Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wie mehrere der letzten novellistischen Arbeiten Laubes ist auch die erste der in diesem Bande vereinigten Novellen »Die kleine Prinzessin« die Verwertung eines vor Jahr und Tag zinslos angelegten Kapitals. Wie der Kurfürst eines kleinen deutschen Staates auf einer Studienreise nach Paris von einer raffinierten französischen Hochstaplerin umgarnt wird, wie er, auf einige Zeit ganz ihrem berückenden Zauber verfallen, seine nationale Pflicht soweit vergißt, daß er die Ausländerin zu seiner Gattin machen will, und wie er dann von seinen Getreuen mühsam aufgeklärt und wieder zu seiner deutschen Liebe, der Tochter eines noch kleineren deutschen Reichsfürsten zurückgeführt wird, diese zum Teil groteske Bekehrungsgeschichte war der Vorwurf zu einem Lustspiel gewesen, das Laube 1859 unter dem Pseudonym »Gustav von Blittersperg« im Verlage von H. Hässel als Manuskriptdruck erscheinen ließ und das, wohl seines komplizierten Intrigenapparates wegen, keinen Schritt auf die deutsche Bühne getan hat. Die Gruppierung des Stoffes ist in dieser »Crescentia« eine wesentlich andere. Die ganzen Begebenheiten sind hier in der notwendigen dramatischen Verkürzung gesehen. Das Vorspiel gibt die Vorgeschichte, die Verlobung des Kurfürsten mit Crescentia, der Tochter des Reichsfürsten Crescentius, und schließt mit dem Tode ihrer Mutter, die nicht ohne Besorgnis dem jungen Paare noch ihren Segen geben kann. Das Lustspiel selbst entwickelt sich in Karlsbad, wo sich die Intrigen der Französin mit denen der Anhänger des Kurfürsten in einen dichten Knäuel verwickeln, bei dessen Entwirrung alles das zutage kommt, was sich zwischen dem Vorspiel und dieser Lösung des Konfliktes begeben hat. Die etwas kriminalistische Pointe ist, daß die französische Schwindlerin sich selbst verrät, als sie unvermutet im entscheidenden Augenblick mit ihrem richtigen Namen, den zu verhüllen sie allen Anlaß hat, angerufen wird und im ersten Augenblick auch diesem Anruf folgt.
In der Novelle sind diese Vorgänge anders pointiert und vor allem gewissermaßen von der breiten Seite gesehen. Das erforderte die Einführung neuer Personen, für die im Lustspiel kein Raum war; der Graf von Warren und mehrere Episodenfiguren, welche die Zeit daheim zwischen der Abreise des Kurfürsten und der schließlichen Begegnung der Parteien in Karlsbad auf ihre Weise ausfüllen, gehören allein der Novelle an. Auch die Namen haben gewechselt. Aus dem biederen Crescentius wurde ein Immanuel XIX., aus der Herzogin von Flavigny eine Marquise d'Outretombe, aus dem General von Waltersdorf ein Wolkenburg und so fort; da die Rücksicht auf eine etwaige Bühnenzensur fortfiel, konnte die Charakteristik der reichsdeutschen Verhältnisse sich in der Novelle freier gehen lassen. Nur der humoristische Jäger Golz hat sich in beiden Fassungen behauptet. Sein Urbild dürfte der Pücklersche Förster sein, der Freund Laubes, dem auch das »Jagdbrevier« gewidmet ist. Das Jagdschloß, auf dem das Vorspiel und der erste Teil der Novelle sich abwickeln, hat ebenfalls in dem Jagdschloß bei Muskau sein Ebenbild.
Die Novelle »Die kleine Prinzessin« erschien 1883 im Verlage von S. Schottländer (Breslau und Leipzig). Verbunden mit ihr war noch eine novellistische Zugabe, »Blond muß sie sein«; Jugenderinnerungen Laubes aus seiner Glogauer Gymnasiastenzeit, von denen schon der Reisenovellist einiges verraten hatte, weiterhin ein Erlebnis, das sich von den Breslauer Lehrjahren nach Berlin fortgesetzt hatte und in die Gefängnisepisode Laubes von 1834 hineinspielte, verknüpften sich hierin mit einer spätern Begegnung in Karlsbad und schlossen sich zu einer etwas flüchtigen novellistischen Kombination zusammen. Badeeindrücke aus Karlsbad, wo Laube seit seiner ersten Kur im Jahre 1832 später so oft Erholung suchte, geben beiden Novellen einen einheitlichen Hintergrund, und daher war die Vereinigung beider Arbeiten in einen Band auch in diesem Neudruck beizubehalten.