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Frauenmut

Ein wolfartiger Kopf mit melancholischen Augen und von Reif bedeckt schob die Zeltzipfel beiseite.

»He! Weg mit dir! Siwash! Weg mit dir, du verdammter Köter«, brüllten die Bewohner des Zeltes im Chor. Bettles schlug nach dem Hunde mit einem Blechteller, und das Tier zog sich schleunigst zurück. Louis Savoy band die Zeltzipfel wieder zu, stieß eine Bratpfanne vom Feuer und wärmte sich die Hände. Es war sehr kalt draußen. Vor achtundvierzig Stunden war das Spiritusthermometer bei achtundsechzig Grad Fahrenheit unter Null zersprungen, und seither hatte die Kälte gleichmäßig zugenommen. Man konnte nie wissen, wann die Kälteperiode vorbei war, und in solchen Stunden ist es unklug, falls es nicht der Wille der Götter ist, sich zu weit vom Ofen wegzuwagen oder mehr kalte Luft einzuatmen, als man muß. Zuweilen tun Menschen es, und zuweilen erfrieren sie sich dann auch ihre Lungen. Die Folge ist ein trockener, rasselnder Husten, und der Reiz ist besonders scharf, wenn Speck gebraten wird. Und dann – im Laufe des Frühlings oder Sommers – wird ein Loch in den gefrorenen Boden geschmolzen. Ein Leichnam wird hineingeworfen, mit Moos bedeckt und in der Gewißheit liegengelassen, daß er, wenn die Trompete des Jüngsten Tages ertönt, ganz unberührt und eiserstarrt auferstehen wird. Den Ungläubigen, die sich skeptisch in bezug auf die Auferstehung des Fleisches an diesem verhängnisvollen Tage verhalten, kann man kein geeigneteres Land als Klondike zum Sterben empfehlen. Man darf daraus jedoch nicht schließen, daß es ein gutes Land zum Leben sei.

Es war sehr kalt draußen und auch nicht besonders warm drinnen. Das einzige, was man unter dem Begriff »Meublement« verstehen konnte, war der Ofen, und die Männer zeigten ihre Vorliebe für ihn sehr oft. Der halbe Fußboden war mit Kiefernzweigen bestreut; darüber hatten sie die Schlafdecke gebreitet, und darunter lag der Schnee des Winters. Im übrigen bestand der Fußboden aus mit Mokassins festgetretenem Schnee, der mit Töpfen und Pfannen und all dem andern Gerümpel, das zu einem arktischen Lager gehört, übersät war. Der Ofen glühte rot, und das Feuer prasselte darin, aber kaum drei Fuß entfernt lag ein Eisblock mit scharfen Kanten und so trocken, als sei er eben erst vom Bach gebrochen. Der Druck der Kälte draußen zwang die Wärme im Zelt emporzusteigen. Gerade über dem Ofen, wo das Rohr durch das Zeltdach hinausführte, befand sich ein winziger Kranz trockenen Segeltuchs, darum ein Kranz dampfenden Segeltuchs, und darum wieder ein nasser Ring, der Feuchtigkeit ausschwitzte, aber davon abgesehen waren sowohl Seiten wie Dach des Zeltes mit einer halbzölligen Kruste trockenen, weißen, kristallisierten Reifs bedeckt.

»Oh! Oh! Oh!« Ein junger Bursche, der, bärtig, abgezehrt und müde in seinem Schlafsack schlief, stöhnte laut vor Schmerz und erhöhte nur, ohne zu erwachen, seine eigene Qual und seine Leiden. Er erhob sich halb aus den Decken, und ein krampfhaftes Zittern durchfuhr ihn, als schauderte er vor der Berührung mit Nesseln zurück.

»Dreht ihn um«, sagte Bettles. »Er hat Krämpfe.«

Ein Dutzend williger Kameraden warfen sich über ihn, rollten ihn herum und stießen und traten ihn mit unbarmherzigem Wohlwollen.

»Der Teufel soll die Schlittenreisen holen!« murmelte er leise, während er den Schlafsack beiseitewarf und sich aufrichtete. »Ich habe Amerika kreuz und quer durchreist, war Torwart in New York und habe mich auf alle möglichen Arten abgehärtet, und jetzt, da ich eine Pilgerfahrt in dieses von Göttern und Menschen verlassene Land mache, benehme ich mich wie ein weibischer Grieche, der nicht die einfachsten Voraussetzungen hat, ein ordentlicher Mann zu werden!« Er kauerte sich vor dem Feuer zusammen und drehte sich eine Zigarette. »Oh, ich heule nicht. Ich kann meine Medizin schlucken, wenn sie auch scheußlich schmeckt, jawohl, jawohl, aber ich schäme mich ehrlich und redlich, das ist alles. Hier liege ich nun nach dreißig dreckigen Meilen so mitgenommen, steif und wund an allen Gliedern, wie ein Tee saufendes, schlappschwänziges Mutterkind nach einer Landpartie. – Oha! Man kann krank und elend davon werden! Hast du ein Streichholz?«

