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4. Kapitel.

Böse Folgen der Verwundung. Achmed Malik nimmt Geld, das ihm nicht zukommt. Der kleine Said erhält zum ersten Mal im Leben ein Geschenk, das sein ganzes Herz dem Geber gewinnt.

 

Mit Gefühlen ungeteilter Freude wären unsere beiden Freunde in dem Ort, den sie vor kurzem verlassen und nach glücklich bestandenen Gefahren nun wieder erreichen sollten, eingezogen, wenn nicht Werners Wunde noch nachträglich Anlaß zu Besorgnis gegeben hätte. Zwar hatte er zuerst nicht viel davon gemerkt, und frohen Herzens hatte man am nächsten Morgen den Heimritt angetreten. Ein paar ledige Pferde hatten die Befreier mit sich geführt, und unsere Freunde hatten sich mit wahrem Wohlgefallen wieder auf den Sattel eines guten Rosses geschwungen, da ihnen die letzten Tage das Reiten auf Eseln oder gar Kamelen gründlich verleidet hatten.

Bei dem heißen, anstrengenden Ritt aber hatte Werners Wunde wieder zu bluten begonnen, und der Blutverlust hatte seine Kräfte stark mitgenommen. Bleich und erschöpft langte er in seinem Quartier an und suchte sogleich sein Lager auf, da es ihm unmöglich war, sich länger auf den Füßen zu halten. Zum Glück befand sich ein guter Arzt unter den Gästen des kleinen Gasthofs, aber Hans war doch in ernster Sorge um den Freund. Durch die Hitze gefördert, stellte sich ein nicht unbedenkliches Wundfieber ein, was die Sachlage noch erschwerte, so daß Hans ernste Stunden am Bett seines Freundes verbrachte. Eine rechte Hülfe aber war ihm der kleine Said. Ganz wie selbstverständlich war er den beiden Herren in den Gasthof gefolgt und ebenso selbstverständlich hatte er zugefaßt bei den Dienstleistungen, die der Verwundete brauchte. Es war wirklich, als könnte er jeden Wunsch von den Augen ablesen, denn fast ehe Hans es dachte, war kaltes Wasser und Tücher, und was man brauchte, zur Hand. Dabei waren Saids Bewegungen von jener Lautlosigkeit, wie sie den Schwarzen eigen ist, man hörte und merkte ihn kaum, wenn er kam und ging.

Es war spät geworden und Werner war sanft entschlummert. Said mußte nach Hause gegangen sein, denn Hans hatte ihn schon längere Zeit nicht mehr gesehen, so rückte er sich denn neben dem Lager des Freundes einen Lehnstuhl zurecht, um sich selbst einige Stunden der Ruhe zu gönnen. Diese Ruhe wollte allerdings nicht recht kommen, in buntem Wechsel zogen die Bilder der letzten Tage an seinem geistigen Auge vorbei und früh am Morgen erhob er sich deshalb von seiner improvisierten Lagerstätte, um sich durch einen kurzen Gang in der Morgenkühle zu erfrischen. Ein Blick auf den Schlafenden beruhigte ihn über dessen Zustand, denn die Atemzüge gingen regelmäßig und ruhig wie die eines Gesunden. Als er indessen leise die Thür öffnete, war er nicht wenig erstaunt, auf der Schwelle über einen menschlichen Körper zu stolpern. Es war der kleine Said, der auf der Thürschwelle, gleich einem Igel zusammengerollt, die Nacht verbracht hatte.

»Aber Junge, warum bist Du denn nicht nach Hause gegangen?« fragte Hans, während sich Said schlaftrunken die Augen rieb.

»Achmed Malik«, kam es als einzige Antwort ängstlich von den Lippen des kleinen Schwarzen.

