Joseph von Lauff
O du mein Niederrhein
Joseph von Lauff

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Dreizehntes Kapitel

Ihre Brust hob sich unter tiefen und schmerzhaften Atemzügen.

Hochaufatmend stand sie vor dem Meisterwerk Rigauds.

Also doch! Sie war nicht fehlgegangen und hatte gefunden. Ein leichter Schauer rieselte über sie hin.

Sie fröstelte, obgleich es laulich und weich durch die geöffneten Fenster wehte.

Ein bläuliches Mondlicht gesellte sich dem silbernen Leuchten der Glühbirne.

Jakobine horchte auf. Um ihre blaßroten Lippen legte sich ein mattes Zucken.

Sie warf einen raschen Blick in den Park, wo die Baumgruppen wie Inseln auf dem zarten Nebel zu schwimmen schienen. Gleich darauf gab sie sich wieder der Betrachtung des schönen Weibes am Strande von Scheveningen hin. Die Atemzüge von zwei auserwählten Menschenkindern begegneten sich.

Sie hatte Empfindungen, die sie nicht zu enträtseln vermochte. Nichts rührte sich um sie her. Nur die Stimmen des späten Abends kamen geheimnisvoll ihres Weges gegangen: das leise Rauschen der Bäume, das Flüstern der Zentifolien, das kaum wahrnehmbare Wuchteln irgendeines nächtlichen Vogels.

Nur einige Minuten wollte sie bleiben, aber sie rührte sich nicht von der Stelle. Die Gräfin ließ sie nicht los. Ihre Lippen schienen zu sprechen: »Hier auf Borghees ist gut hausen gewesen; hier fühlte ich zu jeder Stunde: du bist ein Kind der Niederung, und wie schön und heilig ist die niederrheinische Erde. Hier konnte ich wieder zum Kinde werden, von meinen Sünden genesen, wäre ich der mahnenden Stimme gefolgt, die mir zuredete, alles Vergangene von meiner Seele zu streifen. Aber ich folgte nicht der warnenden Stimme.«

Jakobine sah ihr starr in die Augen.

»Warum nicht?«

Sie erhielt keine Antwort.

Ihr Frösteln wanderte ab. Immer laulicher und weicher wehte es durch die geöffneten Fenster.

Das Rauschen der Bäume ließ nach.

Es war wohlig und warm um sie her. Sie glaubte in einem Treibhause zu sein, durchsetzt von keimenden Sporen und Blütenkelchen, die die Sinne mit den Schwingungen der Befruchtung und der Liebe durchschauerten. Ein feiner Staub, schillernd und farbig wie von Schmetterlingsflügeln, legte sich um das milchweiße Licht der elektrischen Birne.

Dieser Blütenstaub von keimenden Sporen und Spelzen hüllte ihre Sinne ein.

Die Unrast ihres Blutes ebbte zurück.

Sie wurde matt und schwer wider Willen. Der Atem stockte ihr. Sie kam sich vor, als befände sie sich in einer Totenkammer, umgeistert von unzähligen Öllämpchen, die nur ein düsteres Schwelen hatten. Das Bild der Gräfin trat aus dem Rahmen heraus, in aphrodisischer Schönheit, getragen von den schaumigen Wellen, die den Strand von Scheveningen anliefen.

Ihre Augen weiteten sich, begegneten denen ihres Ebenbildes. Kein Zweifel: sie und die Gräfin flossen ineinander über, waren nicht mehr auseinander zu halten. Sie sah leuchtende Fliegen, Funken und Sterne. Ihre Mattigkeit verstärkte sich, durchrieselte ihren Leib mit der Annehmlichkeit des Wohlbefindens und des Hinsterbens.

Mit dem Instinkt des Weibes fühlte sie plötzlich: jemand ist dir nahe getreten, dir und deiner Ruhe gefährlich, ohne die Kraft aufzubringen, sich dem bedrohlichen Kreis zu entziehen.

»Mein Gott, Herr Baron...!«

Ein Gesicht stand über dem ihren, starr und mit verzehrendem Lächeln.

»Jakobine!«

Heiß kam es von den zusammengekniffenen Lippen: »Es ist nicht gut, mit der Gräfin Kolbe von Wartenberg Freundschaft zu schließen.«

»Ach –Sie...!«

»Es ist so, denn wenn sie eine Schönere findet ...«

»Lassen wir das. Gehen wir zu den anderen.«

»Nein, bleiben wir noch. Ich habe Sie vor der eifersüchtigen Gräfin zu schützen. Ich muß ihr zusprechen, sonst: sie würde uns folgen, sie würde den heutigen Abend zu einem Abend der Trauer machen,« und er drängte sich an sie. Stählern legte sich eine Fessel um ihren geschmeidigen Körper. Seine Hand packte zu. Umgriff ihre Brüste mit der Wut eines Irrsinnigen.

»Jakobine...!«

Und nochmals: »Jakobine!« Mit dem Schrei eines weidwunden Raubvogels kam es aus steiler Höhe herunter.