»Reiß das Maul nicht so auf, Junge!« Bettles reichte ihm das verlangte Streichholz und wurde ganz väterlich. »Vergiß nicht, daß man sich erst daran gewöhnen muß. Du lieber Gott – ich vergesse nie das erste Mal, als ich auf der Schlittenfahrt war! Steif? Ich habe erlebt, daß es ganze zehn Minuten dauerte, bis ich den Mund von einem Wasserloch hochkriegte und wieder auf die Beine kam, und jedes Glied knirschte und knackte und stellte sich an, daß ich ganz verrückt wurde. Krämpfe? Ich bestand nur noch aus lauter Knoten, und es dauerte einen halben Tag, bis die andern mich wieder gerade kriegten. Du bist ganz brav – für solch einen jungen Burschen, und du hast das Herz auf dem rechten Fleck. Ehe das Jahr um ist, kannst du uns alte Kerle in Grund und Boden laufen. Und was das Beste ist, du hast nicht die Fettschicht, die schon so manchen tüchtigen Mann in Abrahams Schoß geschickt hat.«

»Fettschicht?«

»Ja, das ist etwas, das große und starke Leute haben. Starke Leute sind nämlich nicht die besten, wenn es Schlittenreisen gilt.«

»Das habe ich noch nie gehört.«

»Nie gehört – wie bitte? Na ja, das liegt nun so auf der Hand, daß man gar nicht davon zu reden braucht. Ein großer Körper kann ausgezeichnet für eine gewaltige Kraftanspannung sein, wenn er aber nicht aushält, dann ist er keinen sauren Hering wert, und Ausdauer und Körpergröße gehen nie zusammen im Geschirr. Es gehören kleine, abgehärtete Leute dazu, die sich hinein verbeißen, wie ein hungriger Hund in einen Knochen. Teufel auch – die großen Männer können überhaupt nicht mitkommen!«

»Weiß Gott!« fiel Louis Savoy ihm ins Wort, »das nicht – was ihr sagen – Quatsch! Ich kennen ein Mann, ach, so groß wie ein Büffelochse. Beim Wettlaufen nach Sulphur Creek – ihn zusammen mit ein kleiner Mann, Lon McFane. Ihr kennen Lon McFane, kleiner Irländer, rotes Haar und grinst. Und sie gehen und gehen und gehen – ganzen Tag und ganze Nacht. Und der große Mann, ihn werden sehr müde und legen sich in Schnee. Und der kleine Mann stoßen und stoßen und stoßen, und dann schließlich nach langer Weg stoßen großer Mann in meine Hütte. Drei Tage vorher ihn kriechen aus meiner Decke. Nie ich sehen großer Mann wie ihn. Nein, nie. Ihn haben, was ihr nennt Fettschicht. Weiß Gott.«

»Na und Axel Gundersen?« sagte Prince. Der große Skandinavier und die traurigen Umstände, unter denen er gestorben war, hatten einen tiefen Eindruck auf den Mineningenieur gemacht. »Er liegt irgendwo dort oben.« Er machte eine Handbewegung in der Richtung des geheimnisvollen Ostens.

»Das war der größte Mann, der je dem Salzwasser den Rücken gekehrt und einem Elch das Leben zum Leibe hinausgerannt hatte – nur durch seine Ausdauer, aber er ist auch die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Denkt an seine Frau, Unga, – sie wog ihre hundertundzehn Pfund nackt, nur Muskeln und nicht ein bißchen überflüssiges Fett. Sie konnte es in jeder Beziehung mit ihm aufnehmen. Es gab nichts auf, über oder unter der Erde, was sie nicht fertiggebracht hätte.«

»Aber sie liebte ihn«, wandte der Ingenieur ein.

»Das ist es nicht. Es – –«

»Hört nun, Brüder«, unterbrach sie Sitka Charley, der sich auf den Proviantkasten gesetzt hatte. »Ihr habt von der Fettschicht von großen Männern und von der Ausdauer und Liebe von Frauen gesprochen – und ihr habt weise Worte gesagt, aber ich entsinne mich an manches, das geschah, als das Land neu war und die Feuer der Männer so weit auseinanderlagen wie die Sterne des Himmels. Damals war es, daß ich mit einem großen Mann mit einer Fettschicht und einem Weibe zu tun bekam. Das Weib war klein, aber ihr Herz war größer als das Büffelherz des Mannes, und sie war mutig und ausdauernd. Und sie reisten einen langen, schlimmen Weg bis zum Salzwasser, und die Kälte war schneidend, der Schnee tief und der Hunger groß. Und die Liebe des Weibes war groß – mehr kann man nicht sagen.«

Er schwieg und hieb mit dem Beil kleine Stücke Eis von dem mächtigen Klumpen, der neben ihm lag. Die warf er in die Goldwäscherpfanne auf dem Ofen, wo das Trinkwasser auftaute. Die Männer rückten näher an ihn heran, und der Mann mit dem Krampf suchte vergebens Linderung für seinen steifen Körper.