»Ach so, Du hast noch immer Furcht vor Achmed Malik«, meinte Haus lächelnd, »na, warte, ich gehe jetzt mit Dir zu ihm. Ich komme mit, aber Du mußt führen, das Haus zeigen von Achmed Malik.«

Hans machte durch Gebärden möglichst verständlich, was er wollte und wortlos schickte sich Said an ihn zu führen. Aber der Gang mußte ihm nicht behagen, er ließ den Kopf hängen und schritt so langsam, wie man es bei ihm garnicht gewohnt war, vorwärts. Durch zahllose sich kreuzende Gassen und Gäßchen, die trotz der frühen Morgenstunde bereits von Menschen mit ihren Waren und Tieren ganz erfüllt waren, ging es zu einem stallartigen Gebäude, das sich an eine Mauer lehnte. Aber eine vorüberziehende Kamelskarawane sperrte den Weg und erfüllte die Luft mit undurchdringlichem Staub, so daß alles dahinter verschwand. Erst als die letzten Tiere aus dem Gesichtskreis entschwunden, wagte Hans wieder zu atmen und folgte dem kleinen Said, der sich bereits früher zwischen der Karawane hindurchgedrängt hatte, zu Achmed Maliks Wohnung.

Diese war in der That nichts besseres als ein Stall. Durch eine niedere Holzthür trat man in einen großen Raum, der in zwei Teile geteilt war. Auf der einen Seite waren Verschläge für die Esel, auf der andern Seite war für die Eseltreiber Stroh gestreut, das ihnen zum Lager diente. Achmed Malik schalt eben mit einigen der Buben herum, als Hans dazutrat. Der Anblick des feingekleideten Fremden indessen besänftigte sofort seinen Zorn. Einen erstaunten Seitenblick warf er auf Said, über dessen verlängertes Ausbleiben bereits verschiedene abenteuerliche Gerüchte zu ihm gedrungen waren, dann trat er mit allen Zeichen der Unterwürfigkeit dem Fremden entgegen, den er in ziemlich fließendem Englisch begrüßte. Mit der Gelehrigkeit seiner Rasse hatte er sich die Sprache des britischen Volles erstaunlich gut zu eigen gemacht, und es war ein leichtes, sich mit ihm zu verständigen.

Durch Hans Bieneggs Angebot, ihm seinen Dandraschy-Esel zu bezahlen, war Achmed Malik sofort in die beste Laune versetzt, er zeigte dem Fremden die Ställe mit den Tieren, klagte dabei über kärgliches Verdienst und ließ sich von Hans eine über alle Maaßen hohe Summe für den toten Esel auszahlen. Hans aber war gern bereit, die Dienste des gute Dandraschy, wie hoch man auch immer wollte, zu begleichen. Er benutzte die Gelegenheit, in lebhafter Anerkennung der Tapferkeit und Umsichtigkeit des braven kleinen Said zu gedenken und legte des Burschen Wohl seinem Herrn warm ans Herz. Said hatte währenddessen mit großen traurigen Augen an Hans gehangen und als der sich zum Gehen anschickte, hingen dicke Thränen in den langen Wimpern des Kleinen.

Selbst das stattliche Geldgeschenk, das ihm Hans in die Hand gedrückt, vermochte seinen Kummer nicht zu stillen und doch war es ein wirkliches Goldstück, das der kleine Said in den schwarzen Händchen hielt, ein Goldstück, das er noch nie gesehen, geschweige denn besessen hatte. Es war ein Vermögen für den kleinen Eseltreiber, dem einige Kupfermünzen sonst schon als erstrebenswertes Besitzthum erschienen. Warum war er nur heute garnicht froh, kauerte sich in der dunkelsten Ecke des Stalles hin und ließ den Kopf hängen?