Sie sah nicht mehr, sie hörte nicht mehr. Nur das noch: »Du bist gebenedeit unter den Weibern.«

Ein Mund senkte sich tiefer, legte sich fest auf den ihren.

»Eine heiße Lohe verzehrt mich. Ich sterbe vor Liebe.«

»Entsetzlich!«

Bleich wie die Wand in einer Sterbekapelle riß sie sich los, stieß sie ihn von sich.

»Wo bin ich?!«

Sie glaubte einen flüchtigen Schatten zu sehen... da draußen... im Flur... nur für eine Augenblicksspanne, um dann vor Schande und Scham zu erstarren, von einem finsteren Grauen umhüllt zu werden.

»Herr, nehmen Sie Haltung an,« sagte sie heiser. »Hüten Sie sich. In Ihrem Interesse: wir wollen vergessen, nur an eine plötzliche Abwesenheit des Geistes denken – sonst, Herr Baron: Ihnen klopft der Tod auf die Schulter.«

»Jakobine...!«

»Kein Wort mehr, wenn Sie nicht wollen... Sie könnten mich zwingen, zu sprechen. Nur aus Schonung für Sie – ich will nichts erlebt haben, nicht annehmen, auch nur für einige Herzschläge hindurch Ihr Spielzeug gewesen zu sein. Also lassen Sie mich – und Sie... suchen Sie mit Ihrem Gewissen und Ihren Nerven fertig zu werden. Es gibt Dinge, die berührt man nicht mit Handschuhen, selbst nicht in Gedanken, aus Furcht, es könnte etwas Ungeheuerliches geschehen – etwas Ungeheuerliches für Sie und Ihr Haus.«

Jakobine war wieder Herrin über sich selber geworden. Keine Anfechtungen mehr, kein Stäubchen mehr, das den Spiegel ihrer keuschen Seele trübte. Nur war es ihr so, als wäre ein moderiger Flecken auf ihrem schleierlichten Kleide haften geblieben.

Mit der Hand suchte sie ihn von sich zu wischen.

Hoheit umgab sie.

Ihre Lippen waren schmal. Weißen Gesichtes sagte sie ihm: »Keine Gemeinschaft, Herr Riswyk. Aber um unserer beiderseitigen Ruhe willen, wir wollen hier und wo es nur sein mag die üblichen Formen bewahren. Unter dieser Bedingung, ich störe den heutigen Abend nicht und will ihn nicht stören.«

Ihre Stimme war zuversichtlich und fest.

»Ah!« sagte er aufatmend.

Seine Augen kehrten sich ab.

Er beugte sich nieder. Sein bleicher Mund berührte ihre Fingerspitzen.

»Ich bitte darum...«

Sie zuckte auf.

Ihre Brauen rückten näher zusammen.

»Nichts mehr. Also gehen wir. Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Überhaupt im Leben nicht mehr. Darüber liegt eine starre Hand.«

Sie trennten sich. Fröstelnd wehte es durch den intimen Salon der Reichsgräfin.

»Hallo!«

Aus dem Speisezimmer kam helles Lachen und das Klingeln von Gläsern. Aber nur das Lachen von Hemskerk und Michel Virgilis.

Die Kerzen brannten jetzt mit senkrechten Flammen. Alphons hatte sie zu neuem Leben erweckt, nachdem er irgend etwas Hohes und Altehrwürdiges zugebracht und in eine Ecke abgesetzt hatte.

Reiner stierte dumpf vor sich hin; es brauste in seinen Ohren wie der dumpfe Gleichschritt einer marschierenden Truppe, wahrend der geschäftige und undurchdringliche Herr in Livree die damastene Decke säuberte, jedes einzelne Brotkrümelchen einfing, für die Unterhaltung nicht das geringste Interesse verriet, sich in dem Gehabe eines Totenansagers gefiel, der sich nur mit sakralen Dingen beschäftigte, dann aber die neuen Kelche so prahlerisch und doch so selbstverständlich hinstellte, als sollten sie die Gefäße für den Wein aller Weine, kurz, für das Elixier einer paradiesischen Daseinsstunde abgeben. Michel Virgilis wußte davon, ahnte, was kommen würde, denn der Knollen- und Rübenbaron hatte es ihm kurz vorher in die Löffel geflüstert: »Chateau Yquem, die höchste Qualität, aber auch meine letzte Reserve,« und war dann gegangen, um das Nötige zu besorgen.

Das Antlitz des ehrenfesten Emmerichers verklärte sich in Vorfreude. Er sagte denn auch: » Proficiat, Kaptän.«

»Prost, Michel.«

Die beiden sahen die aufgepflanzten Kristalle stieläugig an, der Dinge gewärtig, die da kommen sollten.