»Brüder, mein Blut ist rot – Siwashblut –, aber mein Herz ist weiß wie das eure! Das Blut verdanke ich den Fehlern meiner Väter, und das Herz den Tugenden meiner Freunde. Eine große Wahrheit setzte sich in mir fest, als ich ein Knabe war. Ich verstand, daß die Erde euch und den Euern gehörte, und daß die Siwash euch nicht standhalten und wie Renntier und Bär in der Kälte umkommen mußten. Und deshalb kam ich in die Wärme und saß mit euch an eurem Lagerfeuer, und seht, ich wurde einer der Euern.

Ich habe viel gesehen. Ich habe seltsame Dinge erlebt, auf langen Reisen mit vielerlei Männern. Und auf Grund aller dieser Dinge messe ich eure Handlungen nach euerm Wesen, und ich beurteile Männer und denke meine Gedanken. Und deshalb – wenn ich harte Worte über einen eures Schlages rede, so weiß ich, daß ihr nicht gekränkt darüber sein werdet, und wenn ich gute Worte über eine vom Volke meines Vaters rede, so werdet ihr nicht sagen: ›Sitka Charley ist ein Siwash, und deshalb ist ein unehrliches Licht in seinen Augen, und er weiß nicht die Wahrheit zu reden.‹ Ist es nicht so?« Der ganze Kreis murmelte seine Zustimmung.

»Das Weib hieß Passuk! Ich erwarb sie im ehrlichen Handel von ihren eigenen Leuten, die an der Küste zu Hause waren, und deren Chilcat Totem am Ende eines salzigen Meerarmes lag. Ich fühlte nichts für das Weib, und ich kümmerte mich auch nicht darum, wie sie aussah, denn sie hob kaum die Augen vom Boden, und sie war furchtsam und bange, wie Frauen zu sein pflegen, wenn sie einem Fremden, den sie nie zuvor gesehen, in die Arme geworfen werden. Wie ich euch sage, es war keine Stelle in meinem Herzen, wo sie unterschlüpfen konnte, denn ich stand vor einer weiten Reise und brauchte jemand, um meine Hunde zu füttern und in den langen Tagen auf dem Flusse die Paddel mit mir zu schwingen. Eine Decke genügte für zwei – und deshalb wählte ich Passuk.

Habe ich euch nicht erzählt, daß ich im Dienst der Regierung stand? Wenn nicht, so ist es gut, daß ihr es wißt. Und deshalb wurde ich mit Schlitten und Hunden und gedörrtem Fleisch an Bord eines Kriegsschiffes genommen, und mit mir kam Passuk. Und wir zogen gen Norden, nach dem vereisten Rande der Beringsee, wo wir an Land gesetzt wurden – ich selbst, Passuk und die Hunde. Ich bekam auch Geld von der Regierung, denn ich war ihr Diener, und Karten über Land, das menschliche Augen nie gesehen hatten, und geschriebene Botschaften. Diese Botschaften waren versiegelt und sehr klug gegen das Wetter gesichert, und ich sollte sie den Walfängerschiffen des Nordlandes überbringen, die am großen Mackenzie-Fluß vom Eise eingeschlossen waren. Nie hat es einen so großen Fluß gegeben – mit Ausnahme unseres Yukon, des Vaters aller Flüsse.

Aber alles dies hat nichts mit der Sache zu tun, denn meine Geschichte betrifft weder die Walfänger noch den Winter, den ich eingeschlossen im Eise am Mackenzie verbrachte. Später, im Frühling, als die Tage länger wurden und der Schnee eine Kruste erhielt, zogen wir nach Süden, Passuk und ich, nach dem Lande Yukon. Es war eine schwere Reise, aber die Sonne zeigte uns, wo wir unsere Füße hinsetzen sollten. Es war damals, wie ich schon sagte, ein nacktes Land, und wir arbeiteten uns mit Stange und Paddel Ströme hinauf, bis wir Forty Mile erreichten. Herrlich war es, wieder einmal weiße Gesichter zu sehen, und deshalb fuhren wir ans Ufer. Aber der Winter war ein strenger Winter. Dunkelheit und Kälte senkten sich über uns, und mit ihnen kam die Hungersnot. Der Verwalter der Company gab jedem Mann vierzig Pfund Mehl und zwanzig Pfund Speck. Bohnen gab es nicht. Und die Hunde heulten beständig, und es gab schlaffe Magen und gefurchte Gesichter, und starke Männer wurden schwach, und schwache Männer starben. Es herrschte auch viel Skorbut.