Hans Bienegg hatte sich nach dem Besuch bei Achmed Malik eilends an das Lager seines Freundes zurückbegeben. Dieser war schon wach und schien recht erfrischt, doch im Laufe des Tages stellten sich wieder heftige Schmerzen ein und Hans verbrachte von neuem sorgenvolle Stunden. Der kleine Said war ihm dabei völlig aus dem Sinn gekommen, und ganz mit dem Gedanken an seinen Freund erfüllt, schritt er am nächstfolgenden Tage eilenden Ganges durch die Straßen, um ihm eine kleine Erfrischung zu besorgen, als sein Blick von ungefähr bei einer Biegung des Weges auf Said fiel, der hinter einem Steinhaufen das Gesicht im Sande vergraben dalag und laut schluchzte.

»Said, mein Junge, was ist denn los?« Mit diesen Worten suchte ihn Hans sanft in die Höhe zu ziehen, aber der Kleine warf sich wieder zu Boden und schluchzte nur noch lauter.

»So sage doch, was es giebt«, drang Hans in ihn. Und nun brachte der kleine Bursche unter Strömen von Thränen die Worte hervor: »O, mein Fez, mein Fez.«

Hans fiel es erst jetzt auf, daß Said ohne Kopfbedeckung war, was bei jedem Muselmann etwas ganz außerordentliches ist, da es als Schimpf gilt, den Kopf zu entblößen. Saids Fez, das kleine, rote Käppchen mit der schwarzen Quaste, das er stets auf dem Hinterkopf getragen, lag neben ihm in den Sand getreten und in Lumpen zerrissen.

»Murad gethan, Murad«, schluchzte Said wieder, und Hans Bieneggs vollste Teilnahme erwachte bei diesem bittren Kinderschmerz. Murad mochte wohl ein andrer kleiner Schwarzer sein, der dem guten Said die Mütze zerrissen hatte und davongelaufen war. Das bestätigten jetzt Saids Worte:

»Murad fort, böser Murad, so bös, Said schlagen, fort laufen.«

»Warum hast Du denn nicht wieder geschlagen?«

»Ja, ja, geschlagen«, erwiderte Said und machte mit beiden Fäusten die Geste des Schlagens, dann aber setzte er kleinlaut hinzu: »Murad groß, Murad stark, Said klein, so klein«, und wieder hub er zu jammern an: »O mein Fez, mein Fez.«

Hans hatte das arg zugerichtete Käppchen aus dem Sande aufgenommen und drehte es zwischen den Fingern.

»Höre mal, Said, Du kannst Dir ja einen neuen Fez kaufen«, sagte er dann, »von dem Gelde, weißt Du, das ich Dir vorgestern gab.«

Said aber schüttelte nur traurig den Kopf und seufzte: »Achmed Malik.«

Hans verstand ihn nicht gleich.

»Achmed Malik«, wiederholte er, »dem kann doch das gleich sein.«

Said indessen schüttelte noch energischer mit dem Kopf und sagte sehr leise: »Geld fort, Achmed Malik, Geld!«

»Was, zum Kuckuck«, fuhr Hans auf, »Du willst doch nicht sagen, daß Dir Achmed Malik Dein Geld fortgenommen hat.«

Said nickte bestätigend und nun machte Hans seiner Entrüstung in kräftigen Worten Luft. »Das ist ja unerhört«, rief er einmal über das andere, »dieser alte Gauner! Seinen alten wackelbeinigen Esel läßt er sich über Kopf und Kragen bezahlen und dann nimmt er Dir bravem, kleinen Kerl den wacker verdienten Lohn. Warum hast Du ihn denn blos hergegeben, Junge, er hat Dich wohl geschlagen, he, geschlagen, Achmed Malik Dich geschlagen?« Er wiederholte die Worte in Saids kurzer, ausdrucksvoller Sprachweise und dieser nickte wieder zustimmend.