»Michel, also wirklich die letzte Reserve?«

»Jawoll! Periculum in mora! Nee, keine Gefahr im Verzuge, aber trotzdem: res ad triarios venit, es geht um den Rest, wenn auch um den besten Kellerabzug,« und er begann damit, feinsäuberlich gegen eins der aufgestellten Spitzgläser zu klimpern. »Na, Reiner, und Ihr? So miesepeterig? Ist Euch was über die propere Weidmannsleber gekrochen? oder aber: Ihr wartet wohl auf die letzte Reserve?! Chateau Yquem und so?!«

»Tu' ich,« und ein heiseres Lachen beunruhigte die Flämmchen auf dem siebenarmigen Leuchter.

»Recht so! Immer aufs Ganze. Kling, Klang und Gloria! Auf Haus Borghees läßt Seine Hoch- und Wohlgeboren schon seine nobelsten Puppen tanzen. Großartig – was?!«

»Darf ich wohl sagen,« gab Hemskerk retour, streckte die Beine und bemerkte es nicht, wie Jakobine zurückkehrte, sich unauffällig wieder der Tafelrunde gesellte. Im Gegenteil, er erlustierte sich damit, eine gewagte Geschichte zu erzählen, die in Amsterdam mit Schnäbeln und Turteln begann, um an der düsteren See bei Kopenhagen mit Trauerfloren und dumpfen Trommelschlägen ein betrübsames Ende zu nehmen.

»Wohnte da Anno Tobak an der Ziegelgracht in Amsterdam ein Weibsbild von ausnehmender Schönheit, das sich Düweke Willums benannte. Selbige nun...« und seine Stimme rollte über den Tisch hin...

Er wurde abgelenkt.

Der geschäftige und undurchdringliche Herr in Livree, der die einzelnen Brotkrümelchen von der damastenen Decke eingefangen und die neuen Kelche so prahlerisch und doch so selbstverständlich hingestellt hatte, als sollten sie die Gefäße für das Elixier einer paradiesischen Daseinsstunde abgeben, begann ernstlich damit, den zugebrachten Bouteillen den Pfropfenzieher in die Hälse zu drehen und die Korken mit munterem Schmatzen und Schnalzen aus der Tiefe zu heben.

» Proficiat!« rief Hemskerk dazwischen, um dann weiter zu sprechen: »Besagtes Weibsbild nun, ich meine Düweke Willums – natürlich hatte diese gar keine Gemeinschaft mit Düweke Brinkmann, es sei denn, daß selbige mit den nämlichen weiblichen Anregungen aufwarten konnte – kurz, Düweke Willums kam in Aufnahme bei König Christian, wurde nach Kopenhagen übergeholt, himmlisch verpflegt und alljährlich bei ihrem hohen Geburtstag mit dreimal fünfundzwanzig Kanonenschüssen gefeiert. Dabei wurde sie immer schöner und anregender, ja, man kann wohl behaupten, sie wurde höher bewertet als die Königin selber, liebte Divertissementchen und sonstige Angelegenheiten mit Schampagnerbegleitung, führte ihren Auserwählten als Tanzbär herum und gab ihm ihren weißen Leib und ihre große Liebe zu kosten. Das wäre auch wie am Schnürchen gegangen, hätte Mutter Sigbrit Willums nicht ihre Nase in politische Sachen gestochen, die die Großen des Landes nicht so einfach hinnehmen konnten. Und so geschah es denn auch ...«

Der Kapitän unterbrach sich.

Alphons geruhte die Löffel zu spitzen, den letzten Stöpsel aus der letzten Flasche zu drehen und dabei dreimal zu schmunzeln.

»Und so geschah es denn auch,« erzählte Hemskerk weiter, hörte dabei aber sehr interessiert auf das weiche, harmonische und verheißende Schmalzen des Korken, um dann tiefsinnig und fast bekümmert zu sagen: »Eines Tages wurde Düweke Willums gefunden, bei grauendem Morgen und brennenden Lichtern. Ruhig und friedlich lag sie zwischen den Kissen. Das graue, ewige Meer stierte mit seinen grauen, ewigen Augen ins Zimmer, und der graue Wind kam über Bornholm und Malmö gefahren, streichelte über eine junge Brust und strahlende Haare und löschte die Flämmchen auf den tropfenden Wachsstöcken. Da flog eine silberweiße Möwe über die tiefen Wasser – langsam und geruhsamen Fluges, so daß man kaum die Bewegungen ihrer Schwingen gewahrte. Düweke Willums aber ...«

In diesem Augenblick straffte sich Alphons hoch, das Hieroglyphengesicht starr auf die Türe gerichtet, die sich rasch, aber geräuschlos in ihren Angeln bewegte.

»Alphons ...!«

»Herr Baron ...!«

Riswyk trat ein, mit hochrotem Kopf und fliegenden Pulsen. Die kurzen, vor dem Bilde der Reichsgräfin durchkosteten und durchquälten Minuten rauschten ihm noch in den Ohren nach, durchpflügten sein Blut, ließen ihm einen kurzen und sondierenden Blick über die Tafel und Jakobine werfen.

