Ertrag zurückgingen, da niemand sie zu modernisieren dachte, hielten die Junker an ihrem Spruche fest: »Gegen Demokraten helfen nur Soldaten« und erkannten nicht, daß diese Soldaten in einem Volksheer eben Demokraten und Sozialisten waren. Der Landrat, Bruder und Vetter des Offiziers, selber Reserve-Offizier, sollte es »seinen Bauern« nur beibringen, wie sie zu wählen hätten, und wenn sie sich nicht mehr duzen ließen, so gab es doch Mittel genug zur Überwachung. Der einzige Kreis von Zivilisten, den der Generalstab auch gesellschaftlich gelten ließ, war die Schwerindustrie, denn diese machte die Kriegswaffen, und als unter Wilhelm II. die Kreuzung beider Kreise durch Heiraten begann, trat eine Lockerung des alten, an Armut gewöhnten Standesstolzes ein. Mit Recht schrieb Hindenburg, das frühere preußische Korps war »mit Glücksgütern nicht gesegnet, und das war gut. Sein Reichtum bestand in seiner Bedürfnislosigkeit.«
Hindenburg, der seine Leute weder auf dem väterlichen Gute noch in der Kompagnie oder in der Division geschunden hat, mußte nach der Jahreszahl seiner Geburt, nach seiner Abkunft und den Erlebnissen seiner Jugend an patriarchalischen Grundsätzen festhalten, wie sie ihm sein König bis zum neunzigsten Jahre vorgelebt. Als nun dem vornehmen Soldatenkönig, dem er nur in wenigen Zügen des Charakters ähnelt, ein hochfahrender und nervöser Enkel folgte, sah Hindenburg mit seinen Kameraden sofort die Gefahr. Niemand in Deutschland erkannte so früh wie der Große Generalstab die Gefahr im jungen Wilhelm; in den Memoiren dieser Kreise, etwa beim Feldmarschall Waldersee, der Chef des Generalstabes war, taucht zeitiger als bei irgend einem deutschen Bürger oder Sozialisten der Gedanke auf, den Kaiser zu entmündigen.
Und doch saß das Königsgefühl diesen Männern so tief im Blut, daß Bismarck grade sie fürchten mußte, wenn er vielleicht einen Augenblick erwog, die Rolle Pipins zu spielen, der den König der Merowinger absetzte. Nur durch den Königsgedanken des Kadettenhauses war Wilhelm stärker als Bismarck, und dieser hat ihm, als alter Mann, in ihrer letzten Unterhaltung noch warnend gesagt: »So lange das Offiziers-Korps Eurer Majestät folgt, werden Sie ruhig regieren können.«
Hindenburg konnten solche Gedanken nicht kommen. Als Page hatte er der Königin Elisabeth die Hand geküßt, als Jüngling König Wilhelm zum Kaiser mitausgerufen und als er später, ein 40 jähriger Major am Sarge des Kaisers die Totenwacht hielt, waren seine Gefühle so stark, daß er sich ein Stück des Marmor-Bodens schenken ließ, auf dem man im Dom jenen Sarg aufgebahrt hatte; dieses Stück grauen Marmors hatte er, neben dem zerschossenen Helm von Königgrätz, beständig vor sich liegen.
Die persönliche Antipathie zwischen Hindenburg und Wilhelm dem Zweiten war gegenseitig. Wie hätte sich ein nervöser, rastloser, schauspielerischer Mensch mit einem ruhigen, klaren, simplen Menschen verstehen können! Störte den schweigsamen Einen schon der beständige Redefluß des Andern, so mußte den von der Natur Entstellten die gewaltige Gestalt des Ersten irritieren. So überlebensgroß durften bei Wilhelm nur Wachen sein, wie jene Potsdamer Grenadiere, die sein Vorfahre sich gehalten und deren einer als Hindenburgs Vorfahre dem Urenkel die mächtige Erscheinung vererbt hatte. Und doch, trotz aller Abneigung sind Hindenburgs tiefem Königsgefühle, dem Bewußtsein seines Fahneneides dunkle Erwägungen im Sinne Waldersees immer unfaßlich geblieben.
