Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Fünftes Kapitel.

Don Alphonso kommt nach einem unangenehmen Zufall auf den Gipfel seiner Wünsche, und Gil Blas plötzlich in eine glückliche Lage.

Wir kamen ganz vergnügt in Bunol an, mußten aber daselbst liegen bleiben. Don Alphonso ward krank, bekam ein heftiges Fieber, das ihn so oft und hart angriff, daß mir für sein Leben bange wurde. Zum Glücke befanden sich hier keine Aerzte, und ich kam mit der Furcht davon.

Binnen drey Tagen war er wieder außer Gefahr, und meine Pflege trug zu seiner Genesung vollends bey. Ihn hatte das, was ich 257 für ihn gethan hatte, sehr gerührt, und da wir ungemeine Zuneigung für einander verspürten, schworen wir uns ewige Freundschaft.

Wir machten uns wieder auf den Weg, des festen Entschlusses, wenn wir zu Valenzia seyn würden, die erste beste Gelegenheit, nach Italien hinüber zu kommen, zu nutzen. Allein der Himmel, der uns ein glückliches Loos bereitete, lenkte es ganz anders. Wir sahen vor dem Thore eines schönen Schlosses Bauern und Bäuerinnen Rundtänze halten, und lustig und guter Dinge seyn. Wir näherten uns, um ihre Lustbarkeit besser mit anzusehen.

Don Alphonso dachte wohl an nichts weniger, als an die Ueberraschung, die ihn hier erwartete. Er gewahrte mit Einem Mahle den Baron von Steinbach, der ihn sogleich erkannte, mit offnen Armen auf ihn zulief, und mit dem Ausbruche der Freude zu ihm sagte: Ha! Don Alphonso, seyd Ihr's! Wohl mir, daß ich Euch finde! Indem man Euch allenthalben sucht, führt Euch das Ungefähr mir zu.

Sogleich sprang mein Gefährte von seinem Gaul, und stürzte sich in die Arme des Baron's, der ganz außer sich vor Freuden schien. Kommt, mein Sohn, hob hierauf der gute Greis an, kommt, und vernehmt, wer Ihr seyd, und geniesset das glücklichste Loos. 258

Mit diesen Worten führte er ihn in das Schloß. Ich ging mit herein, denn ich war auch abgestiegen, und hatte unsre Pferde an einen Baum gebunden.

Der Erste, dem wir begegneten, war der Eigner des Schlosses; ein gar stattlicher Mann, etwa ein Funfziger. Hier Freund: sagte der Baron von Steinbach zu ihm, indem er ihm Alphonso'n vorstellte, hier haben Sie Ihren Sohn. Bey diesen Worten umfaßte Don Cäsar de Leyva, – so hieß dieser Herr – Alphonso'n, drückte ihn fest an die Brust, und sagte mit Freudenthränen zu ihm:

Mein theurer Sohn, erkenn' in mir Deinen Vater. Glaub' nur, mir hat es äußerst weh gethan, Dich so lang' in der Unwissenheit Deines Standes zu lassen. Es hat mir oft mein Herz zerschnitten, ich konnte es aber nicht ändern. Ich hatte Deine Mutter aus Neigung geheirathet; ihre Herkunft war weit unter der meinigen. Ich stand unter der Gewalt eines harten Vaters, und dieß nöthigte mich, meine ohne seine Einwilligung getroffne Verbindung zu verheimlichen. Nur allein Steinbach wußte um mein Geheimniß, und erzog Dich, wie wir's verabredet hatten. Endlich ist mein Vater gestorben, und ich kann Dich nunmehr für meinen einzigen Erben erklären. Doch das ist 259 noch nicht alles, ich vermähle Dich zugleich mit einer jungen Dame, deren Stand dem meinigen gleich ist.

O mein Vater, unterbrach ihn Don Alphonso, lassen Sie mich das eben vernommene Glück nicht zu theuer bezahlen. Kann ich denn nicht erfahren, daß ich Ihr Sohn zu seyn die Ehre habe, ohne zugleich zu vernehmen, daß Sie mein Unglück beschlossen haben. Ah! Sennor, seyn Sie nicht grausamer, als Ihr Vater! Wenn er gleich Ihre Liebe nicht billigte, so drang er Ihnen doch keine Frau auf.

Eben so wenig will ich es! erwiederte Don Cäsar. Deine Neigung ist ungebunden, mein Sohn. Erzeige mir lediglich den Gefallen, und sieh' die Dame, die ich Dir bestimmt habe. Weiter verlang' ich nichts von Deinem Gehorsame. So ein reitzendes Mädchen sie auch ist, so vortheilhaft in allem Betracht auch diese Parthie für Dich seyn würde, so versprech' ich Dir dennoch, sie Dir nicht zur Frau aufzudringen. Sie ist hier im Schlosse. Folge mir. Du wirst mir gestehen müssen, daß es kein liebenswürdigers Geschöpf geben kann. Mit diesen Worten führte er ihn in ein Zimmer, in welches ich mit dem Baron auch hineintrat.

Hier befand sich der Graf Polan mit seinen beyden Töchtern, Seraphine und Julie. Don Fernando de Leyva, sein 260 Schwiegersohn, ein Neffe des Don Cäsar's, und noch viele Damen und Cavaliere. Don Fernando hatte, wie wir bereits wissen, Julie'n entführt; heut war die Vermählung dieser beyden Liebenden, und die ward von allen Landleuten der umliegenden Gegend gefeyert.

Sobald Alphonso in's Zimmer getreten, und von seinem Vater der Gesellschaft vorgestellt worden war, stand der Graf Polan auf, eilte auf ihn zu, und umarmte ihn mit den Worten: Herzlich willkommen, mein Erretter! Seht was Tugend über edle Seelen vermag! Sie tödteten zwar meinen Sohn, aber Sie erhielten mein Leben. Ich opfr' Ihnen meine Rache auf, und gebe Ihnen eben die Seraphine, deren Ehre Sie gerettet haben. Dadurch entledig' ich mich meiner Verbindlichkeit gegen Sie.

Don Cäsars Sohn unterließ nicht dem Grafen zu bezeigen, wie sehr ihn seine Gütigkeit gerührt. Ich weiß nicht, ob ihn die Nachricht von seiner Geburt, oder die, daß er Seraphine'ns Gemahl werden sollte, willkommner war. Einige Tage nachher wurde die Vermählung zum größten Vergnügen der dabey am meisten interessirten Parthien vollzogen.

Da ich auch einer von den Errettern des Grasen Polan war, sagte dieser Herr, der mich wieder erkannte, er nähm' es über sich, 261 mein Glück zu machen, ich dankt' ihm aber für seine Großmuth, und wollte Don Alphonso'n nicht verlassen, der mich zum Oberaufseher seines Hauses machte, und mit seinem Zutrauen beehrte.

Kaum war er verheirathet, so sucht' er sich den Stein vom Herzen zu schaffen, der ihn drückte. Er sandte mich zum Samuel Simon, um ihm all' das Geld zuzustellen, das ihm war gestohlen worden. Sonach begann ich mein Amt damit, womit ich es eigentlich hätte endigen sollen; mit einer Wiedererstattung.

 


 


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