Die saß mit ihrer ebenmäßigen Ruhe, als wäre gar nichts geschehen. Keine Erregung. Nur ab und zu glitt ihre weiße Hand über die Decke, als müßte sie dort etwas fortwischen, was ihre Seele beunruhigte. Sie nahm die Berührung des fremden Auges hin, ohne Vorwürfe und Qual zu empfinden. Sie wich ihm nicht aus, begegnete ihm vielmehr mit einem freundlichen Lächeln, wenngleich ihre bleichen Lippen noch immer die Worte zu sprechen schienen: »Hüten Sie sich. In Ihrem Interesse: wir wollen vergessen, nur an eine plötzliche Abwesenheit des Geistes denken – sonst, Herr Baron: Ihnen klopft der Tod auf die Schulter.«

Riswyk hatte seine äußere Haltung wiedergefunden. Er trat näher heran, schnipste mit Daumen und Mittelfinger und schlug Alphons jovial auf die Schulter: »Du hast mich verstanden?«

Der schattenhafte Herr geruhte zweimal das Haupt zu neigen.

»Zu dienen. Flaschen und Gläser zur Stelle. Die Weine von der letzten Etage.«

»Gut so!«

Michel Virgilis war munter geworden.

» Capisco! Jawoll ja, alles im Lot. Wie immer auf Borghees. Chateau Yquem von der allerobersten Sorte. Wenn auch die letzte Reserve.«

»Ja, meine Herren, die letzte Reserve. Aber der Tafelrunde zu Ehren, En avant!« und er machte eine unnachahmliche Handbewegung, die den seriösen und scheinbar interessenlosen Mynheer in Livree veranlaßte, die Kelche so würdig aus den bejahrten Flaschen zu speisen, als gälte es, konsekrierten Wein aus geweihten Bechern zu reichen.

Ein Düfteln stieg auf wie das Duften in schwülen Sommernächten. Goldene Kringel zitterten über das Tafeltuch hin.

Die Kelche waren gefüllt, aller Augen auf den Herrn des Hauses gerichtet.

»Abtreten – du!«

Alphons räusperte sich und zerging wie ein Schatten. Selbst die Türe wagte es nicht, in ihren Angeln zu seufzen. Sie und der Stumme waren wie ein Spiel von Lemuren.

Dafür aber hatte sich Riswyk wieder an die Tafel begeben, seinen früheren Platz eingenommen, sein Kelchglas umgriffen, sich strack in die Höhe gewuchtet.

Mit zusammengeschlagenen Hacken, schnittig und in militärischer Straffheit suchte er seine vorherige Abfuhr beiseite zu schieben. Geschehenes war ungeschehen zu machen, eine Entgleisung aus dem Wege zu räumen, einem gekränkten Weibe wieder den Glauben an sich selber zu geben. Trotz der Verstörung in ihm – auch jetzt noch war sie für ihn das gebenedeite Weib unter den Weibern geblieben. Ihre Augen sagten es ihm, ihre Lippen sprachen es aus: »Ich trage nicht nach, mein Herz denkt nicht an Vergeltung und Rache. Der verbleibende Rest des Abends in deinem Hause ist heilig geworden, denn dir wurde vergeben.« Also ...

Er fühlte sich sicher.

Schlank und sehnig wuchs sein geschmeidiger Körper hinter der Tafel empor.

Nochmals schlug er die Hacken zusammen.

Seine Stimme schnitt durch das Zimmer.

»Meine Verehrten. Der Tag ging zur Neige. Die Stunden auf Borghees ziehen in den späten Abend hinein und wollen ihre letzte Betätigung haben. Nur die würdigsten und köstlichsten Tropfen aus meinem Keller sind eben noch gut genug, diesen Stunden ein zusprechendes Geleit und bekömmliches Vademecum zu geben. So ist es Sitte auf Borghees, dessen ist Michel Virgilis mein Zeuge, und wenn ich meine Triarier anrücken lasse, meine letzte Reserve, wenn die mit Spinnweben umsponnenen Yquembouteillen mobil gemacht werden, so heißt das, Gäste zu ehren, die zu den erlauchtesten zählen. Des ist gleichfalls Michel Virgilis mein Zeuge, und Michel Virgilis nimmt auf der Zeugenbank nur einen gottwohlgefälligen Schwur auf die Gabel. Achtung, die Herrschaften ...« und seine Stimme nahm einen frohen und klingenden Ton an, »es gilt, meine werten Freunde zu ehren ... ihnen zu danken...«

»Was – danken?!« und zwei glasige Augen, die plötzlich wieder licht und unbefangen erschienen, flackerten auf, um lange und seltsam an den Blicken des Redners haften zu bleiben.

Reiner stand hoch an der Tafel.

Jakobine erbleichte, und plötzlich fiel ein Schweigen über die Menschen, wie das Schweigen einsetzt, wenn sich die Sonne verfinstert, die eingedunkelten Blätter es nicht mehr wagen, sich von der einen auf die andere Seite zu legen. Es war nichts geschehen und doch vieles geschehen.

