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Gaselen

Nach Westen zieht der Wind dahin,
Er säuselt lau und lind dahin;
Er folgt dem blauen Strome wohl
Und flieht zu meinem Kind dahin.
Bring meinen Tränenregen ihr
Und einen Gruß geschwind dahin!
Ach, Wolken kommen trüb daher,
Die frohen Tage sind dahin!

*

Am meisten lieb' ich ein Gasel,
Ein morgenländisch rein Gasel.
Mein liebster Dichter ist Hafis;
Vor allem schön ist sein Gasel.
Wie bilderreich und üppig ist
Sein Liebes- und sein Wein-Gasel!
Du klagst, daß du trotz aller Müh'
Zustande brächtest kein Gasel;
Und ist so leicht doch, süßes Kind!
– Sieh, hier ist schon ein klein Gasel!

*

(Nach Hafis.)

Blickt, Mönche, mich nicht an so scheel!
Ich weiß, ich habe manchen Fehl:
Nicht Surenweisheit, sondern ihr
Gazellenaug' gibt mir Befehl;

Es ist ihr schlanker Lilienleib
Mein Körperheil und Heil der Seel'.
Zur Gottheit ward die Schönheit mir
Und mein Gebet wird zum Gasel.

*

Komm, küsse mich schnell auf den Mund, mein Lieb!
Komm, küsse die Lippen mir wund, mein Lieb!
Sieh, wie ich so krank bin, so liebekrank, –
O mache mich wieder gesund, mein Lieb!
Doch stahlst du die Seele, was soll mir der Leib?
– So richte denn ganz mich zugrund, mein Lieb!

*

Ist es wohl der Geist der Liebe,
Welcher leise schwebt um mich?
Ist es Poesie, die ihre
Goldnen Fäden webt um mich?

Ist es eine weiße Taube,
Die mein Lager nachts umkreist,
Die mit einem sanften Fächeln
Ihre Flügel hebt um mich?

Ist's ein lieblicher Gedanke
Oder ist's ein Traum von dir?
Ist es wohl der Geist der Liebe,
Welcher leise bebt um mich?

Wenn Meister auch der Kunst zu sein, vielleicht nicht meine Sendung ist,
Der Kunst, drin Maß ein jeder Ton und Anmut jede Wendung ist,
Wo, wie ein Purpurmantel stets sich eine stolze, edle Form
Um Hohes oder Schönes schmiegt, und Harmonie die Endung ist:
Doch lieb' ich sie; – o wüßten die, die mich ob dieser Neigung oft
Getadelt, wie ihr Tadel falsch, ihr Urteil voll Verblendung ist!
O, wüßten sie, wie der Genuß, der Seele Wohllaut hinzustreun
Im Liede, eine göttliche, erhabene Verschwendung ist!
Doch weitab liegt das Ziel des Ruhms; schon muß auf hoher Stufe stehn
Der Dichter, um erst einzusehn, wie fern er der Vollendung ist.

*

Stumm, traurig wandle ich fortan, wenn du mir ferne bist,
Verwaist und einsam meine Bahn, wenn du mir ferne bist;
Dein Lächeln war mir Frühlingshauch, o Gott! wem wirst du nun
Mit diesem holden Lächeln nahn, wenn du mir ferne bist?

Dein sinnig Auge weilte oft, ein heller Stern, auf mir,
Wen sieht dies Auge lieblich an, wenn du mir ferne bist?
O süße Stunden, da mein Arm um deinen Leib sich schlang!
Wen soll ich küssen und umfahn, wenn du mir ferne bist?
Ich hatte dich, nur dich allein, und muß dich lassen nun;
Ich werd' ein ruderloser Kahn, wenn du mir ferne bist;
Ob diesen Kahn die Flut verschlingt, ob er am Fels zerschellt,
Was kümmert's dich, was geht's dich an, wenn du mir ferne bist!

*

Einst schrieb ich schlechter Verse viel
Und trieb ein wenig Jus dazu.
Ich liebte damals noch die Welt,
Die Schönheit, den Genuß dazu.