Da versammelten wir uns eines Abends im Magazin, und die leeren Regale machten, daß wir unsere eigene Leere desto mehr fühlten. Wir sprachen leise beim Schein des Feuers, denn die Lichter wurden aufgehoben für die, welche noch nach Luft schnappen konnten, wenn der Frühling kam. Wir erörterten die Lage, und irgend jemand sagte, daß einer von uns nach dem Salzwasser ziehen und der Welt von unserem Elend erzählen müßte. Alle Blicke richteten sich auf mich, denn sie hatten gemerkt, daß ich ein großer Schlittenfahrer war. ›Es sind siebenhundert Meilen bis nach Haines Mission am Meere‹, sagte ich, ›und jeder Zoll des Weges muß auf Schneeschuhen zurückgelegt werden. Gebt mir eure besten Hunde und euern besten Proviant – dann will ich hingehen. Und Passuk soll mich begleiten.‹

Alle waren mit mir einig. Aber einer von ihnen stand auf, der lange Jeff, ein Yankee mit schweren Knochen und schweren Muskeln. Dazu war er ein Mann, der gern das große Wort führte. Er sei auch ein mächtiger Schlittenfahrer, sagte er, von klein auf an Schneeschuhe gewöhnt und mit Büffelmilch aufgezogen. Er wollte mit mir gehen, damit er, wenn ich umfiele, der Mission den Bescheid bringen könnte. Ich war jung und kannte die Yankees nicht. Wie konnte ich wissen, daß große Worte gleichbedeutend mit der Fettschicht waren, oder daß die Yankees, die die großen Dinge verrichteten, ihren Mund hielten? Und so nahmen wir denn die besten Hunde und den besten Proviant und machten uns auf den Weg, wir drei – Passuk, der lange Jeff und ich.

Nun ja, ihr habt selbst Schnee gestampft und euch an der Schlittenstange abgemüht, und die hochgepreßten Eismassen der Flüsse sind euch nicht unbekannt, und deshalb will ich nicht von der Mühe reden, sondern nur sagen, daß wir einige Tage zehn Meilen machten, andere dreißig, meistens aber nur zehn. Und der beste Proviant war nicht gut, und wir mußten von Anfang an sparen. Ebenso waren die besten Hunde schlecht, und wir hatten genug damit zu tun, sie auf den Füßen zu halten. Am White River wurden unsere drei Schlitten zu zwei Schlitten, und wir waren nur zweihundert Meilen vorwärts gekommen. Aber wir vergeudeten nichts, denn die Hunde, die aus dem Geschirr genommen wurden, mußten denen, die übrigblieben, zur Nahrung dienen.

Nicht ein Lebenszeichen, nicht eine Rauchsäule, ehe wir Pelly erreichten. Hier hatte ich auf Proviant gerechnet, und hier hatte ich gedacht, den langen Jeff zurückzulassen, denn er jammerte und war von der Schlittenreise sehr mitgenommen. Aber die Lungen des Faktors waren angegriffen, seine Augen schimmerten, und sein Depot war beinahe leer; ja, und er zeigte uns das leere Depot des Missionars und sein Grab, das von einem hohen Steinhaufen bedeckt war, um die Hunde fernzuhalten. Es war eine Schar Indianer am Orte, aber keine Kinder und alten Männer. Es war klar, daß nur wenige von ihnen den Frühling sehen sollten.

Und so zogen wir denn weiter, mit leeren Magen und schweren Herzen und fünfhundert Meilen Schnee und Schweigen zwischen uns und Haines Mission am Meere.

Es war die Zeit der größten Dunkelheit, und zur Mittagszeit stieg die Sonne nicht über den südlichen Horizont. Aber die Eisschraubungen wurden geringer, der Weg besser, und so trieb ich die Hunde an und reiste früh und spät. Wie gesagt, bei Forty Mile mußten wir für jeden Zoll des Weges Schneeschuhe benutzen. Und die Schuhe nagten große Löcher in unsere Füße, und die Risse und Wunden wollten nicht heilen. Und mit jedem Tage wurden diese Wunden quälender, bis der lange Jeff morgens, wenn wir die Schuhe anzogen, wie ein Kind weinte. Ich ließ ihn vor dem leichten Schlitten gehen, damit er eine Schlittenbahn trete, aber er nahm die Schneeschuhe ab, weil es bequemer war. Daher wurde die Schlittenbahn nicht getreten, seine Mokassins machten große Löcher, und in ihnen wateten die Hunde. Die Hunde waren so mager, daß ihre Knochen fast durch die Haut stießen, und es war nicht gut für sie. Deshalb sprach ich harte Worte zu dem Manne, und er machte mir Versprechungen, brach aber immer wieder sein Wort. Da schlug ich ihn mit der Hundepeitsche, und von da ab wateten die Hunde nicht mehr im Schnee. Er war ein Kind – teils wegen der Schmerzen und teils wegen der Fettschicht.

Aber Passuk. Während der Mann am Feuer lag und weinte, bereitete sie das Essen, und morgens half sie die Schlitten beladen und abends sie abladen. Und sie rettete die Hunde. Immer war sie auf ihren Schneeschuhen an der Spitze und machte den Weg gangbar. Passuk – wie soll ich es euch erklären? – ich hielt es für selbstverständlich, daß sie diese Dinge tat, und dachte nicht mehr daran, denn meine Gedanken waren mit andern Dingen beschäftigt, und außerdem war ich jung an Jahren und kannte die Frauen nicht sehr. Erst später lernte ich es verstehen.

