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Der Förster, die Försterin hinter ihm. Vorige.
Marie (wie sie den Förster sieht, läßt sie Robert und umschlingt jenen).
Förster. Daß dich – Mädel! (Sich losmachend.) Ist das ein Sonnenblick nach einem Regentag, daß einem die Bremsen an den Kopf fliegen? Habt ihr dem Robert die Ohren voll gelamentiert, Weibsvolk? Albernes Ding da. (Schiebt Marie von sich.) Ich hab mit Robert zu reden. Ich hab Sie gesucht, Herr Stein.
Robert. Herr Stein? Nicht mehr Robert und du?
Förster. Hat alles seine Zeit, das Du und das Sie. Wenn das Weibsvolk weg ist –
Försterin. Wir machen schon Platz, alter Werwolf. Red immer.
Förster. Ja. Sowie ihr draußen seid.
Robert (führt sie). Nicht böse, liebe Mutter.
Försterin. Da könnte man auch nicht aufhören, böse zu sein.
Förster. Macht die Tür zu; hört ihr?
Försterin. Nu – nu –
Förster. Wer ist hier Herr? Element!
Förster. Robert.
Förster (wie sie allein sind, wird er verlegen und geht einige Male auf und ab).
Robert. Sie wollten –
Förster. Freilich. (Wischt sich den Schweiß.) Hm. Setzen Sie sich, Herr Stein.
Robert. Diese Vorbereitungen –
(Der Förster zeigt auf einen Stuhl am vordern Ende des gedeckten Tisches. Robert setzt sich.)
Förster (nimmt die Bibel vom Bord, setzt sich Robert gegenüber, tut die Brille auf, schlägt auf, räuspert sich). Sprüche Salomonis, einunddreißig, zehn: »Wem ein tugendhaft Weib beschert ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie tut ihm Liebes und kein Leides sein Leben lang.« (Kleine Pause, dann barsch nach dem Fenster, indem er sitzen bleibt.) Wilhelm, ob du dich vorsehen wirst da draußen! Und dann weiter unten am dreißigsten. Wird er mir doch den ganzen Buchsbaum vertreten, der Element! »Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib, das den Herren fürchtet, soll man loben.« – – Robert –
Robert (aus Gedanken). Vater Ulrich –
Förster. Wiederum Sirach da am soundsovielsten. – Herr Stein –
Robert. Schon wieder »Herr«?
Förster. Ich muß schon noch einmal du sagen. Sonst geht mir's nicht los von der Lunge. – Robert –
Robert. Sie sind so feierlich!
Förster. Feierlich? Kann sein. Die Sache ist auch danach. Man ist kein Heide. (Stellt sich in Positur.) Du hast dich also in Gott entschlossen, Robert –
Robert. Aber –
Förster. Ja, wenn du mich so ansiehst. – Du willst heiraten, Robert?
Robert (steht auf, verwundert). Aber Sie wissen's doch –
Förster. Freilich. Aber eine Einleitung muß doch sein. Setz dich nur. Aber du mußt mich auch einmal ausreden lassen. Hab sonst eine gesunde Brust. 's ist mir aber, wenn ich predigen will, als säh' ich den Pastor im Chorrock hinter einem Hasen her. (Erleichtert.) So; jetzt hab ich die Fährte. Es wechselt ein Hirsch vom Lutzdorfer herüber. Hörst du, Robert? Und nun paß auf. Hier die Gabel ist der Hirsch. Hier da, siehst du? Hier das Salzfaß, das bist du. Und der Wind kommt vom Teller daher. Was machst du nun, um den Hirsch zu beschleichen? Was? (Einhelfend.) Du – nun?
Robert. Ich muß –
Förster (nickend). Mußt – (Gebärden.)
Robert. Ihm den Wind abgewinnen.
Förster. Wind abgewinnen. Richtig. Merkst du nun, wo ich hinaus will? Du mußt ihm den Wind abgewinnen. Das ist's. Siehst du, deshalb mußt' ich mit dir reden. (Feierlich.) Du mußt dem Hirsch den Wind abgewinnen. (Steht auf.) Und nun – mach sie glücklich, Robert, meine Marie. (Will gehn.)
Robert. Aber was hat das mit Marien zu schaffen?