Wer war volksfremder, der König oder die Offiziere? Wilhelm der Zweite, der zugleich national und sozial sein wollte und darum scheiterte, hatte verschwommene Vorstellungen von Sultanen, die in niedrige Hütten gingen und Goldstücke fallen ließen; wenn aber einer in der Hütte murrte, ließ er auf ihn schießen. Die Offiziere verspotteten diese Anwandlungen eines Schwächlings, schlugen an ihr Schwert und beteten zu dem Gotte, der Eisen wachsen ließ. Es war, wie es vorher zwischen König und Junkern gewesen: während das Offiziers-Korps seinen König schützte, fürchtete der König seine Offiziere und hielt seine ersten volkstümlichen Schritte rasch wieder an, da er sich nur im Schatten der Kanonen sicher fühlte. Der Kaiser sagte bei der Truppen-Vereidigung zu seinen Soldaten:
»Der Soldat soll nicht seinen Willen haben, sondern Ihr sollt alle einen Willen haben, und das ist Mein Wille … Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, daß Ich euch befehle, eure eignen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen, was ja Gott verhüten möge. Aber auch dann müßt ihr Meinen Befehl ohne Murren befolgen.«
Da war keine Stimme im Offiziers-Korps, die sich auch nur leise, auch nur im Kreis der Kameraden gegen diese um zwei Jahrhunderte verspäteten Nachahmungen des Sonnenkönigs erhob; vielmehr war das grade die Stimme des Offiziers-Korps, die der von Natur schwache und schreckhafte Kaiser annahm, um diesem zu imponieren. Vor wem auch sollte sich sonst ein preußischer König fürchten? Der Soldat hatte Preußen groß gemacht, nicht Kunst und Wissenschaft. Es war kein Zufall, daß in dem musikalischesten Volke der Welt der Geist der Musik von Süden nach Norden immer ab-, der kriegerische immer zunahm. Dorthin gehörte die Trommel, und der General von Bernhardi hatte nur die Stimmungen des Generalstabs wiedergegeben, als er in seinem Buche den Krieg »als höchsten Ausdruck wahrer Kultur« gefeiert hatte. Deutschlands Ohr war an diesen Ton längst gewöhnt, es hörte ihn nicht mehr; die Welt erschrak, als er in einem Zwischenfalle laut wurde, ein paar Monate vor dem Kriege.
In Zabem, einer kleinen Garnison im Elsaß, hatte ein 20 jähriger Leutnant und Junker elsässische Rekruten beschimpft und eine Prämie für das Niederstechen jedes ungehorsamen Elsässers ausgesetzt. Als das bekannt wurde, lauerten Schuljungen dem Leutnant auf, neckten ihn, so daß er sich bei seinen Spaziergängen in der Stadt von Soldaten begleiten ließ. Dieser bewaffnete Schutz vor der Schuljugend macht ihn lächerlich. Der Oberst, ein anderer Junker, befiehlt 50 Mann mit Bajonett und scharfen Patronen vor der Kaserne auszuschwärmen, wogegen sich die Menge der grollenden Bürger vermehrt. Er hofft in einer Ansprache, daß Blut fließen werde. Wer lacht, wird verhaftet und in den Kohlenkeller der Kaserne gesperrt, bis zur Vernehmung morgen, darunter ein Staatsanwalt. Da die Jungens mit ihren raschen Beinen weglaufen, gelingt es der bewaffneten Macht des Obersten nur noch, einen lahmen Schuster zu erwischen, dem der Leutnant mit dem Säbel eine Wunde über den Kopf schlägt, daß er zusammenbricht.
Bei steigender Aufregung über diese Berichte greifen die höchsten Militärbehörden ein, um »der Zivil-Kanaille Respekt beizubringen und die schlappe Zivil-Regierung im Elsaß bloßzustellen.« Der Junker-Oberst wird angewiesen, seinen Leutnant öffentlich zu loben, der Junker-General lobt öffentlich den Oberst, der Junker-Kriegsminister lobt öffentlich den General. Dies empört den Deutschen Reichstag so, daß das erste Mißtrauens-Votum in der deutschen Geschichte zu Stande kommt, gegen Kanzler und Kriegsminister, worauf der Kaiser beiden Beamten sein Vertrauen ausspricht. Der Junker-Polizeipräsident von Berlin beweist in der Kreuzzeitung juristisch die Unschuld der Offiziere. In der Verhandlung vor dem Kriegsgericht werden alle Offiziere freigesprochen; nur die drei Rekruten, die über die Prämie ihres Leutnants geplaudert hatten, kommen in Arrest. Der Statthalter des Elsaß wird entlassen.