Und mit dem Mann wurde es immer schlimmer. Die Hunde hatten nicht mehr viel Kraft, aber er setzte sich heimlich auf den Schlitten, wenn die andern vorausfuhren. Passuk sagte, sie wollte den einen Schlitten nehmen, so daß der Mann nichts zu tun hätte. Am Morgen gab ich ihm die Ration, die ihm zukam, und schickte ihn allein fort. Die Frau und ich taten alle Arbeit im Lager, wir beluden die Schlitten und schirrten die Hunde an. Mittags, wenn die Sonne die Schneekruste schmolz, pflegten wir den Mann zu überholen, der dasaß, während die Tränen ihm auf den Backen gefroren. Abends setzten wir alles instand, stellten seine Ration beiseite und breiteten seinen Schlafsack aus. Wir machten auch ein großes Feuer, damit er uns finden konnte. Und mehrere Stunden später kam er dann angehinkt und verzehrte unter Klagen und Stöhnen sein Essen. Und dann schlief er. Er war nicht krank, dieser Mann. Er war nur müde und erschöpft von der Schlittenreise und schwach vor Hunger. Aber Passuk und ich waren auch müde und erschöpft von der Schlittenreise und schwach vor Hunger, und wir taten alle Arbeit, und er tat nichts. Aber er hatte die Fettschicht, von der Bruder Bettles gesprochen hat. Und wir gaben dem Mann stets seine reichlich bemessene Ration.

Da trafen wir eines Tages zwei Gespenster, die durch die Stille gereist kamen. Es waren ein Mann und ein Junge, und sie waren weiß. Das Eis auf dem Le-Barge-See war gerissen, und durch den Spalt war der größte Teil ihrer Ausrüstung verschwunden. Sie trugen jeder eine Decke über der Schulter. Abends machten wir ein Feuer, an dem sie bis zum Morgen zusammengekauert saßen. Sie hatten ein klein wenig Mehl. Das verrührten sie in warmem Wasser und tranken es. Der Mann zeigte uns acht Tassen Mehl, das war alles, was sie besaßen, und Pelly, wo die Hungersnot ausgebrochen war, lag zweihundert Meilen fort. Sie sagten, nach ihnen käme ein Indianer, mit dem sie ehrlich geteilt hätten, aber er könnte nicht Schritt mit ihnen halten. Ich glaubte nicht, daß sie ehrlich geteilt hatten, denn dann würde der Indianer Schritt mit ihnen gehalten haben. Aber ich konnte ihnen keinen Proviant geben. Sie versuchten, einen Hund zu stehlen – den fettesten, der aber auch sehr mager war –, aber ich hielt ihnen meine Pistole vors Gesicht und sagte, sie sollten ihres Weges gehen. Und sie gingen ihres Weges, wie berauschte Männer, durch die Stille in der Richtung von Pelly.

Ich hatte jetzt noch drei Hunde und einen Schlitten, und die Hunde waren nichts als Haut und Knochen. Wenn man nicht viel Brennholz hat, so brennt das Feuer niedrig, und die Hütte bleibt kalt. So ging es uns. Wenn man zu wenig zu essen hat, beißt die Kälte stark, und unsere Gesichter waren so schwarz und erfroren, daß unsere eigenen Mütter uns nicht erkannt hätten. Und unsere Füße waren sehr wund. Wenn ich morgens zu gehen begann, brachte mich die Anstrengung, nicht laut zu schreien, in Schweiß – so schmerzten die Schneeschuhe. Passuk gab nie einen Laut von sich, sie ging voraus, um uns den Weg zu bahnen. Der Mann heulte.

Der Thirty Mile floß schnell, und die Strömung fraß Eis von unten weg, so daß es viele Löcher und Risse im Eis und viel offenes Wasser gab. Eines Tages fanden wir den Mann, wie er dasaß und sich ausruhte, denn er war, wie er zu tun pflegte, des Morgens vorausgegangen. Aber zwischen uns war offenes Wasser. Er war hinübergekommen, indem er dem Randeis folgte, wo es zu schmal für einen Schlitten war. Dann fanden wir eine Eisbrücke. Passuk wog nicht viel, und sie ging mit einer langen Stange in der Hand voraus für den Fall, daß ich einbrechen sollte. Aber sie war leicht, und ihre Schneeschuhe waren groß, und sie kam hinüber. Dann rief sie die Hunde. Aber die hatten weder Stangen noch Schuhe, und sie brachen ein und wurden unter Wasser fortgerissen. Ich klammerte mich hinten an den Schlitten, bis das Geschirr riß und die Hunde unter dem Eis verschwanden. Es war nicht mehr viel Fleisch an ihnen, aber ich hatte damit gerechnet, daß sie uns für eine Woche Proviant geben sollten, und jetzt waren sie fort.

