Fanny Lewald
Jenny
Fanny Lewald

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Zwei Gefühle waren es besonders, die Jenny beunruhigten und sie bewogen, sich von Walter zu entfernen: die Furcht, welche sie Frau von Meining gestand, vor einer Verbindung, die man gerade in den Kreisen eine Mißheirat nennen würde, in denen sie als Walters Frau zu leben bestimmt war, und, was sie nur sich selbst bekannte, Scham vor sich selbst, daß sie einer zweiten Neigung fähig sei, die sich entschieden zu Walters Gunsten in ihr geltend machte. Trotz ihres klaren Verstandes besaß Jenny die Schwärmerei eines tieffühlenden Herzens und hatte mit Treue das Andenken des Geliebten ihrer Jugend in sich gepflegt, bis sich nach Reinhards Verheiratung der Gedanke in ihr ausgebildet, sie habe jetzt keinen Anspruch mehr an Liebesglück zu machen, ihr Leben sei in der Beziehung beendet.

So hatte sie sich seit Jahren mit der Idee, »entsagt zu haben«, wie mit einem Witwenschleier geschmückt, den sie jetzt abzulegen sich nicht entschließen konnte. Sie fühlte ihre wachsende Neigung für den Grafen, aber sie kämpfte dagegen wie gegen ein Unrecht, weil sie sich scheute, den Ihrigen zu sagen: ›Ich liebe wieder!‹ und weil sie doch zu wahrhaft war, um eine Verbindung mit Walter, die sie trotz aller Bedenken wünschte, für eine bloße Verstandsheirat auszugeben, was außerdem kränkend für ihn gewesen wäre.

Nach Jahren innern Friedens mit sich selbst machte dieser Zwiespalt ihrer Seele ihr doppelte Unruhe und gab ihr einen Anstrich von Kälte, die Walter irre an ihr zu machen drohte; da ohnehin die Sorge für Claras ihr anvertraute Kinder ihr einen Grund gab, den Grafen weniger zu sehen, als es früher der Fall gewesen war. Dadurch trat eine Art von Spannung zwischen Walter und Jenny ein, von der beide gleich viel zu leiden schienen, bis es Frau von Meining gelang, des Grafen Vertrauen zu gewinnen. Sie bat ihn Geduld zu haben, Jenny Zeit zu lassen, bis sie sich selbst klargeworden sei: »Glauben Sie mir, lieber Graf«, sagte sie, »je deutlicher in uns Frauen das Bewußtsein von der Heiligkeit der Ehe wird, je langsamer entschließt man sich, den Schritt zu tun. Jenny steht jetzt bang und zögernd auf der Schwelle des Tempels, die sie vor zehn Jahren leichtherzig und sorglos überschritten haben würde. Lassen Sie sich dadurch nicht irren! Ich würde es für unrecht halten, jemand zu einem Entschlusse hinzudrängen, zu dem er keine Neigung hat oder dem seine Eigentümlichkeit widerstrebt. Jenny wird aber nur durch ein von ihr mißverstandenes Gefühl gehindert, ihr Glück und das Glück ihres Mannes zu gründen, den sie hoch und wert hält. Da muß man aus Freundschaft ein übriges tun und die Gute gelinde dazu zwingen, glücklich zu sein und zu beglücken.«

»Das ist ein hartes Wort«, bemerkte Walter, »und selbst Jennys Hand möchte ich weder der Überredung noch dem Zwang verdanken.«

»Aber Sie sind damit zufrieden, daß Jenny sich und Ihnen gestehen lernt, daß ihre eigene Neigung sie zwingt, die Ihre zu werden?« fragte Frau von Meining freundlich.

»Wenn Sie Jenny davon überzeugen könnten«, erwiderte Walter, »wie würde ich es Ihnen danken!«

»Lassen Sie das, mein Freund!« wandte die Geheimrätin ein. »Ich bleibe Ihnen verpflichtet, und mein Mann wird es Ihnen Dank wissen, daß Sie mich aus meiner Abspannung befreiten, indem Sie mir Gelegenheit gaben, an Ihnen und meiner Freundin ein gutes Werk zu üben. In wenig Tagen denke ich Jenny in ihrer Wohnung selbst aufzusuchen und rechne dann auf Ihre Begleitung.«

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