Ja, er entblößte jetzt seinen Rücken etwas, so daß deutlich blutige Striemen zu sehen waren. Denn leichten Kaufes hatte der Kleine das Geld nicht hergegeben, das ihm Achmed Malik, nachdem Hans ihn verlassen, sofort abforderte. Er hatte es erst mit der geballten Faust krampfhaft festgehalten und dann als letzten Zufluchtsort im Munde verschwinden lassen. Da aber hatte ihn Achmed Malik, der Furcht hatte, er könne das Geldstück aus Bosheit herunterschlucken, mit wütenden Peitschenhieben geheißen dasselbe herauszugeben, bis er es schließlich ausgespuckt hatte und davon gelaufen war. Das war vorgestern geschehen und heute hatte er schon wieder des Geldes wegen Prügel gekriegt von Murad. Dieser, einer der größten und stärksten der Eseljungen, der nicht anwesend gewesen war, als Achmed Malik dem kleinen Said die ehrlich verdiente Beute abjagte, wollte seinerseits etwas von dem großartigen Trinkgeld haben, das der fremde Reisende dem kleinen Eseltreiber gegeben, und hatte Said, der wahrheitsgemäß behauptete, nichts mehr zu besitzen, mit seinen Fäusten bearbeitet und ihm die Mütze zerrissen. So hatte das Geld Said nicht zum Segen gereicht.

Dies alles erfuhr Haus nur brockenweise, da es nicht leicht war, aus dem Kleinen etwas zusammenhängendes herauszubringen. Was Hans aber durch seine fortgesetzten Fragen herausbrachte, genügte, um ihn mit Wut gegen den schurkischen Achmed Malik und mit Mitleid für den armen, kleinen Said zu erfüllen.

»So, Said«, sagte er, »jetzt gehen wir erst Dir einen neuen Fez zu kaufen, einen Fez, viel schöner als Deinen alten, mit einer langen schwarzseidenen Quaste. Nachher aber kommst Du mit mir, sonst nimmt Dir Achmed Malik wohl möglich auch den neuen Fez wieder fort.«

Saids Augen funkelten förmlich, als ihn Hans vor einen der Verkaufsstände führte und er sich aus den vielen zum Kauf gebotenen den schönsten, feuerroten Fez aussuchen durfte, den ihm der Verkäufer selbst aufsetzte. Stolz warf er jetzt den Kopf hin und her, daß die lange Quaste ihm rechts und links um die Ohren flog, und Hans mußte lachen über die Glückseligkeit des Kleinen.

Er sagte garnichts mehr, nur seine Augen leuchteten und strahlten in immer höherem Glanze, als er sah, daß Hans, der ihn bei der Hand gefaßt, jetzt mit ihm dem Gasthof zuschritt. Said hatte unaussprechliche Angst gehabt, sein Beschützer möchte ihn wieder bei dem abscheulichen Achmed Malik abliefern, wie neulich. Er hätte nicht gewagt, sich dem zu widersetzen, wie er es letzthin auch nicht gethan; wenn der fremde deutsche Herr ihn los sein wollte, mußte er ja gehorchen. Ach, und wie traurig war er neulich zurückgeblieben, als Hans ihn zurückließ, wie frohen Herzens, folgte er heute seinem neuen Herrn. Denn als solchen betrachtete er ihn und als solcher betrachtete sich Hans selbst. Bei dem wackeren Verhalten des kleinen Said während der Zeit ihrer Bedrängnis war in Hans bereits der Gedanke aufgetaucht, daß man den kleinen, braven Burschen besser als mit einem Trinkgeld lohnen müsse, daß es Pflicht sei, sich seiner anzunehmen und ihn nicht in seinem elenden Dasein zurückzulassen. Ja, während des ganzen Rückritts hatte er es ernsthaft erwogen und sich vorgenommen, die Sache mit Werner zu besprechen. Der Kleine war ihm wirklich in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen und er fürchtete förmlich, Werner könne Bedenken geltend machen, die nicht zu widerlegen wären. Denn es war doch keine Kleinigkeit, solch Kind aus seinem Volk, seinem Lande, seinen Lebensgebräuchen heraus zu verpflanzen. Die Krankheit Werners hatte dann jeden anderen Gedanken zurücktreten lassen, nun aber wurden durch das Mitleid für den Kleinen wieder alle die früheren Vorsätze wach. Nein, nein, man durfte Said nicht zurücklassen in dem alltäglichen Elend, den Gaunereien und Niederträchtigkeiten Achmed Maliks und den Schlägen und Püffen seiner rohen Kameraden ausgesetzt. Was war für den kleinen, elternlosen Burschen die Heimat? Er war ja doch allein, einsam und elend.