Am nächsten Morgen teilte ich allen Proviant – es war sehr wenig – in drei Teile. Und ich sagte zum langen Jeff, jetzt könne er Schritt mit uns halten oder nicht, wie er es für gut befände, denn jetzt würden wir leicht und schnell reisen. Aber er erhob seine Stimme und jammerte über seine wunden Füße und andere Beschwerden, und er sagte viele harte Dinge von Kameradschaft. Passuks Füße waren wund, und meine Füße waren wund – ja wunder als die seinen, denn wir hatten mit den Hunden und dem Schlitten gearbeitet und geschleppt. Der lange Jeff schwor, daß er eher sterben wolle, ehe er sich wieder auf die Wanderung begäbe, und da nahm Passuk einen Schlafsack, und ich nahm eine Kasserolle und eine Axt, und wir schickten uns zum Aufbruch an. Aber sie sah den Anteil des Mannes und sagte: ›Es ist falsch, den guten Proviant an einen Säugling zu vergeuden. Es wäre besser, wenn er stürbe.‹ Ich schüttelte den Kopf und sagte: ›Nein – einmal Kamerad, immer Kamerad.‹ Aber sie sprach von den Männern in Forty Mile – sagte, es seien viele und gute Männer, die warteten, daß ich ihnen Proviant zum Frühling verschaffte. Als ich aber immer noch nein sagte, nahm sie schnell meine Pistole, und der lange Jeff ging, wie Bruder Bettles sagt, vor seiner Zeit in Abrahams Schoß. Ich schalt Passuk aus, aber sie war nicht traurig, und sie war auch nicht besorgt. In meinem Herzen wußte ich, daß sie recht hatte.«

Sitka Charley schwieg und warf einige Stücke Eis in die Goldwäscherpfanne auf dem Ofen. Die Männer saßen schweigend da, und es lief ihnen kalt über den Rücken, als sie das Heulen der Hunde hörten, die ihrem Elend in der Kälte vor dem Zelt Luft machten.

»Und Tag für Tag passierten wir – Passuk und ich – im Schnee die Schlafplätze der zwei Gespenster, und wir wußten, daß wir, bis wir das Salzwasser erreichten, froh sein würden, wenn es uns ginge, wie es ihnen ging. Dann trafen wir den Indianer, der auch wie ein Gespenst war und sich auf dem Wege nach Pelly befand. Der Mann und der Junge hätten nicht gleich geteilt, sagte er, und er hätte seit drei Tagen kein Mehl gehabt. Jede Nacht kochte er Stücke von seinen Mokassins in einer Tasse und äße sie. Er hatte nicht mehr viel Mokassinfell übrig. Und er war ein Indianer von der Küste und erzählte uns viele Dinge durch Passuk, die seine Sprache verstand. Er war fremd am Yukon und kannte den Weg nicht, aber er wollte nach Pelly. Wie weit es wäre? Zwei Schlafzeiten? Zehn? Hundert? – er wüßte nichts, aber er wollte nach Pelly. Er sei zu weit gegangen, um umzukehren, und es bliebe ihm nur übrig, weiterzugehen.

Er bat nicht um Proviant, denn er konnte sehen, daß wir selbst sehr knapp waren. Passuk sah den Mann und mich an, als sei sie unschlüssig wie ein Schneehuhn, dessen Küken in Not sind. Da wandte ich mich zu ihr und sagte: ›Diesem Manne ist unrecht geschehen. Wollen wir ihm einen Teil unseres Proviants geben?‹ Ich sah ihre Augen wie vor Freude leuchten, aber sie blickte den Mann und mich lange an, und sie preßte die Lippen hart zusammen und sagte: ›Nein. Das Salzwasser ist weit fort, und der Tod lauert auf uns. Er mag lieber diesen fremden Mann nehmen und meinen Mann Charley lassen.‹ Da ging der Mann in die Stille hinein in der Richtung von Pelly. In der Nacht weinte sie. Noch nie hatte ich sie weinen sehen. Es war auch nicht der Rauch vom Feuer, denn das Holz war trocken. Und ich wunderte mich über ihren Kummer und dachte, ihr Frauenmut wäre von der Schlittenreise mit ihrer Dunkelheit und Qual geknickt.

Das Leben ist ein seltsames Ding. Viel habe ich darüber nachgedacht, und lange habe ich gegrübelt, aber mit jedem Tage wird es nicht weniger seltsam, sondern eher mehr. Woher diese Sehnsucht nach dem Leben? Es ist ein Spiel, das keiner gewinnt. Leben heißt schwer arbeiten und Schlimmes erleiden, bis das Alter über uns kommt und wir unsere Hände in die kalte Asche toter Feuer betten. Es ist schwer, zu leben. Unter Qualen tut das Kind seinen ersten Atemzug, unter Qualen gibt der alte Mann seinen Geist auf, und all seine Tage sind voll von Sorgen und Mühen; und doch geht er immer vorwärts in die offenen Arme des Todes, stolpernd, fallend und bis zum letzten kämpfend. Nur das Leben und was zum Leben gehört, schmerzt. Und doch lieben wir das Leben und hassen den Tod. Es ist sehr merkwürdig.