Ich hatt ein leicht auflodernd Herz;
Ein hübsches Weib gefiel mir wohl,
Ein schönes Aug', ein schlanker Leib,
Ein kleiner, weißer Fuß dazu.

Ich hab' gelebt, ich hab' geliebt
Und mach dir keinen Hehl daraus;
Doch fand ich, was ich suchte, nie,
Nur Leere, Überdruß dazu.

Da sah ich dich; – ein Frühlingshauch
Drang durch des Herzens Winter mir;
Mir war ein lichter Sonnenstrahl
Dein Lächeln und dein Gruß dazu.

Und mir gefiel dein stolzer Sinn
Und deine Anmut marmorkalt,
Das feine Lächeln um den Mund
Und deiner Rede Fluß dazu.

Du stolze Frauenkönigin!
Gern bet' ich im Gasel dich an.
Nicht wahr, du liebst doch diese Form,
Den schmeichelhaften Schluß dazu?

Ich seh' dich danken schon im Geist.
O mühe dich nicht, holdes Kind!
Schling lieber deinen Arm um mich
Und gib – den ersten Kuß dazu!

*

Dein soll mein Herz, das heiße, kranke, sein,
Dein ohne Maß und ohne Schranke sein!
Dein, schöne Herrin, sei dies stolze Ich,
Dein soll mein heimlichster Gedanke sein!
Es kömmt das Jahr und flieht. Ich will dir treu,
Ob auch die Welt, die morsche, schwanke, sein.
Ich bin der derbe, starke Eichenstamm,
Du sollst darum die grüne Ranke sein.

*

Daß ich den Mantel hoher Wichtigkeit
In Versen angetan, hat seine Richtigkeit.
Doch niemand weiß, was ich im stillen litt
An dem Bewußtsein meiner Nichtigkeit.

*

Im sichern Hafen land' ich nie;
Mich selber überwand ich nie;
Des Lebens Wechsel sucht' ich auf,
Doch seinen Reiz empfand ich nie;
Mein Herzblut rieselt hin im Lied,
Dies wunde Herz verband ich nie.
Wohl hab' ich oft geklagt, jedoch
Mein herbstes Weh gestand ich nie:
Die Schönheit, die ich früh geliebt,
Die göttliche, umwand ich nie;
Da wollt' ich folgen der Vernunft,
Doch ihren Wink verstand ich nie;
Wieviel ich in der Welt erstrebt,
Den Stein der Weisen fand ich nie.

*

Einst hielt ich für ein blühendes,
Ein gottbeseelt Gedicht das Leben;
Mir schien ein schönes, reiches Recht
Und eine ernste Pflicht das Leben,
Der Nerv, der Pulsschlag alles Seins,
Die Seele, die die Welt bewegte;
Mir war der Tod ein grauses Nichts,
Ein hellauflodernd Licht das Leben;

Noch wucherten, ein üpp'ger Lenz,
Die Täuschungen in meiner Seele,
Die Hoffnung stand in Blüten ganz;
Denn, ach! noch kannt' ich nicht das Leben.

Wie anders jetzt! mir scheint der Tod
Ein ruhebringend, rasch Verzichten.
Jedoch ein schmerzlich jahrelang
Andauernder Verzicht das Leben.

*

Ich weiß, wie weniges mir nur gelungen ist,
Wie bald ein Ton, ein flücht'ger Ton verklungen ist;
Dem Ziele strebte mancher zu, doch wenige sind's,
Um deren Haupt der Lorbeerkranz geschlungen ist.
Was kümmert's mich? Denkt doch des Schwans die Lilie,
Wenn längst sein Lied, das Schwanenlied gesungen ist!
So fand auch ich ein Herz, das mein gedenken wird,
Ein Herz, zu dem mein irrend Lied gedrungen ist;
Da klingt sein Ton melodisch aus, wenn lange schon
Der Zither letzte Saite mir gesprungen ist.


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