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Man vertheilte, was der Courrier von Frankreich gebracht, dort an Bord der Circe, auf der Rhede von Ha-Long, am andern Ende der Erde.
Umdrängt von einem Knäuel Matrosen, rief der Wagenmeister laut die Namen der Glücklichen, die Briefe hatten. Das ging am Abend bei der Batterie vor sich, indem man sich um eine Schiffslaterne herumstieß.
»Moan Sylvester!« Da war einer für ihn, und mit dem Stempel von Paimpol, aber nicht in Gaud's Handschrift! Was sollte das heißen? Und von wem kam der Brief?
Nachdem er ihn hin und her gedreht, öffnete er ihn ängstlich.
Ploubazlanec, am 5. März 1884.
»Mein lieber Enkel!« ...
Es war wirklich von der guten alten Großmutter; da athmete er erleichtert auf. Sie hatte sogar an's Ende ihre schwerfällige Unterschrift hingesetzt, die sie auswendig gelernt, ganz zitternd und schülerhaft: »Wittwe Moan.«
Wittwe Moan. Er hob das Papier an die Lippen, mit einer unwillkürlichen Bewegung, und küßte den armen Namen wie ein geweihtes Amulett. Denn dieser Brief kam in einer Entscheidungsstunde seines Lebens: Morgen, bei Tagesanbruch, sollte er abgehen, in's Feuer. Es war Mitte April; Bac-Ninh und Hong-Hoa waren eben genommen. Keine größere Operation schien in Tonking bevorzustehen – doch reichten die neuankommenden Verstärkungen nicht hin – da nahm man an Bord der Schiffe Alles, was die Compagnien der ausgeschifften Seesoldaten vervollständigen konnte. Und Sylvester, der sich schon lange von den Kreuzfahrten und Blockaden hinweggesehnt, war eben mit einigen Andern bezeichnet, die Lücken in jenen Mannschaften zu füllen.
Freilich sprach man vom Frieden in dem Augenblicke; aber Etwas sagte ihnen, sie würden gerade zu rechter Zeit ausgeschifft, um sich noch ein wenig zu schlagen. Nachdem sie ihre Säcke geordnet, ihre Vorbereitungen beendet, Abschied genommen, waren sie den ganzen Abend zwischen den Andern, die zurückblieben, auf- und abgegangen, sie fühlten sich gewachsen und stolz neben Jenen; Jeder äußerte auf seine Weise seine Abschiedseindrücke, die Einen ernst gesammelt, die Andern in überströmenden Worten laut werdend.
Sylvester war ziemlich schweigsam und verarbeitete in sich seine Warteungeduld; nur wenn man ihn ansah, dann sagte sein feines, gehaltenes Lächeln: »Ja, ich bin auch dabei, und morgen früh geht es los.« Vom Kriege, vom Feuer machte er sich noch einen unvollständigen Begriff; aber es zog ihn dennoch an, weil er von tapferem Geschlecht war.
Ängstlich wegen Gaud, wegen dieser fremden Handschrift, suchte er sich einer Laterne zu nähern, um gut lesen zu können. Und es war schwer, inmitten dieser halbnackten Leute, die sich zusammendrängten, um auch zu lesen, in der erstickenden Hitze der Batterie.
Gleich beim Beginn des Briefes, wie er es vorhergesehen, erklärte die Großmutter Yvonne, warum sie genöthigt gewesen, bei der ungewandten Hand einer Nachbarin Hilfe zu suchen:
»Mein liebes Kind! Diesmal lasse ich Dir nicht durch Deine Base schreiben, weil sie sehr in Noth ist. Ihr Vater ist von plötzlichem Tode dahingerafft worden, vor zwei Tagen. Und es scheint, ihr ganzes Vermögen ist verzehrt, in schlechten Geldgeschäften, die er vorigen Winter in Paris gemacht. Man wird also sein Haus verkaufen und seine Möbel. Es ist eine Sache, auf die Keiner in der Gegend gefaßt war. Ich denke, mein liebes Kind, es wird Dir, sowie mir, sehr leid thun. Der Sohn Gaos schickt Dir recht guten Tag; er hat mit dem Capitän Guermeur seinen Contract erneuert, wieder auf der Marie, und seine Abfahrt nach Island war ziemlich früh dieses Jahr. Am 1. des Laufenden sind sie unter Segel gegangen, dem Vorvorabend des großen Unglücks, das unserer Gaud Zugestoßen ist, und sie haben noch keine Kenntniß davon. Aber nun kannst Du Dir wohl denken, mein lieber Sohn, daß es aus ist, daß wir sie nicht verheirathen werden; denn so muß sie jetzt arbeiten und ihr Brod verdienen«...
... Er war niedergeschmettert; die schlechten Nachrichten hatten ihm seine ganze Freude am Schlagen verdorben.