Wir sprachen nur wenig, Passuk und ich, in den langen Tagen, die jetzt folgten. Nachts lagen wir wie Tote im Schnee, und morgens gingen wir wie Tote. Und alle Dinge waren tot. Es gab kein Schneehuhn, kein Eichhörnchen, keinen Schneehasen – nichts. Der Fluß gab nicht einen Laut von sich unter seinen weißen Kleidern. Der Pflanzensaft war in den Bäumen der Wälder gefroren. Und es wurde kalt wie jetzt, und nachts kamen die Sterne näher, sie waren groß und hüpften und tanzten, und am Tage neckten uns die Nebensonnen, bis wir viele Sonnen sahen, und die ganze Luft knisterte und funkelte, und der Schnee war wie Diamantenstaub. Und es war keine Wärme, kein Laut – nur die scharfe Kälte und die Stille. Wie gesagt, wir gingen wie tote Leute, wie in einem Traum, und wir berechneten nicht die Zeit. Nur, daß unsere Gesichter immer dem Salzwasser zugekehrt waren, unsere Seelen sich nach dem Salzwasser sehnten und unsere Füße uns nach dem Salzwasser hin trugen. Eines Nachts lagerten wir am Takheena und wußten es nicht. Unsere Augen ruhten auf dem Weißen Pferd, aber wir sahen es nicht. Unsere Füße betraten den Weg am Canyon, aber sie fühlten es nicht. Wir fühlten nichts. Und wir fielen oft am Wege nieder, aber immer fielen wir, das Gesicht gegen das Salzwasser gerichtet.

Unser letzter Proviant ging dahin, und wir hatten gleich geteilt, Passuk und ich, aber sie fiel öfter nieder, und bei Caribou waren ihre Kräfte erschöpft. Und am Morgen lagen wir in demselben Schlafsack und erhoben uns nicht, um weiterzugehen. Es war mein Gedanke, hier liegenzubleiben und uns im Tod zu begegnen, Hand in Hand, Passuk und ich, denn ich war alt geworden und hatte die Liebe einer Frau kennengelernt. Und es waren noch achtzig Meilen bis nach Haines Mission, und der große Chilcoot, der hoch über die Baumgrenze emporsteigt, erhob sein sturmumpeitschtes Haupt vor uns. Aber Passuk sprach zu mir, ganz leise, die Lippen an mein Ohr gepreßt, daß ich hören konnte. Und jetzt, da sie meinen Zorn nicht zu fürchten brauchte, sprach sie offen zu mir von ihrer Liebe und von vielen Dingen, die ich nicht verstand.

Und sie sagte: ›Du bist mein Mann, Charley, und ich bin dir eine gute Frau gewesen. Und in all den Tagen, da ich dein Feuer angezündet und dein Essen bereitet und deine Hunde gefüttert und die Paddel geschwungen oder die Fährte für dich getreten, habe ich nicht geklagt. Ich habe auch nie gesagt, daß mehr Wärme in der Wohnung meines Vaters und mehr zu essen am Chilcat war. Wenn du sprachst, lauschte ich. Wenn du befahlst, gehorchte ich. Ist es nicht so, Charley?‹

Und ich sagte: ›Ja, es ist so!‹

Und sie sagte: ›In der ersten Zeit, als du nach Chilcat kamst und mich nicht ansahst, aber mich kauftest, wie man einen Hund kauft, und mich fortführtest, da verhärtete sich mein Herz gegen dich, und es war voller Bitterkeit und Furcht. Aber das ist lange her. Denn du bist freundlich zu mir gewesen, wie ein guter Mann freundlich zu seinem Hunde ist. Dein Herz war kalt, und es war kein Platz darin für mich, aber du hast recht gegen mich gehandelt, und du warst ein gerechter Mann. Und ich war bei dir, wenn du tapfere Taten verrichtetest und in mutigen Unternehmungen anführtest, und ich maß dich mit den Männern anderer Rassen, und ich sah, daß sie dich ehrten, und deine Worte waren weise und deine Zunge wahr. Und ich wurde stolz auf dich, bis du mein Herz erfülltest und alle meine Gedanken dir galten. Du warst die Mitternachtssonne, die in einem goldenen Kreise läuft und nie den Himmel verläßt. Und wo ich hinsah, sah ich stets die Sonne. Aber dein Herz war immer kalt, Charley, und es war kein Platz darin.‹

Und ich sagte: ›Es ist so. Es war kalt, und es war kein Platz darin. Aber das ist vorbei. Jetzt ist mein Herz wie der Schnee, der zur Frühlingszeit fällt, wenn die Sonne zurückgekehrt ist. Alles taut und beugt sich in mir, es ist ein Geräusch von rinnendem Wasser, und grüne Schößlinge sprießen und keimen. Und die Schneehühner schwirren, die Rotkehlchen singen, und alles ist Singen und Klingen – denn die Macht des Winters ist gebrochen, Passuk, und ich habe die Liebe einer Frau kennengelernt.‹