Förster. Ja, du hast mich noch nicht verstanden? Siehst du? Der Hirsch darf's nicht merken, daß dir's um ihn zu tun ist, und die Frau noch weniger. Du machst zuviel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wissen, wie lieb man sie hat, beleibe nicht; aber Weiber noch weniger. Sie sind auch nichts als erwachsene Kinder, nur pfiffiger. Und die Kinder sind schon pfiffig genug. Setz dich, Robert. Ich muß dir doch was erzählen. (Sie sitzen am Rande des Tisches, dem Publikum zugewendet.) Wie meine Marie vier Jahr' alt war, nicht höher als so – komm ich einmal später am Tag nach Haus als gewöhnlich. »Wo ist die Marie?« frag ich. Eins sagt: »In der Kammer«, das andere: »Vor dem Haus. Sie wird ja kommen.« Aber prost die Mahlzeit; es wird Abend, es wird Nacht und – keine Marie da. Ich geh hinaus. Im Garten, im Grenzbusch, an den Klippen im Heimlichen Grund, im ganzen Forst – keine Marie. Meine Frau sucht indessen bei euch, dann im Dorfe Haus für Haus. Wen sie nicht find't, das ist die Marie. Soll sie jemand gestohlen haben? Ei, sie war ein Wachspüppchen von einem Kind, die Marie. Ich komm in kein Bette die ganze Nacht; die Marie war schon damals mein ganzes Leben. Den andern Morgen biet ich das ganze Dorf auf. Da fehlt keiner. Sie waren alle vernarrt in die Marie. Ich will doch wenigstens die Leiche begraben. Im Heimlichen Grund, weißt du? das Tannendickicht – unter den Klippen am Lautensteg, wo der alte Felsweg drüben hingeht überm Bach – daneben die Weiden. Dasmal kriech ich das ganze Dickicht aus. In der Mitte ist der kleine Wiesenraum; da seh ich endlich was Rotes und Weißes. Gott und Herr! Und sie ist's – und nicht etwa tot oder krank, nein, frisch und lebendig im grünen Gras drin und hat sich rote Bäckchen geschlafen wie die Feuerblumen. Robert! – Aber (er sieht sich um; leiser) sie wird's doch nicht etwa hören? (Er rückt näher an Robert; wenn er sich einmal vergißt, spricht er dann desto leiser.) Ich sage: »Bist du's denn?« »Freilich«, sagt sie und wischt sich die Augen, daß sie funkeln. »Und lebst?« sag ich, »und bist nicht gestorben?« sag ich, »vor Hunger und vor Angst?« sag ich. »Einen halben Tag und eine ganze Nacht im Wald allein, im dicksten Wald? Komm«, sag ich, »daß die Mutter sich unterdes nicht totängstigt«, sag ich. Sagt sie: »Wart noch, Vater.« »Aber warum und worauf?« »Bis das Kind wieder kommt«, sagt sie. »Und nimm's auch mit; bitte Vater; das ist dir ein liebes Kind.« »Aber was denn um alle Welt für eins?« frag ich. »Das zu mir gekommen ist«, sagt sie, »wie ich vorhin von euch fortgelaufen war um den gelben Schmetterling, und nun auf einmal so allein war im Wald und weinen wollte und nach euch schrein, und mir Beeren gesucht hat und so schön mit mir gespielt hat.« »Vorhin?« sag ich. »Ist's denn nicht einmal Nacht geworden unterdessen?« sag ich. Das wollte sie nicht glauben. Wir suchten das Kind und – fanden's natürlich nicht. Die Menschen glauben an nichts mehr; aber ich weiß, was ich weiß. Verstehst du, Robert? Sag nichts. Ich dächte, ich hätt' es verschändet, wenn ich's auf die Zunge nähm'. Da, drück mir stillschweigend die Hand. Gut, Robert. – Daß sie nicht hört, was wir von ihr reden. (Geht leise nach der Tür; sieht nach.)
Marie (draußen). Willst du was, Vater?
Förster (lacht dem Robert heimlich zu, dann barsch). Nichts! Und komm mir nicht etwa herein, eh' ich – (Kommt wieder; halbleise.) Siehst du, so mußt du's machen. Du machst viel zu viel Sachen mit dem Mädel da. Sie ist (noch leiser) ein Mädel, auf das jeder Vater stolz sein könnte, und ich denk, sie soll eine Frau werden nach dem Herzen Gottes. Ich hab eine; siehst du, dir sag ich's, weil ich weiß, daß du's ihr nicht wieder sagst; denn sie darf nichts davon wissen, sonst wär' alle Arbeit umsonst. Und Arbeit hat mich's gekostet, bis ich sie so weit gebracht hab; Arbeit, sag ich dir. – Daß du mir mein Mädel nicht verdirbst, an das ich soviel Müh' gewandt hab, sie richtig zu erziehn.
Robert. Sie können denken – aber ich verstehe Sie gar nicht.
Förster. Das ist's ja eben. Mit Fleiß tust du's nicht. Aber tausend Element! mach mir nicht soviel Sachen mit dem Mädel, hörst du? Wenn du so fortmachst, hat sie dich in vier Wochen im Sack. Die Weiber wollen immer Herr sein; darauf geht ihr ganzes Dichten und Trachten, ohne daß sie's selber denken. Und wenn sie's sind, dann sind sie doch unglücklich. Weiß ich mehr als ein Beispiel davon. Ich seh nur zur Tür hinein, und da weiß ich schon, was der Mann wert ist. Ich seh nur das Vieh an. Ist die Katze oder der Hund nicht gezogen, so sind's die Kinder auch nicht und die Frau noch weniger. Was? Meine Frau kennt mich noch immer nicht, was das da (zeigt aufs Herz) betrifft. Und hätt' sie mir das einmal abgeluchst – dann heidi, Autorität! Die Frau kann ein Engel sein; der Mann aber muß tun wie ein Bär. Und absonderlich ein Jäger. Das gehört dazu wie der Schnauzbart und der grüne Rock.