»Was – danken?!«

»Ich muß aber bitten ...«

»Herr Baron, hier ist gar nichts zu bitten. Nicht Sie stehen in unserer Schuld und Verpflichtung, sondern wir in der Ihren. Nicht Sie, sondern wir haben zu danken, und um das zu beweisen ...«

Er fuhr sich leicht über die Stirne, als hätte er etwas Unliebsames aus seinem Gesichtsfeld zu wischen. Seine Worte hatten alle Schärfe verloren, ergingen sich im Plauderten, als wenn er etwas Alltägliches und dabei etwas Verbindliches vorzubringen gedächte: etwas Hingeworfenes aus Wald und Heide, leicht gewürzt mit dem attischen Salz aus dem Schrotbeutel eines listigen Weidgesellen, um dann so ganz allmählich von Feld und Flur überzuwechseln und auf die Meriten des Gastgebers und die des heutigen Tages zu kommen.

»Na denn ...«

Riswyk warf sich in seinen Lehnstuhl zurück.

Jakobine atmete auf.

Der Abend schien sich still zu verbluten, während eine Geige anhub, jenseits eines fernen und eingedunkelten Waldes eine verlorene Weise zu spielen.

»Nein, Herr Baron, hier haben nur wir zu danken, und ich hoffte schon lange darauf, daß einer der anwesenden Herren ... Aber der Kapitän, der als Senior die verfluchte Pflicht und Schuldigkeit hatte, einige Worte unserm Gastherrn zu widmen, ist stumm wie ein opulenter Spiegelkarpfen geblieben, ohne auch nur eine Ruderflosse in Bewegung zu setzen.«

»Höhö!« lachte Hemskerk. »Reiner, du mußt mich doch kennen. Navigieren – ja, aber 'ne Rede halten ...« und mit freundlichem Kopfnicken praktizierte er sein delikatsauciertes Priemchen in die andere Backentasche.

»Auch Herr Tappert versagte vollkommen, und ist doch sonst immer dabei, eine Zungenvolte über die andere zu schlagen.«

»Ganz richtig,« lachte der Gemaßregelte, »aber nur, wenn ich mich in der Torschenke und bei meinen Kumpanen befinde. Dann allerdings, dann bin ich zu haben. Meine ganz besondere Spezialität, junger Mann, denn ich gehöre nicht zu denen, die mit den Hühnern in die Heija pilgern, um mit den Regierungsräten aufzustehen, aber in so einer erlauchten Gesellschaft ... auf Haus Borghees ... bei perlendem Yquem und der letzten Reserve ...«

Er zuckte die Achseln.

»Kinder, unmöglich.«

»Dann muß ich selber ...« und Reiner reckte sich hoch wie ein Prediger in der Wüste, dem es oblag, die toten Steine aufzuwecken, aus den unfruchtbaren Felsbrocken den Quell des Lebens zu schlagen. Seine Augen brannten, seine Rechte kroch über das Tischtuch, und allen war es so, als begannen die Lichter dunkler zu brennen, als traten die Wände zurück, als bewegten sich einsame Schatten durch die Tiefe des Zimmers.

»Herr Baron, so bekenne ich denn im Namen aller: die Stunden auf Borghees sind köstliche Stunden gewesen. Sie ließen sich an, als wäre ein Engel vom Himmel gestiegen, einer von den höchsten Herrschaften und Thronen, um uns in seiner schlichten Art und Weise die stumme Pracht und trauliche Verschwiegenheit des Hauses zu zeigen. Nichts fehlte. Er war ortsgewandt und sprachekundig wie der Besten einer. Seine Zunge begeisterte, und seine Augen blendeten.«

»Aber mein Hochverehrter,« suchte Riswyk abzulenken, »Sie belieben es, in der launigen und hyperbolischen Form der grünen Farbe zu reden.«

Über Reiners Nasenwurzel stellte sich eine bedrohliche Rune.

»Ich denke nicht dran, Herr Baron. Meine Worte sind lauter. Sie gehen schnurgerade aus wie die Schneisen in meinen Gestellen. Mein Geschmack ist nicht abwegig. Im Hause Riswyk wird nicht gegeizt und geknausert. Seine Umgebung ist wirtschaftlich und in forstlicher Hinsicht mustergültig gehalten. Mir wurde Gelegenheit geboten, einen kapitalen Bock auf die Decke zu legen, und das kescherte mein Jägerherz auf. Wir haben Ihre Gastlichkeit in Anspruch genommen – und wurden begeistert. Wir haben Ihre Weine gekostet – und so viel ich davon verstehe: es waren köstliche Weine. Wir sahen Ihre Damaszenerrosen – und solche Damaszenerrosen können nur auf Borghees gedeihen. Nein, bei Ihnen wird nicht mit Apothekergewichten gewogen. Die Hand greift ins Volle hinein und gibt aus dem Vollen. Also nicht Sie, Herr Baron, aber wir haben zu danken.«

»Bravo!« rief Hemskerk.

