Fanny Lewald
Jenny
Fanny Lewald

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Tage vergingen und wurden zu Wochen. Das Frühjahr entfaltete sich immer heiterer; man näherte sich der warmen Zeit und konnte mit neuer Hoffnung auf die schönen Tage des Maimonats blicken. Die Pfarrerin war abgereist, nicht ohne die Besorgnis, daß es vielleicht ratsamer gewesen wäre, in der Stadt zu bleiben, da ihr Sohn seit einiger Zeit manche kleine Reibungen mit seinen künftigen Schwiegereltern gehabt hatte, die nur durch ihre und Jennys Vermittlung ausgeglichen worden waren. Der Vater hatte nämlich Reinhard bestimmt erklärt, daß er erst dann seine Erlaubnis zur Hochzeit geben werde, wenn Reinhard eine Stelle gefunden habe, die ihn vollkommen sorgenfrei ernähre, oder wenn er sich dazu verstände, von den Eltern seiner Braut eine Mitgift anzunehmen, hinreichend, Jenny ein bequemes häusliches Leben zu gewähren, was er bis jetzt abgelehnt hatte. »Ich will nicht«, hatte er ihm den Morgen, an dem er ihn zu sich beschieden, gesagt, »daß Jenny ohne allen Grund sich Entbehrungen auferlege; und ebensowenig als ich von Ihnen verlangen kann, ihr jene Stellung von Ihrem Gehalte zu verschaffen, ebensowenig können Sie von mir fordern, daß ich meine einzige Tochter in einer Hütte wohnen und sich mit ungewohnter Arbeit quälen lasse, während ich und wir alle uns hier im Schoße des Wohllebens befinden.«

»Wenn nun aber dies Wohlleben mit meinem Stande nicht verträglich ist!« entgegnete Reinhard. »Wenn Sie wüßten, lieber Vater!« fügte er hinzu, »wie sehr ich die Opfer fühle, die Jenny mir bringen muß; wie sie mich oft drücken, Sie würden anders über mich urteilen. Lassen Sie mich offen sein, wie ich es gegen den Vater meiner Braut zu sein verpflichtet bin. Ich habe mit aller Kraft meines Willens gegen die Liebe gekämpft, die ich für Jenny fühle, weil ich wußte, daß unsere Wege weit voneinander lägen; daß es Torheit sei zu wähnen, ich würde ihr jemals eine Sorgenfreiheit bereiten können, welche dem Leben gleichkäme, an das sie gewöhnt ist. Meine Liebe zu Jenny und mein Vertrauen zu ihr waren stärker als alle Einwendungen der Vernunft. Ich täuschte mich selbst mit dem Glauben, daß Liebe jede Entbehrung nicht nur leicht, sondern unfühlbar mache. Tadeln Sie mich deshalb nicht zu strenge.«

Der Vater drückte ihm die Hand und fragte: »Und jetzt?«

»Jetzt«, antwortete er, »sehe ich, daß die Wirklichkeit auch gegen die tiefsten, zärtlichsten Gefühle ihre Rechte geltend macht. Ich sehe ein, daß Jenny nicht in der Lage leben kann, die meine Einnahme allein ermöglicht, und bin sehr unglücklich darüber, mich mit einem Luxus umgeben zu sollen, der für mich nicht paßlich ist.«

»Davon ist nicht die Rede«, sagte der Vater begütigend. »Es kann meine Absicht nicht sein, Sie in Verhältnisse zu bringen, die unpassend für Ihren Beruf sind. Nur das sollen Sie annehmen, daß ich Jenny eine Mitgift gebe, die Ihrer Einnahme so viel hinzufügt, als nötig ist, um sie dem besten Pfarrergehalte im Lande gleich zu machen. Dagegen können Sie nichts einwenden. Ich achte den Stolz, den Sie in sich zu bekämpfen haben; aber zu sehr ins Ideale müssen Sie sich nicht verlieren. Sie haben mich zu Ihrem Vater angenommen, lassen Sie mich auch Ihren König sein, der Ihnen ein Gehalt gibt, wie Ihre Kenntnisse es verdienen.«

Reinhard erkannte mit Achtung das Ehrenwerte in dem Betragen des vortrefflichen Mannes und dankte ihm für die Zartheit, mit welcher er ihn behandelte. Er fühlte, daß er das Anerbieten annehmen müsse, so schwer es ihm auch sei, und erklärte sich dazu bereit.

»Sie haben recht, mein teurer Vater«, sagte er, »aber es kostet mich das Opfer eines Glückes, des erhebenden Gefühles, meinem Weibe nicht nur ihr Gatte und Beschützer, sondern auch ihr Ernährer zu sein – und es wird mir schwerfallen, auf dieses Vorrecht zu verzichten.«

Da klopfte der Vater ihm auf die Schulter und schalt ihn einen Schwärmer, der sich wohl noch bessern werde; er hatte aber die Besorgnis, daß dem nicht so sein möchte.

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