Robert. Aber sollte denn –
Förster (eifrig). Nein, Robert. Ein für allemal nicht; da ist kein Ausweg. Entweder er zieht sie sich oder sie zieht sich ihn. – Zum Beispiel, wie man's da machen muß, nur ein Exempel. Meine Frau kann keinen Menschen leiden sehn – da kommt denn das Elend haufenweise, und ich möchte wissen, was draus werden sollte, wenn ich sie noch ins Gesicht loben wollte darum. Da brumm ich denn und fluch eins wie ein Landsknecht, aber dabei mach ich ganz sachte Platz, daß sie freie Hände kriegt. Und merk ich nun, sie ist fertig, da komm ich wieder wie von ungefähr gebrummt und gewettert. Da heißt's: »Der Erbförster ist schlimmer auf die Armut wie der Teufel, aber seine Frau und sein Mädel, das sind Engel vom Himmel.« Und das sagen sie, daß ich's hören soll. Und ich hör's auch; aber ich tu nicht dergleichen und lach mir inwendig eins, und äußerlich tu ich noch um eins so barsch. – Es scheint, draußen kommen die Gäste schon. Robert, meine Frau und mein Mädel, meine Marie – wenn ich einmal – du verstehst mich Robert. Gib mir die Hand. Gott sieht uns. (Wischt sich aber das Auge.) Himmelelement! – Daß du den Weibern nichts merken läßt – und regierst sie, wie's sein muß – (Er wendet sich um, seine Weichheit zu verbergen, mit Gebärden seinen Zorn ausdrückend, daß er sie nicht bezwingen kann. In der Tür trifft er auf:)
Stein. Möller. Wilkens. Marie. Försterin. Vorige. (Begrüßungen mit dem Förster.)
Stein. Wohin so rasch, Alter? Habt Ihr schon Händel mit dem da?
Förster. Ja; ich hab ihm die Leviten gegeigt, dem jungen Herrn, von wegen mit dem Weibsvolk da.
Stein. Hochverrat gegen die Majestät des Pantoffels? Und das dulden Sie, Frau Schwiegermutter?
Försterin. Ein bißchen mehr, ein bißchen weniger – wo man sich einmal auf soviel hat einrichten müssen!
Förster. Und da sag einer, die Frau da wär' nicht gescheit genug, einen unter den Pantoffel zu bringen. Aber gib uns Karten. Ich hab dem Stein da Revanche versprechen müssen auf heut vor dem Frühstück noch –
Stein. Und die muß ich haben.
(Der Förster und Stein sitzen einander gegenüber rechts und spielen Karte.)
Försterin (sieht einen Augenblick zu; dann zu Robert, indem sie geschäftig abgeht). Wenn sie nur heut nicht etwa wieder auf das Durchforsten kommen!
Möller (links zu Wilkens tretend; indem er auf Marie zeigt, die eben mit der ab- und zugehenden Mutter und Robert spricht). Das nenn ich eine schmucke Braut.
Wilkens. Und auch kein Bettelkind, Herr Buchhalter.
Möller (galant). Wer weiß nicht, daß Herr Wilkens ihrer Mutter Oheim ist?
Wilkens (geschmeichelt). Hm.
Möller. Und Herr Wilkens braucht sich, mein ich, des Hauses Stein und Sohn nicht zu schämen.
Wilkens (ruhig). Bewahre.
Möller (wird ganz Feuer). Herr, die Firma Stein und Sohn! Ich diene der Firma zwanzig Jahr'. Das ist meine Ehre und mein Stolz. Die Firma ist mein Weib und Kind!
Wilkens. Ei ja.
Möller. Die ersten Häuser in Deutschland würden sich's für eine Ehre rechnen, sich mit Stein und Sohn zu verschwägern.
Wilkens. Glaub's schon. ( Wendet sich zum Brautpaar.)
Möller (grimmig für sich). Und der Kerl tut noch so bauernstolz, als müßte sich Stein und Sohn auf sein Jägergänschen da noch was Rechtes einbilden. Seine fünfundvierzig gehn in drei Teile, und das erst nach seinem Tod. Die einzige Tochter von Löhlein und Kompagnie mit ihren achtzig! Das war ein ander Kapital ins Geschäft; und flüssig von heut ab. Die Mißheirat ist unverzeihlich. Was hilft's? Man muß – (draußen ertönt ein Dreher) den Ärger vertanzen. Kann ich die Ehre haben, Frau Försterin, im Grünen? (Mit alter Junggesellengrazie.)
Stein. Ob ich einmal Karten bekomme!
Försterin. Soviel haben wir wohl noch Zeit.
Wilkens. Der Wilkens läßt sich auch noch nicht wegwerfen; (in der Tasche kramend) der Wilkens muß auch noch einmal seinen Taler auflegen für die Musikanten. Es wird wohl erlaubt sein, Herr Bräutigam?
(Möller führt die Försterin, Wilkens Marien hinaus. Robert folgt.)