Michel Virgilis hieb nach und übertrumpfte das ›Bravo‹ durch festes Getrampel mit derben Schuhen.

Die Stimmung hob sich wieder.

Nur Jakobine ängstigte sich. Es wurde ihr kalt bis ins Herz hinein. Sie wußte so recht nicht, was sie mit der seltsamen Rede anfangen sollte. Ihre Augen schärften sich, begannen in den Blicken des Geliebten zu suchen.

Sie fand nichts, was sie verstören konnte, obgleich sie herausfühlte, seine Gedanken gehen an einer grauenhaften Tiefe vorüber, und so saß sie denn da mit einem Lächeln auf den Lippen, wie es geschminkte Masken an sich haben.

»Ja, wir danken für die hier verlebten Stunden,« fuhr Reiner unbeirrt fort, »denn solche Stunden gehören zu denen, von denen viele behaupten: es sind unwiederbringliche Stunden. Sie kommen nicht wieder. Mag es so sein. Was man in voller Schönheit und Reinheit genießt, soll man nur einmal genießen. Nur einmal blüht uns die alleinseligmachende Liebe, nur einmal wird uns das große und stolze Te Deum gesungen. Aber Dank um Dank und Einsatz um Einsatz! So wollen es Sitten und Bräuche, und wäre ich berufen, mit vollen Händen geben zu können, ich hätte nicht Hände genug, wie der reiche Prasser zu spenden. So aber ... meine Mittel sind klein, doch was ich zu geben vermag, ich gebe es mit meinem Herzblut, und so bitte ich denn: kommen Sie bald in meine Reviere, in den königlichen Reichswald, den sie jetzt den roten Dämmerwald heißen.« Seine Stimme wurde stählern: »In diesem Reichswald rauschen noch die Eichen aus glorreichen Tagen, wähnt man beim Sturm das Klingen der Schwerter zu hören, die wir nötig haben, uns auf's neue die deutsche Freiheit, das deutsche Recht und das deutsche Licht zu erkämpfen. Leider, die meisten von uns liegen im Fieber, im Fieber der Indolenz und Großmannssucht. Sie nehmen sich das Recht, Feierabend zu machen. Unsinn, verfluchter! Wir haben kein Recht mehr, Feierabend zu machen, sondern nur die verdammte Pflicht zu sparen, zu arbeiten, Waffen zu schmieden. Das rauschen die Eichen ... und wer Ohren zu hören hat, der hört es, muß es hören, denn wir haben nichts mehr; nur Gott und die alten Fahnen noch, die uns gebieten, uns auf uns selbst zu besinnen und Deutschland wieder den Deutschen zu geben.«

»Mir aus der Seele gesprochen!« rief Hemskerk.

»Mir dito desgleichen!« sekundierte Michel Virgilis.

Reiner fuhr fort: »Da hat's noch seinen richtigen Puls. In diesem Reichswald wohnt noch die alte Sitte und Treue von früher, wird ein lahmgeschossener Glaube wieder in die Höhe gepäppelt, kann man gesunden, wird noch die bewährte weidgerechte Büchse geführt... und ich würde es lebhaft begrüßen, auch Ihre Büchse dort einmal kennen zu lernen. Dürfen auch zwei sein, Herr Baron. Ihre Büchse und meine. Noch besser: a tempo müßten sie losbellen oder wenigstens dicht hintereinander. Das wär' so mein Gusto, um es brav und ehrlich zu sagen, denn ich habe mich niemals gescheut, das Kind bei seinem richtigen Namen anzurufen.«

Sein Blick irrte ab. Seine Augen und die Jakobinens trafen sich jählings.

»Zwei Büchsen gleichzeitig,« klirrte es scharf über die Tafel. »Sonst tu' ich es nicht. Unter keiner Bedingung, denn in meinem Revier ist das Auge Gottes lebendig. Es sieht bei Frühlings- und Sommertagen, bei bitteren Schneewehen. Es prüft die Nieren der Menschen. Auch die Stimme des Herrn ist allgegenwärtig, und wenn sie anhebt, dann ist es so, als würde das Herz aus seinen Bändern gerissen, denn diese Stimme gebietet: Du sollst nicht begehren.«

Sein Gesicht war bleich wie das Antlitz des Tafeltuches geworden.

»Nein, du sollst nicht begehren.«

Seine Faust rumpelte nieder: »Denn wer in Gedanken nach dem Weib eines andern begehrt, der hat schon in Gedanken den andern beleidigt. Und Sie, Herr Baron...«

Die Qual einer dunklen Stunde wurde übermächtig in ihm.

»Herr Baron, ich ersuche Sie, mir ins Auge zu sehen.«

Riswyk erhob sich: »Was fällt Ihnen ein? Wir sind doch nicht in dem grauen Hause, wo die Irrsinnigen durch die schwedischen Gardinen lachen.«

Die beiden standen Stirn gegen Stirn.