Said an der Hand, trat Hans bei seinem Freunde wieder ein und sogar die Erfrischung, die er hatte Werner mitbringen wollen, war vergessen und mußte vom Portier später besorgt werden.

Werner hatte sich übrigens, zur Beruhigung von Hans, über das Wiedererscheinen des kleinen Said nicht im mindesten gewundert. Im Gegenteil, er schien ganz zufrieden, das schwarze Bürschchen war äußerst brauchbar in seinen Dienstleistungen, und wenn es nichts für ihn zu thun gab, kauerte er in einer Ecke im Zimmer oder draußen vor der Thür, verlangte keinerlei Beachtung und sobald man ihn rief, war er wieder da.

Die erste Gelegenheit benutzte Hans, um mit seinem Freunde über die Zukunft des Kleinen zu sprechen.

»Werner«, hub er an, »ich bin der Meinung, daß sich Said allmählich so unentbehrlich bei uns macht, daß es uns schwer fallen wird, ihn zurückzulassen.«

Hans hielt einen Moment inne, wie wenn er eine Antwort erwartete, da diese aber nicht erfolgte, fuhr er lebhaft fort: »Ich habe mir die Sache viel durch den Kopf gehen lassen, denke daher nicht, daß es ein voreiliger Entschluß ist, aber – kurz und gut – ich will den Kleinen mit nach Deutschland nehmen.«

»Und was willst Du denn dort mit ihm anfangen?« fuhr es Werner heraus.

»Dasselbe wie hier«, lauteten die ruhigen Gegenworte von Hans. »Ist er etwa nicht nützlich und verwendbar und haben wir nicht täglich mehr seine Dienstleistungen schätzen gelernt? Ich nehme ihn mir als Diener mit, dann braucht er nicht mehr schmutzig und in Lumpen herumzulaufen, wird nicht geschlagen und mißhandelt, sondern kommt zwischen gesittete Menschen, erhält seine gute Nahrung und wird als braver, guter Mensch, der er ist, menschlich und freundlich behandelt.«

Über Werners noch immer etwas bleiches Gesicht glitt ein Lächeln. »Ja, ja, mein alter Junge, Du möchtest am liebsten alle Menschen glücklich machen, das weiß ich«, sagte er. »Aber glaubst Du denn wirklich, daß Du dem Jungen solch großen Dienst thust? Erstlich mal wird ihm sein Schmutz und seine Lumpen so natürlich sein, daß er sich an Reinlichkeit nie gewöhnt, zweitens wird er sich nach seinen schwarzen Stammesgenossen und seiner südlichen Sonne zurücksehnen, und drittens wirst Du endlose Scherereien haben, bis Du den Jungen überhaupt zu Hause hast.«

»Du fürchtest immer Unbequemlichkeiten«, fiel Hans dem Freunde ins Wort, »und das wird wohl Dein Hauptgegengrund sein, ich aber will mich gern einigen Schwierigkeiten, die etwa entstehen sollten, unterziehen, Said hat ja Mühe auch nicht gescheut, als es unser Wohl galt, und was das übrige betrifft, so bin ich ganz überzeugt, daß der Junge überglücklich ist, wenn wir ihn mitnehmen. Ja, um Dich zu überzeugen, können wir ihn gleich mal selbst fragen. Said, wo steckst Du denn, Said.«

Der Gerufene erschien sofort, er hatte wie gewöhnlich vor der Stubenthür gekauert und trat bereitwillig, irgend welchen Befehl zu erfüllen, an Werners Lager.