Diese Farce wurde, gegen die Regeln der Bühne, vor statt nach der Tragödie des Krieges gespielt; ein Staats-Philosoph hätte darin die Elemente des Zusammenbruches erkennen können. Der Fall Zabern zeigte den Geist dieses Offiziers-Korps in einer Zeit- und Volksferne, die sich nicht ungestraft über die Staatsmacht breitet. Wie konnten die deutschen Heerführer, im selben Jahre mit solchen Gefühlen in den Krieg ziehend, den Mann im Schützengraben, wie konnte er seine Führer erkennen! Wie, wenn sich diese Heerführer nun auch der politischen Leitung bemächtigten und wenn inmitten von Gefahren ein ganzes Volk von Männern geführt wurde, die den Freispruch von Zabern billigten? Der Kriegsminister von Falkenhayn gewann durch seine schneidige Haltung in dieser Sache die besondere Neigung des Kaisers und wäre ohne »Zabern« nicht nach wenigen Monaten Chef der Heeresleitung geworden.
Hindenburg war um diese Zeit nicht mehr aktiv. Während dieser vier Jahrzehnte hatte er sich vom Dienst immer wieder in Neudeck erholt, wo seine Eltern, später seine Vettern wohnten. Dort hatte man das Gutshaus erweitert, Fenster in den Giebel gebaut, das Nachbargut Langenau durch Heirat dazu erworben. Je mehr man sich auf diesem und andern ostelbischen Gütern vergrößerte, umso mehr ging alles zurück. In dem Maße, als Verständnis und Hingabe zur Landwirtschaft bei den Junkern abnahm, wuchsen die Hypotheken, verlängerten sich die Gastreisen nach Berlin. Durch Stellung, Gesellschaft, Heirat suchte man großen Stiles einzubringen, was früher durch klugen Verkauf der Ernte im Kleinen hereinkam. Vetter-Landrat mußte die Grundsteuern, das abhängige Pfarramt die Kirchensteuern kürzen, die Kinder wurden ins Kadettenhaus abgeschoben. Wie sich im Großen unter Wilhelm die Macht des Reiches aushöhlte, nur bemerkt von wenigen Staats-Biologen, so gingen im Kleinen die preußischen Güter durch Mangel an Initiative, Fleiß und Kenntnis zurück.
Hindenburg, Gast auf Neudeck, hatte mit all dem nichts zu tun. Was tat dieser Pflichtmensch und Soldat am liebsten in den Ferien? Die Natur kommt nur in seines Bruders Aufzeichnungen vor. Er selber spielte zur Erholung mit seinen Kindern Soldaten. Als sein Junge noch im Kleidchen herumgetragen wurde, hob ihn der Vater hoch und sagte: »Junge, ich freue mich schon darauf, wenn ich erst mit dir am Biwak-Feuer sitzen werde, im Kriege gegen die Russen!« Diese Geschichte, von seinem Bruder aufgezeichnet, zeigt einen Soldaten, der sich ganz als Truppenführer fühlte, einen Jäger und Kundschafter, dem der Krieg im alten Stile Wind und Wetter um die Ohren blasen sollte. Vor Paris hätte es dergleichen wohl noch gegeben; ein Dutzend Jahre nachher, als er mit dem Kinde spielte, begann die Kriegsromantik zu erlöschen, und wenn der Generalstäbler später Vorschriften für die moderne Feldartillerie ausarbeitete, wird es sich auch mehr um elektrische Zündungen als um Biwak-Feuer gehandelt haben. Blücher, der Haudegen, dessen Bild im Alter neben Hindenburgs Schreibtisch hing, entsprach seiner Natur besser als Gneisenau, und so war ihm und seinem Lande nur zu wünschen, daß ihm nur Blüchers Platz beschieden würde.
Als sie größer wurden, mußten die Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, wie Hindenburgs Bruder erzählt, in Neudeck den Kinderwagen voll Steine laden und eine »Felddienst-Übung« improvisieren. »Natürlich hatte der ausgezogene Feind für Hindernisse gesorgt. Am Waldeingange stand als vorgeschobener Posten eine einzelne Birke … Dieser Baum hieß um dieses Platzes willen im außer-militärischen Verkehr der Waldportier … Jetzt bezeichnete der Baum eine feindliche Stellung. Das Söhnchen bekam den Auftrag, für ungehinderten Abmarsch des Baumaterials zu sorgen.