»Nehmen Sie an, was Sie wollen. Ich bin nur willens, mir die Qual einer dunklen Stunde vom Leibe zu schütteln.«

»Reiner, ich bitte dich. Reiner!«

»Jakobine, nicht du, sondern ich habe zu sprechen.«

Wie mit Sterbelaken sank es von der Decke herunter.

Der Kapitän stierte ihn an.

»Gottverdammich! Was willst du? Was ist denn passiert?«

»Gerade genug, Kapitän, um mir den Kopf in den Nacken zu drehen. Auf Borghees sah ich Wunder bei Wunder, die herrliche Gräfin in verlockendem Fleisch, Rosen bei Rosen, trank ich die feurigsten Weine, aber ich fand auch... Auf Haus Borghees lauert ein entsetzliches Tier unter Blumen und Blüten, und diesem giftigen Reptil habe ich den Kopf zu zertreten.«

»Mein Gott und mein Heiland!«

Jakobine war bei ihm.

»Reiner, was hast du?«

Ihr sonst so kirchenstilles Gesicht entstellte sich.

»Weib, was ich habe?! Ich prangere an,« und seine Stimme pfiff und sirrte wie eine Hetzpeitsche über den Tisch. »Mir ist ein ekler Spitalgeruch in die Nase gekommen, und so ein Spitalgeruch geht auf die Nerven. Gewisse Situationen bringen das mit sich. Da frommen keine Latwergen und Spezereien, sich diesen Spitalgeruch aus den Kleidern zu räuchern.«

Jakobine schrie auf: »Reiner, wo soll das hinaus?«

Sie suchte sich an ihn zu drängen.

»Nein – du, keine Latwergen und Spezereien. Die gehören nicht zur Tagesordnung. Aber Pulver und Blei muß einem unter den Windfang kommen. So nur gesundet man an Leib und Seele. Im übrigen – laß mich.«

Seine Hand drängte sie ab, ballte sich zur Faust, fiel auf die Tafel.

»Wenn ich ein Weib besitze, will ich es auch mit Leib und Seele besitzen, will es ganz und völlig besitzen, bis zur letzten Maser und Faser besitzen. Ich teile mit keinem. Darin bin ich Egoist bis zum äußersten. Keine faulen Kompromisse und sonst nichts. Den ersten Schnitt will ich haben. So recht aus der jungen Maienblüte heraus. Nicht Nachschnitt und Grummet. Das Weib soll sein wie eine herrliche Palme. Geheiligt, geweiht und gesegnet ... und wer es wagt, seinen Mund zu berühren, seine stolze Form zu betasten, der zerbricht das Behältnis einer konsekrierten Hostie ... und Sie wagten es – Sie ...«

Sein starres Gesicht war aus Bronze gehauen. Seine Stimme rollte.

»Und Sie wagten es, Herr, diese stolze Form zu betasten. Carne vaIe! Achtung, Baron! Wir sind zwar im Sommer. Aber es besteht immer die Menschenmöglichkeit: hier auf Borghees kann sich noch 'ne fröhliche Fastnacht begeben. Ich ersuche um Antwort. Sie sind doch im Bilde?«

»Völlig,« kam es abgerissen zurück. »Zwischen Kavalieren ist der gerade Weg immer der nächste.«

»Also – ich habe nichts weiter zu sagen?«

»Nichts.«

»Dann möchte ich bitten.«

Wie angepfählt sah der Baron auf Portiere und Eingang.

In dem harten Gesicht zuckte keine Fiber.

Dann warf er den Kopf herum.

Reiner nickte ihm zu.

»Ja, ich verstehe.«

Wie zwei gute Freunde verließen sie gemeinsam das Zimmer, und die Tür schloß sich wieder, als wäre sie auf Geisterschuhen gegangen.

»Reiner ...!«

Jakobine stierte hinter den beiden her.

Der Schrei zerging ihr zwischen den Zähnen.

Es war ihr, als hätte sie Blut auf der Zunge.

»Das geht um mich,« sagte sie tonlos.

Ihre Knie versagten den Dienst.

Der Kapitän fing sie auf. Er hatte einen Fluch hinder der Binde.

»Gottverdammich, sind wir hier denn alle des Satans geworden? Blexem und Donnder!« Seine Stimme lärmte wie eine rauhe Sirene: »Jakobine, was haben die beiden? Was soll das? Mir ist so, als stellte sich die Welt auf den Kopp. Hallo! Michel, mir ist so, als kröche mir ein scheußliches Biest über die Weste. Fort mit dem Vieh, denn ich habe stets 'ne propere Weste besessen. Blexem! Oder Jakobine – du ... bist du vielleicht ...?!«

»Ja und nein!« schrie sie auf. »Die Gräfin ... so eben ... ich kann es selber nicht sagen ... unter ihrem Bilde ... er wagte es...«

Sie drohte zu stürzen.

»So 'ne Hundekanaille! Halte mich fest, ober ich schlage den Kerl mit 'ner Bouteille aus seinem eigenen Keller über den Bregen.«

»Vater ...!«

»Ja, so 'ne Hundekanaille! Oder aber ...?!«

»Hemskerk, ich ersuche dich hiermit ...«

Michel Virgilis hielt ihn zurück.