Sie lächelte und machte eine Bewegung, um mir zu bedeuten, daß ich sie enger an mich ziehen sollte. Und sie sagte: ›Ich bin froh.‹ Dann lag sie lange still da und atmete tief, den Kopf an meine Brust geschmiegt. Dann flüsterte sie: ›Hier endet die Reise für mich, und ich bin müde. Aber vorher will ich von andern Dingen reden. Vor langer Zeit, als ich ein kleines Mädchen am Chilcat war, spielte ich einmal allein zwischen den Fellbündeln in der Wohnung meines Vaters, denn die Männer waren auf der Jagd, und Frauen und Knaben schleppten das Fleisch herbei. Es war Frühling, und ich war allein. Ein großer brauner Bär, der eben aus seinem Winterschlaf erwacht war, ausgehungert, und mit vor Magerkeit schlotterndem Fell, steckte den Kopf in das Zelt und sagte Uff! Mein Bruder kam mit dem ersten Fleischschlitten angezogen. Und er schlug nach dem Bären mit einem brennenden Scheit aus dem Feuer, und die Hunde, die vor dem Schlitten angeschirrt waren, stürzten sich auf den Bären. Es gab einen großen Kampf und viel Lärm. Sie taumelten in die Gluten vom Feuer. Die Fellpacken wurden umgestürzt, und das Zelt fiel zusammen. Zuletzt lag der Bär da – tot, die Finger meines Bruders in seinem Maul, und das Gesicht meines Bruders trug Zeichen von seinen Krallen. Hast du den Indianer auf dem Wege nach Pelly dir angesehen – seinen Fäustling, der keinen Daumen hatte, und seine Hand, die er an unserem Lagerfeuer wärmte? Es war mein Bruder, und ich sagte, er solle keinen Proviant haben. Und er ging fort in die Stille ohne Proviant.‹

So, meine Brüder, war die Liebe Passuks, die im Schnee am Caribou starb. Es war eine große Liebe, denn sie verleugnete ihren Bruder um des Mannes willen, der sie auf eine lange Reise und in einen qualvollen Tod geführt hatte. Und so groß war die Liebe dieser Frau, daß sie sich selbst verleugnete. Ehe ihre Augen sich zum letztenmal schlossen, nahm sie meine Hand und steckte sie unter ihre Parka aus Eichhörnchenfell. Und an ihrem Gürtel hing ein wohlgefüllter Beutel, und ich verstand, was der geheime Grund ihrer Schwäche war. Die zweite Hälfte des Proviants war in den wohlgefüllten Beutel gewandert.

Und sie sagte: ›Hier endet die Schlittenreise nur für Passuk, aber dein Weg, Charley, führt weiter über den großen Chilcoot und nach Haines Mission und dem Meere. Und er führt weiter und immer weiter im Schein vieler Sonnen, durch unbekannte Länder und fremde Gewässer, und du wirst satt von Jahren und Ehre und Ehrenbezeigungen. Er führt dich in die Wohnungen vieler Frauen und guter Frauen, aber nie wird er dich zu größerer Liebe führen, als die Liebe Passuks war.‹

Und ich wußte, daß die Frau die Wahrheit sprach. Aber ich wurde von Wahnsinn ergriffen, und ich warf den vollen Beutel von mir und schwor, daß auch für mich die Reise zu Ende sei, bis ihre müden Augen sich von Tränen verschleierten und sie sagte: ›Unter Männern ist Sitka Charleys Namen immer mit Ehren genannt worden, und immer hat er die Wahrheit gesprochen. Soll er jetzt die Ehre vergessen und leere Worte am Caribou sprechen? Denkt er nicht mehr an die Männer von Forty Mile, die uns ihren besten Proviant und ihre besten Hunde gaben? Immer ist Passuk stolz auf ihren Mann gewesen. Laß ihn sich erheben, seine Schneeschuhe anschnallen und seinen Weg gehen, daß er sich seinen Stolz bewahren kann!‹

Und als sie in meinen Armen erkaltete, stand ich auf, nahm den vollen Beutel und wankte davon auf der Schlittenfährte, denn meine Knie waren schwach, mein Kopf schwindelte, und es rauschte mir vor den Ohren und knisterte von Feuerflammen vor meinen Augen. Die Erinnerung an die vergessenen Reisen meiner Knabenzeit stand wieder vor mir. Ich saß an den vollen Töpfen des Potlachs, ich erhob meine Stimme zum Gesange und tanzte zu den Liedern der Männer und der jungen Mädchen und zum Lärmen der Walroßtrommel. Und Passuk hielt meine Hand und ging neben mir. Wenn ich mich schlafen legte, weckte sie mich. Wenn ich stolperte und fiel, hob sie mich auf. Wenn ich mich in dem tiefen Schnee verirrte, führte sie mich auf die Schlittenspur zurück. Und so, wie ein Mann, der seines Verstandes beraubt ist, der seltsame Gesichte hat und dessen Gedanken von Wein benebelt sind, so erreichte ich Haines Mission am Meere.«

Sitka Charley schlug die Zeltzipfel zurück. Es war Mittag. Im Süden – gerade über dem düsteren Henderson-Paß – erhob sich die kalte Sonne. Zu beiden Seiten flammten die Nebensonnen. Glitzernder Reif flimmerte in der Luft wie Altweibersommer. Im Vordergrund, neben der Schlittenspur, saß ein Wolfshund. Die Haare sträubten sich ihm vor Kälte, und er hob seine lange Schnauze gen Himmel und heulte laut.


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