»Herr Leutnant, reiten Sie voran, sehen Sie sich die Sumpfstellen im Wege an, suchen Sie den besten Übergang aus und halten Sie dort, bis wir herankommen, dann machen Sie mir Meldung.« Der Kleine sprengte hochgeehrt auf seiner Reitgerte davon … Der Feind war strategisch überlistet, und der feindliche Posten verwandelte sich wieder in einen friedlichen Baum.«
In dieser heiteren Szene, die klingt wie ein Schumannsches Waldstück, erkennt man die Soldatennatur Hindenburgs deutlicher als in späteren Reden. Man hört diesen Ton auch noch aus den Worten, mit denen er dem längst erwachsenen Sohne seinen Abschied anzeigte:
»Soeben Abschied unter Belassung à la suite des 3. Garde-Rgts. zu Fuß und unter Verleihung des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler Allergnädigst bewilligt. Mache es ebenso! Herzl. Gruß! Vater.«
Diese auf einer Postkarte geschriebene Mitteilung vom Ende einer erfolgreichen Laufbahn, in der er mehr erreicht als gehofft, zeigt deutlich Bescheidenheit und Stolz in einer ruhigen und festen Mischung. Kein Ehrgeiz, kein Wunsch. Der Abschluß einer 45-jährigen Dienstzeit, von einem 64 jährigen gesunden Mann vollzogen, der eine der höchsten Stellen in der Armee verläßt, fast ohne zurückzublicken.
Aber damals, drei Jahre vor dem Kriege, wurde Hindenburg nicht zum Armee-Inspekteur ernannt, deren es sechs gab, Stellen, die den Kommandierenden Generälen nach ihrer Verabschiedung zuzufallen pflegten; ebenso wenig wurde er als Armeeführer für den Kriegsfall vorgesehen. Noch auffallender ist, daß er als Führer eines Reserve-Korps im Kriegsfalle zuerst bestimmt, dann aber wieder gestrichen wurde. Galt er nicht für schneidig oder war es die Antipathie des Kaisers: jedenfalls hinterließ diese Streichung bei dem gesunden und fähigen Mann einen gerechten Groll.
Als Alterssitz hatte sich der General Hannover ausgesucht, die nüchternste von allen preußischen Städten, in der er als Leutnant eine Weile gestanden. Die einzige Reise, die er in seinem Leben ins Ausland machte, führte ihn mit Mitte Sechzig nach Italien. Sonst war von nun an sein Vergnügen die Jagd.
Zu arm für teure Jagden, hatte er als Kommandierender gegen Sechzig den ersten Hirsch geschossen. Jetzt wurde die alte Exzellenz von Fürsten und Grundbesitzern im Umkreis von Hannover eingeladen und bald als trefflicher Jäger bekannt. Sein Schußbuch weist von 1904-24 außer dem gewöhnlichen Wilde auf: 27 Rothirsche, 24 Damhirsche, 104 Wildschweine, 6 Auerhähne, 6 Gemsböcke, 76 Rehböcke; dazu 1 Wisent und 1 Elch im Kriege. Dies Schußbuch und die Trophäen, die er in seinem Hause aufhängte, sind für sein Leben so wichtig wie Schlafen und Essen; sie stellen die echte Freude eines lebensvollen Mannes dar, dem von nun an das Kommando fehlte.
Merkwürdig, in seinen Memoiren steht ausführlicher Bericht über seine Jagden, aber keine Erinnerung an einen Hund, ein Pferd, einen Baum, ein Morgenlicht, wie etwa in Bismarcks Jagdbriefen an seine Frau.
In seiner massigen Ruhe saß er nun in der grauen preußischen Mittelstadt, las die Zeitungen, verfolgte die Avancements seiner Vettern und Freunde und ärgerte sich über die Reden des Kaisers. Sein Sohn war Kadett und dann Offizier geworden, im selben Regimente wie der Vater, die Töchter an Junker verheiratet, das Stammgut in schlechtem Zustande, aber doch immer noch in Händen der Familie. Waren die Väter nicht uralt geworden? Waren er und seine Lebensfreundin nicht gesund? Hier konnte man gut noch zwei Jahrzehnte bequem und ruhig vor sich hinleben.
Was Hindenburg in diesen drei Jahren am wenigsten kommen sah und sicher noch weniger wünschte, das war ein Krieg.