»Willst du wohl deine kapiteinische Ruhe bewahren. Besonders jetzt. Wir sind plötzlich in Seenot geraten. Warten wir ab. Es wird sich alles schon geben. Das Wasser verliert sich. Im übrigen: man böllert nicht mit Kanonen auf Spatzen. Immer bloß kapiteinische Seßhaftigkeit. Nur keine Bange. Die beiden werden die dumme Sache wohl unter sich selbst abmachen können. Ohne Molesten. Also setzen wir uns. Wir müssen die Kontenance bewahren. Auf alle Fälle. Da kommt wer.«

Hemskerk riß seinen inneren und äußeren Menschen zusammen. Mit Mittel- und Zeigefinger strammte er zwischen Quäkerbart und Kragen hindurch.

»Gut denn. Also setzen wir uns,« und er stierte auf die Türe, die sich geräuschlos bewegte.

Der Herr mit den seidenen Eskarpins trat wieder ein, um nach dem Rechten zu sehen. Immer derselbe, immer die ägyptische Sphinx, die nämliche Teilnahmlosigkeit der engeren und weiteren Umwelt gegenüber, und hätte er sich unter halbentblößten Haremsdamen bewegt, seine ebenmäßige Ruhe wäre wie die eines Verschnittenen nicht aus ihrer Reserve getreten. Mit der Exaktheit einer Präzisionsmaschine umschritt er lautlos die Tafel, zupfte das Tischtuch zurecht, weckte er schwelende Kerzen zu neuem Leben, musterte er den Pegelstand der hohen Kristalle, begab er sich zur Türe, um dort, abermals zum Schatten geworden, wieder als Schatten zu schwinden.

Michel Vivgilis lachte hinter ihm her.

»Kaptän, weißt du was? Den Kerl sollte man sich auf 'nen Pfeifenkopf malen lassen.«

»Der ...?!« wieherte Hemskerk, und sein Kopf war wie mit Blut übergossen. »Ich denke anders darüber. Solche Musjös geben zu denken, sind wie Rasiermesser, die den verkehrten Weg gehen. Aus solchen Menschen werden Leichenbitter geschnipselt. Die sagen den Tod an.«

Mynheer Tappert sprang auf.

»Hemskerk, du willst doch nicht sagen ...?«

»Nichts will ich sagen ... Hallo!«

Ein Schuß krachte aus dumpfer Ferne herüber.

Ein zweiter folgte.

Dann Stille wie im Haus der Aussätzigen.

Jakobine saß wie mit Schnee übergossen. Die halbgeöffneten Lippen starrten vor Weiße. So saß sie wie eine schöne Tote im Reiche des Todes.

Hemskerk und Michel Virgilis wollten was sagen, schwiegen aber vor dem Ernst des furchtbaren Augenblickes.

Haus Borghees wurde lebendig. Türen wurden geöffnet und zugeschlagen. Auf den Gängen irrten eilige Schritte ... und wiederum seufzte die Tür in ihren geräuschlosen Angeln.

Der undurchdringliche Herr in Livree erstattete Meldung, still und geruhsam, als hätte er irgendeinen wildfremden Zettel herunterzubeten: »Auf Haus Borghees ist ein kleines Unglück geschehen. Die Herrschaften werden entschuldigen, wenn ich Notiz davon gebe. Der Herr Baron waren gesonnen, seinem verehrten Gast seine neuen Scheibenpistolen zu zeigen. Dabei löste sich leider ein Schuß. Aus noch nicht aufgeklärten Gründen folgte ein zweiter, der den Herrn Baron nicht unbedenklich verletzte. Der fremde Herr erbot sich sofort, Hilfe herbeizuführen. Er ist bereits auf Emmerich zu, um den Arzt zu verständigen. Das Weitere müssen die nächsten Tage und Wochen erbringen.«

Er schwieg und zerging in seinem eigenen Schweigen.

Der Kapitän raffte sich auf.

Sein Pontakgesicht brannte, als wäre eine gehörige Portion voll des grimmigsten Nordlichtes darüber gefallen.

Dann griff er mit seiner Pratze zur Seite.

Die packte zu und legte sich schwer um den Arm seiner Tochter.

»Jakobine, das haben wir dir zu verdanken.«

Sie sah ihm fest in die Augen.

»Wie du meinst,« sagte sie ruhig. »Die Stunde spricht gegen mich. Mag sie es tun. Vor meinem Gott und meinem Gewissen kann ich bestehen.«

»Gut,« gab der Alte eisig zurück, »genau so wie der zugeknöppte Mensch eben sagte, genau so sag' ich es auch: Jakobine, das werden die nächsten Tage und Wochen erbringen. Basta! Warten wir ab. Wir werden ja hören ...« und er rief Michel Virgilis an: »Auf nach Valencia! Wir haben hier nichts mehr zu suchen, mein Junge.«


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