»Sage mal, Said«, redete ihn Hans gutgelaunt an, »willst Dir mit mir nach Deutschland?«

»Ja«, nickte der Kleine, »Deutschland, heute.«

»Nein, nein, so eilig ist es nicht«, lachte Hans, »wenn mein kranker Freund da gesund ist, reisen wir. Aber dann, – willst Du dann mit, für immer mit uns mit, nach Deutschland? Fort vom Nil und fort von Achmed Malik und immer bei mir bleiben?«

»O, Herr, ja.« Said nickte immer lebhafter. »Said, gutes Herr bleiben, fort Nil, fort Achmed Malik.«

»Der Junge macht wirklich Fortschritte in den Sprachkenntnissen«, ließ sich Werner vernehmen.

Hans aber hatte dafür momentan gar keinen Sinn, er wußte, der Kleine verstand ihn, verstand ihn an den Augen, an den Gebärden, an was es auch immer war. Jeden Tag verstand er ihn besser und wenn bei ihm selbst auch die deutschen Worte nur sparsam hervorkamen, so fühlte Said, daß er es gut meinte mit ihm und jenem ersten Menschen, der Güte für ihn hatte, gehörte sein ganzes vertrauensvolles Kinderherz. Ja, mit ihm wollte er gehen, wohin es auch immer sei, ach, wie gern! Wie glücklich war er, daß der Fremde ihn bei sich behalten wollte.

»Gutes Herr bleiben, fort Nil, fort Achmed Malik!« Und plötzlich machte er ganz unerwartet vor lauter Freude einen Luftsprung, daß die beiden Freunde darüber in helles Lachen ausbrechen mußten. Da lachte Said mit, so voll und hell und fröhlich, wie er noch nie gelacht, und dabei schlug er in die Hände und drehte sich wie ein Kreisel immer um sich selbst, so toll und ausgelassen war er. Sofort wollte er weg, wenn nicht heute, dann morgen, und es machte Mühe, ihm klar zu legen, daß erst Werners völlige Genesung abgewartet werden müsse.

Zum Glück ging es damit jetzt rasch bergauf, so daß Saids Geduld auf keine allzu lange Probe gestellt zu werden brauchte. Bald konnte man an die Vorbereitungen zur Abreise gehen, was Werner vielleicht ebenso lieb war wie Said, denn er hatte das abenteuerliche Land recht satt bekommen, wie er selbst sagte.

Als aber die Koffer schon fertig verpackt dastanden, erschien wider Erwarten Achmed Malik nochmals auf der Bildfläche. Er hatte von dem Vorhaben Hans Bieneggs gehört und stellte sich nun ein, um Abstandsgeld für seinen Eseljungen zu verlangen. Der kleine Said, der sonst immer bei Seite geschoben war, hatte plötzlich an Interesse für ihn gewonnen. Ja, Achmed Malik behauptete, in ihm einen der gewandtesten und tüchtigsten Eseltreiber zu verlieren, den er nicht so ohne weiteres ziehen lassen könne.

Da kam er aber bei Hans und Werner schlecht an.

Das Geld, das er dem kleinen Said vor kurzem so hinterlistig abgenommen, solle er sich nur als Abstandsgeld anrechnen, meinte Hans. Werner aber ließ sich gar nicht erst auf langes Reden ein, er nahm den dreisten Araber einfach beim Arm und schob ihn zur Thür hinaus. Und als jener nun im Korridor des Gasthauses Lärm schlagen wollte, bekam ihn der stämmige Wirt zu fassen und ein paar derbe Fäuste auf seinem Rücken belehrten ihn darüber, daß er sich nicht in seiner eigenen Behausung befände.

So zog er denn schimpfend und fluchend seines Weges. Said aber blickte ihm mit den kohlschwarzen Augen angstvoll nach, bis er verschwunden war, dann jauchzte er erlöst auf:

»Fort Achmed Malik, fort, fort!«



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